Erstens. Maßnahmen für Geflüchtete führen ins Leere, wenn die Menschen sie nicht kennen und verstehen. In Sachsen fehlt es immer noch an ausreichend Beratungsangeboten, vor allem im ländlichen Raum. Ich spreche hier von den Migrationsberatungsstellen und Jugendmigrationsdiensten, von den sozialen Beratungsangeboten sowie von den Asylberatungsstellen. Hier besteht dringender Handlungs- und Finanzierungsbedarf.
Zweitens. Flüchtlingsaufnahme und Integration müssen immer im familiären Kontext gesehen werden. In Sachsen sprach sich Ministerpräsident Kretschmer gegen den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten aus. Hier wäre es Ihre Aufgabe gewesen, sich klarer zu positionieren. Im Jahresbericht ist dazu außer Zahlen nichts zu finden.
In Sachsen kommt es immer wieder zu Familientrennungen bei Abschiebungen. Erst im September und im Oktober 2018 wurden drei Familien bei einer Abschiebung getrennt. Diese inhumane Praxis, die dazu führt, dass Menschen in ständiger Angst leben, muss beendet werden.
Drittens, dezentrale Unterbringung. Die Studie rät, Menschen aus sicheren Herkunftsländern nach sechs Monaten in individuellen Wohnarrangements unterzubringen, wenn das Asylverfahren länger dauert. In Sachsen wurden 2017 Menschen in Gemeinschaftsunterkünfte untergebracht, obwohl sie schon dezentral untergebracht waren, aus Kostengründen, wie Sie in Ihrem Jahresbericht schreiben (Seite 64). Damit wurde jegliche Integrationsleistung wieder zerstört.
Gleiches gilt für den aktuellen Gesetzentwurf der Staatsregierung zum Flüchtlingsaufnahmegesetz, welches den längsmöglichen Zeitraum von 24 Monaten in Erstaufnahmeeinrichtungen vorsieht. Hier vermissen wir Ihre kritische Stimme.
Als letzter Punkt: „Maßnahmen zur Förderung gesellschaftlicher Teilhabe sollen geöffnet werden“ und „soziale Begegnung und Teilhabe ist eine wichtige Ressource und soll gestärkt werden“ (Seite 71).
An dieser Stelle möchte ich auf unsere beiden Gesetzentwürfe verweisen: zum einen das „Gesetz zur Einführung des Kommunalwahlrechts für dauerhaft in Deutschland lebende Ausländerinnen und Ausländer“ und zum anderen das „Gesetz für Chancengerechtigkeit und zur Verbesserung der Teilhabe von Migrantinnen und Migranten im Freistaat Sachsen“, welches morgen mit der ersten Beratung in das Plenum eingebracht wird. Beide Gesetzentwürfe haben die politische Teilhabe von Migrantinnen und Migranten zum Ziel.
Mit beiden Gesetzentwürfen wollen wir auch hier im Haus eine Debatte darüber führen, in welcher Gesellschaft wir in Sachsen leben wollen, um ein klares politisches Zeichen für eine demokratische Integration der in Sachsen lebenden Menschen zu setzen und Rassismus und Diskriminierung entschlossen entgegenzutreten.
Erfreut hat mich, dass die Gründung und die Arbeit des Dachverbandes sächsischer Migrantenorganisationen im Jahresbericht vorgestellt wird (Seite 51). Diese Arbeit ist wichtig für die Teilhabe von Migranten in Sachsen. Ich kann mich der Vorstandsvorsitzenden nur anschließen, wenn sie sagt: „Unsere Arbeit ist wichtig. Sie kann nicht nur ehrenamtlich geleistet werden.“ (Seite 56).
Drittens. Es gibt noch weitere Punkte, die ich ansprechen möchte, etwa den sogenannten Spurwechsel in die legale Arbeitsmigration für bereits eingereiste Schutzsuchende, für den Sie sich zuletzt in Ihrer Pressemitteilung vom 24.07.2018 ausgesprochen haben. Das finde ich gut. Allerdings hätten Sie Ihre Forderung in der Koalition klar benennen und auf eine Initiative des Freistaates im Bund drängen können. Im Bericht ist dazu nichts zu finden.
Auch zum Thema Ausbildungsduldung besteht weiterhin dringender Handlungsbedarf. Hier gibt es noch viele Unsicherheiten aufseiten der Ausländerinnen und Ausländer sowie aufseiten der Unternehmen, ob tatsächlich ein Aufenthalt für die gesamte Zeit der Ausbildung bestehen bleibt. Und wir beobachten ein immer rigideres Agieren der Behörden, die hinsichtlich der Ausbildungsduldung
von ihrem Ermessensspielraum immer weniger Gebrauch machen. Es ist Ihre Aufgabe, auf diese Missstände aufmerksam zu machen und sich für eine praktikable und sichere Lösung einzusetzen.
Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, ist der Zugang zum Bildungssystem in den Erstaufnahmeeinrichtung. In Ihrem Bericht erwähnen Sie lediglich am Rande, dass hierzu ein Curriculum in der EAE Chemnitz ausgetestet werden soll. Eine rechtliche Stellungnahme – vom SFR in Auftrag gegeben – kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass das Curriculum nicht das Niveau einer Regelschule erfüllt. Es ist Ihre Aufgabe, sich für die Wahrung der Belange der hier lebenden Ausländer einzusetzen. Sie fordern zu Recht gesellschaftliche Teilhabe. Dann sollten Sie auch bei den Kindern anfangen. Im März 2018 waren es 58 Kinder, die ihr Recht auf Bildung nicht wahrnehmen konnten.
Als letzten Punkt möchte ich noch die Psychosozialen Zentren (Seite 79) ansprechen. Ich begrüße Ihre Unterstützung der Traumaambulanzen. Aber die Probleme sind noch groß. Die Wartezeiten für die Betroffenen sind zu lang. Wenn 50 bis 80 Personen auf der Warteliste stehen, dann muss das Netzwerk in Sachsen vor allem auch im ländlichen Raum weiter wachsen.
Sehr geehrter Herr Mackenroth, meine Fraktion dankt Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die geleistete Arbeit.
Herzlichen Dank für die Debatte und die größtenteils konstruktive Kritik. Dazu in der gebotenen Kürze: Frau Kollegin Zais, Sie weisen zutreffend auf die unterschiedliche Praxis unserer Ausländerbehörden in der Frage der Ausbildungsduldung hin. Dies deckt sich mit meinen Beobachtungen: Das den Behörden eingeräumte Ermessen wird gelegentlich durchaus nicht oder doch deutlich unterschiedlich ausgeübt. Ein Ausländeramt ist dazu übergegangen, Ablehnungen der Anträge fernmündlich zu eröffnen – das geht natürlich nicht. Ich würde mir eine einheitliche Handhabung im gesamten Freistaat wünschen.
Gestatten Sie mir bitte aus gegebenem aktuellen Anlass eine kurze Anmerkung: Wir sind mittlerweile in der weiten Ebene der Integrationsarbeit angekommen, verzwickte Einzellagen werden sichtbar, es dauert immer noch zu lange, bis Migranten ihre Entscheidungen bekommen, bis Menschen in Praktikum und Arbeit gelangen – selbst beim besten Wollen von Migranten und Arbeitgebern.
Ich erkenne weiterhin noch Defizite bei den Schnittstellen bis in die Verwaltungen hinein. Belastbare Informationsangebote für Arbeitgeber, für Ehrenamtliche, für Beratungsstellen fehlen weiterhin.
Dringend erscheint mir diese Forderung besonders im Bereich der Arbeitsvermittlung. Sachsen braucht Zuwanderung. Nach den aktuellen Zahlen der BA wird sich die Zahl der arbeitsfähigen Bevölkerung im Freistaat bis zum
Jahr 2025 um etwa 10 % verringern. Um den Fehlbedarf an Arbeitskräften zu decken, reichen die zu uns gekommenen Migranten bei Weitem nicht aus. Wenn wir unseren Wohlstand dauerhaft halten wollen, müssen wir unser Augenmerk auf andere Zielgruppen in aller Welt richten. Wir müssen der weitgehend kleinteiligen sächsischen Wirtschaft, unserem Handwerk, unseren Familienbetrieben passgerechte Angebote für neue Fachkräfte machen. Stärken wir hierzu den Servicegedanken. Ob dies über eine Arbeitgeberhotline oder andere Maßnahmen geschieht, ist dabei weitgehend egal.
Wir müssen in der Frage der Anwerbung von Fachkräften aktiv werden. Ob Zuwanderung aus der EU, aus Drittstaaten oder aus humanitären Gründen: Für alle Fallgestaltungen gelten unterschiedliche Regelungen zu Aufenthaltsstatus, Arbeitserlaubnis, Anerkennung von Berufs- und Ausbildungsabschlüssen und Sprachförderung, die unsere kleinteilige Wirtschaft vielfach nicht überblicken kann.
Diese komplexen Fälle lassen sich nur im Beratungsverbund lösen. Ich bin dankbar dafür, dass diese Erkenntnis Niederschlag auch im aktuell zur Beratung anstehenden Doppelhaushalt gefunden hat, dass das Arbeitsministerium offenbar die Bedeutung dieser Problematik erkannt hat und mittlerweile weiß, dass wir hier nicht auf Förderprogramme des Bundes warten dürfen, sondern im Wettbewerb stehen mit den anderen Bundesländern, die schon lange auf diesem Felde ackern.
Umso dringender wäre es, dass es politische Flankierung und Unterstützung für Initiativen der Kammern und Verbände und etwa auch für das Fachinformationszentrum Zuwanderung des IQ Netzwerks gibt. Ich rege an, darüber nachzudenken, ob wir den ausgelaufenen Lenkungsausschuss Asyl nicht wieder aufleben lassen als ressortübergreifenden Lenkungsausschuss Zuwanderung. Der Freistaat droht andernfalls ins Hintertreffen zu geraten.
Zunächst einmal danke ich dem Sächsischen Ausländerbeauftragten Geert Mackenroth und seinem Team für die versierte und sachlich starke Arbeit auch im vergangenen Jahr.
