Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor ziemlich genau einem Monat, am 11. März 2019, haben die Vertreter des EU-Parlaments, der EU-Staaten, der Europäischen Kommission in den sogenannten Trilog-Verhandlungen einen Kompromiss gefunden, der europaweit eine Garantie für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber schaffen soll.
Die Richtlinie soll noch in diesem Monat erlassen werden und ist ein Meilenstein für den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern in der Europäischen Union. Sie umfasst den Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. Das scheint auf den ersten Blick ein recht begrenzter Umfang zu sein – ist es aber nicht, denn umfasst sind unter anderem das Vergaberecht, Fragen der Finanzdienstleistungen, die Produktsicherheit, der Umweltschutz, die öffentliche Gesundheit und der Schutz der Privatsphäre. Die Richtlinie soll sowohl für den privaten als auch für den öffentlichen Sektor gelten.
Mit dieser Richtlinie werden die Mitgliedsstaaten erstmals verpflichtet, interne Kanäle und Verfahren für die Übermittlung und das Weiterverfolgen von Meldungen einzurichten. Dies gilt beispielsweise für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder für Gemeinden mit über 10 000 Einwohnern. Ferner werden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, externe Meldekanäle einzurichten, die eine unabhängige, autonome, sichere und die Vertraulichkeit wahrende Entgegennahme und Bearbeitung von Hinweisen ermöglichen.
Der Kern der Richtlinie regelt den besonderen Schutz der Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber als betroffene
Personen. Dieser Schutz besteht bereits dann, wenn der Hinweisgeber hinreichenden Grund zu der Annahme hat, dass die von ihm gemeldeten Informationen zum Zeitpunkt ihrer Ermittlung der Wahrheit entsprachen und in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Selbstverständlich muss der Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern – das war bereits eine Debatte rund um unseren Gesetzentwurf – an ihren subjektiven Beweggründen ansetzen, da diese nur bedingt objektivierbar sind.
Zu ihrem Schutz ist in der Folge jede Form von Repressalien gegenüber Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern nach der Richtlinie verboten. Dazu zählen beispielsweise die Versagung einer Beförderung, Aufgabenverlagerung oder sonstige Benachteiligungen. Hinweisgeber, die aufgrund der Richtlinie extern Meldung erstatten, dürfen nicht als Personen gelten, die eine vertragliche oder gesetzliche Offenlegungsbeschränkung verletzt haben. – So weit zu der Richtlinie, die beschlossen wurde.
Nun könnten Sie sich zurücklehnen und sagen: Gut, dann brauchen wir das Gesetz der GRÜNEN ja wahlweise nicht mehr oder noch nicht. Die Koalition ist ja sehr flexibel, wenn es darum geht, irrationale Begründungen zu bemühen, warum man Gesetzentwürfe der Opposition ablehnt. Aber ich bin gespannt, was heute kommt.
Die Richtlinie tritt nämlich erst im Jahr 2021 in Kraft. Es gibt also noch genügend Zeit, sie umzusetzen; aber es gibt auch genügend Zeit, eigene Richtlinien zu erlassen. Die
Pflichten betreffen nämlich nicht nur die Bundesrepublik Deutschland, sondern beispielsweise auch die Kommunen, und somit ist auch der Freistaat Sachsen in der Umsetzung gefordert.
Wir GRÜNEN gehen mit unseren Forderungen aber noch über die soeben beschriebene Richtlinie hinaus. Bevor Fragen kommen: Ja, es ist nach der Richtlinie ohne Weiteres gestattet, den Schutzstandard höher anzusetzen. Wir fordern den Schutz von Whistleblowern selbstverständlich auch bei Verstößen, die nicht das EU-Recht betreffen, sondern sächsische oder bundesrechtliche Regelungen, zum Beispiel erhebliche Straftaten, oder wenn eine gegenwärtige Gefahr für Leben, Gesundheit, Freiheit oder Umwelt droht. Wir GRÜNEN fordern den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern mit diesem Gesetzentwurf ab sofort; denn schon heute gibt es Situationen, in denen redliche Bedienstete des Landes diesen Schutz benötigen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich will nicht behaupten, dass mit diesem Gesetzentwurf alle Verpflichtungen aus der Richtlinie umgesetzt wurden; sie war uns ja bei der Erarbeitung des Gesetzes nicht bekannt. Gerade bei den Verfahren zu internen und externen Meldekanälen ist die bloße Ernennung eines Vertrauensanwalts oder die Errichtung eines elektronischen Systems zur anonymen Kommunikation, so wie wir es vorsehen, sicher nicht ausreichend. Hierzu bedarf es einiger Anpassungen im Beamtengesetz, die mit denen im Beamtenstatusgesetz komplementär einhergehen müssen.
Die von uns vorgeschlagene Regelung – und dabei bleibe ich – zur Ermessensausübung im Bereich des § 353 b Abs. 4 StGB finde ich nach wie vor charmant, und sie ist aus unserer Sicht rechtlich schon jetzt möglich, um Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber besser zu schützen.
