Protokoll der Sitzung vom 31.01.2019

Heute, im Jahr 2019, legt nun die Enquete-Kommission diesem Landtag den 416-seitigen Bericht vor, und – das sage ich ganz deutlich – das macht mich stolz, vor allem deshalb, weil dieser Landtag, wie bisher nur wenige, andere ein Thema angefasst hat, das tatsächlich ein Zukunftsthema ist, sich diesem gestellt hat – aus meiner Sicht nicht immer in Harmonie, aber zumindest in einer von Respekt geprägten Grundarbeitsweise mit viel Sachverstand und vielen Sachverständigen – und nach einer lebhaften Diskussion etwas auf den Tisch gelegt hat, das sicher nicht perfekt ist – das kann niemand für sich in Anspruch nehmen –, aber bei dem wir ganz deutlich zeigen: Wie ist die Situation im Freistaat Sachsen im Bereich der Pflege älterer Menschen, und wohin wollen wir im Freistaat Sachsen bis zum Jahr 2030?

Es erfüllt mich mit Stolz, dass wir heute hier stehen und dies diskutieren können. Ich möchte mich deshalb dem Dank des Vorsitzenden anschließen, zuallererst dem Dank an die Menschen draußen, die mit vielen Gesprächen unsere Arbeit begleitet und immer neugierig gefragt haben: Was macht ihr da eigentlich gerade? Wann erfährt man mal etwas? Aber mein Dank geht auch an die Fachexperten aus den Kranken- und den Pflegekassen, aus dem Sächsischen Pflegerat, aus dem vorpolitischen Bereich oder aus dem Bereich der pflegenden Angehörigen und an viele andere, die uns immer wieder mit Input aus dem Berufsfeld, mit Informationen, Fragen und Hinweisen versorgt haben. An all diese Personen geht ein ganz herzlicher Dank, ebenso an die Kolleginnen und Kollegen, die in der Enquete-Kommission mitgearbeitet haben. Ebenfalls einen herzlichen Dank an die vielen Sachverständigen, die nicht nur von außerhalb zu uns gekommen sind, sondern auch an jene, die wir als Frakti

onen benennen durften, und selbstverständlich an unsere parlamentarischen Berater, ohne die eine solche Arbeit logischerweise nur schwierig zu handeln ist. Ganz herzlichen Dank, dass wir dieses Ergebnis heute hier vor uns liegen haben!

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in meinem Beitrag nicht so sehr darauf eingehen, was alles auf diesen 416 Seiten steht. Ich denke, das können Sie, wenn es Sie interessiert – was ich sehr stark hoffe, denn auch Sie werden irgendwann persönlich von diesem Thema betroffen sein, egal, wie alt man heute ist –, nachlesen und schauen, worauf Ihr persönlicher Fokus liegt. Ich möchte deshalb meinen Redebeitrag nutzen, um auf die Istsituation bzw. auf die zukünftige Situation in unserer Gesellschaft einzugehen, sowie dazu, deutlich zu machen, welche Herausforderungen aus meiner Sicht, aus der Sicht der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag, aber sicher auch ein Stück weit aus der Sicht der gesamten Koalition im Bereich der Pflege, einem sehr sensiblen Bereich in unserer Gesellschaft, vor uns stehen.

Beginnen möchte ich mit einigen Zahlen. Wir hatten im Jahr 1999 im Freistaat Sachsen 118 000 pflegebedürftige Menschen. Pflegebedürftig heißt in diesem Fall nicht, dass man das Gefühl hat, man muss mal gestreichelt werden, man braucht mal ein wenig Zuspruch, sondern pflegebedürftig heißt – attestiert durch die Pflegekasse, durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen usw. –, dass man Hilfebedarf und den gesetzlichen Anspruch darauf hat.

Wir sprechen im Jahr 2017 mittlerweile von knapp 205 000 Pflegebedürftigen. Das bedeutet in diesen 18 Jahren einen Anstieg um sage und schreibe 86 700 Pflegebedürftige nur im Freistaat Sachsen. Das wären theoretisch 5 000 Pflegebedürftige mehr pro Jahr. Wenn Sie sich die Zahlen genau anschauen, dann ist das aber eben nicht so. Es bedeutet nicht, dass sich auch die gesamte Landschaft – alles, was mit diesem Thema zusammenhängt und die Herausforderungen meistern muss – in 18 Jahren in 5 000er-Schritten auf dieses Thema vorbereiten konnte. Nein, von diesen 86 700 Pflegebedürftigen mehr seit 1999 sind erst seit 2015 knapp 40 000 hinzugekommen.