Für Ausländer in Sachsen sind Sie die erste Anlaufstation und Wegweiser. Bei Ihnen fragen sowohl qualifizierte Zuwanderer als auch Asylbewerber um Rat. Gerade in den letzten Jahren hat Sie dieses Spannungsfeld vor große Herausforderungen gestellt – wie die Entscheidungsträger im Freistaat insgesamt. Umso wichtiger ist es, dass Ihre Jahresberichte bei allen, die in der Ausländer-, Integrations- und Migrationspolitik tätig sind, gelesen werden.
Denn neben Ihren Erfahrungen enthalten die Berichte fundierte Studien und Untersuchungen, die weniger ideologisch geprägt sind, sondern vielmehr sachlich überzeugen. Auch das Jahr 2017 stand unter dem Einfluss und den Nachwirkungen der Flüchtlingskrise von 2015. Zwar spielten Aufnahme und Verteilung ankommender Flüchtlinge nur noch eine untergeordnete Rolle. Dafür haben Integration bzw. Abschiebung deutlich an Bedeu
Einerseits zeigt er, dass Land und Kommunen bei der Unterbringung von Asylbewerbern effizient zusammenarbeiten, andererseits rückt er die Herausforderungen des Miteinanders von Einheimischen und Zuwanderern für unser Zusammenleben in den Fokus.
Interessant sind dabei aus meiner Sicht vor allem zwei Dinge: Erstens. Wie Sie wissen, ist im Jahr 2016 das Instrument der Ausbildungsduldung in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen worden. Einzelne Ausländer, die an sich ausreisepflichtig sind, können demnach unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen die Möglichkeit erhalten, in Deutschland eine Ausbildung zu absolvieren. Allerdings wurde diese Regelung in der Vergangenheit von den Ausländerbehörden unterschiedlich ausgelegt. Hier hat das Innenministerium nun nachgebessert und für eine einheitliche Gesetzesanwendung gesorgt.
Auf Anregung des Sächsischen Ausländerbeauftragten haben wir gegenüber den Ausländerbehörden ausführlich die Versagungsgründe für eine Ausbildungsduldung erläutert, worunter zum Beispiel die Verweigerung der Mitarbeit bei der Passbeschaffung zählt.
Außerdem bin ich am 30. Oktober gemeinsam mit Frau Staatsministerin Köpping und Herrn Staatsminister Dulig zu diesem Thema mit Vertretern der Kammern, Arbeitgebervertretern und der Bundesagentur für Arbeit ins Gespräch gekommen, um auch hier für Klarheit zu sorgen.
Zweitens. In dem Jahresbericht wurden klare Lehren aus der Kölner Silvesternacht gezogen. Dazu gehören: null Toleranz gegenüber jeder Form von Straftaten, weg mit den eingebauten Tempobremsen der Justiz und Mut zur klaren Sprache.
Diese Schlussfolgerungen des Ausländerbeauftragten unterstützen wir als Sächsische Staatsregierung ausdrücklich.
Ich sage es an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit: Zuwanderer mit guten Job- und Bleibeperspektiven unterstützen wir nach Kräften. Anerkannten Asylbewerbern gewähren wir Schutz und Unterbringung, helfen wir bei der Eingewöhnung in Sachsen. Wir handeln menschlich. Wir werden unserer humanitären Herausforderung gerecht.
Wer aber diese ausgestreckte Hand nicht annimmt, wer bei uns straffällig wird, wer unsere Hausordnung – das Grundgesetz – nicht anerkennt oder wessen Asylantrag abgelehnt wird, mit dem muss – noch deutlicher als in der Vergangenheit – entsprechend und konsequent verfahren werden.
Gleichwohl zeigt der vorliegende Bericht auch: Wenn besonders schwierige Entscheidungen bei der Sächsischen Härtefallkommission auflaufen, verfolgt das Innenministerium beileibe keinen dogmatischen Law-and-OrderAnsatz. In sämtlichen 23 Fällen aus dem Jahr 2017 hat das SMI dem Härtefallersuchen entsprochen, haben wir menschlich gehandelt und das Ermessen im Sinne des Vorschlags der Härtefallkommission ausgeübt.
Schlussendlich ist völlig klar: Innenminister und Ausländerbeauftragter haben verschiedene Aufgabenstellungen und können nicht immer einer Meinung sein. Letztendlich zeigt auch der vorliegende Jahresbericht: Strittige Themen klären wir im offenen und konstruktiven Dialog.
Meine Damen und Herren! Es ist keine Aussprache vorgesehen. Wünscht dennoch eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter, das Wort zu ergreifen? – Das ist nicht der Fall. Ich frage Sie, Herr Barth: Wünschen Sie als Berichterstatter des Ausschusses, das Wort zu ergreifen? – Auch das ist nicht der Fall.
schusses in der Drucksache 6/15229 ab. Wer zustimmen möchte, zeigt das bitte an. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei keinen Gegenstimmen, zahlreichen Stimmenthaltungen ist die genannte Drucksache beschlossen, meine Damen und Herren, und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.