Protokoll der Sitzung vom 14.12.2018

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Natürlich.

Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie zwischengefragt haben. – Herr Kollege, ich habe nur eine Frage. Sie sagen: Gerechtigkeit wieder herstellen. Es geht nicht um die Frage, dass die Flächen, die den Bodenreformerben entzogen wurden, jetzt an die zurückgegeben werden sollen, die sie vor der Bodenreform hatten,

(Zuruf des Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)

sondern es geht darum, dass sich das Land die Flächen und die Erlöse unter den Nagel gerissen hat, die vor der Bodenreform jemand anderes hatte und die die Bodenreform-Bauern und dann die Erben bekommen haben. Um die Frage geht es doch. Wo ist unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit – das ist meine Frage – für Sie die Not?

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Mit dem Thema kann man nicht gewinnen, Herr Bartl!)

Wir hatten ein Institut des Eigentums an Boden – sagen wir einmal bis 1945 – mit all den politischen Gründen, wie gerecht das verteilt war. Aber es war Eigentum. Dann gab es die erste Enteignungswelle – gleich unter der sowjetischen Militäradministration. Später wurde dieses Land verteilt – Bodenreform, Land, kleine Schläge. Ab 1952 gab es die Zwangskollektivierung und im Prinzip eine komplette Entwertung des Begriffs und Instituts des privaten Eigentums an Land und Boden.

(Beifall der Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch und Hannelore Dietzschold, CDU)

Das war auch der Grund dafür, warum die Grundbücher nicht mehr geführt wurden, weil man sagte: So what? Die wurden sogar an die Elbe – es fällt mir gerade nicht ein –,

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Nach Barby!)

nach Barby ausgelagert. Ein Teil ist dort verrottet. Es spielte keine Rolle. Deshalb gab es auch kein Bewusstsein mehr bei den LPG-Mitgliedern: Oh, wir haben Eigentum, das ist etwas wert – im Übrigen ähnlich wie Wohngebäude, die man manchmal für einen freien Taler abgegeben hat, weil die Mieten nicht einmal mehr die Unterhaltungslasten getragen haben. Das war ein Problem der DDR.

Privates Eigentum war nicht gerade der hohe Wert, sondern es ging um gesellschaftliches Eigentum. Man kann lange über die Vor- und Nachteile diskutieren, aber das war die Aussage.

Jetzt kommt ein ganz kleiner zeitlicher Moment unter Modrow, in dem man dieses – worauf eigentlich keiner vertraut hat, dass man ein solches Eigentum hätte – Eigentum kurz in ein privates überführen will, also eigentlich aus Sicht einer SED – PDS damals – ein kapitalistisches Instrument und nicht mehr gesellschaftliches Eigentum. Jetzt diesen kleinen Moment zu nehmen und zu sagen, da muss ich jetzt rückabwickeln und größte Gerechtigkeit herstellen und das sollte auch noch unbedingt einen Kapitalanspruch als Ausgleich für diese Flächen haben, bei denen vorher keiner auf die Idee gekommen ist, hier habe ich vererbbares Land, das spielte keine Rolle mehr, das sehe ich nicht als Handlungsfaden, dass wir dafür einen Anlass hätten, das zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Viel wichtiger – damit komme ich auf die letzte Minute meiner Redezeit zurück – haben wir auch aktuell Probleme mit dem Boden. Wir haben wegen dieser Kalamitäten, die da passiert sind, diese alten LPG-Genossenschaften, die in GmbHs umgewandelt wurden, wo man damals schon aus Sicht der Genossenschaft einzelne Mitglieder für einen Apfel und ein Ei ausgezahlt hat – – Sie haben gesagt: Seht mal, unser Schweinestall mit dem asbestverseuchten Dach ist nichts wert. Seid froh, wenn ihr überhaupt einen Cent bekommt. Aus deren Sicht hat der Boden im Nachgang auf einmal einen Wert gewonnen.

Jetzt kommt es: Wir haben solche GmbHs, bei denen nach und nach, wenn einzelne Gesellschafter in Rente gegangen sind, die für einen lächerlichen Taler ausgezahlt wurden – – In den Neunzigerjahren hatten wir noch die Flächenstilllegungen. Jetzt ist das Land auf einmal sehr viel wert, und jetzt haben wir die letzten GmbHs, Millionen Euro wert, bei denen noch drei Eigentümer übrig geblieben sind, ältere Herren aus dieser Zeit. Wenn dort noch einer aussteigt oder Erben kommen und das ausgezahlt haben wollen, müssten sie denen Millionen auszahlen, die keiner hat, was dazu führt, dass sie ihre gesamten Anteile an Kapitalanleger abgeben.

