Die Belastung für die Angehörigen sind dabei enorm, ihr Einsatz ist unbezahlbar, die Anerkennung ist jedoch weiterhin sehr gering. Behördengänge, Waschen des Pflegebedürftigen, das Säubern der Wohnung, das Ein- und Auskleiden, die Pflege von Haaren, Nägeln und Zähnen, das Zubereiten von Speisen sowie menschliche Zuwendung und vieles andere mehr gehören zum Tagesgeschäft eines pflegenden Angehörigen. Unterstützung können Angehörige durch einen Pflegedienst oder Familienangehörige erfahren, aber die Hauptlast bleibt bei ihnen.
Dies kann dazu führen, dass immer weniger Zeit für die eigenen und familiären Bedürfnisse zur Verfügung steht, dass man Hobbys und soziale Kontakte zurückfahren oder aufgeben muss und Beruf und Pflege immer schlechter zu vereinbaren sind. Aber auch gesundheitliche Beeinträchtigungen können die Folge sein. Wir können all denjenigen, die insbesondere neben ihrem Beruf die Pflege eines nahen Angehörigen bewerkstelligen und dafür hohe zeitliche und finanzielle Belastungen in Kauf nehmen, nur unseren größten Dank aussprechen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von diesem Dank kann man sich aber am Ende des Tages keine umfassende Unterstützung einkaufen, keine weiteren Hilfsmittel bezahlen oder für das eigene Auskommen oder die spätere Rente sorgen. Dies gilt auch für das Pflegegeld, welches von der Pflegekasse an die Pflegebedürfti
Pflegebedürftige erhalten demnach beispielsweise bei der schwersten Pflegebedürftigkeit, bei einer unter Umständen ganztägigen Inanspruchnahme der Pflegeperson, pro Monat 901 Euro Pflegegeld. Hinzu kommen 125 Euro Entlastungsbeitrag und 40 Euro für Pflegehilfsmittel. In vielen Fällen kommt das für die Aufwendungen sowieso schon zu geringe Pflegegeld bei den pflegenden Angehörigen leider nicht in Gänze an, da davon oft weitere Pflegehilfsmittel, andere pflegerische Aufwendungen, Dienstleistungen und Güter des täglichen Bedarfs gekauft werden müssen.
Deshalb möchten wir mit unserem Antrag erreichen, dass die pflegenden Angehörigen im Rahmen der nächsten Gesundheitsministerkonferenz in den Fokus gerückt werden. Die Gelegenheit ist günstig, da der Freistaat Sachsen im Jahr 2019 den Vorsitz übernehmen wird. Ziel muss dabei ein gemeinsames Vorgehen der Bundesländer sein, um dringende Verbesserungen auf Bundesebene herbeizuführen.
Hierbei geht es speziell darum, vorhandene Leistungsangebote so auszugestalten, dass diese auch in Anspruch genommen werden können. Zudem möchten wir, dass die Absicherung der pflegenden Angehörigen, insbesondere in der Rentenversicherung, verbessert wird, um Altersarmut vorzubeugen.
Aber auch die Höhe der Kostenerstattung für Pflegehilfsmittel muss thematisiert werden, da die tatsächlich anfallenden Kosten den Pauschbetrag bei Weitem übersteigen. Zudem benötigen wir eine Geldleistung, die entgangenes Einkommen ersetzt, da das bisherige Pflegegeld dafür nicht ausreicht und zum Teil für andere Leistungen eingesetzt wird.
Solange es keine angemessene Leistung für Aufwand und Verdienstausfall vom Bund gibt, wollen wir, dass ein Landespflegefördergeld vom Freistaat konzipiert und ausgereicht wird, welches ab Pflegegrad 2 greift und an pflegende Angehörige ausgezahlt wird. Das Angebot des zinslosen Darlehens beispielsweise, welches den Verdienstausfall pflegender Angehöriger kompensieren soll und wieder zurückgezahlt werden muss, hat sich als nicht zielführend und totaler Flopp herausgestellt und sollte von der Bundesebene nicht weiter verfolgt werden.
Des Weiteren müssen Unternehmen, welche die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf umsetzen wollen, steuerlich entlastet werden. Bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sollte der Freistaat hierbei für andere Arbeitgeber als Vorbild vorangehen und ein eigenes Konzept für die öffentliche Verwaltung entwickeln. Nur so wird sich die Versorgung und Betreuung der Pflegebedürftigen im Freistaat auch in Zukunft sichern lassen.
Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Schreiber. Herr Schreiber, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, pflegende Angehörige sind eine wichtige, wenn nicht gar die tragende Säule der Pflegelandschaft in der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Genau deshalb macht es mich, ehrlich gesagt, traurig, dass wir unter Tagesordnungspunkt 8 auf Antrag der AfD-Fraktion dieses so wichtige Thema hier im Plenum bei einer unheimlich großen Anzahl von Zuschauerinnen und Zuschauern und einem überragenden Medieninteresse diskutieren.
Ich sage das deshalb, Herr Wendt: Zunächst hat es mich irritiert, dass Ihr Mitglied der Enquete-Kommission, Frau Grimm, nicht zu diesem Antrag spricht. Aber vielleicht sollte es von dem ablenken, was Sie hier eigentlich tun. Ich finde es deshalb schade, weil wir eine EnqueteKommission haben, die in naher Zukunft – nämlich am Montag nächste Woche – eine ihrer wichtigsten und entscheidenden Sitzungen vor sich hat, eine EnqueteKommission, die zum Ende dieses Jahres den Bericht beim Landtagspräsidenten abgeben wird.
Hinter diesem Bericht steht eine Arbeit von fast zwei Jahren mit vielen Diskussionen, vielen Anhörungen und vielfältigem fachpolitischen Austausch. Wir alle wissen, Herr Wendt, dass wir im Januar des nächsten Jahres eine öffentliche Veranstaltung zu diesem Bericht haben werden, und wir wissen auch, dass im Januar des nächsten Jahres der Bericht der Enquete-Kommission in Gänze – nicht nur in Auszügen – hier im Plenum thematisiert werden soll.
Ich stelle mir schon die Frage, warum Sie den aus meiner Sicht über alle Parteien hinweg, über alle Fraktionen hinweg getroffenen Kompromiss und die Abmachung, die wir getroffen haben, dass wir nicht im Vorfeld mit Dingen oder Einzelbereichen aus diesem Bericht öffentlichkeitswirksam werden und schon gar nicht Anträge dazu im Plenum diskutieren wollen, aufkündigen. Ich frage mich, warum Sie diesen Kompromiss jetzt, kurz vor Fertigstellung des Berichtes, kurz vor Beendigung der Arbeit der Enquete-Kommission, hier aufkündigen. Ich verstehe es auf gut Deutsch nicht.
Ich kann es mir nur so erklären und ich werde es Ihnen auch begründen: Wahrscheinlich steckt dahinter wieder die Strategie: Die alten Parteien, die etablierten Parteien – wie auch immer Sie uns nennen mögen – sind wieder viel zu spät. Die AfD hat es ja schon immer gewusst. Sie hat es schon im September vorgetragen und das Thema schon viel eher besetzt, und dann kommen die anderen und springen auf.
Ich sage Ihnen auch, warum: Sie müssen nicht denken, dass auf diesen drei Zetteln meine jetzige Rede steht. Ich habe auf diesen Zetteln Formulierungen aus Ihrem Antrag zusammengetragen und mit dem Entwurf des Berichtes der Enquete-Kommission abgeglichen.
Es ist einfach nur schäbig, dass Sie hier Arbeit für sich reklamieren, die von Frau Grimm, aber insbesondere auch von den Mitgliedern der anderen Fraktionen, von den externen Sachverständigen geleistet wurde, und hier im Plenum ein Thema meinen für sich besetzen zu können. Das ist absolut schäbig und geht an diesem wichtigen Thema absolut vorbei!
(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Valentin Lippmann, GRÜNE: Plagiat!)
Ich mache Ihnen das an einem Beispiel ganz deutlich, damit Sie nicht sagen können, der Schreiber spinnt.
In der Begründung Ihres Antrages auf Seite 3, Absatz 3 heißt es – ich zitiere: „Eine Studie der Hans-BöcklerStiftung ermittelte, dass Pflegehaushalte pro Woche durchschnittlich 63 Stunden und 360 Euro je Monat zusätzlich zum Pflegegeld aufwenden.“ – Aus Ihrem Antrag. Jetzt nehme ich mir das Recht heraus und zitiere aus dem Entwurf des Enquete-Berichts, Seite 178, Zeilen 14 bis 24: „Laut einer Studie der Hans-BöcklerStiftung aus dem Jahr 2017 gibt ein durchschnittlicher Pflegehaushalt in Deutschland monatlich insgesamt etwa 360 Euro für die Pflege eines Angehörigen aus.“ Das ist ein Beispiel. Ich habe auf drei Seiten – ich gebe Ihnen das auch gern, wenn Sie es wollen –, den Nachweis, wie Sie hier abgeschrieben haben!
Jetzt komme ich zum eigentlichen Thema des Antrages, wohl wissend, dass es scheinbar keinen Widerhall finden wird.
Ich habe es schon gesagt: Pflegende Angehörige sind eine wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste Säule, die wir haben.
