Protokoll der Sitzung vom 08.11.2018

(Beifall bei den LINKEN)

Was kleine und mittelständische Unternehmen nicht gebrauchen können, vor allem die ganz kleinen, sind Komplikationen. Dabei sind es gerade diese, die Handwerks-, Dienstleistungs- und Handelsbetriebe, die für einen Großteil unserer Lebensqualität, unseres Wohlbefindens sorgen. Doch stehen diese Betriebe noch immer in der zweiten Reihe, wenn es in Deutschland, so auch in Sachsen, um die Wirtschaft im Allgemeinen geht, weil seitens der Bundesregierung immer zuerst an den Export gedacht wird. Sachsen stimmt in diesen Chor wie selbstverständlich ein und macht kräftig mit.

Exporten im Wert von 41 Milliarden Euro standen im Jahr 2017 Importe im Wert von 24 Milliarden Euro gegenüber. Sachsen hat die größte prozentuale Steigerung der Exportquote von 2009 bis 2017 erreicht, und zwar von 21,4% auf 34 %.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Sehr gut!)

Was die Exportquote selbst angeht, ist Sachsen zwar, gemessen am Bundesdurchschnitt, auch nur Mittelmaß und liegt um 5 % zurück, aber am Exportüberschuss ist es beteiligt. Dieser wird sogar von der EU gerügt, aber ohne Konsequenzen.

Nun habe ich von dieser Stelle aus schon einige Male darauf verwiesen, dass der Exportüberschuss des einen Landes Defizite in anderen Ländern bedeutet. Aber heute will ich auf etwas anderes hinaus. Die Exportorientierung hat mindestens noch einen zweiten Pferdefuß: Die internationalen Märkte erweisen sich zuweilen als wackelig, zum Beispiel weil der weltpolitische Ton rauer geworden ist. So schlagen die Unternehmen die Alarmglocken, weil es Embargos gegen Russland oder den Iran gibt, die USA mit Strafzöllen um sich werfen oder Großbritannien seine privilegierte Partnerschaft in der EU kündigt. Es ertönt der Ruf: Politik, mach was!

Ich würde dem entgegnen: Stärkt euer zweites Standbein durch Stärkung des Binnenmarktes! – Tja, und hier wäre dann Politik tatsächlich gefragt, indem ordentlich investiert wird in soziale, in technische und in kulturelle Infrastruktur. Schaut man sich die Exportquoten, wie in der Antwort zu den Fragen 39 und 40 der Großen Anfrage zu finden ist, von besonders exportorientierten Bundesländern, wie Baden-Württemberg, Bremen und dem Saarland an, die im Jahr 2009 zwischen 35 und 39 % lagen, und vergleicht sie mit dem Einbruch des BIP im Jahr 2009 infolge der Finanzkrise, dann fällt auf, dass der Einbruch in den genannten Ländern besonders groß war, nämlich bei 6,8 bis 9,8 %. Das Land Berlin hingegen, das mit etwa 10 % mit Abstand die niedrigste Exportquote hatte und hat, erlebte einen Rückgang des BIP von 0 %.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Das sind ja Superbeispiele!)

Während es von 2009 bis 2017 beim Wachstum des Bruttoinlandproduktes nur von Bayern übertroffen wird, liegt die Exportquote im Jahr 2017 immer noch bei nur 11,2 %. Davon sind selbst Mecklenburg-Vorpommern mit 16,6 % und Brandenburg mit 18,2 % ein gehöriges Stück entfernt. Der Bundesdurchschnitt ist fast viermal so hoch. Darüber lohnt es sich doch, finde ich, einmal nachzudenken.

Es scheint jedenfalls nichts an einer Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge, was vor Ort vor allem kommunale Daseinsvorsorge bedeutet, vorbeizugehen. Dazu muss gehörig Geld in die Hand genommen werden, am besten mit einer – wie wir sie gefordert haben – Kommunalpauschale oder mit Regionalbudgets, die diesen Titel verdienen.

