Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

(Zuruf der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

Sind Zehntausende Vögel, die durch Windräder geschreddert werden, und Millionen Fledermäuse, die an Windrädern umkommen, nicht der größere Eingriff in die Natur? Und ist es ehrlicher, wenn wir die Tagebaue für seltene Erden in der Dritten Welt haben, wenn in der Dritten Welt die Natur zerstört wird? Wenn in der Dritten Welt Dorfgemeinschaften vertrieben werden, damit Sie Ihre Energiewende machen können und mit Elektroautos fahren? Nur darum geht es. Niemand bestreitet, dass menschliches Handeln immer im Konflikt mit der Natur sein kann. Die Frage ist nur, was ist der größere Eingriff?

(Allgemeine Unruhe)

Ihre Energiewende ist unehrlich, weil sie Schäden in anderen Ländern anrichtet und so tut, als wären wir sauber.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Seit wann interessiert Sie das denn?!)

Ich möchte Ihnen noch etwas sagen: Die CDU belügt die Menschen in der Lausitz, wenn sie immer wieder so tut, als müsse man erst den Strukturwandel durchführen und danach aus der Braunkohle aussteigen. Nein. Die CDU hat sich festgelegt. Man spricht heute von 2050/2040. Sie haben sich zeitlich festgelegt. Egal, ob es den Strukturwandel gegeben hat oder nicht. Diese Festlegung ist meiner Meinung nach ein Verrat am Bürger in der Lausitz. Sie können als Politik nicht garantieren, dass es Industrieansiedlungen geben wird. Sie brauchen dafür das Geld der Steuerzahler, und selbst dann ist es nicht sicher, ob das funktionieren wird, was Sie sich vornehmen. Wenn Sie ehrlich wären, würden Sie zuerst den Strukturwandel machen und dann über den Kohleausstieg reden, aber Sie haben sich schon festgelegt.

(Zuruf der Abg. Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE – Marco Böhme, DIE LINKE: Die LEAG hat sich auch festgelegt!)

Das war die Kurzintervention und jetzt reagiert Herr Kollege Rohwer darauf. Bitte.

Herr Kollege Urban. Ich verstehe ja, dass Sie ein bisschen emotional angefasst sind, wenn ich Ihnen den Vorwurf des Wendehalses mache. Sie müssen keine Wahlkampfrede halten, sondern können sich zur Sache äußern. Zur Sache kann ich Ihnen nur sagen: Wir haben jetzt mit den Braunkohlekraftwerken und den Tagebauen die Wertschöpfung in der Region vor Ort. Wir werden – wenn Sie genau zugehört haben – Zeit benötigen, um den Umbau zu organisieren. Was ich aber auch vorgeschlagen habe, ist, dass wir die Wertschöpfung in der Region behalten und nicht so arbeiten wie Sie, dass man sagt: Wir machen jetzt einfach mal so weiter, wie es ist, und es wird schon alles gut gehen. Das kann nicht das Ziel von Politik sein. Wir müssen uns nach der Decke strecken. Wir müssen die Innovationen, die in diesem Land möglich sind, auch umsetzen. Das müssen wir begleiten. Das ist die Aufgabe von Rahmenbedingungen und nicht das, was Sie ein „Deutschland weiter so“ nennen.

(Beifall der CDU)

Als Nächster spricht Herr Kollege Vieweg für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wer die heutige Debatte verfolgt, könnte den Eindruck gewinnen: Bei den Fragen um die Zukunft der Braunkohle handelt es sich um eine Schicksalsfrage für den Freistaat, eine Frage von Entweder-oder, von Gut oder Böse. Ich sage: Es ist eine Schicksalsfrage für den Freistaat Sachsen, aber von einer Debatte Gut oder Böse, Entweder-oder halte ich rein gar nichts, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen.

Ich finde, sehr geehrter Herr Kollege Urban, wer den Menschen vor dem Braunkohleausstieg Angst macht, wer die Klimaschutzpolitik für die Energiewende als eine Bedrohung für die Menschen postuliert, der schadet den Menschen in der Lausitz. Eigentlich müssten Sie ein glühender Befürworter von Klimaschutz und Energiewendepolitik sein.

Wir haben Millionen von Klimaflüchtlingen auf dieser Erde.

(Jörg Urban, AfD: Schwachsinn!)

Wenn Ihre Politik der Fluchtursachenbekämpfung konsequent sein würde, dann würden Sie sagen, ja, wir brauchen Klimaschutz. Wir brauchen die Energiewende, um Fluchtursachen zu bekämpfen, Herr Kollege Urban.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN – Jörg Urban, AfD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Nein. – Genau denselben Schaden richten aus meiner Sicht diejenigen an, die den Kumpeln in den Revieren versprechen, alles möge so bleiben, wie es ist. Beide Positionen verhindern die Suche nach wirklichen Perspektiven für die Menschen in der Lausitz und in unseren sächsischen Braunkohlenregionen.

