Amt. Präsident Thomas Colditz: Danke schön. Wir sind damit am Ende der ersten Rederunde. Herr Lippmann, offensichtlich eine Kurzintervention? – Bitte, Herr Lippmann.
Vielen Dank, Herr Präsident. Kollege Wurlitzer, dazu muss man doch noch einmal etwas sagen, denn dieser Rundumschlag war grotesk.
Erstens. Wenn Sie hier massenhaften Wahlbetrug insinuieren, wie Sie es gerade getan haben, dann können Sie gern der obersten Wahlbehörde entsprechende Kenntnisse vorlegen, da das Ganze eine Straftat darstellen würde. Wenn Sie das nicht können, würde ich dazu raten, über solche Mutmaßungen lieber zu schweigen.
Zweitens – die Briefwahl. Ja, das hören wir auch immer, und das haben wir auch schon im Ausschuss gehört, wenn es um die Wahlrechtsausschlüsse geht. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass das Bundesverfassungsgericht einen gewissen Kunstgriff getan hat. Zwar ist die Briefwahl nach wie vor eine Ausnahme – so ist sie nach Wahlgesetz auch vorgesehen –, gleichzeitig hat es das Bundesverfassungsgericht in der Briefwahlentscheidung aus dem Jahr 2013 als legitim erachtet, zu sagen, dass sie quasi ohne jegliche Voraussetzung gewährt werden muss – was dazu führt, dass die Briefwahl mittlerweile ein Massengeschäft ist und keine Ausnahme mehr. Darüber lässt sich aus juristischer und wahlrechtlicher Sicht trefflich streiten. Es ist durchaus auch umstritten, ob diese Ausweitung der Briefwahl eigentlich im Sinne der Wahlrechtsgrundsätze, vor allem der Geheimhaltung und der Freiheit der Wahl, so hätte praktiziert werden sollen. Aber es ist nun einmal Rechtslage.
Allerdings erstreckt sich die Gewährungsfrist des Gesetzgebers zur Einhaltung der wahlrechtlichen Voraussetzungen, insbesondere der Wahlrechtsgrundsätze, primär erst einmal nicht nur auf die Ausnahme, sondern vor allem auf den Regelfall, und solange die Urnenwahl die Regel ist – dass man also die Wahl in der Wahlkabine stattfinden lässt –, ist es der Fall, dass der Gesetzgeber dort zu regeln hat und sich nicht auf die Ausnahme, nämlich die Briefwahl, die möglicherweise ein, zwei Probleme löst, berufen kann. Folglich ist es notwendig, die UN-BRK nicht durch Briefwahl, sondern durch Urnenwahl umzusetzen.
Ein dritter Punkt. Sehen Sie es uns bitte nach – Sie hatten damals einen Gesetzentwurf eingebracht, der in der Frage der Unterstützungsunterschriften vollkommen inkonsistent war –, dass wir mit einem Gesetzentwurf nicht das komplette Kommunalwahlrecht anfassen. Da gäbe es noch 25 andere Ideen, die auch mir sofort einfallen würden, was man im Kommunalwahlrecht noch ändern
Wir haben uns in dieser Debatte dafür entschieden, die UN-BRK umzusetzen. Das bitte ich zu respektieren. Damit ist der Gesetzentwurf sinnvoll und ich bitte um Zustimmung.
Sehr geehrter Herr Lippmann, ich finde es ja gut, dass Sie sich Ihren Gesetzentwurf schönreden. Ich kann es auch nachvollziehen. Das würde ich wahrscheinlich auch machen, wenn wir die Möglichkeit hätten, so etwas einzubringen.
Wir haben als fraktionslose Abgeordnete keine Möglichkeit, einen Gesetzentwurf einzubringen, das sollten Sie aber als PGF wissen.
Fakt ist: Menschen mit Behinderung haben die Möglichkeit, an der Briefwahl teilzunehmen. Damit haben sie die Möglichkeit, an Wahlen teilzunehmen. Ist das richtig, ja oder nein? – Es ist richtig, prima!
(Valentin Lippmann, GRÜNE: Sie können doch niemanden in die Briefwahl zwingen, der die Wahlrechtsgrundsätze nicht wahrt!)