Diese Investitionen vor Ort zusammen mit einem modernen Vergabegesetz – auch das war unser Vorschlag – sind ein geeignetes Mittel, damit es endlich zu den dringend benötigten regionalen Wirtschaftskreisläufen kommt. Kurz gesagt, liebe Staatsregierung: Hört zu, nehmt Bedenken mit, passt eure Politik an!

(Beifall bei den LINKEN)

Nun lautet das Thema der Großen Anfrage „Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Sachsen“. Machen wir uns aber erneut klar, dass wir fast ausschließlich von kleinen und mittelständischen Unternehmen sprechen. Die großen DAX-Unternehmen werden sich hier vermutlich nicht mehr ansiedeln. Das Jammern darüber hilft nichts. Wir müssen aus dem schöpfen, was da ist. Wir müssen erhalten und fördern.

Um hierzu einmal die Sprache der Staatsregierung zu übernehmen: Das geht in Sachsen, und es kann richtig gut gehen.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Dafür brauchen wir als Politik einen anderen Begriff von Unternehmen. Was heißt es, etwas zu unternehmen? Viele Betreiber und Betreiberinnen kleiner Betriebe sagen mir, dass es ihnen nicht zuerst um Wachstum oder ums große Geld gehe, sondern sie wollen machen, was sie können, und damit selbstverständlich auch ihren Lebensunterhalt bestreiten. Sie wollen selbstständig sein und leben können, also auch ihr Leben planen können. Doch häufig höre ich von ihnen, dass eines fehlt: Anerkennung und Wertschätzung. Sie sagen auch: Gesehen werden immer nur die Großen. Die kleinen Betriebe werden übersehen, wenn eines anzuerkennen gilt: Selbstständigkeit bedeutet Risiko. Ja, es braucht auch Leute, die etwas wagen. Dieses Risiko muss dadurch anerkannt werden, dass die Möglichkeit des Scheiterns mitbedacht wird und die Betreffenden dann nicht ins Bodenlose fallen. Woran es fehlt, ist, dass Selbstständigkeit ein Mindestmaß an sozialer Absicherung erfährt; dass die Gesundheitsversorgung gewährleistet ist und im Alter nicht nur die Grundsicherung bleibt.

Deshalb muss für abhängig Beschäftigte genau so wie für Selbstständige gelten: Wirtschaft ist für den Menschen da. Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen der Union daran erinnern, was gerade Ihre Partei im Ahlener Programm im Jahr 1947 festgeschrieben hat: Arbeiten und Wirtschaften beinhalten immer auch die soziale Sicherheit. Das ist ein zutiefst schlauer Gedanke.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Deswegen haben wir ja die soziale Marktwirtschaft! – Gegenruf von den LINKEN: Sozial ist die nicht!)

Aktuell ist diese Sicherheit nicht spürbar, und so, das haben mir Selbstständige auch erzählt, neigen Menschen rechten politischen Kräften zu, die eine vermeintliche Sicherheit in der Vergangenheit nationalistischer Borniertheit versprechen. Lösungen für die Zukunft lassen sich aber nur im Vorwärtsgehen finden. Was es braucht, um die sächsische Wirtschaft zu stärken und die Menschen wieder mitzunehmen, ist der politische Wille, die Menschen am Wachstum zu beteiligen, ihnen endlich wieder mehr Sicherheit zu geben und in gutes Leben für alle zu investieren. Ansonsten überlassen wir dieses Land undemokratischen Populisten.

Unsere Fraktion arbeitet gern mit allen zusammen, die sich dem entgegenstellen.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion ist an der Reihe. Für die Fraktion spricht Herr Abg. Heidan.

(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Herr Heidan, ich bin 1980 geboren! Ich wollte es nur einmal sagen!)