Sie verhindern Fortschritt und zukunftsfähige Entwicklungen für unseren schönen Freistaat. Aus meiner Sicht – das habe ich in diesem Haus schon oft klargestellt – brauchen wir eine Debatte, die die Menschen befähigt, mit dem Strukturwandel umzugehen, und die den Strukturwandel mit Zuversicht anpackt. Wir brauchen eine Debatte mit dem Ziel, dass der Vater, der heute noch im Kraftwerk arbeitet, seinem Sohn eine Ausbildung zum Energietechniker empfiehlt, ihn motiviert und vielleicht sogar zu einem Studium als Energieingenieur motiviert, weil er ganz genau weiß, er wird nicht mehr in dem Kraftwerk arbeiten, sondern zukünftig in einem Leitstand einer digitalen Leitzentrale, und mehr verdienen als er selbst. Eine solche Debatte brauchen wir.

Ich finde, wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte, die die Chancen des Strukturwandels und konkrete Lösungen aufzeigt. Das kann eben nur mehr Klimaschutz, mehr Energiewende sein, und da kann Sachsen gewinnen. Das ist für uns eine Chance und nicht umgekehrt.

Im Grunde ist es doch so: Seit Beginn der Industrialisierung verfeuern wir Kohle, Öl und andere fossile Energieträger. Wir beuten damit natürliche Ressourcen aus, wir setzen Treibhausgase frei und ermöglichen eine permanente Expansion von Produktion und Konsum. Wir tragen das mit dem Brustton der Überzeugung vor. Wir wollen mehr Wachstum. Wir wissen aber alle: Wer eine soziale, eine umweltverträgliche Gesellschaft haben, Wirtschaftskreisläufe schließen und regionale Ökonomien unterstützen will, der weiß, Wachstum hat seine Grenzen.

Wir reden hier im Sächsischen Landtag über nachhaltige Landwirtschaft, über nachhaltiges Wirtschaften. Wir reden darüber, dass man nicht auf Kosten der Natur wirtschaften und leben soll. Wenn dem so ist und wenn wir uns selbst ernst nehmen wollen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dann müssen wir eingestehen, die Verstromung und das Verfeuern von Braunkohle passen nicht mehr in die Zeit. Die Epoche der Braunkohleverstromung geht zu Ende, meine sehr geehrten Damen und Herren. Der notwendige Strukturwandel ist unvermeidbar. Wer diese Signale ignoriert, der macht am Ende des Tages – genau wie die AfD das will – das Licht aus, Herr Kollege Urban.

(Jörg Urban, AfD: Unsinn!)

Ich will das nicht. Wir plädieren für einen zügigen Strukturwandel, der die nachfolgenden Generationen im Blick hat, wie den Sohn des Kumpels im Kraftwerk – was ich vorhin beschrieben habe. Je länger wir warten, umso größer werden die gesellschaftlichen Kosten und umso größer wird die Frustration bei den Menschen vor Ort.

Ein zügiger Strukturwandel bietet Chancen. Die Rahmenbedingungen müssen wir verändern. Wir haben die Infrastruktur heute angesprochen. Es geht aber auch um erneuerbare Energien, um Energieforschung, um die digitale, die Kreativwirtschaft –

Die Redezeit.

– und die ökologische Landwirtschaft. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Letzter Satz, bitte.

Meine Erwartung an den Ministerpräsidenten ist – deshalb freue ich mich schon auf die Ausführungen unseres ehemaligen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich –: Wir brauchen eine Debatte, die die Menschen befähigt, den Strukturwandel anzugehen. Alles andere führt in die Sackgasse.

Die Redezeit ist zu Ende.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das war der Kollege Vieweg für die SPD-Fraktion. Jetzt tritt erneut Frau Dr. Pinka für die Fraktion DIE LINKE ans Mikrofon.

Vielen Dank, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ganz perplex, Herr Vieweg. In den letzten Monaten habe ich Sie gar nicht so erlebt, als wir über den Braunkohleausstieg diskutiert haben. Vielleicht hilft es, wenn wir ab und an einmal darüber sprechen, und Sie bewegen sich doch.

Herr Rohwer – –

(Zuruf von der CDU)

Wo ist er denn? Entschuldigung, Herr Rohwer. Ich möchte nicht unbedingt eine Vorbildwirkung für die ganze Welt. Mir würde es reichen, wenn wir Vorbildwirkung in Strukturwandelprozessen in Deutschland zeigen.