Das steht uns bevor, und da sehe ich einen viel größeren Handlungsbedarf, mit dem wir uns hier beschäftigen sollten, aber nicht mit diesem – so möchte ich sagen – zeitgeschichtlichen Phänomen, mit dem Sie uns hier beschäftigen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Wir haben wirklich lange überlegt, ob wir uns bei Ihrem Antrag enthalten, weil wir Gerechtigkeit herzustellen noch irgendwie nachvollziehen können. Aber ich muss sagen, im Lichte dieser Debatte empfehle ich meiner Fraktion jetzt Ablehnung; denn das ist kein Weg.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Kollege Günther war das, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Jetzt sind wir durch. Wollen Sie eine zweite Runde eröffnen? – Nein. Damit könnte die Staatsregierung das Wort ergreifen, und sie tut das auch. Bitte, Herr Staatsminister Sebastian Gemkow.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es ist nicht zu bestreiten, die Bodenreform ist Ursache für viele Verwerfungen, Verwerfungen, die auch durch rechtliche Aufarbeitung durch den Gesetzgeber Anfang der Neunzigerjahre und durch die Gerichte nicht einfach ungeschehen gemacht werden konnten. Es gehört auch zur Wahrheit dazu, dass diese Verwerfungen für einige dazu geführt haben, dass sie sich vom demokratischen Gesetzgeber und den Gerichten im Stich gelassen fühlen.

Es gibt wenige Themen, die sich so gut eignen wie die Bodenreform und ihre Aufarbeitung, um darüber auch heute noch Gerechtigkeitsdebatten zu führen. Wer die menschliche Dimension erfassen will, kann als Außenstehender die Romane „Landnahme“ von Christoph Hein oder „Unterleuten“ von Juli Zeh zum Ausgangspunkt nehmen. Wer sich mit der Materie rechtlich befassen will, der muss allerdings tief in normenpraktische Handhabungen und die nach der friedlichen Revolution ergangenen Urteile einsteigen, und das ist, glaube ich, hier in einer ganz interessanten Art und Weise gerade eben passiert – mit sehr viel Sachverstand. Vielen Dank für die Debatte. Es war toll, das zu verfolgen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Der zuständige Bundesgesetzgeber hat seinerzeit mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz ein ausdifferenziertes System geschaffen, mit dem die Eigentumslage an denjenigen Bodenreformgrundstücken endgültig

geklärt werden sollte, die an Neubauern ausgegeben sind oder ausgegeben waren. Sich daraus ergebende Auflassungsansprüche des Freistaates Sachsen gegen Bodenreformerben sind seit dem 2. Oktober 2000 verjährt. Bei Ansprüchen der Bodenreformerben zum Beispiel auf Anfechtung einer Auflassung ist spätestens zum

31. Dezember 2012 Verjährung eingetreten.

Die Rechtsverhältnisse in Sachsen sind damit seit Jahren geklärt. Aktuell gibt es hier deshalb nur noch wenige Anfragen oder Beschwerden von Bodenreformerben und verbliebene Vollstreckungsfälle. Es gibt auch kein Defizit des Rechtsstaates. Die Gerichte haben die Regelung längst als verfassungskonform gebilligt. Zuletzt hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2005 die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Regelung auch im Hinblick auf die Unentgeltlichkeit der Übertragung bestätigt.

Der Umstand, dass einzelne Übertragungs- und Gerichtsverfahren für die Bodenreformerben zu einem zwar ungünstigen, aber trotzdem rechtmäßigen Ergebnis geführt haben, führt zu keiner Gefährdung des Rechtsfriedens oder des Vertrauens in den Rechtsstaat. Die Rechts

sicherheit und der Rechtsfrieden gebieten es eher, von einer neuerlichen Korrektur und einem damit verbunden möglichen Wiederaufrollen der Eigentums- und Besitzverhältnisse abzusehen. Ein Härtefallausgleich erscheint fast 30 Jahre nach der friedlichen Revolution schlicht nicht mehr erforderlich.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Nach den Ausführungen des Staatsministers kommt jetzt die Fraktion DIE LINKE in den Genuss eines Schlussworts, Kollege Bartl.

