Protokoll der Sitzung vom 14.12.2018

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich versuche jetzt einmal, aus der vorweihnachtlichen Märchenstunde wieder in den realen Faktenraum zu kommen, damit wir hier irgendwie vorwärtskommen.

Es wird keinen Beschluss dieser Kommission geben, meine Damen und Herren, wenn nicht der gesamte Arbeitsauftrag erfüllt ist. Es ist erst etwas geeint, wenn alles geeint ist, und nur ein solch starker Beschluss hat eine Chance, anschließend im parlamentarischen Verfahren ausreichende Autorität zu entwickeln. Wenn die Ministerpräsidenten heute meinen, es soll nicht um irgendwelche Gigawattzahlen gehen, sondern zunächst um harte Milliardenzusagen, so verkennen sie die Realität. Der Einsetzungsbeschluss fordert hinsichtlich der Klimaschutzziele von der Kommission „die Erarbeitung von Maßnahmen, die das 2030er Ziel für den Energiesektor zuverlässig erreichen“.

Es ist ein Emissionsreduzierungsziel. Es geht um CO2Emissionen. Ein Gigawatt Braunkohlekraftwerkskapazität bedeutet etwas fünf bis sieben Millionen Tonnen CO2Emissionen im Jahr. Deshalb muss man, wenn man über

Emissionen im Energiebereich reden will, über diese Kapazitäten sprechen, die nun mal in Gigawatt bemessen werden. Das ist der Auftrag der Kommission zusammen mit der Erarbeitung von Vorschlägen zur Perspektive für neue, zukunftssichere Arbeitsplätze in den betroffenen Regionen, zur Entwicklung eines Instrumentenmixes, der wirtschaftliche Entwicklung, Strukturwandel, Sozialverträglichkeit, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Klimaschutz zusammenbringt.

Diese Kohlekommission, meine Damen und Herren, ist mit ihrem Arbeitsauftrag das Beste, was den betreffenden sächsischen Regionen passieren konnte. Das ist ihre größte Entwicklungschance seit den 1990er-Jahren. Es wird keinen konsensfähigen Beschluss dieser Kommission geben, der diese Komplexe nicht miteinander verbindet. Der Auftrag zur Reduzierung der Zielverfehlung 2020 und zur Sicherung der Erreichung der 2030-Ziele bedeutet zwingend einen raschen Kohleausstieg. Das geht einfach mathematisch nicht anders. Auch wenn in der Phase der intensiven Diskussion über viele Ideen, Pläne und Projekte für Regionen, in denen jede Menge neun- und zehnstellige Fördermittelsummen und -wünsche hin- und herflogen, vielleicht bei manchem ein anderer Eindruck entstanden ist, so betone ich, dass die Kommission nicht die Wichtelwerkstatt des Weihnachtsmannes ist, um einmal im vorweihnachtlichen Bild zu bleiben.

Unsere Aufgabe in Sachsen beschränkt sich nicht darauf, dort Wunschzettel abzuliefern und die vollständige Wunscherfüllung einzufordern. Haben Sie früher mal versucht, mit der Drohung durchzukommen, das eigene Zimmer nicht mehr aufzuräumen, wenn die vollständige Abarbeitung des Wunschzettels nicht vorab garantiert werden konnte? Wer das versucht hat, dem zeigt ganz sicher die Erfahrung: Das Zimmer wurde trotzdem aufgeräumt, und die Bescherung fiel genau deshalb aus, weil man diese Nummer versucht hatte.

Weil wir gerade bei Wunschzetteln sind: 60 Milliarden Euro, meinten die Ost-Ministerpräsidenten, müsse der Bund mal eben für den Kohleausstieg überweisen – mindestens. Wenn ein Unternehmen mit jemandem nicht ins Geschäft kommen will, das allerdings gesichtswahrend nicht so sagen will, meine Damen und Herren, dann ist ein üblicher Weg der des Präventivangebots. Man fordert dann einen so prohibitiv hohen Preis für eine Leistung, dass das Gegenüber abwinkt und abzieht.

Eine solche Strategie möchte ich der Staatsregierung nicht einfach unterstellen, deshalb habe ich nachgefragt: Welche Analysen, Studien, Gutachten etc. stützen denn diese öffentlich geäußerte, doch sehr, sehr bedeutende Zahl? Wie kommt sie zustande? Es geht um unglaublich viel Geld. Wer jemals öffentliche Fördermittel in millionenfach geringerem Umfang haben wollte, der weiß, wie genau das begründet, wie sparsam das kalkuliert werden muss und wie gut Bedarf und Nutzen nachgewiesen werden müssen. Also müsste es doch wenigstens eine Skizze geben, wie 60 Milliarden Euro zustande kommen. Da ist es schon mehr als erstaunlich, dass die Staatsregie

rung mir nach reichlich vier Wochen auf meine Anfrage geantwortet hat: Man schätze grob, dass man zwei Milliarden Euro pro Jahr brauche, und man meine, dass man das 30 Jahre lang brauche. 30 mal zwei ist eben 60.

Wenn sich der Ministerpräsident mit solchen Aussagen so weit öffentlich festlegt, dass jede realistische Summe später wie eine schwere politische Niederlage wirkt, wirken muss, dann ist das eine provozierte Niederlage. Ich habe wirklich keine Ahnung, warum sich jemand solche Niederlagen organisiert, Herr Ministerpräsident.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Lippold hat die zweite Runde eröffnet. Jetzt spricht erneut Herr Kollege Rohwer für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Dr. Lippold, Sie haben gerade davon gesprochen, dass die Forderungen der Ministerpräsidenten ein Wunschzettel an den Weihnachtsmann wären. Wissen Sie, das ist eine Frechheit, was Sie gerade losgelassen haben.

