Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Dr. Lippold, geben Sie mir recht, dass es angesichts der Dimensionen, die der Strukturwandel für das mitteldeutsche Revier und die Lausitz hat, notwendig ist, Gründlichkeit vor Schnelligkeit walten zu lassen? Woher nehmen Sie Ihre Erkenntnis, dass dieser Zug angeblich so gut in Fahrt ist, dass er komischerweise in Katowice anhalten kann? Sollten wir nicht eher etwas gründlicher arbeiten, damit wir die zeitliche Dimension dieses Struk
turwandels vernünftig abbilden und nicht politisch nur wegen einer Klimakonferenz ein Datum festlegen?
Zunächst einmal ist das nicht meine Entscheidung. Das besagt der Einsetzungsbeschluss der Bundesregierung. Die Kommission hat diesen ernst genommen. Sie haben ihren ehemaligen Ministerpräsidenten mit in das Führerhäuschen des Zuges gesetzt. Sie haben das alle sehr ernst genommen und fleißig gearbeitet. Sie haben erst einmal intensiv über das Thema Strukturwandel geredet. Es sind viele Vorschläge, Ideen, Pläne und Finanzierungsansätze entstanden. Dem einen reicht das und dem anderen eben nicht.
Im zweiten Teil ist man losgegangen und hat gefragt, was man tun müsse, um einen Pfad für das Schließen der Lücke bis zum Jahr 2020 und bis zum Jahr 2030 zu beschreiten. Somit könnte dann auch eine Bundesumweltministerin mit klaren Plänen dorthin fahren.
Wir sind schließlich nicht mehr und nicht weniger als die größte europäische Volkswirtschaft. Es kommt schon darauf an, ob diese in dem Zug mitfährt oder vorn dran hängt. Das war ein sehr wichtiges Ziel. Das war der Bundesregierung ein sehr wichtiges und sehr wertvolles Ziel. Das war – nebenbei gesagt – mit Blick auf die Arbeit der Kommission die einzige wirklich harte Deadline, die die Kommission und die Bundesregierung in ihrer Arbeit befeuert hat.
Diese einzige harte Deadline wurde gerissen. Das ändert sehr viel an der Arbeit der Kommission. Es folgt das eine oder andere Déjà-vu zum Klimaschutzziel 2020, wenn es keine harten, sondern nur noch weiche Ziele gibt. Was bringt diese Kommission dann eigentlich noch voran? Das ist die große Frage. Die nächsten harten Termine sind die Landtagswahlen. Was das für die Arbeit der Kommission bedeutet, werden wir sehen.
Ich würde gern noch ein paar Sätze anfügen. Was im Bahnverkehr ein gefährlicher Eingriff ist, weil es einen Zug zum Entgleisen bringen kann, das ist auch hier geeignet, diese Kommission und ihre Arbeitsfähigkeit schwer zu beschädigen. Damit haben Sie diese Kommission, deren Einsetzung ein langwieriger und mühsamer Prozess war, weil er größtmögliche Ausgewogenheit und damit breitestmögliche Akzeptanz ihrer mit Zweidrittelmehrheit zu beschließenden Berichte garantieren sollte, – deren politische Steuerung von der Seitenlinie nicht ausdrücklich vorgesehen war, um genau diese breite Akzeptanz zu ermöglichen –, wie Figuren in einem Marionettentheater aussehen lassen.
Herr Kollege Lippold hat die Zweite Aktuelle Debatte für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eröffnet. Nun spricht für die CDU-Fraktion Kollege Rohwer. – Entschuldigung, der Ministerpräsident möchte das Wort ergreifen. Nach unserer Geschäftsordnung kann die Staatsregierung
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank. Ich möchte es noch einmal deutlich sagen: Im Jahr 2050 endet in der Bundesrepublik Deutschland die Braunkohleverstromung. Das hat unser Land im Pariser Abkommen beschlossen und zugesagt. Das gilt selbstverständlich! Meine Damen und Herren, um dieses Ziel zu erreichen, braucht es eine verantwortliche Politik, die mehreren Kriterien gerecht werden muss.
Erstens braucht dieses Industrieland Bundesrepublik Deutschland eine sichere Energieversorgung. Es reicht eben nicht, wenn an vielen Tagen im Jahr der Strom durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Wir brauchen an 365 Tagen 24 Stunden lang eine sichere Energieversorgung.
Zweitens – das ist genauso wichtig – hat die Bundesrepublik Deutschland heute schon die höchsten Strompreise in der Europäischen Union. Wir dürfen darüber nicht hinausgehen. Dieses Land wird nur dann wettbewerbsfähig sein, wenn die Energiepreise vernünftig und wettbewerbsfähig sind. Das ist der zweite Punkt.
