Protokoll der Sitzung vom 08.11.2018

Nicht nur CDU und SPD sind mit unzähligen Gesetzen und Verordnungen Bürokratietreiber im Handwerk. So gibt es mittlerweile Bäcker, die bis zu 90 Meter an Regalen brauchen, weil sie ihre Dokumentationspflichten erfüllen und deren Ergebnisse in Aktenordnern über zehn Jahre verwahren müssen. Ein passender Satz dazu: „Von der Wiege bis zur Bahre – Formulare, Formulare.“

(Ines Springer, CDU: Das ist ja nichts Neues!)

In diesem Zusammenhang kann man nur sagen: Schlimmer geht immer. Die aktuellen Gesetzentwürfe der GRÜNEN und der LINKEN beweisen es: mehr Unterlagen, mehr Klauseln, mehr Kriterien, mehr Zertifikate usw. Das Ganze wird als Mittelstandsförderung verkauft. Meine Damen und Herren, das ist keine Mittelstands-, sondern eine Bürokratieförderung.

Zur finanziellen Unterstützung für Existenzgründung im Handwerk: Im Dezember-Plenum 2017 äußerte sich unser Wirtschaftsminister zu einer Meistergründungsprämie noch wie folgt: „Man kann über solche Instrumente reden, wenn sie tatsächlich effektiv sind. Wir werden uns genau anschauen, wie das in anderen Bundesländern funktioniert, in denen es eine solche Prämie gibt.“ Acht Monate später wird diesbezüglich auf meine Kleine Anfrage nach den Ergebnissen dieser Untersuchung wie folgt geantwortet: „Die Aussage, dass die Sächsische Staatsregierung die Gründungsförderung über Meistergründungsprämien in

anderen Bundesländern beobachtet, stellte unter Berücksichtigung der schwierigen Nachweisführung der Effektivität viel mehr auf eine grundsätzliche kritische Würdigung von branchenspezifischen statt branchenübergreifenden Gründungsförderinstrumenten ab.“

Was hat man getan? Nichts. Unser Wirtschaftsminister hatte noch ein weiteres Argument gegen eine Meistergründungsprämie parat: die Handwerksdichte. Diese liege weit über dem Bundesdurchschnitt. Aber erstens ist die Handwerksdichte seit Jahren stetig rückläufig und zweitens hat Brandenburg eine hohe Handwerksdichte. Diese liegt mit 15,7 % ein gutes Prozent höher als die in Sachsen. Trotzdem hat die Landesregierung dort den Nutzen erkannt und eine Meistergründungsprämie eingeführt. Diese ist in sämtlichen Bundesländern, in denen sie existiert, sehr erfolgreich und erfährt keine Mittelabsenkung wie beispielsweise der Meisterbonus im sächsischen Staatshaushalt.

(Staatsminister Martin Dulig: Wie viele Gründungen sind es in Brandenburg mehr geworden?)

Meine Damen und Herren, lassen wir uns nicht weiter mit Absichtserklärungen oder Scheinargumenten verschaukeln. Tun wir endlich etwas, denn im Handwerk boomt nun der Umsatz, vor allem wegen steigender Materialkosten und immer neuer gesetzlicher Auflagen. Wir müssen aber die Bedingungen für die Fachkräftesicherung sowie den Unternehmensfortbestand sichern. Unser Antrag trägt seinen Teil hierzu bei. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Pohle bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit mehr als 95 Handwerksunternehmen auf je 10 000 Einwohner und über 23 % Anteil der Handwerksbetriebe an der Gesamtunternehmenszahl ist Sachsen hinsichtlich der Dichte des Handwerkes in Deutschland weit vorn und weit über dem Bundesdurchschnitt.

Die Wertschöpfung des Handwerkes ist beachtlich, der Anteil an der Gesamtschöpfung im Freistaat aber deutlich geringer, als der der Unternehmens- und Beschäftigtenzahlen. Diese Fakten sind bekannt. Wir haben in diesem Haus schon oft darüber debattiert. Erwähnt werden muss es dennoch, ist es doch der Schlüssel zu vielen, wenn auch nicht zu allen Problemen des Handwerks.

