Protokoll der Sitzung vom 26.09.2018

Es ist schon gesagt worden, wie wir dazu stehen. Natürlich ist das Anliegen völlig berechtigt, aber wir machen es doch schon.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das war Herr Abg. Baumann-Hasske für die SPD-Fraktion.

Nun frage ich noch einmal in die Runde: Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Ich frage nun die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Köpping, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was sind die Kernforderungen des vorliegenden Antrages? Die Staatsregierung soll, ausgehend von den Bestimmungen der IstanbulKonvention, ein sächsisches Maßnahmenprogramm zum Schutz vor häuslicher und sexualisierter Gewalt erarbeiten und dem Landtag bis Ende des ersten Quartals 2019 vorlegen. Dies wird mit der Forderung verknüpft, den Sächsischen Landesaktionsplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt fortzuschreiben.

Eine Fortschreibung des Landesaktionsplanes wird vom Lenkungsausschuss zur Bekämpfung häuslicher Gewalt bereits vorbereitet. Eine Evaluation der Maßnahmen ist eingeleitet. Die Orientierung an den Handlungspflichten der Istanbul-Konvention ist ausdrückliches Ziel der Fortschreibung.

Die Istanbul-Konvention ist ein sehr umfassendes Regelwerk, das die Gewalt gegen Frauen in vielen Facetten thematisiert. Deshalb müssen wir in der Umsetzung Schwerpunkte setzen. Für mich steht im Mittelpunkt die Anforderung, ein flächendeckendes, umfassendes, allgemein sowie barrierefrei zugängliches Unterstützungssystem für alle von Gewalt betroffenen Mädchen, Frauen und deren Kinder in Sachsen zu schaffen.

Wir haben in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen zur Erfüllung dieser Anforderungen unternommen. Wir haben die Fördermittel für Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen, für Interventions- und Koordinierungsstellen, für die Täterberatungsstellen und für die Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel von 1,4 auf 3,5 Millionen Euro im laufenden Haushalt erhöht. Ich will das hier noch einmal sagen, weil damit das Hilfesystem wirklich gestärkt wurde.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Wir haben die Rahmenbedingungen der Förderung durch die Novellierung der Richtlinie Chancengleichheit deutlich verbessert. Sie haben gerade angesprochen, dass die Kommunen, gerade was die Frauenschutzhäuser betrifft, den Abruf der Fördermittel teilweise nicht so richtig koordinieren. Ich will es noch einmal sagen: Wir haben die Förderung bis zu 90 % erhöht. Das heißt, die Möglichkeiten sind da, aber es muss auch der Wille da sein.

Es ist richtig: Was die Quote der Frauenschutzhausplätze betrifft, liegt Sachsen unter dem Bundesdurchschnitt. Aber die Quote von Frauenhausplätzen ist nicht das alleinige Kriterium für die Leistungsfähigkeit eines Hilfesystems. Auf der Grundlage der erwähnten Aufstockung der Fördermittel haben wir in Sachsen qualitative Akzente gesetzt.

Wir haben in Sachsen eine sehr gute regionale Vernetzungsstruktur aufgebaut, insbesondere eine beispielhafte Kooperation der Interventions- und Koordinierungsstellen mit der Polizei. Wir haben als eines der wenigen Bundesländer in den Interventions- und Koordinierungsstellen ein eigenständiges Beratungsangebot für Kinder und Jugendliche, die indirekt von Gewalt betroffen sind, aufgebaut. Wir fördern ein aus Landesmitteln auf geflüchtete Frauen spezialisiertes Schutzhaus in Leipzig als Pilotprojekt.

Wir fördern als erstes Bundesland – das will ich noch einmal sagen, weil schon wieder der Wunsch nach mehr kommt – Männerschutzwohnungen in Dresden und in Leipzig mit insgesamt sechs Plätzen. Diesbezüglich kann man sicherlich mehr tun, aber noch einmal: Wir sind das erste Bundesland, das so etwas macht.

Es ist auch offensichtlich, dass die deutlich erhöhte Landesförderung nicht dazu geführt hat, die regionalen Versorgungslücken in unserem Hilfesystem zu schließen. Für mich ist die Konsequenz daraus, dass wir für das Land Sachsen eine Bedarfsanalyse und eine Bedarfsplanung brauchen, die zwischen Land und Kommunen verbindlich abgestimmt ist. Wir müssen die regionalen Bedarfe vor Ort genauso berücksichtigen wie die überregionalen Planungsbedürfnisse des Landes.

Deshalb beteiligt sich das SMGI an dem Modellprojekt des Bundes „Bedarfsanalyse und -planung zur Weiterentwicklung des Hilfesystems zum Schutz von Frauen vor Gewalt und vor häuslicher Gewalt“ mit einem sächsischen Baustein. Ziel ist es, dass sich die Landesregierung, die Landkreise, die Kommunen und die Träger auf gemeinsame Kriterien und Kennzahlen verständigen, die einer abgestimmten Bedarfsanalyse und Bedarfsplanung für das Land Sachsen zugrunde gelegt werden können.

