Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

Die Redezeit – –

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Frau Dr. Pinka für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt könnte für die AfD erneut Herr Urban sprechen. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Für den Strukturwandel braucht man wesentlich mehr als Debatten. Arbeitsplätze und Wertschöpfungen kommen mit Investitionen in eine Region. Für Investitionen kann und soll Politik Rahmenbedingungen schaffen.

Die Energiewende, für die inzwischen auch die CDU steht, verschlechtert die Rahmenbedingungen für Investitionen und führt auf diese Weise zum Abbau von Arbeitsplätzen und schwächt Regionen. Die Energiewende tut das ohne Not. Die Energiewende in der heutigen Form ist weder Umweltschutz noch Klimaschutz. Der Beitrag Deutschlands – das wurde schon oft gesagt – zum weltweiten Klimaschutz geht gegen null. So kann man keine vernünftige Wirtschaftspolitik machen. Das, was in der Lausitz passiert, ist aus meiner Sicht eine unvernünftige Wirtschaftspolitik, und dafür steht heute eben auch die CDU.

(Beifall bei der AfD – Dr. Stephan Meyer, CDU: Immer dieselbe Leier! – Zurufe von der CDU)

Als Nächster tritt erneut Herr Dr. Lippold für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an das Rednerpult.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt mehr Zeit zu fordern, weil man durch jahrelanges trotziges Nichthandeln Zeit verplempert hat, kann man durchaus als dreist bezeichnen. Ein politisches Spiel mit dem Feuer ist es hingegen, nun in Berlin auch noch mit den Rechtspopulisten zu drohen, um die Debatte über den Kohleausstieg zu stoppen. Sie haben doch zusammen mit der Brandenburger Landesregierung in den letzten Jahren bei etwa 150 000 Menschen und ihren Familien ganz bewusst erneut ein gesellschaftliches Trauma adressiert, ein tief

sitzendes, aus dem Zusammenbruch der DDR

Kohlewirtschaft stammendes Trauma.

Sie haben das getan, um bei vielen Menschen Ablehnung und Angst vor einer Zukunft zu wecken, in der so etwas angeblich wieder bevorstünde. Sie haben das getan, obwohl Sie ganz genau wussten, dass die heutigen Strukturdaten in den Revieren Annahmen solcher Szenarien nicht einmal ansatzweise rechtfertigen; denn auch Sie wissen, dass in der Lausitz in der Summe aller direkten, indirekten und indizierten Arbeitsplätze noch etwa drei von 100 aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von der Braunkohle abhängig sind. Im mitteldeutschen Revier sind das übrigens etwa 5 von 1 000. Sie wissen, dass das Auslaufen eines Braunkohlestandorts ein jahrelanger Prozess ist. Sie wissen weiter, dass bereits in den nächsten 15 Jahren in der Lausitz etwa 100 000 Erwerbsfähige fehlen. Sie wissen, dass etwa zwei Drittel der in der deutschen Braunkohle Beschäftigten in diesem Zeitraum das Rentenalter erreichen. All dieses Wissen hat Sie nicht davon abgehalten, dumpfe Ängste zu wecken. Das hat schon Trump‘sche Qualitäten.

Sie haben mit verantwortungslosen Strukturbruchdrohungen Zukunftsängste geschürt, um breite Unterstützung für Druck gegen Berlin und Brüssel zu erzeugen, und Sie waren erfolgreich damit, meine Damen und Herren. Den Lohn der Zukunftsangst, meine Damen und Herren insbesondere von der CDU, ernten Sie aber nicht. Den ernten jetzt andere; denn die sind Profis im Umgang mit Ängsten. Die erscheinen viel glaubwürdiger als Sie, wenn es um Schuldzuweisungen an den Bund und die Kanzlerin geht. Es sind Ihre Wahlkreise, meine Damen und Herren, die Sie mit Angst vor Veränderung vergiftet, statt mit Mut zum Anpacken befruchtet haben,