Probleme gibt es genug. Man muss sie kennen, um sie, soweit es möglich ist, zu beheben. Am besten erkennt man bestehende Probleme, wenn man sich dorthin begibt, wo die Interessen der Handwerker zusammenlaufen und gebündelt werden – in die Handwerkskammern –, und aufmerksam die Ohren spitzt. Da sehe ich bei Ihnen, sehr

geehrte Damen und Herren der AfD-Fraktion, das eigentliche Problem. Bei den Veranstaltungen der Kammern sehe ich nur selten Vertreter von Ihnen.

(Zuruf des Abg. Jörg Urban, AfD)

Entweder erlaubt es Ihre Zeit nicht, oder die Lösung der Probleme der Handwerker ist Ihnen doch nicht ganz so wichtig, wie Sie uns hier gelegentlich glauben machen wollen.

(Zuruf des Abg. Jörg Urban, AfD)

Voriges Wochenende am Samstag war die Meisterfreisprechung in Chemnitz. Dort habe ich Sie vermisst. Ich vermisse Sie grundsätzlich bei Meister- und Gesellenfreisprechungen. Sie sind nicht da, Sie können nicht mit Handwerkern ins Gespräch kommen, Sie ignorieren es. So viel zur Glaubwürdigkeit Ihres Vortrages.

(Beifall bei der CDU)

Hat man keine Zeit oder kein Interesse an Veranstaltungsbesuchen und Zuhörtouren, hilft gelegentlich schon Lesen. In ihrem Wahlprüfstein haben im Jahr 2014 alle drei sächsischen Handwerkskammern die Dinge zusammengefasst, die sie für die Lösung ihrer Probleme für erforderlich halten. Mehr Geld vom Staat steht dort übrigens ganz hinten. Die Meistergründungsprämie, die Sie uns wieder einmal sozusagen als alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen versuchen, kommt lediglich in meiner eigenen, der Leipziger Kammer, vor.

Würden Sie sich lösungsorientiert mit Kammervertretern unterhalten, würden Sie erkennen, dass ein solches Instrument nur dann sinnvoll ist, wenn es bestehende Angebote bündelt und damit die Förderung insgesamt vereinfacht. Bisher haben wir schon elf Fördermaßnahmen von Bund und Freistaat, die Gründungen und Übernahmen inspirieren und erleichtern sollen. Sie hier im Einzelnen aufzuführen würde den zeitlichen Rahmen sprengen.

Mir erscheint es unvernünftig, im Dschungel weitere Bäume pflanzen zu wollen. Der Transparenz dienen immer wieder neue Förderinstrumente nicht, ebenso tragen sie nicht zu der von Ihnen vollkommen zu Recht geforderten Entbürokratisierung bei. Wie soll die Staatsregierung die Effekte einer solchen Prämie prüfen, da wir alle wissen, dass sie in den Ländern, in denen sie existiert, im Mitnahmeeffekt gern eingesammelt wird?

Unserer Meinung nach hat sich seit unserer letzten Debatte um dieses grün-blaue Projekt nichts verändert.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Es hat sich unserer Meinung nach nicht verändert.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Na ja, Sie haben das gleiche Anliegen. – Dazu gehört, dass ich mir gut hätte vorstellen können, den Meisterbonus als Qualifizierungsanreiz für unsere Junghandwerker zu erhöhen, statt, wie Sie richtig erkannt haben, ihn um 400 000 Euro pro Haushaltsjahr abzusenken, weil die

Anzahl an Meisterausbildung leider in diesem Maß zurückging. Aber man kann jeden Euro nur einmal ausgeben, und für diese Änderung war leider keine Mehrheit in Sicht.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich weitere Ungereimtheiten Ihres Antrags erläutern. Sie wollen die Staatsregierung berichten lassen, wie viele Eigenkapitalzuschüsse 2017 und 2018 über die Sächsische Beteiligungsgesellschaft gewährt wurden. Da Ihr Antrag dem Handwerk gelten soll, vermute ich, dass Sie auch Handwerksbetriebe meinen. Für alle die, deren Fachgebiet nicht die Unternehmensförderung ist, und auch für Sie, sehr geehrte Damen und Herren der AfD-Fraktion zur Erklärung: Aufgabe der Sächsischen Beteiligungsgesellschaft, einer Tochter der SAB, ist die Förderung von gewerblichen Unternehmen gemäß KMU-Definition in den Phasen Wachstum, Turnaround, Nachfolge und Innovation. Die SBG unterstützt anteilige Finanzierungen eines Vorhabens mit stiller und offener Beteiligung.