Unter wissenschaftlicher Begleitung soll ein von allen beteiligten Akteuren akzeptiertes Monitoring zur Entwicklung der Infrastruktur der Hilfsangebote und ihre Inanspruchnahme entwickelt und implementiert werden. Nach Vorliegen der Projektergebnisse – im Sommer 2019 soll das sein – wird das SMGI in Abstimmung mit den Landkreisen und Kommunen ein Gesamtkonzept zur Bereitstellung eines flächendeckenden Angebotes von

Frauenhäusern und Beratungsstellen für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder erarbeiten und einen neuen Vorschlag für eine gerechte, zukunftssichere Finanzierung unterbreiten. Die Schutzbedürfnisse von Männern, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, werden hierbei einbezogen.

Ich halte es für unbedingt notwendig, dass die Ergebnisse des „Modellprojektes zur Bedarfsanalyse und Bedarfsplanung... Gewalt“ in eine Fortschreibung des Landesaktionsplanes zur Bekämpfung häuslicher Gewalt einfließen. Das Projekt wird bis August 2019 abgeschlossen sein. Eine Fortschreibung des Landesaktionsplanes sollten wir daher frühestens für das IV. Quartal 2019 ins Auge fassen.

Neben der häuslichen Gewalt ist die sexualisierte Gewalt ein zentrales Thema der Istanbul-Konvention. Ich halte es für dringend geboten, dass wir die Opfer dieser Form von Gewalt expliziter als bisher in den Fokus unseres Unterstützungssystems stellen. Bisher richtet sich das durch die Landesregierung geförderte Hilfesystem nur an Opfer von sexualisierter Gewalt, soweit diese im Kontext von häuslicher Gewalt ausgeübt wird. Opfer von sexualisierter Gewalt, die im öffentlichen Raum, wie im Arbeits- und Freizeitbereich, stattfindet, können hierdurch von der Landesregierung geförderte Hilfesysteme zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt derzeit keine fachlich qualifizierte Unterstützung bekommen. Das wollen und müssen wir ändern.

Wir werden im Rahmen eines Modellprojektes Beratungs- und Netzwerkstrukturen für Opfer sexualisierter Gewalt aufbauen. Im Zusammenhang mit einer Verbesserung der medizinischen Akutversorgung für Vergewaltigte werden wir die verfahrensunabhängige Spurensicherung für Opfer von sexualisierter Gewalt modellhaft für Sachsen erproben. Wir werden damit eine wesentliche Handlungspflicht der Konvention erfüllen können.

Weitere im Antrag angesprochene Themen sind die Berücksichtigung von Gewalt gegen Frauen in Sorgerechts- und Umgangsrechtsverfahren oder die Gestaltung einer psychologischen Prozessbegleitung für von Gewalt betroffene Frauen. Diese Aspekte werden in der AG Justiz des Lenkungsausschusses zur Bekämpfung häuslicher Gewalt bereits explizit bearbeitet.

Was die Forderung nach der Einrichtung einer unabhängigen Monitoringstelle gegen häusliche und sexualisierte Gewalt beim Sächsischen Staatsministerium für Gleichstellung und Integration zur wirksamen Kontrolle der Umsetzung der Istanbul-Konvention angeht, ist zu sagen: Ein zwischen Land, Kommunen und Trägern akzeptiertes Monitoring zum Stand und zur Inanspruchnahme der Infrastruktur der Hilfsangebote gegen häusliche Gewalt wird in dem bereits erwähnten Projekt zur Bedarfsplanung entwickelt und implementiert.

Aus alldem wird deutlich: Die Staatsregierung hat mit der Umsetzung der Istanbul-Konvention längst begonnen. Fast alle im Antrag aufgeführten Maßnahmen stehen bereits auf der Agenda der Staatsregierung. Es bedarf dieses Antrages deswegen nicht, um die Staatsregierung

für eine angemessene Umsetzung der Konvention in die Pflicht zu nehmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Das Schlusswort hat die Fraktion DIE LINKE; Frau Abg. Buddeberg wird es halten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Köpping, ich muss doch leider etwas Wasser in den Wein gießen; denn nach dem, was Sie jetzt hier vorgestellt haben, hätte man meinen können, dass wir in Sachsen schon alles auf den Weg gebracht hätten und es nichts mehr zu tun gäbe.

Ich wundere mich aber darüber, warum ich gerade heute eine Stellungnahme des Vereins Frauen für Frauen Leipzig – gerichtet an das Sozialministerium – zum Doppelhaushalt bekommen habe, in der es heißt – ich zitiere –: „In Sachsen existieren zwei spezialisierte Beratungsstellen für erwachsene Betroffene sexualisierter Gewalt. Die Finanzierung dieser Fachberatungsstellen erfolgt über die jeweiligen Kommunen. Eine Landesförderung besteht nicht und ist in der entsprechenden Förderrichtlinie bisher nicht vorgesehen. Daher sind im entsprechenden Passus des sächsischen Doppelhaushalts keine Mittel eingestellt. Durch die Unterzeichnung der IstanbulKonvention ist die Bundesrepublik Deutschland und damit auch der Freistaat Sachsen zu einer Bereitstellung eines adäquaten fachspezifischen Hilfenetzwerkes für Betroffene von sexualisierter Gewalt verpflichtet. Dieses Hilfesystem existiert im Freistaat Sachsen nicht einmal im Ansatz. Es ist keine politische Strategie zu erkennen, wie die prekäre Lage verbessert werden kann.“