Ich sage es an dieser Stelle noch einmal sehr deutlich: Sie schüren mit Ihrem Gesetzentwurf Angst, dass Menschen mit Behinderung von politischer Teilhabe ausgeschlossen werden. Das ist das, was Sie sonst der AfD vorwerfen. Das machen Sie an dieser Stelle genauso. Es gibt sicherlich die Möglichkeit, das eine oder andere anders zu regeln. Aber, ich glaube, dass wir in unserem Freistaat momentan ganz andere Sorgen haben. Solange tatsächlich jeder an der Wahl teilnehmen kann – sei es über die Briefwahl –, ist das meines Erachtens völlig ausreichend. Das habe ich hier vorgebracht. – Vielen Dank.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Ich möchte noch einmal fragen, ob es weiteren Gesprächsbedarf aus der Runde der Fraktionen gibt. – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann bitte ich die Staatsregierung, vertreten durch Herrn Staatsminister Wöller, um das Statement.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der Schutz und die besondere Förderung körperlich oder
geistig Beeinträchtigter sowie ihre bestmögliche demokratische Teilhabe sind der Sächsischen Staatsregierung ein besonderes Anliegen.
Das allgemeine Wahlrecht – das ist auch in der heutigen Diskussion zum Ausdruck gekommen – ist eines der höchsten Güter unserer Demokratie. Wer wählt, entscheidet mit. Bislang war es so, dass sogenannte vollbetreute Personen von der Wahl ausgeschlossen werden konnten. Das heißt, Personen, für die zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten ein Betreuer bestellt ist und die wegen der Begehung einer rechtswidrigen Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind, konnte nach gründlicher Prüfung die Wahlteilnahme untersagt werden.
Meine Damen und Herren! Diese Wahlausschlüsse stellen einen hohen Eingriff in das Recht, wählen zu gehen, dar. Aus diesem Grunde wurde unlängst im Koalitionsausschuss besprochen, die Abschaffung der Wahlausschlüsse zu prüfen und gegebenenfalls als eigenes Gesetzesvorhaben umzusetzen. Insofern braucht es den heute vorliegenden Gesetzentwurf nicht.
Vor allem auch deshalb nicht, weil er, anders als wir das planen, keine flankierenden Maßnahmen enthält, wie die Abschaffung genau aussehen soll. Unüberlegt sollte sie jedenfalls nicht sein. Das Wahlrecht ist ein höchst persönliches. Denn zu wählen erfordert, erwünschte oder unerwünschte Folgen der eigenen Entscheidung abwägen zu können. Weil es Personen gibt, die dazu kaum oder überhaupt nicht in der Lage sind – man denke nur an Wachkomapatienten –, prüft der Bund aktuell sehr genau, welche Möglichkeiten bestehen, hierfür einen vernünftigen Weg zu finden. Selbstverständlich werden wir uns daran orientieren.
Davon abgesehen hat die Sächsische Staatsregierung in den letzten Jahren viel dafür getan, die Belange von Menschen mit Behinderung in angemessenem Umfang stärker zu berücksichtigen. Dass diese Regelungen stetig verbessert werden, versteht sich von selbst. Erst mit der letzten Änderung der Landeswahlordnung vom 6. Januar 2019 wurden weitere Erleichterungen hinzugefügt. Zum Beispiel wurde festgelegt, dass nun die rechte obere Ecke des Stimmzettels gelocht oder abgeschnitten sein muss, damit Stimmzettelschablonen für Sehbehinderte besser passen.
Meine Damen und Herren! Abschließend noch ein paar Worte zu der hier geforderten flächendeckenden Verpflichtung zur Barrierefreiheit und zur Erreichbarkeit von Wahllokalen. Richtig ist: Selbstverständlich darf niemand, nur weil er keine Treppen steigen kann, von der Wahl ausgeschlossen werden. Aber bereits seit Langem kann jeder, den das betrifft, seine Stimme in einem anderen barrierefreien Wahllokal mittels Wahlschein abgeben;
viele machen davon auch Gebrauch. Entsprechende Hinweise finden sich auf jeder Wahlbenachrichtigung. Auch das ist eine der Erleichterungen, die Anfang des Monats Eingang in die Landeswahlordnung gefunden haben.
Allein schon deshalb ist Ihre Forderung völlig unverhältnismäßig, sie würde im Gegenteil wohl eher dazu führen, dass sich die Kommunen – besonders im ländlichen Raum – sehr genau überlegen müssten, wo sie denn überhaupt ein Wahllokal eröffnen können.
Aus den genannten Gründen empfiehlt die Sächsische Staatsregierung, den vorliegenden Gesetzentwurf abzulehnen.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank, Herr Staatsminister. Bevor wir in die Abstimmung eintreten, möchte ich den Berichterstatter des Ausschusses, Herrn Kollegen Krasselt, fragen, ob er noch das Wort wünscht.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention im Wahlrecht, Drucksache 6/15216, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Es liegen hierzu keine Änderungsanträge vor. Neben der Überschrift haben wir über fünf Artikel abzustimmen. Ich stelle zunächst die Frage, ob es möglich ist, darüber im Block abstimmen zu lassen, oder ob Einzelabstimmung gewünscht wird. – Einzelabstimmung wird nicht gewünscht, dann kann ich darüber im Block abstimmen lassen.
Ich fasse es noch einmal zusammen: Ich lasse zuerst über die Überschrift und danach über die einzelnen Artikel, die ich gleich noch einmal nennen werde, abstimmen. Artikel 1 – Änderung des Sächsischen Wahlgesetzes; Artikel 2 – Änderung des Kommunalwahlgesetzes; Artikel 3 – Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung; Artikel 4 – Änderung der Sächsischen Landkreisordnung; Artikel 5 – Inkrafttreten.
Wer diesen Artikeln seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt worden.
Ich frage den Einbringer, ob eine Schlussabstimmung gewünscht wird. – Das ist nicht der Fall. Damit ist die zweite Beratung des Gesetzentwurfes abgeschlossen, und der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: CDU, SPD, DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn gewünscht, sowie der fraktionslose Kollege Herr Wild.
Ich erteile zunächst den Fraktionen der CDU und der SPD als Einreichern das Wort. Die Aussprache ist eröffnet. Ich bitte Herrn von Breitenbuch um seinen Redebeitrag.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben von dem, was uns unsere Eltern, Großeltern, Urgroßeltern etc. hinterlassen haben. Das betrifft nicht nur uns in unseren Familien, sondern das betrifft uns auch im Staatswesen und in den sächsischen Wäldern.
Auch hierbei ist es so, dass unsere Vorfahren vor 50 oder 100 Jahren Bäume gepflanzt haben und es für richtig hielten, die eine oder andere Art zu nehmen, weil es einen Bedarf an Bauholz und Grubenholz gab und man der Meinung war, dass man es richtig macht. Das ist so, wie wir heute Entscheidungen fällen und dabei denken, dass diese richtig sind, wie wir sie fällen.
Insofern ist der Wald in der Vielfalt entstanden, wie wir ihn in Sachsen erleben. Er ist von wirklichen Einschnitten gezeichnet, sprich: Die großen Reparationshiebe nach dem Zweiten Weltkrieg, die Rauchschadenereignisse im oberen Erzgebirge oder andere Ereignisse, die noch größer waren, wirken noch lange im Gedächtnis unserer Wälder nach. Nunmehr haben wir – aufgrund der Stürme im Winter, der Dürre im Sommer 2018 und damit einhergehend der Borkenkäfer – eine dramatische Waldsituation, die sich als Generationenaufgabe für uns auftut. Es ist wichtig, das alles wieder in Ordnung zu bringen, damit unsere Kinder und Kindeskinder auch von diesem Wald etwas haben und mit ihm leben können.
Ich will über diese Einleitung auch die Dynamik erklären, die in den Wäldern steckt. Hinzu kommt auch immer ein wirtschaftlicher Nutzen, den der Waldeigentümer einer Generation aus dem Wald ziehen muss, um mit seinem Wald wirtschaftlich durch die Zeiten zu kommen. Wir hatten im Dezember schon den Ansatz einer solchen Debatte gewählt. Ich war mit Volkmar Winkler sehr konstruktiv bei der Sache, und wir waren mehr als erstaunt, wie die Opposition mit diesem Thema umgegangen ist. Sie wollte keine Sachdiskussion, sondern man hatte das Gefühl, dass aufgrund der vielen Millionen Euro, die jetzt im Haushaltsplan vorhanden sind, das Thema abgefrühstückt sei und man sich inhaltlich nicht mehr damit beschäftigen müsste.