Protokoll der Sitzung vom 13.03.2019

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Wilke wollte uns soeben erklären, was Frauen in diesem Freistaat interessiert. Ich glaube nicht, dass es das ist, was Sie, Frau Wilke, gerade erzählt haben. Frauen interessiert, wie Alleinerziehende ihre Kinder auf Klassenfahrt schicken können, wie Frauen in Führungspositionen kommen und wie Frauen am Arbeitsmarkt ordentlich beteiligt werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN – André Barth, AfD: Na, na!)

Frau Buddeberg hat ihre Rede geschlossen, indem Sie noch einmal auf die Verfassung und das Grundgesetz verwiesen hat. Ich möchte an dieser Stelle das Grundgesetz noch einmal zitieren. In Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes heißt es: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ In der Sächsischen Verfassung finden wir das in ähnlicher Art und Weise in Artikel 8 wieder. Auch 27 Jahre nach der Verabschiedung der Sächsischen Verfassung bewegt sich im Bereich der Gleichstellung von Männern und Frauen so gut wie nichts.

Ich habe mich in Vorbereitung auf die heutige Debatte noch einmal in die bereits vorliegenden vier Frauenförderberichte der letzten Jahre eingelesen. Auch die Debattenbeiträge hierzu im Landtag habe ich gelesen. Im Jahr 1998 wurde der erste Frauenförderbericht vorgelegt. Die Analyse, die dort vorgenommen wurde, kann man mehr oder weniger eins zu eins in das Jahr 2019 transferieren. Schon damals war die Quintessenz: Frauen in Führungs

positionen sind extrem unterrepräsentiert. – Alle Berichte, die danach folgten, kamen zu einem ähnlichen Schluss.

Immer wieder ging es darum, dass zu wenig Frauen in Führungspositionen und Gremien vertreten sind. Es ging um die Notwendigkeit familienfreundlicher und flexibler Arbeitsbedingungen, es ging um die Benachteiligung von Teilzeitkräften, die natürlich vorwiegend Frauen sind, insbesondere wenn es um die Beförderung und die Höhergruppierung geht, und es ging um die Dienststellen- und Frauenförderungspläne und die Frauenbeauftragten.

Wenn man sich die Zahlen anschaut, stellt man fest, dass sich diesbezüglich in den letzten 20 Jahren kaum etwas verändert hat. Der Frauenanteil an den Beschäftigten im öffentlichen Dienst hat sich um 4 % erhöht. Bei den Beamtinnen und Beamten – das hat Frau Buddeberg schon ausgeführt – sieht es ganz schön eklatant aus, wenn wir auf die aktuellen Zahlen schauen. Aktuell sind nur 43 % der Frauen verbeamtet. Diese Situation wird sich in den nächsten Jahren möglicherweise verschlechtern oder gar verfestigen.

Im Jahr 1997 betrug der Frauenanteil bei den Anwärterinnen noch 54,3 %. Wenn ich in den aktuellen Bericht schaue, sind es nur noch alarmierende 34,2 % unter den Anwärterinnen. Offensichtlich ist der Freistaat Sachsen als Dienstherr, obwohl hier die Verbeamtung in Aussicht gestellt ist, für junge Frauen total unattraktiv. Das heißt, wir müssen endlich handeln, wir müssen die Rahmenbedingungen und die Strukturen ändern. Das kann man nicht mit Kann- und Sollregelungen in einem Frauenförderungsgesetz, sondern dieses Land braucht endlich MussRegelungen in einem modernen Gleichstellungsgesetz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist aber nicht so, dass die Staatsregierungen in den vergangenen Jahren gar nichts aus den Frauenförderberichten gelernt hätten. Dazu waren die Ergebnisse viel zu eindeutig. Schon im Jahr 1997 erkannte die damals zuständige Ministerin, dass sich noch einiges verbessern ließe, beispielsweise durch familienfreundliche Arbeitszeiten. In der Diskussion über die entsprechenden Berichte, zum Beispiel über den von 2008, hieß es dann: Von der Staatsregierung – hört, hört! – wurde herausgestellt, dass mit einer verstärkten Beteiligung von Frauen in Führungspositionen wertvolle Ressourcen genutzt werden können.