Das schreibt der Verein Frauen für Frauen Leipzig, einer der größten Vereine in Sachsen, der sich im Kampf gegen häusliche Gewalt engagiert und zwei Frauenschutzhäuser betreibt. Natürlich kann es sein, dass sie von all diesen Aktivitäten der Staatsregierung bisher keine Kenntnis haben. Das würde mich aber doch sehr wundern, denn ich kenne die Unterzeichnerin dieses Briefes, Susanne Hampe, und man sieht sie in vielen Runden. Insofern bitte ich es mir nachzusehen, dass ich nicht ganz so optimistisch bin, was die Strategien der Staatsregierung angeht.

Die Überarbeitung der Förderrichtlinie, die Sie angesprochen haben, ist sicherlich ein wichtiger Schritt, aber sie nützt nichts, wenn die Gelder im Haushaltsplan dafür nicht eingestellt werden. Den Stellungnahmen der Frauenschutzhäuser ist zu entnehmen, dass hierbei die alte Richtlinie als Grundlage genommen worden ist. Darüber können wir noch im Ausschuss diskutieren. Somit haben Sie noch Zeit nachzusteuern. Wir werden auch entsprechende Änderungsanträge stellen.

Noch einmal zu der Frage, ob es dieses Antrags bedarf oder nicht. Es gab in unserem Nachbarland SachsenAnhalt einen ähnlichen Antrag: Antrag zur Umsetzung der

Istanbul-Konvention. Dieser kam nun nicht von den LINKEN, auch wenn die Kolleginnen und Kollegen in Sachsen-Anhalt dem zugestimmt haben, sondern er kam von den regierungstragenden Fraktionen, in diesem Fall: CDU, SPD und GRÜNE. Wenn das in Sachsen-Anhalt möglich ist, sollten Sie vielleicht Ihre ablehnende Haltung noch einmal überdenken oder in den Austausch mit den Parteifreundinnen und Parteifreunden treten und sich die Relevanz erklären lassen.

(Zuruf des Abg. Jens Michel, CDU)

Die angesprochene Bedarfsanalyse ist schon lange angekündigt. In der Zwischenzeit vergeht aber einfach zu viel Zeit. Es mangelt nicht an Willensbekundungen – ich weiß auch, dass diese ernst gemeint sind, Frau Köpping –, aber es mangelt an vielen Stellen an der konkreten Umsetzung. Wir wollen nicht mehr warten und die Frauen, die von

Gewalt bedroht und deren Leben bedroht ist, können gleich gar nicht mehr warten.

Deshalb bitte ich, unserem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, den GRÜNEN und der Abg. Simone Lang, SPD)

Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zur Abstimmung. Wer dem Antrag in Drucksache 6/14763 zustimmen möchte, zeigt das bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke sehr. Gibt es Enthaltungen? – Bei keinen Enthaltungen, zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden. Meine Damen und Herren, dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Anerkennung und Honorierung der Leistung pflegender Angehöriger –

Landespflegefördergeld einführen

Drucksache 6/14750, Antrag der Fraktion AfD

Meine Damen und Herren, die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: zunächst die AfD-Fraktion, danach die CDU, DIE LINKE, die SPD, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird.

Meine Damen und Herren! Wir beginnen mit der Aussprache. Zunächst hat für die AfD-Fraktion Herr Abg. Wendt das Wort. Bitte, Herr Wendt.

Sehr geehrte Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit fast drei Jahren tagt die Enquete-Kommission „Pflege“ hier im Sächsischen Landtag. Die Meinungsfindung ist zwar größtenteils abgeschlossen und der Bericht, auf den wir alle gespannt sein dürfen, wird voraussichtlich im Januar 2019 vorgelegt. In den drei Jahren hat es einige Neuregelungen auf Bundesebene gegeben, aber dennoch ist festzustellen, dass es weiterhin viele Baustellen gibt, die in diesen drei Jahren immer dringlicher geworden sind und uns zum entschlossenen Handeln zwingen.

Sie haben heute die Möglichkeit zu handeln, indem Sie unserem Antrag zustimmen. Es geht um die wohl wichtigste Frage in der Pflegepolitik, nämlich: Wie schaffen wir es auch in Zukunft, eine angemessene und würdevolle sowie selbstbestimmte Versorgung unserer Pflegebedürftigen sicherzustellen?

Darin sind wir uns sicher alle einig: Die meisten Betroffenen wollen, trotz ihrer Pflegebedürftigkeit, weiterhin in ihren eigenen vier Wänden, im vertrauten Umfeld wohnen bleiben. Aber um ein selbstbestimmtes Leben in der gewohnten Umgebung zu ermöglichen, braucht es

neben Pflegediensten auch das Engagement der Angehörigen.