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

auch den, den Sie verloren haben, Herr Ministerpräsident. Deshalb ist es jetzt dringendst an der Zeit, die Kurve zu kriegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Das war Herr Dr. Lippold. Wir sind mit dem Redner von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN am Ende der zweiten Rederunde angekommen und eröffnen jetzt die dritte Rederunde. Das Wort ergreift für die CDU-Fraktion unser Kollege Stanislaw Tillich.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Herr Ministerpräsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einem kurzen Bericht aus der Tätigkeit der Kommission für Wachstum, Strukturentwicklung und Beschäftigung – so heißt sie, und so wird sie auch weiter heißen, auch wenn einige anderer Auffassung sind – beginnen. Wir haben uns damit beschäftigt, zuerst eine Faktensammlung anzustrengen zur strukturwirtschaftspolitischen, aber auch sozialpolitischen

Bedeutung einerseits der Energieerzeugung aus Kohle und andererseits zu den Klimazielen und zu den eingegangenen internationalen Vereinbarungen, zu den Auswirkungen auf Deutschland und auf die Welt.

Jedem ist klar – auch hier in der Runde, glaube ich –, dass es auch ohne die Arbeit der Kommission aufgrund der genehmigten Kohleabbaupläne und der Laufzeit der Kraftwerke zu einem Ausstieg aus der Kohleverstromung kommt. Man kann darüber diskutieren, ob es fünf Jahre früher oder fünf Jahre später ist, ob sich der Markt bewegt oder nicht. In jedem Fall ist dies klar. Seit 1990 – sage ich jetzt einmal an einige Redner zuvor – gibt es in den Regionen der Lausitz und Mitteldeutschlands, aber auch im Hettstedter Revier und im rheinländischen Revier schon einen stattfindenden Strukturwandel, einen gewaltigen Strukturwandel. Herr Kollege Meyer hat nicht nur auf die Zehntausenden Arbeitsplätze hingewiesen, die verlorengegangen sind, sondern auch auf die Tausenden Arbeitsplätze, die in neuen Unternehmen entstanden sind.

Kommt es zu einem politisch gewollten und beschlossenen früheren Aus der Braunkohle, wird es zwingend notwendig sein, diesen Strukturwandel zu beschleunigen. Das heißt, wir müssen vorher – und so steht es auch im Einsetzungsbeschluss der Bundesregierung – dafür Sorge tragen, dass es klar ist, dass es neue und alternative Arbeitsplätze in diesen Regionen geben wird. Dazu braucht es tragfähige Geschäftsmodelle, nicht irgendwelche Ideen und Vorschläge, sondern tragfähige Geschäftsmodelle mit Zukunftsperspektiven in diesen Regionen. Es braucht auch keine Strohfeuer oder Pilotprojekte, wie wir sie in der Vergangenheit hatten und leider niedergehen sahen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden uns der Frage stellen müssen: Warum investiert jemand in der Lausitz? Warum investiert er in der Lausitz oder im Landkreis Leipzig und nicht in Kassel, im Allgäu oder in der Eifel? Das heißt, wir brauchen besondere Anreize, regulatorisch, infrastrukturell und auch finanziell, damit das stattfindet, was in der Vergangenheit nicht in dem ausreichenden Maße stattgefunden hat, wie wir uns das gewünscht hätten. Wir brauchen darüber hinaus wettbewerbsfähige und bezahlbare Energiepreise. Wir brauchen Versorgungssicherheit und vor allem: Wir wollen keine Deindustrialisierung.

Das ist uns allen in der Kommission klar. Wir ringen um die richtigen Lösungen. Wir ringen um die richtigen Weichenstellungen. Wir beginnen gerade mit der inhaltlichen Debatte, nachdem wir uns am letzten Montag auf eine Gliederung zu dem Bericht verständigt haben. Diese geht davon aus, dass der Bericht im Dezember, wie es von der Bundesregierung gefordert ist, vorliegen wird oder eben nicht vorliegen wird. Eine Zwischenlösung wird es nicht geben, sondern es wird einen tragbaren, miteinander vereinbarten und mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossenen Bericht geben.