Aufgrund der Struktur ihrer Aufgaben ist die Beteiligung an Handwerksunternehmen nicht ausgeschlossen, aber völlig atypisch. Handwerksbetriebe sind für ihr Maßnahmenpaket in aller Regel schlicht zu klein.

Wenn Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der AfD, Ihnen nahestehenden Handwerkern einen guten Rat geben wollen, was die Verbesserung der Eigenkapitalbasis angeht, dann schicken Sie sie doch bitte zur Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Sachsen, einer Tochter der Sächsischen Bürgschaftsbank. Diese enthält maßgeschneidert für kleinere Unternehmen einen Werkzeugkasten aus Beteiligungsmöglichkeiten und Mikromezzaninfonds, also Risikokapitalfinanzierungselementen, bereit.

Im Jahr 2017 nahm sie drei stille Beteiligungen im Handwerksbereich mit einem Wertvolumen von 185 000 Euro vor und reichte an drei Betriebe Mikromezzaninmittel im Wert von 125 000 Euro aus. 2018 waren es bisher zwei stille Beteiligungen für 240 000 Euro und sieben Mikromezzaninausgaben zu 315 000 Euro. Wer sich ernsthaft mit dem Handwerk beschäftigt, der kann das wissen. Fragen Sie mich, dann entlasten Sie die Staatsregierung. Überhaupt wäre wohl der Großteil Ihrer Berichtswünsche über zwei Kleine Anfragen zu erledigen gewesen.

(Beifall bei der AfD – André Wendt, AfD: Wir fragen Sie jetzt immer!)

Dann wüssten Sie schon, dass die Ergebnisse der Struktur- und Potenzialanalyse des Handwerks in Sachsen erst im Juni kommenden Jahres vorgesellt werden. Den Link, unter welchem die Aufgabe der Studie beschrieben ist, kann ich Ihnen gern nach der Sitzung geben. Beschäftigen Sie sich doch mit solchen Fragen und nicht dieses Parlament und die Staatsregierung. Sie haben doch sicher auch wissenschaftliche Mitarbeiter.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in der gesparten Zeit könnten wir uns dann den echten Problemen zuwenden. Diese Probleme freilich muss man analysieren und differenzieren. Eine ganze Reihe von Problemen ist von

Sachsen aus nämlich nicht oder kaum zu beeinflussen, sind sie doch gesamtgesellschaftlicher Natur und entspringen der Brüsseler oder Berliner Politik und deren Profilierungssucht.

Im Gegensatz zur AfD-Fraktion mit ihrem hier vorgelegten schlecht sortierten Gemischtwarenladen hat sich Nikolaus Doll, Wirtschaftskorrespondent der „WELT“, in der Ausgabe vom 03.07.2018 recht strukturierte Gedanken gemacht. Zwar wertet er in seinem Artikel den Gründungsreport 2018 des DIHT, doch gelten die von ihm ausgemachten Hindernisse auch für unsere Handwerksbetriebe, teilweise sogar noch stärker. Doll schreibt im Bezug darauf, dass es zwar wieder ein steigendes Informationsinteresse an Unternehmensgründungen, nach wie vor aber sinkende Gründerzahlen gibt, Folgendes:

Die Hürden für Unternehmensgründungen sind in Deutschland weiterhin hoch. Für die rückläufige Zahl an Gründungen gibt es einige Gründe. Da ist die zum einen gut laufende Konjunktur, die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordtief, der Fachkräftemangel wächst. Ich darf ergänzen: im Handwerk noch drastischer, da Industrieunternehmen in hochproduktiven Bereichen mit den bei ihnen zahlbaren Löhnen den Auszubildenden und den die Ausbildung finanzierenden Handwerksbetrieben schlicht die Fachkräfte abwerben.

Bei der von mir eingangs erwähnten unterdurchschnittlichen Wertschöpfung der Handwerksfirmen, sowohl bezogen auf das Unternehmen als auch auf die einzelne Arbeitskraft, kann das Handwerk dieser Entwicklung so gut wie nichts entgegensetzen. Auch aus diesem Grund fordern wir aus der Mittelstandsvereinigung der CDU, der MIT, seit Langem eine der akademischen Ausbildung entsprechende Finanzierung der dualen Facharbeiterausbildung.