Es wurde sogar Sympathie für Telearbeit, Homeoffice und bessere Karrierechancen für Teilzeitbeschäftigte geäußert. Allein die Umsetzung dieser Ideen, die damals, 2008, geäußert wurden, ist nicht geschehen. Das damalige Sozialministerium ist einmal auf die anderen Ressorts zugegangen und hat gesagt: Jetzt haben wir dieses Frauenförderungsgesetz; ihr solltet das vielleicht umsetzen. – Passiert ist nichts, wie wir wissen. Damals schon, 2008 – viele werden sich vielleicht noch erinnern –, hat unsere damalige frauenpolitische Sprecherin Elke Herrmann ein modernes und innovatives Gleichstellungsgesetz gefordert.

Genau wie sie damals fordern wir auch heute, dass Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte mit einem umfassen

den Beteiligungs- und Klagerecht sowie Sanktionen für die Dienststellen versehen werden müssen, die – entgegen ihren Pflichten – eben keine Frauenförderungspläne erstellen. Lassen Sie es sich noch einmal auf der Zunge zergehen: keine Frauenförderungspläne erstellen. Im Gesetz, im Landesgesetz, im Frauenförderungsgesetz ist es verankert: Es sollen Frauenförderungspläne erstellt und Frauenbeauftragte bestellt und verpflichtet werden.

Aber was passiert, wenn die Frauenförderungspläne nicht erstellt werden und keine Frauenbeauftragten bestellt werden? Es passiert nichts. Dieses Frauenförderungsgesetz ist quasi ein zahnloser Tiger. Stellen Sie sich einmal vor, so etwas würde im Straf- oder Besoldungsrecht passieren. Dann wäre hier aber Alarm, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Der Dreh- und Angelpunkt der Realisierung des Verfassungsauftrags der Gleichstellung ist die Umsetzung der gleichstellungsgerechten Regelung. Aber in Sachsen gibt es 25 Jahre nach Inkrafttreten des Frauenförderungsgesetzes immer noch Dienststellen, die keine Frauenförderungspläne aufstellen und auch keine Gleichstellungsbeauftragten bestellen. Das sehen wir, wenn wir auf den aktuellen, den Fünften Frauenförderungsbericht schauen. Viele schöne Worte kann man darin lesen, aber wenige verwertbare Erkenntnisse. Wir haben es schon gehört: Die Daten, die vorliegen, sind aus dem Jahr 2015. Die statistischen Daten sind dreieinhalb Jahre alt; die Ressortumfrage erfolgte, wie gesagt, im vorletzten Jahr, und man fragt sich, wie man sich damit ein Bild machen soll.

Dann ist der Bericht zwar erstellt worden – wir haben, glaube ich, schon vor ein oder zwei Jahren im Gleichstellungsbeirat die Zahlen zu diesem Bericht gehört –, allein er muss natürlich durch das Kabinett beschlossen werden, und dabei gibt es dann wahrscheinlich die eine oder andere Ministerin – aber ich vermute, es handelt sich dabei eher um Minister, –

(Jörg Urban, AfD, steht am Mikrofon.)

Frau Meier, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

– nein – denen die aufgedrängten Erkenntnisse offensichtlich nicht passen, und dann wurde das Ganze verschleppt. So kann man einen Bericht und die Sache auch entwerten. Das sollten wir nicht länger zulassen, deshalb braucht es auch endlich ein modernes Gleichstellungsgesetz.

Aber zwei Aspekte aus dem aktuellen Bericht möchte ich noch einmal herausstellen: Wenn es nämlich um die Frauenbeauftragten in den Dienststellen oder in den Kommunen geht, widmet dieser Bericht dem Ganzen lediglich fünf von insgesamt 200 Seiten, und auf diesen fünf Seiten wird noch sehr umfänglich das Gesetz zitiert. Die Aussage über die Situation wurde schlichtweg aus den einzeln ausgewählten Frauenförderungsplänen herausgezogen, also, ein Gesamtbild kann man sich darüber überhaupt nicht machen.

