Und gerade hier in Sachsen haben wir in der Grünen Liga auf die Braunkohle immer eine differenzierte Sicht gehabt, ganz im Unterschied zum Beispiel zu Brandenburg, wo man vehement für den Kohleausstieg arbeitet.
Wir haben gerade mit Ihnen über die Energiewende in Bezug auf den Ausbau der Windkraft, der uns die Natur zerstört, und in Bezug auf den Ausbau der Monokulturen, der unsere Böden zerstört, gesprochen. Also bitte keine Falschbehauptungen, auch wenn es Ihnen wehtut, die Wahrheit zu hören.
Das ist das belebende Element der Kurzintervention und der Reaktion darauf gewesen. Aber jetzt geht es natürlich weiter in unserer parlamentarischen Debatte mit Herrn Dr. Lippold von den GRÜNEN. Sie haben das Wort.
Danke. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was im Titel der Aktuellen Debatte wie schräger Satzbau wirkt, liebe Koalition, ist natürlich Absicht, denn Sie wollen damit ausdrücken, dass der Kohleausstieg von Konditionen abhängt, die Sie definieren. Der Kohleausstieg steht aber seit Jahren fest. Von Ihnen hängt ab, unter welchen Bedingungen er stattfindet. Um also den Titel der Aktuellen Debatte vom Kopf auf die Füße zu stellen: Nein, nicht der Ausstieg braucht Perspektiven für die Menschen, sondern die Menschen brauchen Perspektiven für den Ausstieg. Denn der Ausstieg kommt, und den können Sie nicht konditionieren, meine Damen und Herren von der Koalition, indem Sie Perspektiven fordern, die von außen geliefert werden sollen.
Ja, die Menschen in Sachsen und vor allem in der Lausitz brauchen Perspektiven, aber Sie sind dafür verantwortlich, denn Sie stellen hier die Regierung. Doch Sie haben diese Perspektiven nicht entwickelt, Sie fordern sie. Sie fordern nicht nur milliardenschwere Förderung für regio
nale Strukturentwicklung, was durchaus sinnvoll ist und was wir auch tun, Sie fordern Perspektiven, weil Sie selbst keine entwickelt haben.
Dennoch wird es diese Perspektiven geben, denn es gibt in Politik und Gesellschaft Menschen, die verantwortungsvoller mit der Zukunft umgehen, als Sie das tun. Wenn es dieser Staatsregierung, RWE und weiteren Interessierten nicht doch noch gelingt, die Arbeitsfähigkeit der Kommission überhaupt zu torpedieren, dann wird es noch in diesem Jahr erste Infrastruktur-, Ansiedlungs- und Entwicklungsprojektankündigungen geben. Die
Der Kohlekommission liegen heute tatsächlich umfangreiche Papiere zu Perspektiven für Kohlereviere und zu Förderkonzepten für den Strukturwandel vor. Was darin nicht zitiert wird, sind Vorarbeiten der Sächsischen Staatsregierung, denn es gab keine. Sehr wohl zitiert und wiedergegeben werden hingegen Konzepte und Ideen, die neben engagierten Menschen aus der Zivilgesellschaft auch die sächsischen GRÜNEN zum Teil bereits vor Jahren erarbeitet haben. Wenn Sie bereits heute und verstärkt in den nächsten Monaten von Vorschlägen aus Kohlekommission, Bund, Ländern und großen Unternehmen, von Projekten und Konzepten zur Zukunft der Lausitz hören und lesen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann dürfte jenen vieles seltsam bekannt vorkommen, die zwischen 2015 und 2017 mal in Impulspapiere, Landesbeschlüsse und Schlüsselprojektvorschläge der sächsischen GRÜNEN und der eng kooperierenden Brandenburger GRÜNEN geschaut haben.
Ich möchte nur mal einige Punkte herausgreifen, die Sie genau dort bereits seit Längerem nachlesen können. Das ist das Konzept einer Lausitzstiftung, die auch wirtschaftlich agieren und etwa als Beteiligungsgeber für die regionale mittelständische Wirtschaft und Start-ups handeln könnte, Vorschläge zur Kulturhauptstadtregion, ein Postmining-Kompetenzzentrum im Verbund der Lausitzer Hochschulen, aus dem Geschäftsmodelle und Spin-Offs für weltweit nachgefragte Renaturierungskompetenz hervorgehen können, ein Speicherinstitut, Powerto-Gas-Pilotierung in der Lausitz und die Nutzung der erheblichen Synergien mit CO2-neutralen Technologien und Verfahren in der chemischen Industrie, konkrete Ideen zur Infrastruktur im regionalen, nationalen und grenzüberschreitenden Verkehr, Modellregionen für
intelligente Netze der nächsten Generation, für virtuelle Kraftwerke, ein Industriecluster Elektromobilität, Speicher- und Leichtbau. In jüngerer Zeit haben wir das noch erweitert und konkretisiert.