Herr Heidan, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Neuhaus-Wartenberg, wenn Sie hier schon Konrad Adenauer zitieren – das habe ich mir zwar erst für den zweiten Teil meiner Rede aufbewahrt, aber nun will ich es voranstellen –, dann möchte ich auch gern seinen damaligen Wirtschaftsminister, den ehrwürdigen Ludwig Erhard, wörtlich zitieren: „Der Staat kann Kaufkraft – gleich ob in Form von Unterstützungen, Krediten, Darlehen oder Subventionen – nur insoweit spenden,“ – er hat von „spenden“ gesprochen – „als er den Gegenwert vorher seinen Staatsbürgern durch Besteuerung abgenommen hat. Ich halte daher eine Politik, die den Staat auf solche Weise in den Besitz von Kapital bringt, um ihn darauffolgend wieder zu privaten Ausleihungen zu befähigen, für moralisch höchst anrüchig.“

(Beifall des Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU – Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Die Zeiten haben sich geändert! – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Ich glaube, Sie haben kein Perpetuum mobile erfunden, wenn Sie erst das Geld einkassieren, dazu noch die Verwaltungskosten haben und das Füllhorn der Förderung oder der zinslosen oder zinsgünstigen Kredite ausbringen. Aber wir kommen ja noch zu Ihrem Entschließungsantrag.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Ich halte es auch für etwas verwunderlich, wie Sie die Zahlen lesen.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Haben wir 28 Jahre alles falsch gemacht, oder wie?)

Wir lesen die Zahlen etwas anders. Für uns sprechen die Fakten, und die zeigen, dass wir gerade im Bruttoinlandsprodukt in Sachsen eine ordentliche Steigerung haben, und mittlerweile bei 93 % des EU-Durchschnitts liegen und damit vor allem in mittel- und osteuropäischen Staaten wesentlich darüber liegen.

Die Region Leipzig übertrifft sogar den EU-Durchschnitt. Dagegen liegen die Nachbarländer Polen mit 69 % und Tschechien mit 87 % noch deutlich zurück.

Das sollte uns nicht selbstzufrieden machen, und wir arbeiten auch daran, dass wir weiter im Wettbewerb vorn sind.

Aber Sie hatten auch hier von den Arbeitnehmerentgelten gesprochen. Selbst diese sind mit einem Plus von 3,6 % in den vergangenen Jahren in Sachsen überdurchschnittlich gewachsen und erreichen in der Zwischenzeit 83 % des gesamtdeutschen Durchschnitts.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Dass die Industrie den maßgeblichen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg des Freistaates leistet, ist ein offenes Geheimnis. Sie liegt im Jahre 2010 mit 26,8 % preisbereinigt sogar deutlich über dem Durchschnitt von Deutschland, der bei 15,7 % liegt.

Auch die Zahl der Erwerbstätigen in der sächsischen Industrie ist seit dem Jahr 2010 mit einem Plus von 10,5 % etwa doppelt so stark gestiegen, wie wir das im ostdeutschen und im westdeutschen Trend mit einem Plus von nur 5,8 bzw. 5,6 % feststellen können.

Deswegen bin ich Ihnen dankbar, dass Sie hier so einen umfangreichen Fragenkatalog vorgetragen haben. An dieser Stelle sei mir erlaubt, auf die Freiberufler zu sprechen zu kommen. Dass diese statistisch nicht erfasst werden können, liegt ja schon im Namen. Einen Freiberufler können Sie praktisch nur steuerlich erfassen – und wir haben ein Steuergeheimnis –, und deswegen können keine statistischen Zahlen vorgebracht werden.

Also, hören Sie einmal mit Ihrem Populismus auf, sondern kommen Sie wirklich zu den Wirtschaftsdaten. Die Wirtschaftsdaten und auch die Beschäftigung sprechen für sich. Ich möchte gern darauf eingehen: Die Beschäftigung wächst, die Arbeitslosenquote sinkt wiederum deutlich und die Erfolge im wirtschaftlichen Aufbauprozess spiegeln sich auch im Arbeitsmarkt wider.