(Beifall bei der CDU)

Wir reden über Tausende von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum, und Sie erzählen etwas vom Wunschzettel an den Weihnachtsmann.

(Widerspruch des Abg. Dr. Gerd Lippold, GRÜNE)

Wissen Sie, was mein zehnjähriger Junge zu mir sagt? Papa, den Weihnachtsmann gibt‘s nicht. Und Sie wollen den Leuten erzählen, wir hätten hier einen Wunschzettel an den Weihnachtsmann abgegeben? Wo leben Sie?! Sie sind eine Großstadtpartei, aber im ländlichen Raum kein bisschen verankert.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Urban, die CDU steht dazu, und das habe ich von diesem Pult aus schon mehrfach gesagt, dass wir bis 2050 aus der Braunkohleverstromung in Deutschland aussteigen werden. Das wissen Sie auch. Aber ein einfaches „Weiter so!“, wie Sie es erzählt haben, kann es auch nicht geben, denn dann würden wir das, was in Paris beschlossen worden ist, völlig ignorieren. Bleiben Sie bei Ihrer Politik in der Vergangenheit; wir werden die Zukunft gestalten.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei den LINKEN)

Weil ich noch ein wenig Zeit habe, möchte ich hier im Hohen Haus ein paar Leserbriefe aus der „Leipziger Volkszeitung“ zur Entscheidung von Lippendorf vortragen – nicht vorlesen, sondern ich würde sie gern sinngemäß zitieren.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Rohwer?

Wenn Herr Kollege Urban das möchte, gerne.

Bitte, Herr Urban.

Herr Rohwer, haben Sie mitbekommen, dass es Länder gibt, die sich – mit Gründen – aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zurückgezogen

Haben Sie mitbekommen, dass Ihre Kollegen uns vorrechnen, wie gering der Einfluss Deutschlands auf das Weltklima ist? Könnte man denn nicht aus dem Pariser Klimaschutzabkommen austreten?

Kollege Urban, alles theoretische Diskussionen. Ich kann in Deutschland keine Mehrheit dafür erkennen.

(Jörg Urban, AfD: Die USA machen das ganz praktisch! Die machen das nicht theoretisch!)

Es gibt eine Mehrheit

(Jörg Urban, AfD: Politisch!)

in der Bevölkerung, auch in den politischen Parteien, die die Umsetzung wollen. Worüber wir hier mit Ihnen streiten – und wo wir Sie stellen werden –, ist der Weg dorthin. Sie wollen einfach nur: „Weiter so!“ Das geht nicht. Wir haben andere Möglichkeiten. Diesen neuen Möglichkeiten werden wir uns zuwenden.

(Jörg Urban, AfD: Die Ausstiegspartei!)

Aber zurück zu den Leserbriefen. Ich fand es schon sehr bemerkenswert, dass es nicht einen einzigen Leserbrief gab, der für den Vorschlag von Oberbürgermeister Jung gewesen wäre.

(Zurufe der Abg. Rico Gebhardt und Kerstin Köditz, DIE LINKE)

Erster Leserbrief, überschrieben mit „Unfähig, die Zukunft zu gestalten“: „300 Millionen Euro Investitionskosten, die besser in Schulen und Kitas in Leipzig investiert werden als in ein neues Kraftwerk.

(Zuruf von der CDU: Jawohl!)

Unsinn und volkswirtschaftlicher Quatsch, denn ein Nebenprodukt der Kohle, die Wärme, wird einfach nicht genutzt.“ Nächster Leserbrief, überschrieben mit „Die Rechnung zahlen die Verbraucher“:

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Richtig!)

„Sichere Kraft-Wärme-Kopplung, ein wirklich sinnvoller Ansatz in der Zukunft, wird weggeschmissen und Entscheidungen werden nicht auf Basis von Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz getroffen.“ Der Leserbriefschreiber formuliert: „Ideologie und Glaube sind die treibenden Kräfte.“

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Dazu sage ich: Da arbeiten wir doch lieber mit Verlässlichkeit und Planbarkeit. Wettbewerbsverzerrungen durch Förderung sind nicht unsere Strategie.

Nächster Leserbrief: „Ein fatales Signal. Kraftwerk Lippendorf ist energieeffizient und Nebenprodukt wird sinnvoll genutzt. Es wird sogar dann mehr CO2 verursacht. Die Gasverstromung produziert ja auch CO2.“

Warum lese ich Ihnen das vor? Warum trage ich es hier in einer Aktuellen Debatte vor? Die Menschen wissen sehr genau, dass sie die Energiewende, die Energietransformation nur mitgehen werden, wenn es sie auch persönlich überzeugt. Darauf werden wir mit den Leserbriefen hingewiesen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die Menschen sagen: Es ist eben keine Entlastung für die Umwelt, wenn wir eine neue Fläche versiegeln, liebe GRÜNE. Das ist ja ein Antrag, der im Leipziger Stadtrat, glaube ich, auch vor Ihrem Hintergrund gestellt worden ist. Wenn wir ein neues Kraftwerk bauen, dann bedeutet das neue Flächenversiegelung.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ja!)

An der Stelle, an der das Kraftwerk jetzt steht, wird bestimmt – diese Wette gewinne ich sicherlich – wieder ein Kraftwerk stehen, denn es ist ein idealer Standort für ein Kraftwerk. Dann soll man doch jetzt dieses Kohlekraftwerk bis zum Ende nutzen, bis die Betriebserlaubnis abläuft, und dann ein neues, erneuerbares Kraftwerk hinsetzen,

(Zuruf des Abg. Dr. Gerd Lippold, GRÜNE)

das auch wirklich eine CO2-Einsparung erbringt.