Wenn ich auf unser Nachbarland schaue: Brandenburg ist in der Entwicklung von Vorschlägen deutlich weiter. Hier habe ich noch nicht so viel gehört. Eines war zum Beispiel Infrastrukturausbau. Aber ist der Autoverkehr nicht auch ein Klimaprozess, den wir nicht so wirklich wollen? Wenn ich von Ihnen höre, Sie möchten die Wasserspaltung, Wasserstoffproduktion – mit welchem Energieträger möchten Sie das machen? Möchten Sie das mit Braunkohlestrom machen? Möchten Sie den Ausbau der erneuerbaren Energien dazu bewegen? Ich habe von irgendjeman

dem gehört, das Zentrum für Digitale Innovationen – – Aber das steht im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Von daher hat es mit unseren eigenen Initiativen weniger zu tun. Das dorthin zu holen kann spannend sein, aber es bedarf noch ein wenig mehr Kraft.

Ich glaube, dass niemand hier im Hause möchte, dass es in der Lausitz wirtschaftliche Brüche geben soll. Das will Ihre Fraktion nicht, und das will unsere Fraktion nicht. Im Unterschied zu Ihnen haben wir im Hohen Hause schon Vorschläge gemacht. Ich erinnere an den April 2015, als wir einen Gesetzentwurf zum Strukturwandel eingebracht haben. Den haben Sie wie immer abgelehnt. Aber vielleicht wäre das der Zeitpunkt gewesen, an dem wir uns über den Strukturwandel hätten unterhalten müssen, um einen Förderfonds aufzulegen, der bestimmte Prozesse begleitet. Wir haben Ihnen Vorschläge gemacht, wie man den sozialen, ökologischen, infrastrukturellen Umbau in der Region begleiten kann. Den muss man planen, auch wenn Sie keine Verfechter der Planwirtschaft sind. Aber das sind sehr langfristige Prozesse. Deshalb muss man den Strukturwandel langfristig begleiten. Das alles haben Sie nicht gewollt. Diesen Fonds gibt es bis heute nicht. Ich sage Ihnen: Wir bleiben dran. Wir werden im Haushaltsbegleitgesetz einen Änderungsantrag in diesem Bereich einbringen, damit Sie mit uns noch einmal in die Debatte kommen.

(Zuruf des Abg. Jens Michel, CDU)

Ich glaube, dass die Koalition das Pferd von hinten aufzäumt, denn der Kohleausstieg muss vor dem Strukturwandel kommen. Er muss vorher kommen. Das wissen Sie alle gemeinsam. Selbst der DGB hat vor Kurzem geäußert: „No jobs on a death planet“. Das ist richtig. Wir brauchen diesen toten Planeten nicht. Deshalb ist es der Anspruch an uns, Vorbildwirkung zu zeigen. Sie verspielen da als Koalition etwas. Der wirtschaftliche Wohlstand auf der einen Seite für wenige gut bezahlte Arbeitsplätze und die Alimentierung von Wirtschaftsunternehmen ist nicht das Ziel, das wir als Gesellschaft vor uns haben.

Schauen wir in die Bewegungen im Hambacher Forst. Diese haben gezeigt, dass die Akzeptanz der Braunkohleverstromung endlich ist. Wir haben selbst solche Diskussionen mit „Ende Gelände“ gehabt.

Menschen brauchen eine Perspektive. Wenn wir sie ihnen nicht zeigen, werden Personengruppen aufeinanderprallen. Das passiert immer wieder. Sie brauchen ein klares Leitbild, wo wir hinwollen. Das dürfen Sie nicht offenlassen. Deshalb ist es an der Zeit, das Mantra dieser dauerhaften Braunkohleverstromung aufzugeben.

Herr Vieweg, ich danke Ihnen, dass Sie diesen Lernprozess mitmachen. Ich möchte Sie trotzdem um etwas bitten: Sie haben heute Ihrem Wirtschaftsminister keine Chance gegeben, an der Aktuellen Debatte teilzuhaben.

(Jörg Vieweg, SPD: Er spricht im Bundestag!)

Ja, er spricht im Bundestag, ich weiß. Aber man kann Aktuelle Debatten auf einen Tag legen, an dem er da ist.

Sie selbst haben uns einmal den Vorwurf gemacht, dass wir hier einen Antrag diskutiert haben, bei dem er nicht da war. Ich möchte ihm gern sagen: Er kann nächste Woche sehr gern zur LEAG in das Kraftwerk Jänschwalde fahren und sich darum kümmern, wie die Sicherheitsbereitschaft im Kraftwerk Jänschwalde gegeben ist.

Viel wichtiger wäre aber, sich nicht vor ein Wirtschaftsunternehmen zu stellen, sondern vor den Freistaat Sachsen. Fordern Sie ihn endlich auf, in den Hauptbetriebsplänen die Nebenbestimmungen der LEAG einzufordern! Fordern Sie die Sicherheitsleistung ein! Fordern Sie das Konstrukt einer insolventen Festlegung ein! Fordern Sie ein, dass sie aufzeigen, wie sie diese Rekultivierungsleistungen erbringen werden! Das ist die Aufgabe des Wirtschaftsministers, und geben Sie ihm das bitte mit.

Die Redezeit – –