Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Sie haben Ihren Vorgänger falsch verstanden, als Sie Ihren Redebeitrag formulierten. Er hat uns nämlich zwei Botschaften mitgegeben: Wir Sachsen sind in den letzten Jahrhunderten immer schon helle Köpfe gewesen. Wir haben eine Vorbildwirkung gehabt, weil wir innovativ waren. Er hat uns mitgegeben, wir sollen diese Vorbildwirkung beibehalten. Wir sollen aus Sachsen Prozesse entwickeln, die nach Deutschland wirken, die nach Europa wirken – er hat die 46 Braunkohleregionen genannt – und die dann weltweit wirken. Das ist es, was uns gelingen muss.

Er hat gesagt, es sei egal, ob wir mit fünf Jahren plus oder mit fünf Jahren minus den Braunkohleausstieg formulieren. Diesen Anspruch, dies zu bewältigen, brauchen wir. Wir brauchen diese positiven Signale. In den letzten Jahren haben wir immer solche Jammerprozesse geführt. Wenn wir das einmal umkehren und tatsächlich innovative Prozesse nach vorn diskutieren, dann sind wir auch gern beieinander.

Das Zweite, was er uns gesagt hat, ist: Wir sollen Mitmenschlichkeit pflegen und den sorgsamen Umgang miteinander. Sie haben aber in Ihrem Redebeitrag wieder gesagt, dass von der Opposition nur Allgemeinplätze kämen.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir bereits vor drei Jahren ein Strukturwandelfördergesetz in den Landtag eingebracht haben. Ich möchte Sie ferner daran erinnern, dass wir in der Vergangenheit über die Braunkohleausstiegskommission – verkürzt gesagt – hier mit Ihnen diskutieren wollten, dass wir Vorschläge gemacht haben und dass ich selbst ausgerechnet habe, wie lang die Laufleistung unserer Kraftwerke und Tagebaue ist. Das können Sie gern im Antrag nachlesen; dazu gibt es einen Anhang.

Ich habe Ihnen auch gesagt, dass es dazu keiner weiteren Planfeststellungsverfahren mehr bedarf – weder für Nochten II noch für Schleenhain –, und ich habe auch gesagt, dass uns das Geld fehlt, um die Sanierungsleistungen in Angriff zu nehmen. Das ist das erste Problem, das wir haben. Wenn wir dauerhaft keine Beträge in Millionenhöhe im Haushaltsplan haben werden, um diese Sanierung durchzuführen, wenn uns wirklich dieser Worst Case erwischt, dann droht – –

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Sie reden ihn ja geradezu herbei!)

Nein, ich rede ihn nicht herbei; es gibt Szenarien, Herr Meyer. Es gibt den besten anzunehmenden Fall – das wissen Sie doch aus der Wissenschaft –, und es gibt den schlechtest anzunehmenden Fall. Beide müssen wir begleiten. Der beste ist – das sagte ich bereits – eine positive Gestaltung der Strukturwandelprozesse. Dabei müssen wir nicht nur die Großkonzerne im Blick haben – wie Sie das eben sagten –,

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Machen Sie mit! Bringen Sie sich ein!)

sondern wir müssen die kleinen und mittelständischen Unternehmen mitnehmen, wir müssen die Bürgerbewegungen mitnehmen usw. Machen Sie sich in diesen Beteiligungsprozessen dafür stark. Ich sehe im Moment überhaupt keine Beteiligungsprozesse, die angegangen werden.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN – Dr. Stephan Meyer, CDU: Haben Sie zugehört?)

Doch. Dann lesen Sie einmal die Unterlagen der Menschen, die uns zugeschickt wurden.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Aha!)

Diese Unterlagen bekommen Sie bestimmt auch. Schauen Sie doch einmal nach Brandenburg, dann stellen Sie fest, welche Beteiligungsprozesse dort gerade gestartet werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Stephan Meyer, CDU)

Der schlechtest anzunehmende Fall ist, dass wir im Haushalt kein Geld haben, um solche Prozesse zu begleiten, weil wir nämlich die Folgelasten des Braunkohlenbergbaus zu bezahlen haben. Machen Sie sich dafür stark! Das wäre wichtig.