Vielen Dank, Herr Präsident, für den Genuss. – Wer hat denn den Rechtsfrieden jetzt, Herr Staatsminister?

(Martin Modschiedler, CDU: Wir!)

Die Bodenreformerbinnen und Bodenreformerben, die mit der Auslegung und der Rückabwicklung der ModrowGesetze und der dazu zeitweilig in diesem historischen Moment geschaffenen Anspruchsgrundlage geprellt

wurden, die verlustig gegangen sind, sind die Unzufriedenen. Die haben es nie verstanden. Alle Entscheidungen über das Eigentum sind politisch – seitdem es Rechtsordnungen gibt. Ganz selbstverständlich.

Die Bodenreform war eine politische Entscheidung, in dem Fall der sowjetischen Militäradministration, gemeinsam mit kommunistischer und sozialdemokratischer – weiß ich jetzt nicht – – Dann war es eine Entscheidung der Modrow-Regierung, dass das anders sein soll. Dann gab es wiederum eine Entscheidung der Mehrheit im Bundestag, in dem nur ein Sechstel der Ostdeutschen saßen, dass das Vermögensrechtsänderungsgesetz wieder rückabgewickelt wird. Das sind alles politische Entscheidungen. Die Frage war letzten Endes: Wessen Entscheidung hat die Wirkung verloren?

Noch einmal: Die Äußerung von Kohl zu dem, was für das Zustandekommen des Einigungsvertrages mit Bezug zur Bodenreform konstitutiv war, habe ich vorhin vorgetragen. Die Position war, dass gesagt wurde: Wenn ihr es haben wollt, bitte schön, dann wird aber die Bodenreform nicht angerührt.

Die Frage ist ja letzten Endes, dass diejenigen, die das als Kinder, als Enkel von den Bodenreformerben verloren haben, jetzt fragen: Weshalb ist denn das Land nicht an den gegangen, der damals von der Bodenreform enteignet worden ist, sondern warum hat es denn jetzt Brandenburg? Warum hat es denn jetzt Sachsen? Warum haben denn die die Millionen?

(Zuruf des Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)

Warum macht die Bundesrepublik Deutschland das, was der DDR gewissermaßen als Unrecht nachgesagt wird, weil sie das zurückgeholt hat in den Bodenfonds, jetzt an ihrer Stelle? Ich verstehe die Welt nicht mehr. Ich denke

einfach, ich bin hier im falschen Film. Auf den Tag ein Jahr und einen Tag ist es her, dass Ihre Schwesterfraktion, sehr geehrter Herr von Breitenbuch, im brandenburgischen Landtag die Große Anfrage 24 der Fraktion der CDU zum Thema Unrechtswiedergutmachung – Bilanz nach zehn Jahren Bodenreformaffäre – zur Behandlung aufrief und der rot-rot-grünen Koalitionsregierung, die das Problem von der Vorgängerregierung geerbt hatte, und damit der CDU zu Recht Feuer unter den Hintern machte. In der Einbringungsrede Schloss Ihr Kollege MdL Gliese von der brandenburgischen CDU den Redebeitrag zur Eröffnung der Aussprache über die Große Anfrage mit folgenden Worten: „Verehrter Herr Minister,“ – damit war der linke Minister gemeint – „liebe Kollegen, lassen Sie uns heute ein Stück Wiedergutmachung betreiben und die gravierenden Fehler der Bodenreformaffäre zumindest zum Teil abmildern. Der Landtag kann seiner Verantwortung zumindest ein Stück weit gerecht werden, spät, aber nicht zu spät. Der Entschließungsantrag der CDU bietet dazu die Möglichkeit.“ Unterstützt war der Antrag von der Fraktion der GRÜNEN und der am weitest gehende Redner in der Kritik der Links-Links-Regierung war Ihr Vertreter.

(Martin Modschiedler, CDU: Jetzt sind Sie aber hinterher! – Zurufe von den LINKEN)

Nein, ich bin nicht hinterher, aber es ist ja jetzt mein Problem. Wir dachten, wir machen etwas Gutes, wenn wir einmal das tun, was die Thüringer, die Brandenburger –

Kollege Bartl, die Zeit ist abgelaufen!

– erzwungen haben, und jetzt machen wir es wieder falsch.

Ein Satz nur noch.

Ein Satz noch, das ist der letzte Genuss.