Sie finden in diesen Vorschlägen natürlich nicht nur industrie- und verkehrspolitische Impulse, sondern auch Ideen zu einem Bottom-Up-Leitbildprozess und viele weitere Ideen für mehr Attraktivität und Lebensqualität. Über solche Schlüsselprojekte haben wir übrigens zu einer Zeit viele Gespräche geführt und gründlich nachgedacht, als Sie es gerade als Erfolg gefeiert haben, dass die
Kohlekommission im Klimaschutzplan der Bundesregierung auf Ihr Betreiben hin nicht mehr Kohlekommission heißen sollte. Nun ist es doch eine Kohlekommission, und die Ziele des Klimaschutzplans werden im nächsten Jahr zum Bundesgesetz. Es wird jetzt sehr konkret und durchaus dringend.
Wer jetzt durchdachte Entwicklungsziele und fertige Projekte in der Schublade hat, der ist klar im Vorteil. Wissen Sie was? Wenn ein beliebiger Vorstand eines beliebigen großen Unternehmens klare Zeichen an der Wand, die dringend und unausweichlich eigenes Handeln zur Strategieanpassung und Zukunftssicherung fordern, in einer solchen Weise missachtet wie Sie, Herr Ministerpräsident und Ihre Koalition das in den letzten Jahren getan haben, und sich dann hinstellt, nur weil er keinen Plan hat und meint, jemand aus der bösen Welt da draußen soll ihm einen auf den Tisch legen, dann wird er wegen grober Sorgfaltspflichtverletzung gefeuert.
Das war Herr Dr. Lippold. Nun spricht Herr Wild, fraktionslos, und dann eröffnen wir eine neue Rederunde mit Herrn Rohwer von der CDU. Bitte, Herr Wild.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Wir debattieren heute über den Braunkohleausstieg und Zukunftsperspektiven für die betroffenen Menschen. Ich nehme es vorweg: Die Zukunft für die Menschen wird noch über Jahrzehnte in der Braunkohle liegen müssen.
Dazu nur ein Beispiel, das ich beliebig erweitern könnte. Freitag, 14.09.2018, um 20 Uhr: hoher Verbrauch im Haushalt, in Schichtbetrieben, Industrie, Gastronomie usw. 62 Gigawattstunden Gesamtverbrauch, davon gerade mal 12,7 Gigawatt aus erneuerbaren Energien. Von diesen 12,7 Gigawatt kommt noch die Hälfte aus grundlastfähiger erneuerbarer Energie, also Biomasse und Wasserkraft.
Was sagt uns das? Wenn wir bei dem Ausstieg aus der Atomkraft bleiben wollen, dann brauchen wir noch über Jahrzehnte die Kohleverstromung als den derzeit einzigen heimischen vollwertigen grundlastfähigen Energieträger. Den Ausstieg aus der Kohleverstromung können wir doch erst dann ernsthaft wollen, wenn eine grundlastfähige Energieversorgung ohne Kohle möglich ist. Begleitend müssen wir selbstverständlich Zukunftsperspektiven für die Lausitz erarbeiten. Das funktioniert aber nicht mit planwirtschaftlichem Aktionismus, wie es DIE LINKEN und die GRÜNEN wollen, –
Das war Herr Kollege Wild. Jetzt kommt die zweite Rederunde, die durch die einbringende CDU-Fraktion, Herrn Kollegen Rohwer, eröffnet wird.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen: „Auch der Abbau von Rohstoffen wird wieder zur Bedrohung von Natur und Umwelt, seien es neue Kies- und Sandtagebaue bei Zwickau, neue Braunkohletagebaue oder Erkundungen von Erzbauvorhaben im Erzgebirge.“ Das ist ein Zitat aus dem Jahresbericht 2011 der Grünen Liga und der Autor ist Jörg Urban. Gestern haben wir in einer Besuchergruppe – einer Schülergruppe aus meinem Wahlkreis, es waren Schüler aus Gorbitz – mit Herrn Urban über die Energiepolitik diskutiert.
Frau Meier von den GRÜNEN war mit dabei. Dann hat er – auf meine Nachfrage – klar und deutlich gesagt, dass er neue Tagebaue aufmachen will. Gestern so, heute so. Wissen Sie, Herr Urban, wie wir das in den Jahren 1990/1991 genannt haben? Wendehals. Sie sind ein Wendehals.
Jetzt kommen wir zu den Redebeiträgen von Kollegen aus der Opposition, die uns wieder das Thema vorhalten wollen, dass wir Vorbild sein sollen. Wir sollen Vorbild für die Welt sein. Alles gut – wunderbar. Aber ich möchte Ihnen ehrlich einige Dinge in diese Richtung sagen. Wir wollen nicht Vorbild im Ausstieg aus der Braunkohle sein.