Die Arbeitsplatzdichte – das hat ja auch Ihre Große Anfrage hervorgebracht – ist mit 499 Erwerbstätigen je 1 000 Einwohner mit die höchste Zahl der ostdeutschen Flächenländer. Diese erreichen nur einen Wert zwischen 443 und 484. Gegenüber dem Jahr 2010 ist die Zahl der Erwerbstätigen um 3 % gestiegen, und das ist mit Abstand die beste Entwicklung der ostdeutschen Flächenländer. Das zeigt, dass wir hier in Sachsen eine gute Wirtschaftspolitik gemacht haben; denn wenn es so wäre, wie Sie es darstellen, würden die Arbeitslosenquoten wesentlich höher sein.

Apropos Arbeitslosenquote: Sie ist von 11,8 % im Jahr 2010 auf 7,5 % im Jahr 2016 gesunken, und wir haben teilweise heute schon Landkreise, die in der Arbeitslosenquote eine Vier vor dem Komma stehen haben.

Auch der Mittelstand – das zeigt die Antwort der Staatsregierung auf Ihre Anfragen –, bei dem 98 % der 113 308 Betriebe weniger als 100 Beschäftigte haben, ist ein großes Rückgrat unserer Wirtschaft. 73,6 % aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in den kleinen und mittleren Betrieben haben weniger als 250 Beschäftigte. Kleine und mittlere Unternehmen – also solche mit einem Umsatz bis zu 50 Millionen Euro – generieren 67,2 % des landesweiten Umsatzes. Der Mittelstand bildet also nach wie vor ein starkes Rückgrat der sächsischen Wirtschaft.

Auch speziell zum Handwerk möchte ich noch etwas sagen. Das Handwerk hat mit rund 57 400 Betrieben den stärksten Anteil der verschiedenen Branchen im verarbeitenden Gewerbe, der Bauwirtschaft sowie bei Handel und Dienstleistungen. Dabei ist die Handwerkerdichte in Sachsen außergewöhnlich hoch: Mit 14,1 Betrieben pro 1 000 Einwohner liegt sie klar über dem deutschen Durchschnitt mit 12,1 Betrieben pro 1 000 Einwohner und zugleich an dritter Stelle aller Bundesländer. Es kann ja dann wohl nicht so schlimm sein, wie Sie es darstellen, wenn sich so viele Handwerksbetriebe gerade hier in Sachsen angesiedelt haben.

Auch beim Handel und Export erreichen wir sehr gute Zahlen. Der Export hatte 2016 ein Volumen von 36,7 Milliarden Euro. Das ist übrigens der zweithöchste gemessene Wert in der Zeit des Freistaates. Dabei zählt bei den Ausfuhren China mit rund 5,5 Milliarden Euro mit Abstand zu den größten Abnehmerländern. Allein für Asien kommen 27 % aller sächsischen Ausfuhren in die Statistik und auch mit unseren tschechischen Nachbarn stehen wir bei den Einfuhren – das ist ja auch ein wichtiges Thema – mit 4,3 Milliarden Euro an erster Stelle. Damit ist Tschechien unser zweitwichtigster Handelspartner.

Der Anteil der Erzeugnisse im Kraftfahrzeugbau – das zeigt wiederum, wie stark unsere sächsische Wirtschaft auf den Kraftfahrzeugbau ausgerichtet ist; mit drei großen Werken ist das sicherlich auch kein Wunder – ist mit Abstand der wichtigste Exportschlager mit 46,2 %. Danach kommt mit dem Maschinenbau ein Anteil von 10,7 % – das ist auch ein deutliches Zeichen, wo unsere Stärken in der sächsischen Wirtschaft liegen.

Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle deutlich sagen – und das wird die weitere Diskussion auch zeigen –: Wir sind nicht Spitzenreiter, aber wir sind gut aufgestellt in der sächsischen Wirtschaft.

Im zweiten Teil werde ich zu den Maßnahmen kommen, die die sächsische Wirtschaft braucht, und wir werden sicher auch noch über Ihren Entschließungsantrag sprechen.

Zunächst vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Damit kommen wir zur SPD-Fraktion, Herrn Abg. Baum. Herr Baum, Sie haben das Wort.