Außerdem – das haben wir auch im Ausschuss diskutiert –: Wenn ich mir die alten Frauenförderungspläne anschaue, dann kann ich sehr gut nachvollziehen, welches Staatsministerium Frauenbeauftragte bestellt hat, wer Frauenförderungspläne aufgestellt und sie fortgeschrieben hat. Nur dieser Bericht ist der erste, der dies nicht tut. Ich kann also überhaupt keine Vergleiche anstellen, welches Staatsministerium dies getan hat. Ich denke, das ist auch so gewollt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Aber ein Schmankerl, das ich im Bericht gefunden habe, möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Im Bericht ist nämlich zu lesen: „Frauen in Führungspositionen gelten als unterrepräsentiert, solange ihr Anteil nicht dem Gesamtanteil an Frauen bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst entspricht.“ Wir haben 65,9 % Frauen im öffentlichen Dienst, und wenn ich dem glauben darf, was dort steht, dann bedeutet das: 65,9 % der Frauen müssten auch in Führungsebenen vertreten sein. Dass dem nicht so ist, wissen wir, und genau deshalb brauchen wir in Sachsen endlich ein modernes Gleichstellungsgesetz mit konkreten Regelungen und Verbindlichkeiten zu den Gleichstellungsplänen, mit einer Stärkung der Gleichstellungsbeauftragten, mit einem Klagerecht sowie einer paritätischen Besetzung der Gremien, außerdem die entsprechenden Frauen in Führungspositionen und nicht zuletzt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Ich hoffe, dass in der nächsten Legislaturperiode die Mehrheiten in diesem Landtag so sind, dass wir endlich auch in Sachsen ein modernes Gleichstellungsgesetz haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Herr Urban, Sie wünschen?

Ich würde gern eine Kurzintervention vornehmen.

Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Meier, ich wollte eine Zwischenfrage stellen, aber ich kann es auch als Kurzintervention machen. Wenn Sie sich so vehement für die Frauenquote und die Gleichberechtigung von Frauen einsetzen, dann frage ich mich immer wieder: Eine grüne Partei, die sich gleichzeitig vehement hinter die Gender-Ideologie stellt – wen meinen Sie, wenn Sie von Frauen sprechen? Meinen Sie biologische Frauen, nach dem biologischen Geschlecht, oder meinen Sie ein soziales Konstrukt von Frauen? Meinen Sie damit auch Männer, die sich als Frau fühlen? Sollen auch diese der Frauenquote genügen und davon profitieren, dass sie

vielleicht aufgrund ihres sozialen Geschlechts als biologischer Mann benachteiligt werden?

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Wolfram Günther, GRÜNE – Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Wenn die Frage mal ernst gemeint wäre! Wenn Sie sich mal damit beschäftigt hätten! – Jörg Urban, AfD: Sie ist auch ernst gemeint!)

Frau Meier, möchten Sie darauf erwidern? – Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben gesprochen. Ich frage die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Köpping, Sie haben das Wort; bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn man die Kritikpunkte, die im Frauenförderungsbericht zu Recht benannt worden sind, teilen kann: Der Bericht ist eindeutig, da muss man nicht herumdiskutieren.

Wenn Frau Buddeberg ein wenig kritisiert hat, dass viele ihre Rede zu Protokoll geben: Das ist in meinem Fall vielleicht nur teilweise gerechtfertigt, da ich in den letzten Wochen sehr viel über den Frauenförderungsbericht und die Notwendigkeit eines modernen Gleichstellungsgesetzes in Sachsen gesprochen habe. Deshalb würde ich meine Rede gern zu Protokoll geben.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Cornelia Falken, DIE LINKE: Hey! Schade!)

Vielen Dank. Meine Damen und Herren, ich frage nun Herrn Dierks: Wünschen Sie als Berichterstatter des Ausschusses, noch das Wort zu ergreifen? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung in der Drucksache 6/16921 ab. Wer zustimmen möchte, zeige dies bitte an. – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen ist der Beschlussempfehlung mehrheitlich entsprochen worden.

Ich kann den Tagesordnungspunkt noch nicht für beendet erklären. Es liegt noch ein Entschließungsantrag vor. Er ist bereits eingebracht. Wünscht noch jemand, das Wort dazu zu ergreifen? – Das ist nicht der Fall.

Wer möchte seine Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür ist dem Entschließungsantrag dennoch nicht entsprochen worden.

Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Erklärung zu Protokoll

Die Staatsregierung hat dem Landtag den Fünften Frauenförderbericht vorgelegt. Um die Ergebnisse des Berichtes einzuordnen, ist grundlegend zu sagen, dass der Geltungsbereich des Sächsischen Frauenförderungsgesetzes die Behörden, Gerichte und sonstigen öffentlich-rechtlich organisierten Einrichtungen des

Freistaates Sachsen, die kommunalen Träger der Selbstverwaltung und sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts (vgl. § 1 SächsFFG) umfasst.

Das Ziel des Frauenförderungsgesetzes ist die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst und der Umgang mit der Unterrepräsentanz von Frauen in einzelnen Bereichen (vgl. § 2 SächsFFG). Die Datengrundlagen des Berichtes sind zum einen die Frauenförderstatistik des Statistischen Landesamtes (Stand 30.6.2015), zum anderen Abfragen bei den Ressorts im Geltungsbereich des Gesetzes. Damit wird ein Bericht vorgelegt, der die bis zu diesem Datum vollzogene Entwicklung auf diesem Gebiet darstellt, aber auch eine Grundlage bildet, künftige Entwicklungen vergleichbar zu machen.

Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des Sächsischen Frauenförderungsgesetzes beinhaltet der Bericht die Darstellung des Personalbestandes, enthält zugleich Aussagen zu Stellenausschreibungen und Einstellungen, zu Beförderungen, zur Weiterbildung, zu Frauenförderplänen sowie zur Arbeit der Frauen-und Gleichstellungsbeauftragten.

Ich möchte auf die Ergebnisse des Berichtes zu sprechen kommen. Zusammenfassend formuliert der Bericht, „dass die im Vierten Frauenförderungsbericht festgestellten geschlechtsspezifischen horizontalen und vertikalen

Ungleichheiten nach wie vor vorhanden sind, wobei weibliche Beschäftigte in den höchsten Führungspositionen, Laufbahn- sowie Entgeltgruppen unterrepräsentiert sind. Im öffentlichen Dienst des Freistaates Sachsen kann damit keine hinreichende Öffnung der Karrierewege für Frauen festgestellt werden.“

Darüber hinaus wird ausgeführt: „Positive Entwicklungen sind im Rahmen der Bewerbungs- und Stellenbesetzungsverfahren festzustellen …“.

Nach wie vor stellen sich die Bemühungen im öffentlichen Dienst zur Frauenförderung bei den einzelnen Dienststellen innerhalb des Landes- und des Kommunalbereichs sehr unterschiedlich dar. Im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung nach dem Sächsischen Frauenförderungsgesetz und die Umsetzung von Artikel 3 Grundgesetz besteht weiterhin Handlungsbedarf.

Neben Verbesserungsmöglichkeiten bezüglich der Frauenförderpläne und der „Sensibilisierung der Leitungsebenen für Gleichstellungsfragen [als] eine[r] weiterhin bestehende[n] Aufgabe“ formuliert der Bericht Handlungsbe

darf und -möglichkeiten insbesondere in folgenden Bereichen: umfassendere Prüfung und Umsetzung der Möglichkeiten von Teilzeit auch in Führungspositionen, Strategien, männliche Beschäftigte für die Wahl von familienfreundlichen Beschäftigungsmodellen zu gewinnen, grundsätzlich in allen Dienststellen aufzustellender, ein auf die jeweiligen Bedürfnisse und Möglichkeiten zugeschnittener, breiter Maßnahmenkatalog in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, die Erhöhung des Frauenanteils in der Besetzung von Gremien, Handeln des Landesgesetzgebers wegen der Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner in Bezug auf die Hauptamtlichkeit der Gleichstellungsbeauftragten gemäß § 64 der Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen in Verbindung mit § 60 der Landkreisordnung für den Freistaat Sachsen.

Der Frauenförderbericht kann immer nur zeigen, wo wir beim Thema Gleichstellung im öffentlichen Dienst gerade stehen. Er ist kein Instrument, um etwa mehr Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst zu bringen. Nur mit dem Frauenförderbericht werden wir auch kein gleichberechtigtes Mitwirken von Frauen in Gremien oder Verwaltungs- und Aufsichtsräten erreichen.