Der dritte Punkt ist folgender: Wir leben in einem Land, in dem die Braunkohleverstromung einen großen Teil zur Wertschöpfung und zur Arbeitsplatzversorgung beiträgt, im Übrigen auch zu unserem Steueraufkommen. Deshalb haben gerade wir ein großes Interesse daran, dass die Aussagen, die von vielen Umweltverbänden, Unternehmern, aber eben auch der Bundesregierung getroffen wurden, eingehalten werden. Zuerst geht es um den Aufbau neuer Beschäftigungsverhältnisse, dann folgt der Ausstieg aus der Braunkohle. Das muss unser gemeinsames Ziel sein. Das muss uns auch in diesem Parlament einen, meine Damen und Herren.
Das muss man auch noch einmal ins Verhältnis setzen. Wir reden über, von heute angenommen, 30, 31 Jahre. Wir reden über einen Zeitraum, den wir mit der deutschen Einheit vergleichen können. Wir wissen, was in dieser Zeit alles gelungen ist, und wir wissen auch, dass wir es noch nicht geschafft haben, an den deutschen Durchschnitt anzuschließen. Deshalb ist das ein Zeitraum, der nicht zu lang, sondern notwendig ist für eine Strukturentwicklung. Ich will im Detail auch gleich noch einmal darauf eingehen.
Jetzt muss man, um die gesamte Sache noch einmal ins Verhältnis zu setzen, über 30 Jahre Zeit betrachten. Wir reden über 0,3 % des weltweiten CO2-Ausstoßes, der durch die deutsche Braunkohleverstromung zustande kommt – 0,3 %. Das ist nicht wenig, das ist ein Betrag, auf den wir in Zukunft auch verzichten wollen, aber man muss ihn ins Verhältnis setzen zu dem, was weltweit passiert, was jedes Jahr auch an Zubau an CO2Produktion in anderen Ländern passiert. Deshalb ist es, glaube ich, richtig, dass man die ganze Sache mit Vernunft und mit der Ruhe angeht, wie man sie braucht.
Wir stehen als Staatsregierung an der Seite der Beschäftigten, der Bergarbeiter, der Kraftwerker, der Menschen in der Region, derer, die dort leben und die im Übrigen hier oben gerade auf der Tribüne sitzen und genau zuhören, was hier wie gesprochen wird, weil sie persönlich davon betroffen sind.
Es ist für mich vollkommen klar, dass diejenigen, die heute ein Tagebaugroßgerät führen, in aller Regel nicht die Personen sein werden, die am Ende IT-Experten oder die Experten der künstlichen Intelligenz oder anderer Dinge werden. Darum geht es auch gar nicht. Es geht darum, dass diese Frauen und Männer ihren Kindern und Enkeln mit gutem Gewissen sagen können: Ihr werdet eine neue Beschäftigung hier in unserer wunderschönen Heimat haben, weil die Staatsregierung und die Bundesregierung daran arbeiten, dass sie alles dafür tun werden, dass jetzt die Braunkohle endet, aber ihr werdet neue Beschäftigung haben. Das sind wir diesen Leuten schuldig, meine Damen und Herren!
Wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass das auch gelingt. Wir haben mit Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und mit Nordrhein-Westfalen die Kommissionsarbeit angehalten, weil wir gemerkt haben, dass das, was wir an Verbindlichkeit brauchen, damit dieser Prozess gelingen kann, nicht vorhanden ist. Ich widerspreche Ihnen sehr, Herr Lippold.
Die Mitglieder der Kommission, die ich jetzt getroffen habe, sind darüber nicht verärgert, sondern sie haben die Problematik genauso gesehen wie wir. Es gab diese Verbindlichkeit nicht, es gab eine ganze Reihe von Ideen, und wir haben auch ordentlich zugeliefert. Ich kann mich nicht darüber beklagen, dass diese Kommission nicht schon in ihrem Zwischenbericht genügend Einzelmaßnahmen – richtige, wichtige, notwendige Infrastrukturmaßnahmen – vorgesehen hat.
Aber die Frage ist: Kann ich mich als Ministerpräsident darauf verlassen, dass die Dinge am Ende auch umgesetzt werden? Wir sind zu viert zu dem Ergebnis gekommen: Nein, wir können uns nicht darauf verlassen. Deshalb bin ich der Bundeskanzlerin überaus dankbar, dass sie hier
auch eingegriffen und mit uns dafür gesorgt hat, dass wir jetzt in einem anderen Miteinander zu einem Verfahren kommen. Sie haben recht, diese Unterarbeitsgruppe tagt. Sie ist in einem sehr kollegialen Miteinander. Wir arbeiten jeden Tag zu. Wir haben wirklich jeden Tag Kontakt mit den Kollegen, und ich bin dankbar dafür, dass wir ein gemeinsames Verständnis haben, auch mit den Umweltverbänden, mit den Arbeitgebervertretern und mit denen aus den anderen Revieren.
Es geht darum, durch Infrastrukturmaßnahmen Standortvorteile zu schaffen. Wir alle miteinander wissen, wie lange es dauert, eine ICE-Strecke, eine Autobahn oder eine Schnellstraße zu bauen. Wir wissen, dass sich erst danach, wenn diese Voraussetzungen geschaffen sind, wirtschaftliche Aktivität entwickelt. Deshalb war das in dieser Woche am Montag ein großes Thema, und mit den Umweltverbänden zu besprechen, dass wir zunächst erst einmal ein Planungsbeschleunigungsrecht brauchen, um diese Dinge zu realisieren.
Ich bin sehr beeindruckt, dass es ein solches Miteinander gab, dass diejenigen, die normalerweise ganz klar in ihrer Grundhaltung sagen, sie wollen Umweltschutz, Naturschutz machen, trotzdem mit uns darüber gesprochen haben, über unsere Vorschläge für die Planungsbeschleunigung. Ich bin guter Hoffnung, dass am Ende auch hier ein gutes Ergebnis herauskommen wird.
Das Planungsbeschleunigungsrecht ist das Erste. Das Zweite ist es ein Maßnahmengesetz, in dem von der Bundesregierung mit dem Bundesrat gemeinsam festgelegt wird, welche Projekte wir miteinander realisieren. Ich möchte Ihnen deutlich sagen: Die darin enthaltenen Projekte sind keine, die sich die Sächsische Staatsregierung – Martin Dulig und ich – ausgedacht hat, sondern wir machen das gemeinsam mit den Regionen. Wir sprechen mit den Menschen, mit den Landräten und mit den Bürgermeistern vor Ort.
Deshalb will ich Ihnen, Kollege Jalaß, auch gleich heute auf Ihre mir gestellte Anfrage antworten, wie das mit der privaten Hochschule im mitteldeutschen Revier ist. Das ist ein Vorschlag aus der Region, der Metropolregion, auf Platz 1. Deshalb haben wir es vorgeschlagen. Ich halte es auch für komplett richtig; denn, meine Damen und Herren, ich habe eine Vision für Leipzig und Umgebung, die sich nicht mit dem Status quo abfindet, sondern vorsieht, dass die Region zu einer der führenden Regionen in Europa wird. Da ist genügend Platz, da ist genügend Power auch für weitere wissenschaftliche Einrichtungen. Deshalb haben wir es vorgeschlagen und kämpfen auch dafür, dass diese Sache am Ende auch realisiert wird.
Nach dem Maßnahmegesetz und dem Planungsbeschleunigungsrecht wollen wir mit einem Vorschlag aus Brandenburg erreichen, dass für die europäischen Braunkohleregionen – es gibt ja über 40 – ein gemeinsames Beihilferecht geschaffen wird, damit man Standort- und Wettbewerbsvorteile hat. Ich bin Dietmar Woidke unglaublich dankbar für sein Engagement. Er war viel in Brüssel, er hat viele Vorschläge gemacht. Wir wollen das gemeinsam realisieren. Auch diesen Vorschlag haben wir am Montag in der Kommission diskutiert. Wir müssen der Bundesregierung klarmachen, dass es nicht einmalig 1,5 Milliarden Euro sind, die für diese Strukturentwicklung notwendig sind, sondern dass wir vermutlich für die nächsten 30 Jahre jährlich 1,5 Milliarden Euro brauchen, meine Damen und Herren.
Wir haben miteinander Verkehrsprojekte Deutsche Einheit erlebt, das wichtigste VDE 8, die ICE-Strecke von Berlin nach München, die jetzt eingeweiht worden ist mit einer unglaublich positiven Wirkung und einem positiven Nutzungsverhalten. Dieses Projekt ist aber damals unter der Regierung von Gerhard Schröder zunächst eingestellt worden, weil kein Geld da war. Das darf uns nicht passieren. Wir haben die Zeit nicht. Wir haben 30 Jahre, dann ist Schluss mit der Braunkohleverstromung.
In der Zeit müssen die Dinge alle geklärt, müssen neue Arbeitsplätze geschaffen sein. Deshalb müssen wir, was die Finanzen angeht, eine Sicherheit haben, dass auch, wenn Bundesregierungen sich ändern, wenn sich Prioritäten verschieben, wenn die Wirtschaft möglicherweise nicht so funktioniert, trotzdem die Dinge getan werden können, die für den Strukturwandel notwendig sind. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich dabei unterstützen und nicht quertreiben würden, meine Damen und Herren.
Ich möchte mich bedanken für die Unterstützung von Bürgermeistern, Landräten, der Zivilgesellschaft, bei meinen Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern, aber auch jenen von der IG BCE. Es war ein beeindruckendes Erlebnis, wie wir gemeinsam gearbeitet haben. Deshalb habe ich auch die Hoffnung, dass wir am Ende erfolgreich sein können.