Deshalb danke ich an dieser Stelle auch Herrn Tillich, weil er offensichtlich einen Erkenntnisprozess hat. Ich habe oft genug hier vorn gestanden und seine Bemerkung von der Seite ertragen müssen. Er hat aber nunmehr in den letzten Monaten gelernt.

(Zuruf des Abg. Steve Ittershagen, CDU)

Er hat gelernt, und er hat uns etwas mitgegeben. Das sollten wir beherzigen. Er ist und bleibt nämlich ein Sorbe. Er muss auch seine Region schützen, und die Umsiedlung von Sorben sollte er schützen. Dafür wird er sich auch später noch starkmachen, auch wenn er nicht mehr in der Kommission sitzt.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Frau Dr. Pinka der Fraktion DIE LINKE mit 5 Minuten. Jetzt, Herr Kollege Vieweg, kommt die SPD-Fraktion in dieser Runde zu Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Dr. Pinka, es ist eine Aktuelle Debatte, und wir haben jetzt von Ihnen viermal das Gleiche gehört.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Herr Vieweg, von was träumen Sie?)

Insofern wollte ich meiner Verwunderung noch einmal Ausdruck verleihen, dass es wichtig ist, dass wir aufeinander eingehen, auf Argumente reagieren und nicht jeder in seiner Blase bleibt.

Frau Dr. Pinka, ich lade Sie herzlich ein. Ab Oktober gibt es die Energiedialoge der Sächsischen Staatsregierung in den Planungsregionen, auch in der Lausitz. Hierbei kann man sich einbringen, mitarbeiten und kluge Vorschläge unterbreiten. Insofern haben wir ausdrücklich für den Bereich der Energieversorgung im Freistaat auch diese Dialogangebote.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich muss noch einmal auf die Tatsache eingehen, dass der Klimaschutz und die Energiepolitik keine Politikfelder wie andere sind. Der Klimaschutz und die Energiewende sind ein globaler Megatrend; genauso wie die Wissensgesellschaft, wie Urbanisierung, wie die Digitalisierung und auch die Mobilität.

Es ist eben nicht so, Herr Kollege Urban, dass wir mit dem Klimaschutz und der Energiewende zu einer Deindustrialisierung im Freistaat kommen, sondern das Gegenteil ist der Fall. Schauen Sie beim Thema Energie in die chemische Industrie, schauen Sie in die textile Industrie, schauen Sie in die automobile Industrie, in den Handels- und Dienstleistungsbereich – in all diesen Bereichen geht es um CO2-freie Lösungen. Hier wird geforscht und entwickelt. Jeder Industriebereich, der heute zukunftsfähig arbeitet, investiert in CO2-freie Technologien. Nur wer dieses in jedem einzelnen Industriebereich nachhaltig ermöglicht, wird zukunftsfähig sein. Das heißt, Energiewende und Klimaschutz sorgen für eine

weitere Industrialisierung unseres Freistaates, und nicht das Gegenteil, Herr Kollege Urban.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Es gibt eine Zwischenfrage. Möchten Sie diese zulassen?

Nein, Frau Kollegin Pinka.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: So viel zum Dialog! – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Er will in seiner Blase bleiben!)

Meine Damen und Herren! Ich glaube fest daran: Sachsen ist Teil Europas, Sachsen ist Teil einer globalen Welt. Aus diesem Grund müssen wir uns genau den gleichen Megatrends stellen, und dazu gehören der Klimaschutz und die Energiewendepolitik.

Insofern von meiner Seite noch einmal ein Glück auf! für mehr Klimaschutz und die Energiewende auch im Freistaat Sachsen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Jetzt kommt die AfDFraktion zu Wort. Herr Kollege Urban, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Ministerpräsident Kretschmer hat das Bild des Geisterfahrers beschworen. Wenn man sich das Pariser Klimaschutzabkommen genau ansieht, dann stellt man fest, dass die allermeisten Länder, die an diesem Abkommen teilnehmen, finanziell von diesem Abkommen profitieren. Sie bekommen real Geld in ihre Volkswirtschaften. Es gibt Länder, wie die großen Wirtschaftsnationen – China, Indien, Brasilien –, die überhaupt nicht gezwungen sind, CO2 einzusparen, und sogar mehr emittieren können, und es gibt große Wirtschaftsnationen, wie die USA, die an dem Abkommen überhaupt nicht teilnehmen.