Aber auch bei der Umsetzung der Richtlinie wird sich zeigen, ob weitere Anpassungen im Geltungsbereich sächsischer Gesetze erforderlich sind. Im Disziplinarrecht ist eine Umsetzung auf jeden Fall notwendig. Auch in diesem Fall können Sie unserem Gesetzentwurf schon heute vertrauen; denn Sie haben damit die Möglichkeit, jetzt schon Whistleblowern in Sachsen den notwendigen Schutz angedeihen zu lassen, den sie brauchen. Es ist Zeit zu handeln, und es darf nicht als nächstes Thema mit dem Verweis „Wir haben ja noch viel Zeit“ auf die lange Bank geschoben werden. Vor diesem Hintergrund bitten wir um Ihre Zustimmung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit einem Gesetzentwurf der GRÜNEN zum Thema „Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern im Freistaat Sachsen“. Damit soll nach der Botschaft der GRÜNEN
für den Bereich des Freistaates endlich eine Innovation umgesetzt werden und Sachsen – ich zitiere – „auch einmal Vorreiter und nicht immer nur Nachzügler sein“. Der Schutz von sogenannten Whistleblowern im öffentlichen Dienst soll dafür herhalten, dass Sachsen nun vorangeht.
Wenn man das will, meine Damen und Herren, dann muss man sich aber ein anderes Thema suchen, bei dem man zielführend agiert und nicht ins Leere läuft. Zudem ist Sachsen in vielen Bereichen bereits Vorreiter, wie zum Beispiel bei Innovationen; aber das nur am Rande. Durch die grüne Brille ist die Welt eben eine andere.
Nun zur Sache. Im Deutschen Bundestag wurde bereits ein Gesetzentwurf in ähnlicher Form behandelt – und mit guten Gründen abgelehnt, letztendlich deshalb, weil man keinen Regelungsbedarf sieht.
Die vielfachen Bedenken gegen das Vorhaben sind deutlich. Der Richterbund der Arbeitsgerichtsbarkeit zum Beispiel hält den Schutz von Hinweisgebern derzeit für gewährleistet. Arbeitgeberverbände und Wirtschaft haben sich dem angeschlossen. Die Neuregelung sorge nicht für mehr Rechtssicherheit, sondern unterstelle ein Misstrauensverhältnis. Die Thematik sei stark an den Einzelfall gebunden und müsse dies im Verfahren auch bleiben.
Ihr Gesetzentwurf zielt darauf ab, dass Personen, die insbesondere in einem dienstlichen Verhältnis zum Freistaat Sachsen stehen, keine schweren Sanktionen mehr befürchten müssen, wenn sie den Dienstweg nicht einhalten, sondern sich unmittelbar an höhere Vorgesetzte oder an außerdienstliche Stellen wenden können – und damit auch an die Öffentlichkeit. Dazu wollen Sie auch Vertrauensanwälte beauftragen und veranschlagen dafür jährlich 100 000 Euro Kosten. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge verlangen Sie von den Unternehmen einen Whistleblower-Schutz, der nachgewiesen werden muss. Für ein elektronisches Meldesystem im Freistaat Sachsen für anonyme Hinweisgeber sollen „geringe Mehrkosten“ entstehen.
Schon rein fiskalisch müsste man an dieser Stelle Ihren Gesetzentwurf ablehnen. Dieses Land steht finanzpolitisch auf soliden Füßen, und genau deshalb, weil wir nicht jede politische Nische finanziell bedienen können und wollen.
In Ihrem Gesetzentwurf räumen Sie bereits ein, dass die wesentlichen Regelungen durch den Bundesgesetzgeber erfüllt werden müssen und nicht in der Gesetzgebungszuständigkeit des Freistaates Sachsen liegen. Für die verbleibende Nische des Freistaates, wie zum Beispiel das Disziplinarrecht, die Ermächtigung zur Strafverfolgung oder das Haushalts- und Vergaberecht, sehen Sie dennoch Ihre Chance gekommen, den Freistaat als Vorreiter zu etablieren. Wie der Bundesgesetzgeber das sieht, hatte ich bereits gesagt: Er sieht keinen Regelungsbedarf. Der
Schutz von Hinweisgebern wird in der momentanen Rechtslage als ausreichend angesehen. Die einschlägige Rechtsprechung zum Thema wurde weiterentwickelt.
In der Anhörung zu Ihrem Gesetzentwurf wurde klar, dass die Sachverständigen, wenn man sich einmal mit den Details auseinandersetzt, Grenzen sehen in dem, was geht und was gut ist. Ein Alleingang Sachsens steht auf wackeligen Füßen. Selbst die Fraktion DIE LINKE findet, dass hier eine juristische Krücke zur Anwendung kommt.
Weiterhin kam dort zur Sprache, dass dem Gesetzentwurf nicht zu entnehmen sei, warum die bestehende straffreie Möglichkeit eines Beamten, sich bei Korruptionsstraftaten bei obersten Dienstbehörden und Strafverfolgungsbehörden zu offenbaren, weniger Schutz bieten soll als eine Anzeige gegenüber einem Vertrauensanwalt. Jeder Beamte hat das Recht, sich gegenüber seinem Anwalt zu offenbaren und mit ihm das weitere Vorgehen zu besprechen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen bei einem Anfangsverdacht gegen eine Amtsperson von sich aus tätig werden. Beamte sind auch heute schon zur Anzeige geplanter Straftaten und zur Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verpflichtet. Im Bereich der Polizei wurde eine Beschwerdestelle geschaffen, an die man sich wenden kann. Sie sehen also, es gibt mehrere Optionen.
