Auch die Betriebspflicht betreffend, Herr Hippold, haben wir die Vorschläge der Sachverständigen aufgegriffen. Wir haben ursprünglich gesagt, es muss eine Betriebspflicht von zwölf Monaten sein. Da dies aber nicht so praktikabel zu sein scheint, haben wir gesagt, es kann auch bis zu drei Monaten ausgesetzt werden. Deshalb denke ich, dass wir den Vorschlägen der Sachverständigen sehr gut nachgekommen sind.
Der Gesetzentwurf, der zurzeit von der Koalition vorliegt, ist ungenügend. Auch das haben die Sachverständigen ausgeführt. Deshalb bin ich sehr gespannt, wie der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen aussehen wird. Ich gehe sehr stark davon aus, dass es zu ähnlichen Regelungen kommen wird, wie wir sie vorgeschlagen haben. Dann bin ich sehr auf Ihre Argumente gespannt, Herr Hippold.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wie immer so, dass wir über ungelegte Eier reden. Wir haben 4,1 Millionen Einwohner. Circa 1,3 Millionen Einwohner wohnen in den drei großen Städten Leipzig, Dresden und Chemnitz. Dort gibt es Carsharing. Meines Erachtens gibt es auch keinen Bedarf, weitere Stellflächen in irgendeiner Art und Weise zu bauen.
Sie haben die Frage vorhin selbst beantwortet: Es gibt nur einen Anbieter. Angesichts dessen frage ich mich, warum wir hier über Vergaberichtlinien von mehreren Anbietern sprechen müssen.
Für mich steht die Frage – und das konnte ich auch nicht den Redebeiträgen entnehmen –: Gibt es denn tatsächlich einen derartigen Bedarf im ländlichen Raum?
Ich habe mir die Zeit genommen und im Internet geschaut, wo es überall Carsharing gibt. Das ist im Freistaat
Sachsen, außerhalb der großen Zentren, sehr, sehr übersichtlich. Wir reden hier wieder über ungelegte Eier.
Wir haben hier wieder ein Thema in den Landtag gezogen, was den Großteil der Bevölkerung überhaupt nicht berührt. Deshalb kann ich nur sagen: Wir lehnen den Antrag ab.
Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich jetzt über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ
NEN abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich sehe keine Stimmenthaltungen und eine Reihe von Stimmen dafür. Dennoch ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden.
Ich rufe jetzt auf – ich fasse wieder die Artikel zusammen, wenn es keinen Widerspruch gibt – die Überschrift, Artikel 1 Änderung des Sächsischen Straßengesetzes, Artikel 2 Änderung des Sächsischen Straßenverkehrszuständigkeitsgesetzes und Artikel 3 Inkrafttreten. Wer möchte die Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen, eine Reihe von Stimmen dafür, dennoch mehrheitlich abgelehnt. Wird noch einmal Gesamtabstimmung gewünscht, Frau Meier? – Gesamtabstimmung ist nicht notwendig. Dann schließe ich den Tagesordnungspunkt.
Es erfolgt die allgemeine Aussprache. Es beginnt die Fraktion DIE LINKE, danach CDU, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Normal fängt man als Opposition mit dem Koalitionsvertrag an und verweist darauf. Das brauchen wir aber nicht mehr. Es stand zwar im Koalitionsvertrag, dass CDU und SPD ein modernes Vergaberecht einführen, aber wir wissen ja spätestens seit der Wahl des Ministerpräsidenten, als die SPD ihre fünf Punkte aufgestellt hat, mit denen sie mitwählen, dass das dann nicht mehr dabei war. Also war es für mich von da an schon klar, dass die SPD aufgegeben hat. Insofern fange ich nicht mit dem Koalitionsvertrag an – haben Sie es gemerkt?
Ich beginne mit etwas anderem: Am 16. Oktober vorigen Jahres haben die Bundes- und Landesrechnungshöfe die sogenannte Bonner Erklärung zur Nachhaltigkeit verabschiedet. Darin forderten sie konsequent die Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen auf der Ebene des Bundes, der Länder und der Kommunen für eine nachhaltige Politik. Das ist auch richtig; denn schlechterdings kann der Staat nicht von den Bürgern verlangen, dass sie beim Einkauf auf faire Produktion oder einen hohen Umweltstandard des Produktes achten sollen, und
Am 16. Juni 2015 titelte die „Sächsische Zeitung“ mit der Überschrift „Harte Zeiten für Lausitzer Granit“. In dem Artikel wurde darüber berichtet, dass bei öffentlichen Vergaben kaum noch heimischer Granit aus der Lausitz, sondern vorwiegend der aus Polen und China den Zuschlag bekommt. Von den ehemals mehreren Tausend Mitarbeitern in der Lausitz gibt es heute nur noch weniger als 30, die in der Gewinnung von Granit beschäftigt sind.
Der Grund dafür sind enorme Preisunterschiede durch Löhne, durch Sicherheitsstandards, die woanders nicht so eingehalten werden, und vor allem durch die billigen Transportwege. 20 Frachtschiffe, die auf unserem Planeten umherfahren, um uns mit Waren zu versorgen, stoßen so viel Schwefeldioxid aus wie alle Autos auf diesem Planeten: eine Milliarde. Während der Ministerpräsident und der Wirtschaftsminister ständig schwadronieren, was in der Lausitz beim Strukturwandel zu tun sei, sind sie nicht in der Lage, die Dinge, die wir hier direkt selbst beeinflussen können – nämlich eine faire öffentliche Auftragsvergabe –, auch nur ansatzweise auf den Weg zu bringen. Das ist der Stand.
Offensichtlich sind der Koalition die Überschriften in der Zeitung wichtiger als nachhaltige Wirtschaftspolitik. Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, das hat nichts mit guter Arbeit zu tun – es ist eher das Gegenteil. Wir wollen endlich das Prinzip der Auslagerung von
Ausgaben aus Lohnkostengründen begrenzen – dazu unser Gesetzentwurf. Deshalb unterbreiten wir auch unseren Vorschlag, dass sich der Mindestlohn an der untersten Lohngruppe des öffentlichen Dienstes orientieren soll. Wenn es der öffentliche Träger selbst macht, muss er es ja auch bezahlen, und wir sehen nicht ein, dass für weniger Geld ausgeschrieben wird.
Durch die von uns vorgeschlagene Tariftreue – die übrigens in 14 von 16 Bundesländern bei der öffentlichen Auftragsvergabe gilt – kann das Qualifikations- und Dienstleistungsniveau gesichert werden. Dabei geht es eben nicht nur um die Lohnhöhe oder um die Arbeitszeit. In tarifgebundenen Unternehmen gibt es erfahrungsgemäß noch weitere Punkte, die in den Tarifverträgen stehen und die wir befördern wollen. Es geht um die Qualität von Beschäftigung, es geht um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigungen und um die Ausbildung. Auch im Handwerksbereich wollen wir, dass bei öffentlichen Ausschreibungen mehr tarifgebundene Innungsmitglieder den Zuschlag erhalten und nicht die Mitglieder, die ohne Tarifbindung die eigene Innung an die Wand spielen. Wir sehen nicht ein, dass dieser haltlose Zustand in Sachsen weiter politisch hingenommen wird.
Ein weiteres Beispiel aus der Textilindustrie: Im Jahr 2012 wurde eine Studie veröffentlicht, die nachgewiesen hat, dass die sächsische Polizei mit Arbeitskleidung ausgestattet wurde, die in Mazedonien unter fürchterlichen Bedingungen produziert wurde. Es ging um die Arbeitsverträge der Frauen, um die hygienischen Zustände und darum, dass die Löhne nicht zum Leben ausreichen.
Wenn wir diesen Gesetzentwurf umsetzen würden, wären solche Vergabepraktiken in Sachsen sofort beendet. Wenn wir einerseits als öffentliche Hand Aufträge vergeben, wo durch die Lohnsenkungsspirale die Löhne in Deutschland am Ende so niedrig sind, dass die Sozialleistungen aufgestockt werden müssen – sei es aktuell bei Lohnkostenzuschüssen oder später bei der Rentenzahlung, wenn das Geld nicht ausreicht –, dann zeigt es den volkswirtschaftlichen Schwachsinn, den wir uns hier in Sachsen mit unseren Steuergeldern leisten. Bei der Wertung der Wirtschaftlichkeit von Angeboten sind eben auch die Lebenszykluskosten des Produktes oder die Dienstleistungen zu berücksichtigen. Hier haben wir übrigens keine unlösbaren Probleme, sondern das ist etwas, was in anderen Bundesländern – beispielsweise in Bremen, aber auch in Schleswig-Holstein oder Hamburg – bei der Vergabe bereits Alltag ist.
Übrigens wird das in der privaten Wirtschaft bei der Vergabe von Aufträgen schon längst erfolgreich praktiziert und auch mit solchen Standards geworben. Automobilzulieferer, Krankenhäuser und verstärkt immer mehr Lebensmittel- und Textildiscounter haben das als Markenzeichen erkannt. Was dabei heutzutage manche Lieferantenketten an Zertifizierung erfüllen müssen, das wird völlig selbstverständlich hingenommen, und es ist Privat
wirtschaft. Es ist ein Vielfaches von dem, gegen das sich die Staatsregierung wehrt, als sei es der Untergang des Abendlandes. Zertifizierungen sind dazu da, dass sie die Transaktionskosten für alle Beteiligten verringern. Die Zertifizierung oder Gütesiegel sind also Branchenstandards. Deshalb haben sie auch in das Vergaberecht des Bundes und der europäischen Ebene Eingang gefunden. Man kann heutzutage glaubwürdige Siegel verlangen, das ist nichts Besonderes. Die Bundesregierung hat übrigens beispielsweise das Portal eröffnet www.siegelklarheit.de, auf dem dargestellt wird, was die Siegel aussagen und wie glaubwürdig sie sind.
Wir wollen, dass dies Bestandteil unserer Vergaben wird. Eine Lebenskostenabschätzung muss gemacht werden. Das bedeutet nicht mehr nur die Frage, was ein Produkt zum Zeitpunkt der Anschaffung kostet, sondern die Frage, was es über den gesamten Lebenszyklus kostet. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass die Kommune sagt, sie habe ganz billig eingekauft, aber die Kosten für Abfallbeseitigung oder Recycling werden auf Dritte abgewälzt, und die bleiben dann auf den Kosten sitzen.
Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge spielt natürlich die ILO-Kernarbeitsnorm eine entscheidende Rolle. Das sind übrigens keine sozialen Wohltaten, sondern Mindestvoraussetzungen. Schwerpunkte sind hierbei die Formulierung und Durchsetzung internationaler Arbeits- und Sozialnormen, insbesondere der Kernarbeitsnormen, die soziale und faire Gestaltung der Globalisierung sowie die Schaffung von menschenwürdiger Arbeit als eine zentrale Voraussetzung für weltweite Armutsbekämpfung. Die Schaffung einer Vergabekammer für Aufträge auch unterhalb des Schwellenwertes zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung wird die Transparenz erhöhen. Öffentliche Aufträge sollen nur noch an Unternehmer vergeben werden, die bei der Abgabe ihres Angebotes schriftlich erklären, für sich und Nachunternehmerinnen und Nachunternehmer vollständige und prüffähige Unterlagen bereitzuhalten.
Die Durchführung dieses Gesetzes wird durch eine Vergabekontrollstelle überwacht. Vergabeprüfung unter dem Schwellenbereich soll nicht mehr bei der Rechtsaufsicht, sondern nach unseren Vorstellungen bei der Vergabekammer des Freistaates Sachsen angesiedelt werden. Damit wollen wir vergaberechtlichen Sachverstand bilden.
In der Ausschusssitzung hat sich die Koalition zu unserem Gesetzentwurf wieder einmal als Märchenerzählerin versucht. Da wurde doch ernsthaft behauptet, dass Sachsen ein besonders tolles Vergabegesetz habe, das anwenderfreundlich sei und das sich sogar andere Bundesländer anschauen und sich daran orientieren würden. Ich sage Ihnen ehrlich: Ich habe bei vielen solchen Diskussionen zur Vergabe teilgenommen und kenne nirgendwo jemanden, der unser Vergabegesetz in Sachsen besonders gelobt hätte. Doch die Koalition behauptet ernsthaft, dass wir mit unseren Vorschlägen nur Bürokratie schaffen und damit
Das Auftragsverhalten ist aber immer ein Spiel der Konjunktur. Wenn nämlich die These stimmen würde, dass die Landesvergabegesetze das entscheidende Kriterium seien, dann müssten uns die Unternehmen hier in Sachsen bei unserem Vergabegesetz die Bude einrennen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Wir haben in Sachsen bei der Auftragsvergabe die gleichen Probleme wie die anderen Bundesländer. Unser Gesetzentwurf ist mit den Gewerkschaften, mit dem Bündnis „Sachsen kauft fair“ und mit dem BUND gemeinsam erarbeitet worden und soll dazu führen, dass Sachsen ein Stück weit an die bundesrepublikanische Normalität anknüpft – nicht mehr und nicht weniger.
Das derzeitige Sächsische Vergabegesetz stellt keinen Bezug zu den Herstellungsbedingungen eines Produktes her und kümmert sich auch nicht um die Kosten für die Entsorgung dieser Produkte. Es unterstützt die Ausbeutung von Mensch und Umwelt und wird nicht einmal mehr den internationalen Rechtsetzungen oder der Nachhaltigkeitsentwicklung gerecht.