Das hat nicht nur damit zu tun, dass auf einmal das Gewitter über Deutschland hereingebrochen ist, sondern damit, dass sich auf Bundesebene nach der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 gerade in den Jahren 2013 bis 2017 eine ganze Menge bewegt hat und viele Gesetze auf den Weg gebracht worden sind. Unter anderem sind aus drei Pflegestufen fünf Pflegegrade geworden. Ein sehr großer Anteil von Menschen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen dürfen, ist auf einmal dazugekommen, und ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Das ist gut und richtig so, und ich bin stolz darauf, in einem Land leben zu können, in dem wir uns auch um die Alten kümmern, wenn sie Hilfe brauchen, und nicht nur für die Kinder und Jugendlichen da sind.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Aber diese Herausforderung endet nicht im Jahr 2017, sondern sie geht weiter. Prognostiziert – die Zahlen liegen seit knapp einer Woche vor – bis zum Jahr 2030, wird die Pflegebedürftigkeit im Freistaat Sachsen auf 250 000 Menschen ansteigen, das heißt, dann werden 6 % aller Sächsinnen und Sachsen – wie das dritte Geschlecht dann heißt, weiß ich noch nicht – pflegebedürftig sein. Das ist im Vergleich zu heute bis zum Jahr 2030 ein Anstieg von 20 %.

Wenn ich sage, dass es im Freistaat Sachsen 6 % Pflegebedürftige sind, dann will ich nicht verschweigen, dass es in Gesamtdeutschland nur 3,75 % sind, die im Jahr 2030 pflegebedürftig sein werden. Das bedeutet: Der Freistaat Sachsen hat hierbei ganz besondere Herausforderungen zu bewältigen, um als eines der ältesten Bundesländer jedem in diesem Land die Fürsorge zuteil werden zu lassen, die er verdient und auch bekommen muss.

Zu dieser Wahrheit gehört aber auch, dass es nicht nur darum geht, dass Menschen Hilfebedarfe haben, sondern dass es in dieser Gesellschaft auch Menschen gibt, die diese Hilfe leisten. Das sind zuallererst – das stellt der Bericht auch ganz klar heraus – die Menschen, die diese Pflege tagtäglich leisten. Das sind zum großen Teil die pflegenden Angehörigen. Man sagt so schön: Die Familie ist der größte Pflegedienst der Nation. Einen ganz herzlichen Dank den Menschen, die diese Arbeit für ihre Angehörigen, für ihre Lieben leisten. Es sind letzten Endes diese Menschen, die sich jeden Tag aufopfern, teilweise ihren Beruf aufgegeben haben oder in Teilzeit arbeiten. Sie benötigen eine bessere und stärkere Unterstützung von der Gesamtgesellschaft, als das bisher der Fall gewesen ist. Das ist ein sehr wichtiger Schwerpunkt der Zukunft.

Es gibt aber noch weitere Herausforderungen. Um die Pflegebedürftigen im Freistaat Sachsen zu versorgen, brauchen wir bis zum Jahr 2030 circa 37 000 neue Pflegekräfte. Jeder weiß es, und ich sage das hier noch einmal sehr deutlich: Dieses zu schaffen ist aus meiner Sicht absolut unrealistisch. Bei dem bestehenden Fachkräftebedarf 37 000 neue Pflegekräfte zu generieren – und das nur im Freistaat Sachsen –, ist unrealistisch und bedeutet ganz einfach: Wir müssen andere Mittel und Wege finden, damit jeder Mensch im Freistaat Sachsen in Würde und in ordentlicher Betreuung alt werden, seinen Lebensabend verleben und letzten Endes auch in Würde sterben kann.

Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir die Kommunen vor Ort stärken. Es ist wichtig, dass wir Unterstützungsstrukturen in den Nachbarschaften aufbauen. Aber es ist auch wichtig, dass zum Beispiel der Wohnungssektor dafür Sorge trägt, dass man auch zu Hause alt werden kann, indem die Wohnungen entsprechend ausgestattet sind und die Infrastruktur vor Ort vorhanden ist. Vieles von diesen Dingen finden Sie in dem Bericht.