Wir wollen Vorbild sein, diesen Umbau sozial verträglich zu gestalten. Wir wollen Vorbild sein, dies mit den Menschen in der Region gemeinsam zu schaffen, und wir werden Vorbild sein, wenn der Strukturwandel hin zu erneuerbaren Energien erfolgreich gestaltet werden kann und wir das schaffen. Das werden wir nur schaffen, wenn wir den Menschen in der Region gut bezahlte und attraktive Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Aber das braucht Zeit.
Sie werden verstehen, dass wir ein Unternehmen nicht so einfach mal aus dem Boden stampfen können. Das muss wachsen. Ich habe Ihnen immer wieder vorgehalten, dass wir in Nordrhein-Westfalen, wo wir den Ausstieg aus der Steinkohle schon hinbekommen haben, als gesamtes Deutschland 30 Jahre gebraucht haben. Deswegen werden wir auch an dieser Stelle wieder einen solchen Zeitraum benötigen. Es wird eine Generation brauchen, um diesen Strukturwandel erfolgreich für die Lausitz und den Leipziger Raum zu gestalten.
Was wollen wir noch? Wir wollen, dass Energiepreise in Deutschland wieder einmal sinken. Wenn wir das hinbekommen wollen, dann sollten wir nicht mit Aktionismus agieren – so wie ich das immer mal im Umfeld der Kohlekommission höre –, sondern auf die Menschen achten, die in der Kohlekommission für einen geordneten Übergang und für eine gut überlegte Aktion werben. Dann bin ich überzeugt, dass die Energiepreise in Deutschland auch wieder sinken können.
Herzlichen Dank, Herr Rohwer. Ist Ihnen bekannt, dass die Strombörsenpreise in den letzten acht Monaten um etwa 80 % gestiegen sind? Und zwar deshalb, weil die Emissionszertifikatpreise um etwa 300 % gestiegen sind, das heißt, weil wir eine solche CO2-intensive Stromproduktion haben. Wie bewerten Sie in diesem Kontext Ihre Aussage? Was wollen Sie eigentlich tun, damit die Strompreise wieder sinken?
Herr Kollege Lippold. Sie sprechen das Steigen der Energiepreise in den letzten Monaten an. Wir hatten aber auch schon andere Preise an der Energiebörse, wie Sie wissen. Ich bin mir noch nicht so sicher, ob das nicht ein kurzzeitiges Aufwachsen ist oder ob es auch wieder andere Zeiten gibt. Langfristig müssen wir aber doch – und da sind wir uns hoffentlich einig – zu sinkenden Energiepreisen kommen.
Wie können wir das schaffen? Indem wir die Energietransformation nach meiner festen Überzeugung nicht über die Köpfe der Menschen hinweg entscheiden, sondern es mit den Menschen in der Region gemeinsam gestalten. Dafür brauchen wir Wertschöpfung in der Region, die uns gelingen muss, das hinzubekommen. Ein Vorschlag ist der Wasserstoff, weil er in der Region hergestellt und auch verwendet werden kann.
In Dresden haben wir in der letzten Woche die erste Wasserstofftankstelle in Sachsen eröffnet, in Leipzig wird die nächste folgen. Nach meinen Informationen wird dann noch eine in Meerane und ich hoffe auch in Chemnitz folgen. Es wird weitergehen müssen. Wir müssen diesen Wasserstoff als eine Möglichkeit in den Blick nehmen.
Ministerpräsident Michael Kretschmer hat vorgeschlagen, eine ICE-Strecke von Berlin über Cottbus, Görlitz nach Passau zu machen. Das ist auch eine sehr hilfreiche Investition, weil die Menschen dann schneller in die Regionen kommen und dort ihre Arbeit finden können. Wir wollen ein 5G-Testfeld machen und wir brauchen Forschungsinstitute von Weltrang in der Lausitz. All das geht nur mit sozialer Ausgewogenheit und Innovation sowie gut bezahlten attraktiven Arbeitsplätzen in der
Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Rohwer, Sie haben sich die Mühe gemacht, all die Jahresberichte der Grünen Liga durchzulesen. Dabei haben Sie hoffentlich viel Zeit verbracht, aber was Sie gefunden haben, sind Selbstverständlichkeiten. Es ist natürlich selbstverständlich, dass ein Braunkohlentagebau ein Eingriff in die Natur ist. Herrgott, was haben Sie denn da gefunden? Das habe ich damals gesagt. Das sage ich auch heute. Die Frage ist nur, welcher Eingriff ist größer? Ist Ihre Windenergie, die Sie in Sachsen ausbauen, die Hunderte oder Tausende Menschen in ihrem Lebensumfeld beeinträchtigt, nicht der größere Eingriff?