Eines muss uns allen klar sein: Die Anforderung an die Kommission ist gewaltig; denn an den Vorschlägen, die

von uns vorgelegt werden, werden sich die anderen 46 Kohleregionen in der Europäischen Union ausrichten. Gelingt diese Energiewende nicht, haben die Menschen in diesen Regionen keine Zukunftsperspektive. Dann werden auch die anderen in der Europäischen Union sich genau danach ausrichten, wie die Energiewende in Deutschland entweder gelungen oder eben nicht gelungen ist.

Ich gehe davon aus, dass nicht nur die Inder und die Chinesen darauf schauen, was wir gegenwärtig machen, sondern auch, wie wir damit umgehen und ob wir dabei in der Lage sind, Lösungen anzubieten, einen solchen Strukturwandel zu bewältigen, dass eine gelungene Energiewende unter den Kautelen, die ich beschrieben habe, möglich ist.

(Beifall der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

Die Menschen in der Lausitz und in der mitteldeutschen Region wollen verbindliche und verlässliche Zukunftsperspektiven. Sie wollen nicht einfach nur Worte. Sie wollen sehen, dass sich für sie in der Tat etwas tut.

Es geht in der Kommission nicht allein, wie es manchmal etwas übertrieben dargestellt wird, um ein oder zwei Grad Erderwärmung oder um eine eingesparte CO2-Tonne. Es geht nicht allein um die Menschen auf den Pazifikinseln. Es geht auch um die Menschen in der Nachbarschaft.

Lieber Stanislaw Tillich, ich gehe jetzt fest davon aus, dass Sie nach Ablauf der fünf Minuten für Ihre Fraktion eine vierte Rederunde eröffnen.

Ich habe damit jetzt die vierte Rederunde eröffnet.

(Beifall des Abg. Geert Mackenroth, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht auch um die Mitbürger vor unserer Haustür. Deshalb sage ich: Die inhaltliche Debatte dazu hat gerade erst begonnen, und – ich wiederhole mich – ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingt, dass wir hier eine schwierige, aber nicht unlösbare Aufgabe in der Kommission werden meistern können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit bin ich bei dem Inhaltlichen schon am Schluss.

Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, da ich das letzte Mal hier an diesem Mikrofon stehe, mich bei Ihnen persönlich zu verabschieden. Es ist meine letzte Plenarsitzung. Ich bin dankbar für die Zeit, in der ich als Landtagsabgeordneter und in verschiedenen Regierungsämtern habe diesen Menschen und diesem Land dienen dürfen. Ich danke allen in der Koalition, meiner eigenen Fraktion und den Koalitionsfraktionären, aber auch der Opposition für das stets kollegiale Miteinander.

Bei allem Streit um die Sache, liebe Kolleginnen und Kollegen, ging es und geht es und sollte es zukünftig auch immer um einen kollegialen, kulturvollen zivilen Umgang

miteinander gehen. Man kann es auch Mitmenschlichkeit nennen. Sie wissen alle, dass Worte verletzen können. Verletzenden Worten folgen nicht nur verletzende Worte, sondern – wir haben es erleben müssen – auf der Straße, bedauerlicherweise auch bei uns in Sachsen, eben auch Verletzungen von Menschen.

Deswegen bin ich der Überzeugung, dass es die diesem Hohen Hause letztendlich zustehende Verantwortung ist, Vorbild zu sein. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass es Ihnen gelingt – die Debatte gerade war so schlecht nicht –, dass man kulturvoll, auch zivilisiert miteinander streitet in der Sache, aber eben das Gegenüber immer respektiert.

Glück auf! Gott schütze Sie und unser Land!

Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall des ganzen Hauses – Die Abgeordneten der CDU und der SPD und die Mitglieder der Staatsregierung erheben sich von ihren Plätzen.)

Vielen Dank, lieber Stanislaw Tillich.

Unser Kollege Stanislaw Tillich hat gerade eine vierte Rederunde eröffnet. Gibt es weiteren Redebedarf in dieser vierten Rederunde? – Das kann ich nicht feststellen. Damit hat die Staatsregierung das Wort. Das Wort ergreift unser Ministerpräsident Michael Kretschmer.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat ist die Lösung der Frage, was nach der Kohleverstromung in den Revieren Mitteldeutschlands und der Lausitz sowie im rheinischen Revier erfolgt, eine nationale Aufgabe. Anders als nach 1990, als es zu vielen Schließungen und Strukturveränderungen gekommen ist, ist es diesmal keine Frage von Wirtschaftlichkeit, sondern von politischen Entscheidungen.