Eines ist auch klar: Wenn wir mehr Pflegekräfte brauchen, dann brauchen wir logischerweise eine Attraktivität des Berufs. Oliver Wehner hat schon ein paar Sätze dazu gesagt. Ich will das darauf verkürzen und sagen, dass diejenigen, die in diesem Beruf arbeiten, nicht über das, was sie leisten, sondern über das, was den Beruf auszeichnet, nicht jeden Tag in den Medien nur negative Dinge hören wollen, sondern dass man vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch einmal positiv berichtet und deutlich macht, was diesen Beruf auszeichnet.

Da ich nicht mehr viel Redezeit habe – obwohl ich irgendwie das Gefühl habe, die zehn Minuten noch gar nicht ausgeschöpft zu haben –, möchte ich noch zwei Dinge anführen: Erstens. Um die Aufgaben der Zukunft schultern zu können, brauchen wir definitiv eine Diskussion, wenn nicht gar eine Reform der Pflegeversicherung. Die Pflegeversicherung, wie sie heute funktioniert, wird diese Herausforderung auf Dauer nicht schultern können. Wir brauchen Verlässlichkeit. Die Menschen müssen heute schon wissen, worauf sie sich im Alter einstellen müssen, worauf sie sich einstellen können.

Amt. Präsident Thomas Colditz: Herr Schreiber, die Zeit!

Ja. – Ich sage auch ganz deutlich: Für mich ist dabei nicht die Maxime zu sagen, dass Oma Erna nicht mehr an ihr Erspartes herangehen soll, sondern auch Oma Erna hat irgendwann mal gespart, um möglicherweise diese Ersparnisse im Alter auch in Anspruch zu nehmen. Wir brauchen also eine Teilkaskoversicherung und keine Teilleistungsversicherung. Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte darüber, dass Hilfe vom Staat im Alter, die man annimmt nach einem erfüllten Arbeitsleben, keine Schmach mehr ist, sondern Bestandteil unseres Sozialstaats.

Vielen Dank allen, die mitgearbeitet haben.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank. – Die Stellungnahme für die Linksfraktion gibt Frau Schaper ab.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Dank gilt den vielen Beschäftigten in den Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und in der ambulanten Pflege sowie den pflegenden Angehörigen, die mit großem Einsatz Menschen umsorgen. Sie alle gehen bis an ihre körperlichen und seelischen Grenzen und oft auch darüber hinaus. Ihnen gebühren unser Dank und unsere Anerkennung.

(Beifall bei den LINKEN, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Auch wir danken den Kolleginnen und Kollegen der Kommission, aber vor allem den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Sachverständigen, die ihre Expertise zur Verfügung gestellt

haben. Der Bericht der Enquetekommission ist eine fundierte Analyse der Schief- und Problemlagen im Bereich der Pflege. Er liefert aber auch detaillierte Lösungsansätze. Doch was ist die Ausgangslage? Das Durchschnittsalter – Herr Schreiber hat es gesagt – der sächsischen Bevölkerung ist hoch. Es liegt drei Jahre über dem gesamten Bundesdurchschnitt.

Es gibt immer mehr Pflegebedürftige, aber immer weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter. Die erhöhte Lebenserwartung geht oft mit Mehrfacherkrankungen einher. Eine wesentliche Rolle spielen in diesem Zusammenhang gerontopsychiatrische Erkrankungen, vor allem Demenz. Etwa jeder Fünfte über 65 Jahre, der in einem Krankenhaus aufgenommen wird, leidet daran. Wir brauchen eine Art demenzsensibler Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, vor allem aber brauchen wir sehr gut geschultes Pflegepersonal, das auf die besonderen Bedürfnisse dieser Erkrankung eingehen kann.

Das Thema Wohnen hat in der Kommission sehr viel Raum eingenommen. So lange wie möglich selbstbestimmt zu wohnen, ist der nachvollziehbare Wunsch der meisten Menschen mit Hilfe- und Unterstützungsbedarf. Deshalb ist ein abgestufter rechtlicher Anforderungs- und Kriterienkatalog zur Anerkennung der unterschiedlichen Wohnformen mehr als dringend nötig. Förderverfahren müssen vereinfacht und Ansprechpartner für Leistungsberechtigte bestellt werden. Wir brauchen Quartiersentwicklungskonzepte in den Kommunen, flächendeckend initiiert und steuernd begleitet durch die Staatskanzlei, damit generationsgerechte Sozialräume entstehen und das Leitbild der sorgenden Gemeinschaft umgesetzt werden kann.