Der Großteil der Menschen, die in Deutschland gepflegt werden, ist angewiesen auf die Hilfe und Unterstützung ihrer Angehörigen. Das können Verwandte sein, das können nahe Freunde sein. Unser gesamtes Pflegesystem, so würde ich behaupten, würde wahrscheinlich überhaupt nicht so leistungsfähig sein, wenn es diese wichtige Gruppe von Personen in unserer Gesellschaft nicht gäbe. Wir würden uns alle miteinander umschauen, welche Herausforderungen zusätzlich bewältigt werden müssten.
Ich sage es Ihnen ganz deutlich, Herr Wendt: Diese Damen und Herren – diese Angehörigen, diese Freunde von Pflegebedürftigen – machen das nicht aus der Motivation des Geldes heraus, sondern sie machen das aus einer tief menschlichen Verbundenheit zu ihren Angehörigen, die nicht genug wertzuschätzen ist, aber sie machen es weiß Gott nicht deshalb, weil sie in irgendeiner Art und Weise davon leben wollen oder besser leben wollen als andere.
Deswegen steht nicht die Frage des Geldes im Vordergrund, sondern das, was wir tun können, um pflegende Angehörige bei der Bewältigung ihres Alltags tatsächlich zu unterstützen. Das muss für uns im Vordergrund stehen!
Wenn man weiß, dass 65 % der pflegenden Angehörigen täglich ihre Angehörigen pflegen – oder 84 % zwischen fünf und sieben Tage in der Woche –, dann weiß man auch, was das oftmals neben einer Berufstätigkeit eigentlich bedeutet.
Ich bin sehr froh, dass noch ein Aspekt schon Anfang des Jahres von der neuen Staatsregierung aufgegriffen worden ist – und das hat mit der arbeitenden EnqueteKommission rein gar nichts zu tun –, der Aspekt, wie wir dieses Engagement wertschätzen können: dass es die Woche der pflegenden Angehörigen gibt, was natürlich bei Weitem nicht ausreicht bzw. die Angehörigen, die ihre Liebsten pflegen, nur bedingt entlasten kann. Es ist aber wichtig, dass man ihnen die Möglichkeit gibt, mal rauszukommen. Ich will ganz deutlich sagen: Es gibt viele, viele weitere Punkte, wie wir Angehörige unterstützen können, die wiederum ihre Lieben pflegen.
Ich bin aber, ehrlich gesagt, nicht bereit – und das werde ich auch nicht tun –, mich hier weiter über das auszulassen, was wir in der Enquete-Kommission miteinander diskutiert haben – was wir teilweise sehr widersprüchlich, teilweise sehr kontrovers diskutiert haben –, wobei ich aber immer das Gefühl hatte, dass wir überparteilich zu Kompromissen gekommen sind. Bei den Formulierungen, den Handlungsempfehlungen und den Vorstellungen, die wir entwickelt haben, hat es nicht einen Moment gegeben, wo Anträge abgelehnt worden wären, weil sie von dieser oder jener Partei gekommen sind. Frau Grimm, wenn Sie das hier behaupten, dann sprechen Sie die Unwahrheit – ganz eindeutig die Unwahrheit. Es gibt sowohl Anträge von der AfD als auch Anträge von den LINKEN, die sehr wohl in der Enquete-Kommission eine Mehrheit gefunden haben, und ich bin stolz darauf, dass wir in dieser Enquete-Kommission ein Stück weit die parteipolitischen Grenzen überwinden konnten.
Genau aus diesem Grund, weil das Thema zu wichtig ist, um es in einem parteipolitischen Antrag durchs Plenum zu jagen, finde ich es in keinster Weise angemessen, wie Sie hier mit diesem wichtigen Thema umgehen. Ich bin sehr gespannt, welcher Antrag mit Inhalten aus dem Enquete
Bericht im November seitens der AfD kommen wird – und im Dezember und vielleicht im Januar –; wie Sie hier mit der Arbeit der Enquete-Kommission, in die viel Gehirnschmalz, viele Stunden Arbeit hineingeflossen sind, umgehen werden.
Schon allein aus dem Grund – und das hat rein gar nichts mit den Inhalten zu tun – werden wir Ihrem Vorgehen hier nicht folgen und Ihren Antrag ablehnen.
Herr Schreiber, grundsätzlich werden Sie in unserem Antrag keine Forderung finden, die in der Enquete-Kommission nicht behandelt worden wäre. Zum anderen, was die Begründung angeht: Die Studien der Hans-Böckler-Stiftung sind für jeden öffentlich, und wenn sich diese in unserer Begründung finden, dann können Sie uns hier keinen Vorwurf machen und dies negativ auslegen.