Deswegen ist es klar, dass der Freistaat Sachsen hier eine große Verantwortung bei der Bundesregierung sieht, dass wir gemeinsam mit der Gewerkschaft IG BCE und vielen anderen – Bürgermeistern, Unternehmern, mit unseren Partnern in Brandenburg und Sachsen-Anhalt, aber auch in Nordrhein-Westfalen – darum kämpfen, dass kein Strukturbruch entsteht, sondern dass wir zunächst einmal den Aufbau von neuen Wirtschaftsstrukturen ermöglichen können, bevor tatsächlich der Ausstieg aus der Braunkohle kommt. Wir nehmen diejenigen in der Bundesregierung, die sich dazu geäußert und ihr Wort gegeben haben, wirklich bei ihrem Wort.

Es ist klar: Kein Arbeitsplatz soll wegfallen. Niemand soll arbeitslos werden, nur weil es politische Entscheidungen zur Energiereform geben soll. Das heißt für uns, dass wir nicht über Beschäftigungsgesellschaften oder Auffanggesellschaften sprechen, sondern über neue, hochwertige und tarifgebundene Arbeitsplätze, die adäquat denen sind, die es derzeit in der Energiewirtschaft gibt.

(Starker Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die Aufgabe, die vor uns liegt, ist gewaltig. Über eine Milliarde Euro Wertschöpfung allein im Freistaat Sachsen bedeutet, wenn man es umrechnet, dass jedes Jahr 20 Jahre lang ein Unternehmen in der Größenordnung von 50 Millionen Euro Jahresumsatz in der Lausitz oder im mitteldeutschen Revier angesiedelt werden muss. Wir wissen alle, dass uns das in den vergangenen Jahren das eine oder andere Mal gelungen ist, aber dass es eine Mammutaufgabe wäre, dies über 20 Jahre zu garantieren.

Deswegen sind der Geldfaktor, der Zeitfaktor und gute Ideen entscheidend. Diese drei Dinge müssen zusammenkommen. Darauf setzen wir. Wir setzen – wie es der eine oder andere Abgeordnete der Koalition schon gesagt hat – darauf, dass die LEAG als großes Unternehmen in der Lausitz und die MIBRAG im mitteldeutschen Revier eine Chance bekommen, sich zu verändern, von Unternehmen, die mit Braunkohle und Energieerzeugung Geld verdienen, hin zu anderen Geschäftsmodellen entweder im Bereich der Energiewirtschaft mit erneuerbaren Energien, mit Energiespeicherung oder mit Gas oder mit anderen Dingen, an die man heute noch nicht denkt. Auf jeden Fall muss die Aufgabe darin bestehen, diese großen Unternehmen zu halten, zu stabilisieren und nicht durch einen vorgezogenen Braunkohleausstieg in ihrer Existenz zu gefährden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Es ist vollkommen richtig, wenn Kollege Baum, der wie Lothar Bienst aus dieser Region kommt und genau weiß, was da passiert, darauf Wert legt, dass wir ein Bundesgesetz bekommen, in dem die Dinge fest verankert sind. Wir reden hier von einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten, unserer Vorstellung nach bis Mitte der Vierzigerjahre. Deswegen wird es neue Bundesregierungen geben. Die müssen sich in gleicher Weise diesem Ziel und diesen Aufgaben verpflichtet fühlen wie die Regierung, mit der wir diese Aufgaben jetzt beschließen. Wir brauchen eine konkrete Festlegung von Maßnahmen. Wir brauchen ein konkretes Finanzvolumen. Wir brauchen Planungsbeschleunigung für die großen Infrastrukturmaßnahmen, die wir vorhaben. Wir brauchen ohne Frage einen Sonderverkehrswegeplan. All das muss in einem Gesetz von Bundestag und Bundesrat festgelegt werden, damit alle Klarheit und Planungssicherheit haben, meine Damen und Herren.