Pflegebedürftige fachlich fundiert und qualitativ gut versorgen ist ein Gebot der Menschlichkeit. Die Arbeitsbedingungen für professionell Pflegende sind aber miserabel: Dauerstress, keine verlässlichen Dienst- und Freizeiten, Dokumentationsirrsinn, Zeitdruck – das alles steht dem im Weg, was gute Pflege braucht, nämlich Zeit, Zuwendung und Geduld. Damit sinkt nicht nur die Qualität der Versorgung, auch die Pflegenden werden verschlissen.

Mittlerweile bleiben Pflegekräfte – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – im Schnitt nur acht Jahre im Beruf. Auch die Entlohnung ist unterirdisch und in Sachsen besonders schlecht. Hinzu kommt die Ungerechtigkeit bei den Entgelten in Ost und West – und das über 30 Jahre nach der Einheit. Das Median-Bruttogehalt für Altenpflegekräfte ohne fachliche Spezialisierung betrug im Jahr 2017 bundesweit 2 621 Euro. Selbst von diesem geringen Bruttolohn können Pflegekräfte in Sachsen trotz ihrer verantwortungsvollen und anstrengenden Arbeit nur träumen. In Sachsen beträgt das Median-Gehalt sogar nur 2 050 Euro und ist somit über 20 % niedriger. Die Hälfte der Pflegekräfte in Sachsen bekommt nicht einmal 2 000 Euro brutto im Monat – das ist beschämend.

Vergleicht man dann noch die Bruttomedianentgelte der Altenpflegekräfte mit denen in anderen Bundesländern,

zum Beispiel in Bayern, steigt die Differenz sogar auf bis zu 56 %. Die Folge war und ist, dass in Sachsen gut ausgebildete Fachkräfte abwandern oder zum Arbeiten in andere Bundesländer pendeln.

Fachkräftemangel, besonders in der Altenpflege, ist nun die logische Folge. Die meisten Pflegebedürftigen – nach aktueller Statistik genau 75 % – werden von Angehörigen, Freunden oder ehrenamtlich Engagierten betreut. Doch die Bereitschaft zur Übernahme von Pflegeverantwortung sinkt. Nicht nur, weil die Generationen heute weiter als früher voneinander entfernt leben, sondern vor allem, weil der Beruf und die Pflege der Angehörigen schwer vereinbar sind. Je länger die Pflegebedürftigkeit dauert, desto höher ist das Risiko, dass pflegende Angehörige ihre Berufstätigkeit aufgeben müssen.

Wir halten also fest: Der hohe gesellschaftliche Wert, den Pflege und Sorgearbeit, das heißt Arbeit am Menschen für den Menschen, hat, wird derzeit weder anerkannt noch ideell oder finanziell gewürdigt. Das muss sich dringend ändern.

(Beifall bei den LINKEN)

Ältere und beeinträchtigte Menschen würdevoll zu pflegen muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden und auch so geleistet werden. Daher muss auch die Finanzierung geändert werden, und zwar generell. Im Moment werden Pflegebedürftige und Pflegende gegeneinander ausgespielt. Die wohlverdienten Lohnsteigerungen der einen erhöhen die Eigenanteile der anderen. Das ist unsolidarisch.

Unser Ziel ist deshalb die Umgestaltung der Pflegeversicherung zur solidarischen Pflegevollversicherung. Das bedeutet, dass alle Leistungen, die im Zusammenhang mit Pflegebedürftigkeit erbracht werden, von den Kassen übernommen werden. Finanziert werden kann das, indem alle, also auch Beamtinnen und Beamte, Selbstständige und natürlich auch wir Abgeordnete, in eine solche Versicherung einzahlen und wenn die Beitragsbemessungsgrenzen entfallen.