Vor diesem Hintergrund muss man schon sagen: Deutschland unter der Regierung der CDU ist wahrscheinlich einer der wenigen Geisterfahrer in diesem Pariser Klimaschutzabkommen.

(Beifall bei der AfD)

Die Schaffung neuer Industriearbeitsplätze in vom Strukturwandel betroffenen Regionen, wie der Lausitz, ist in den letzten 28 Jahren schlichtweg nicht gelungen. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Ich habe große Zweifel, dass die Ansiedlung von Industrie, die man sich wünscht, unter den verschlechterten Rahmenbedingen in Zukunft gelingen wird. Ich hatte schon angesprochen, dass der DIHK-Präsident darauf hingewiesen hat, dass die Energiepreise in Deutschland wirtschaftsschädlich sind. Ich habe ferner darauf hingewiesen, dass in Polen, unserer direkten Standortwettbewerbsregion, die Energiepreise nur halb so hoch sind wie in Deutschland. Wie wollen Sie

Industriezweige motivieren, sich in der Lausitz anzusiedeln und nicht in Niederschlesien?

Die deutsche Regierung, die CDU, hat sich auf CO2Einsparziele festgelegt. Die CDU spricht inzwischen von einer Dekarbonisierung Deutschlands bis zum Jahre 2050. Sie wollen bis zum Jahre 2050 bis zu 90 % aller CO2Emissionen einsparen.

Unter diesen Bedingungen ist es schlichtweg nicht möglich, neue Investoren nach Deutschland zu locken und natürlich auch nicht in die Lausitz. Die Einsparung von Ressourcen, auch die Einsparung und der sparsame Umgang mit fossilen Energieträgern ist aus Umweltschutzgründen absolut sinnvoll. Es ist auch wirtschaftlich sinnvoll, immer sparsamere Technologien zu entwickeln.

Allerdings kann das nur funktionieren, wenn man diese Neuentwicklung von Technologien auch marktwirtschaftlich zulässt. Wenn man als Staat versucht, planwirtschaftlich der Industrie und der Forschung vorzugeben, welche Technologien entwickelt werden sollen, dann geht das regelmäßig in die Hose. Ich verweise zum einen auf die Wasserstoffinitiative der Bundesregierung aus den Neunzigerjahren – Milliarden Steuergelder ausgegeben ohne Effekt –, und ich verweise natürlich auch, für uns hier in Ostdeutschland, auf die 50 Jahre Planwirtschaft. Auch hier hat die Politik geglaubt, der Industrie und der Forschung vorgeben zu können, was funktionieren soll, und es ist in die Hose gegangen.

Sie sind auf diesem Weg, und das kritisieren wir, und dafür stehen wir ganz klar als AfD.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Als Letzter in dieser, ich darf es so nennen, 5-Minuten-Runde kommt jetzt Herr Dr. Lippold zu Wort. Er hatte ja vorhin schon eine Kurzintervention angemeldet, aber 5 Minuten sind noch besser. Bitte, Herr Dr. Lippold, für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme nicht umhin, noch einmal zurückzuschauen; denn ohne das verstehen wir ja nicht, warum wir heute in der einen oder anderen misslichen Lage sind, und wenn wir das nicht verstehen, können wir es künftig nicht besser machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wenn Sie hier das Wort Ausstieg schreiben – und offenbar reicht es auch im Jahr 2018 noch nicht wirklich dazu, Kohleausstieg zu sagen, sondern es reicht nur zum verschämten Ausstieg –: Für Sie ist das natürlich wirklich ein längerer Prozess, denn er beginnt für Sie mit dem Ausstieg aus dem eigenen geistigen Ausstieg, Ihrem eigenen vor vielen Jahren vollzogenen geistigen Ausstieg aus der Verantwortung für die Zukunft dieser Kohleregionen.