Doch weiter bei Doll: Ein weiterer Grund, der die Gründungszahlen hierzulande drückt, ist die zunehmende Alterung der Bevölkerung. Diese trifft uns in den neuen Ländern und speziell in den ländlichen Regionen mit doppelter Härte. Es ist also richtig, dass die Staatsregierung mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen die Entwicklung unserer ländlichen Regionen fördert.

Ein großer Teil der jungen Leute, der sich in die Großstädte abziehen lässt, zieht dort die Segnungen des boomenden Arbeitsmarktes vor und denkt nicht über Firmengründungen oder -übernahmen nach.

Doll schreibt weiter: Hinzu kommt, dass es in Deutschland seit vielen Jahren keinen Gründergeist mehr gibt. Ein Scheitern der Gründer und eine Insolvenz werden hierzulande in aller Regel als persönliches Scheitern gesehen. Als Unternehmen gilt man bei Investoren und Banken schnell als verbrannt.

(Beifall bei den LINKEN)

Es ist viel schlimmer. Die landläufige Meinung über Selbstständigkeit und Risikobereitschaft erschöpft sich oft in dem Satz: Der ist doch selbst schuld. Leistung wird eben nicht als etwas für die Gesellschaft tragendes Positi

ves angesehen, vielmehr gilt der selbstständige Unternehmer als Milchkuh des Staates, besser eigentlich als dessen Rindvieh, wie die ernsthaften, mangels Mehrheiten aber leider erfolglosen Bemühungen unserer Staatsregierung um die Abschaffung der Vorauszahlung der Sozialabgaben gezeigt haben.

Immerhin ist das Verfahren etwas entbürokratisiert worden. Das ist an anderer Stelle leider nicht der Fall. Der Bericht des Normenkontrollrates spricht in dieser Beziehung keine gute Sprache. Entbürokratisierung auf allen Feldern ist eben kein Gnadenakt, sondern ein gesetzlicher Auftrag. Da sollte die Staatsregierung den Normenkontrollrat durchaus stärken. Zusätzliche Hürden, wie etwa aktuell in den Vergabegesetzentwürfen der LINKEN und der GRÜNEN gefordert, sind absolut kontraproduktiv.

Die Zeit reicht leider nicht, alle Gründe für Übernahmehindernisse detailliert abzuarbeiten. Ich erinnere mich noch an den bisher mangelhaften Ausbau des Datenübertragungsnetzes – da sind wir nun ganz stark dran – und die Durchsetzung eines für alle leicht erreichbaren und verständlichen E-Governments. Was wir auch nicht brauchen, sind immer neue Förderinstrumente, die den Dschungel zum Labyrinth weiterentwickeln, sondern eher weniger passgenaue und überschaubare Pakete.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Das kommt ja auch nicht!)

Da sind wir ja dran. – Ihre Forderung nach weiteren Boni für Technikerausbildung etc., sehr geehrte Damen und Herren der AfD-Fraktion, ordne ich wie den gesamten Antrag der Abteilung Wahlkampfgetöse zu; denn mit der bestehenden Weiterbildungsförderung der SAB, die bis zu 50 % der Weiterbildungsaufwendungen deckt, haben wir durchaus geeignete Instrumente, um eine weitere Qualifizierung potenzieller Gründer oder Unternehmer anzureizen, wobei in diesem Bereich die durch die EU bewirkte Lockerung des Meisterzwangs eher kontraproduktiv war.

Ich möchte noch auf zwei Details Ihres Antrages schauen. Es ist für mich der Punkt 2. Ich zitiere aus Ihrem Antrag: „Der Techniker ist eine hochqualifizierte Fachkraft mit Berufserfahrung, kaufmännischer Grundausbildung und als solcher in die Handwerksrolle eintragungsberechtigt.“ Was wollen Sie uns damit sagen? Wenn ich mich im B1- oder B2-Bereich selbstständig mache, brauche ich nicht in die Rolle eingetragen zu werden. Ich weiß nicht, woher Sie diesen Punkt haben, wo der nützen soll.