Neben der Frage der Finanzierung sind weitere grundsätzliche Änderungen notwendig, von denen viele auf Bundesebene zu regeln sind. Ich nenne in Anbetracht der Kürze der Redezeit für so ein wichtiges Thema nur ein paar Stichworte: Die Sozialgesetzgebung muss im Sinne ganzheitlicher Versorgungskonzepte für Pflegebedürftige angepasst werden. Pflegende Angehörige dürfen nicht länger von Armut bedroht sein. Ihr Engagement muss im wahrsten Sinne des Wortes wertgeschätzt werden, sei es durch Entgeltersatzleistungen, die Familienversicherungen der Krankenversicherung oder die rentenrechtliche Gleichbehandlung von Pflege- und Erziehungszeiten.

Meine Damen und Herren von der CDU! Ein Ihnen nahe stehender CDU-Politiker hat im Jahre 1998 den Satz geprägt: „Die Menschlichkeit einer Gesellschaft zeigt sich nicht zuletzt daran, wie sie mit den schwächsten Mitgliedern umgeht.“ Ich ergänze: und wie sie mit ihren Kindern, Alten, Kranken und Pflegebedürftigen umgeht. Ich

möchte, dass die politischen Entscheidungen im Bereich Pflege das Bild einer solidarischen Gesellschaft widerspiegeln, in der jede und jeder, die oder der pflegebedürftig wird, ob Jung oder Alt, ob vorübergehend oder dauerhaft, eine menschenwürdige Pflege nach dem Stand der Wissenschaft erhält – und zwar, ohne sich Sorge machen zu müssen, ob sie oder er sich das finanziell leisten können.

Nun sind wir hier im Landtag der Gesetzgeber für den Freistaat in Sachsen und damit nur für die in der Landeskompetenz liegenden Gesetzesmaterien. Der EnqueteBericht benennt aber unzählige Maßnahmen, die wir kraft dieser Kompetenz in Sachsen allein umsetzen könnten und die Staatsregierung besser gestern als morgen auf den Weg bringen soll und muss. Hierzu ist nichts weiter nötig als guter Wille.

Zunächst brauchen wir eine valide Datengrundlage mit dem Ziel einer Landesbedarfsplanung für die Pflege, mit Daten zu Pflegebedarfen und Deckungslücken, Fachkräftesituation, beruflichem Nachwuchs, gesundheitlich

präventiven und pflegerischen Versorgungsangeboten sowie besonderen regionalen Bedingungen. Außerdem muss die Gesundheitsförderung der gesamten Bevölkerung in den Fokus rücken, um Pflegebedürftigkeit vorzubeugen.

Pflegebedürftige müssen in ihrer Selbständigkeit, aber auch hinsichtlich gesellschaftlicher Teilhabe gefördert werden. Für die beruflich und privat Pflegenden sind Programme zur Entlastung und Gesundheitsförderung notwendig. Um sinnvolle, unabhängige Pflegeberatung zu gewährleisten, müssen die Pflegekoordinatoren finanziell und personell aufgestockt werden.

Die Akademisierung der Pflege macht Deutschland endlich konkurrenzfähig mit der Pflegeausbildung im restlichen Europa und eröffnet neue Zielgruppen für die Pflegeausbildung. Der Mehrwert für die Pflegebedürftigen ist enorm. Aus Studien in anderen Ländern wissen wir, dass die Versorgungsqualität mit steigendem Qualifikationsniveau im stationären Bereich steigt und die Sterblichkeit der Pflegebedürftigen sinkt.

Amt. Präsident Thomas Colditz: Frau Schaper, die Redezeit ist abgelaufen.

Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Staatsregierung! Lassen Sie uns gemeinsam die Weichen für eine qualitativ gute Pflege in Sachsen stellen. Das ist mehr als überfällig, und unsere Unterstützung haben Sie.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Amt. Präsident Thomas Colditz: Danke schön. Es folgt die SPD-Fraktion mit Frau Kollegin Neukirch; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der großartige Schrift

steller Robert Seethaler legte in seinem Buch „Das Feld“, in dem er die letzten Dinge des Lebens beschreibt, seiner Protagonistin Annelie Lorbeer folgende Worte in den Mund: „Ohne Würde ist der Mensch nichts. Solange es geht, sollte man sich selbst darum bemühen. Sobald es jedoch aufs Ende hin geht, kann einem die Würde nur geschenkt werden. Sie liegt im Blick der anderen.“