Es bleibt festzuhalten, dass es in unserem Land Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden und der Justiz ist, festzustellen, ob es sich bei den Inhalten der Hinweise der Hinweisgeber um eine Straftat handelt und welche Konsequenzen dies hat. Der Hinweisgeber kann im Einzelfall allein nicht mit Sicherheit feststellen, ob es sich um einen Verstoß, um eine Straftat oder um eine erhebliche Straftat handelt.
In allen Dienststellen des Freistaates Sachsen gilt die Dienstordnung. Demnach ist der Dienstweg einzuhalten. Aber was bedeutet das? Das heißt im Klartext, dass sich der Beamte zunächst einmal an seinen dienstlichen Vorgesetzten zu wenden hat. Dieser hat dann als Vorgesetzter und Führungskraft die Pflicht, etwaiges Fehlverhalten an die nächsthöhere oder die dafür zuständige Stelle, zum Beispiel Personalreferate, weiterzuleiten.
Darüber hinaus gibt es aber auch noch einen anderen legalen Weg, sich Gehör zu verschaffen. Das sind die Personalräte vor Ort in den Behörden. Die Vorsitzenden der Personalräte haben in der Regel ein direktes Vorspracherecht beim Behördenleiter.
Jeder Beschäftigte kann sich vertrauensvoll an die Personalvertretung wenden und sein Anliegen dort vorbringen. Dies kann dann von der Personalvertretung im direkten persönlichen Gespräch mit der Behördenleitung vertraulich angesprochen und beraten werden. Dieser Weg ist gängige Praxis.
Der Dienstherr ist im Übrigen in Ausübung seiner allgemeinen Fürsorgepflicht zur Achtung der Persönlichkeitsrechte des Beamten verpflichtet. Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung im Freistaat Sachsen ist grundsätzlich
geprägt von dem Vertrauen in eine funktionierende Verwaltung, die sich an Recht und Gesetz hält. Dies richtet sich natürlich an jeden Einzelnen, aber im Besonderen an alle Führungskräfte. Wir vertrauen ihnen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überall im Freistaat leisten jeden Tag aufs Neue ganze Arbeit, und dafür danken wir ihnen.
In der Anhörung wurde auch die Auffassung vertreten, dass dieser Gesetzentwurf nicht geeignet ist, den gewünschten Schutz von Hinweisgebern in irgendeiner Weise sicherzustellen, da der wesentliche Regelungsinhalt einer bundespolitischen Lösung bedarf. Es wurde auch deutlich, dass mit der beabsichtigten Regelung im § 68 a und dem Tatbestandsmerkmal „nach ihrer Auffassung“ dem Thema Denunziation Tür und Tor geöffnet ist. Ich möchte in diesem Hohen Hause ganz deutlich sagen, dass wir als CDU-Fraktion allen Forderungen nach Regelungen, die diesen Charakter tragen, klar entgegentreten, egal in welchem Bereich. Wir fördern in unserer Gesellschaft das Miteinander.
Letzter Punkt, der mich besonders bewegt: Mit diesem Gesetz wollen Sie bei der öffentlichen Auftragsvergabe die teilnehmenden Firmen zwingen, ein unternehmens- und betriebsinternes Hinweisgebersystem nachzuweisen. Sie schaffen damit einen weiteren zwingenden Ausschlussgrund für die Vergabe. Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, an dieser Stelle muss ich Ihnen leider sagen, dass Sie die Bodenhaftung für die echten Probleme in unserem Land völlig verloren haben.
In einer Zeit, in der der bürokratische Aufwand für die Unternehmer – und damit meine ich die vielen fleißigen Mittelständler und Handwerker in unserem Land – ein inakzeptables Maß erreicht hat, kommen Sie mit solch einem Vorschlag um die Ecke. Aus meiner Erfahrung haben unsere Firmen in Sachsen eine interne Führungs- und Unternehmenskultur, die ein von außen künstlich aufgestülptes System – wie Sie es wollen und letztendlich hier fordern – nicht benötigen.
Es wird im vertrauensvollen Umgang miteinander besprochen, wenn etwas nicht stimmt, und selbstverständlich gibt es auch Konsequenzen, wenn dem so ist. Ihr Gesetz braucht man dafür nicht. Es gilt der alte Handelsbrauch des Kaufmanns: Ein ordentlicher Kaufmann verhält sich auch ordentlich.
Sie aber schränken in Ihrem Gesetzentwurf nicht ein auf größere Unternehmen, sondern Sie wollen alle treffen. Das ist ein Angriff auf das sächsische Handwerk und den Mittelstand, und das dulden wir nicht.
Wir wollen keine neuen grünen bürokratischen Hürden. Meine Damen und Herren! Aus diesem Grund werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen.