Protokoll der Sitzung vom 14.12.2018

Es ist mir natürlich bewusst, dass Lippendorf ein Kraftwerk ist, das Strom produziert – mit einem Wirkungsgrad von 42 %. Das heißt, fast 60 % der Energie, die man vorn hineinsteckt, gehen als Wärme verloren.

(Zurufe von der CDU und den LINKEN)

Das ist mir natürlich bewusst. Mir ist auch bewusst, dass wir in der Netzzone, in der Lippendorf liegt, an vielen Tagen im Jahr eine hundertprozentige Versorgung mit Sonne und Wind haben und das Kraftwerk genau deshalb nicht herunterfährt und deshalb im Strommarkt große Probleme macht, weil dieses Kraftwerk durch etwa 10 % seiner thermischen Leistung, die für Leipzig ausgekoppelt wird, systemrelevant ist.

(Frank Heidan, CDU, steht am Mikrofon.)

Das heißt, hier läuft ein Kraftwerk, das zu diesem Zeitpunkt nicht laufen müsste. Es produziert zusätzliches CO2. Hier wird zusätzliche Kohle verbrannt, weil dieses Kraftwerk durch diese Fernwärmeauskopplung mitten in der Energiewende immer noch systemrelevant ist.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Diese Systemrelevanz wird Leipzig jetzt auch mit lösen, und damit steht einem geordneten Abschaltplan für Lippendorf nichts mehr im Wege.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage von Kollegen Heidan?

Bitte.

Aber Sie wissen schon, dass das Kraftwerk Lippendorf für DOW Strom produziert und dass dort ein Cracker 365 Tage laufen muss – ob die Sonne scheint oder ob Wind geht, spielt keine Rolle – und dass eine gesicherte Stromversorgung –

Frage!

– für Leuna in dieser Weise deutlich wird?

Die Frage bitte, Herr Kollege!

Ich frage Sie deshalb: Wollen Sie diesen Industriestandort Halle/Leipzig mit Ihrem politischen Blindflug, mit Ihrer politischen Ausrichtung zur Abschaltung des Kraftwerks Lippendorf riskieren?

(Beifall bei der CDU und der SPD – Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Herr Kollege Heidan, zunächst einmal sitze nicht ich in der Kohlekommission

(Ines Springer, CDU: Zum Glück!)

und rede über Kohleausstiegspläne, und nicht ich habe einen Klimaschutzplan gemacht,

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Ihre Leute sitzen da doch auch mit drin!)

sondern Ihre Bundesregierung. Aber lassen wir das erst einmal beiseite.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Ich habe mit der Geschäftsführung der Firma DOW selbstverständlich zusammengesessen und mit ihr diese Frage diskutiert. Die Firma DOW hängt über keinen Link – weder bei der Wärme noch bei sonst etwas – am Kraftwerk Lippendorf. Das ist eine Legende. Das Kraftwerk Lippendorf speist in den freien Strommarkt ein.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Die Prozesswärme wird doch genutzt!)

Die Firma DAU versorgt sich auf dem freien Strommarkt. Für die Versorgungssicherheit an diesem Strommarkt ist die Bundesnetzagentur zuständig.

(Zurufe von der CDU und den LINKEN)

Die Bundesnetzagentur wird nicht der Abschaltung auch nur eines einzigen Kraftwerksblocks zustimmen, wenn dadurch die Versorgungssicherheit auch nur ansatzweise gefährdet wäre, Herr Kollege. Damit ist das eine absolute Scheindebatte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich weiß nicht, was Sie mit Leuna möchten. Leuna steht neben dem Kraftwerk Zschopau. Das ist eine völlig andere Kiste. Sie haben mich zum Thema Kraftwerk Lippendorf gefragt. Sie müssen auch fachlich sauber bleiben.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Aber sehr gerne.

Bitte, Herr Hirche.

Wie Sie wissen, komme ich aus Hoyerswerda. Die Stadt Hoyerswerda bedient sich für die Versorgung ihrer Bürgerinnen und Bürger der Versorgungsbetriebe in Hoyerswerda. Ich bin dort Aufsichtsratsvorsitzender und vertrete diese Firma im Prinzip nach außen hin. Ich möchte Ihnen etwas mitteilen.

Bitte stellen Sie Ihre Frage.

Das gehört zur Frage. Denn wir haben vor etwa drei Wochen den Vertrag mit Schwarze Pumpe um fünf Jahre verlängert, um die Versorgungssicherheit der Stadt Hoyerswerda sicherzustellen. Meinen Sie wirklich, dass es ein Fehler war, somit die Versorgungssicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger abzusichern? Meinen Sie wirklich, dass es notwendig ist, hier eine solche Diskussion zu führen, wenn wenige Kilometer weiter – 60 Kilometer entfernt von Hoyerswerda – Kraftwerke auf der polnischen Seite so viel CO2 in die Luft pusten, die wir in Deutschland überhaupt nicht kompensieren können? Meinen Sie wirklich, dass es notwendig ist, einen Teil Deutschlands für diese Politik zu opfern?

Dazu muss ich Folgendes sagen: Lieber Herr Kollege, ich sitze nicht in dieser Kohlekommission. Ich entscheide nicht über Ausstiegspläne. Es ist Ihre Regierung, die diese Pläne gemacht hat, die mit mathematischer Notwendigkeit einen Abschaltplan bedingen.

(Beifall des Abg. Jörg Urban, AfD)

Wenn Sie mir sagen, dass Sie um fünf Jahre verlängert haben, dann kann ich Sie beruhigen. Niemand kann innerhalb von fünf Jahren ad hoc einen Standort abschalten. Das hat natürlich auch niemand vor. Hierbei wird verantwortungsbewusst vorgegangen. Das bedeutet

selbstverständlich, an dieser Stelle auch Vorsorge für die Wärmeversorgung und alle anderen Systemrelevanzen zu treffen.

Das betrifft beispielsweise auch Themen wie Mitverbrennung von Abfall oder von Klärschlamm. Es sind ganz viele Verbindungen erst einmal noch zu lösen. Das hat man mit Blick auf die Diskussion auch in Berlin mit Sicherheit auf dem Radar. Ich kann Ihnen nur noch Folgendes einmal sagen: Hierbei wird verantwortungsbewusst vorgegangen.

Deshalb hat man sich so viel Mühe gegeben, diese Kommission ausgewogen einzusetzen. Deshalb entscheidet eine Zweidrittelmehrheit. Deshalb stehen am Ende auch das Parlament und der Bundesrat, die zu entscheiden haben, was sie mit den Empfehlungen dieser Kommission machen.

Es geht hier überhaupt nicht um irgendeine Panikmache, dass morgen irgendwo die Lichter ausgehen oder es irgendwo morgen kalt wird. Es geht um einen ganz klaren und strukturierten Prozess. Es geht uns in dieser Aktuellen Debatte darum, dass man diesen Prozess nicht stört und nicht riskiert, dass er geordnet ablaufen kann.

Ich würde gern fortfahren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bitte, Herr Kollege.

Die Kommission war eigentlich gut unterwegs. Entgegen allen Unkenrufen, der ambitionierte Zeitplan sei unmöglich umzusetzen, war man bis Ende November gut unterwegs, um angesichts einer harten Deadline im Konsens genau das zu liefern, was der Einsetzungsbeschluss vorsieht. Ich zitiere: „Ihre Empfehlungen für Maßnahmen zum Beitrag der Energiewirtschaft, die Lücke zur Erreichung des 40-ProzentReduktionsziels bis 2020 so weit wie möglich zu verringern, legt die Kommission WSP rechtzeitig vor der 24. UN-Klimakonferenz (COP24), die vom 3. bis 14. Dezember 2018 stattfindet, schriftlich vor. Der Abschlussbericht wird Ende 2018 der Bundesregierung übergeben.“

Wider Erwarten kam die Kommission dabei voran. Wider Erwarten schien der Zug in der Lage, pünktlich die Zwischenstationen zu erreichen. Was macht man, wenn man in diese Stationen aber partout nicht einfahren möchte? Das höre ich von Ihnen: Man zieht die Notbremse. Doch wie zieht man in einem Zug die Notbremse, in dem man selbst gar nicht sitzt? Man schiebt einfach ein Hindernis auf die Schienen.