Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Schmidt! Wenn Sie eine Fachregierungserklärung zum Thema moderne Umweltpolitik mit innovativen Lösungen für Sachsen halten, dann dürfen wir eigentlich erwarten, dass Sie darstellen, was im Umweltsektor geschehen muss, damit die wichtigsten sächsischen Umweltprobleme umfassend geklärt werden. Tatsächlich sprechen Sie hier aber über Roboterlandschaften.
Sie setzen darauf, dass die innovativen digitalen Lösungen und künstliche Intelligenz alle oder zumindest einen Großteil unserer Probleme lösen. Mit 5G sollen Robotertechnologien neue landwirtschaftliche Maschinensysteme und automatische Prozessführungen ermöglicht werden. Ressourcenschutz, Tierwohl und Wertschöpfung sollen am Ende durch mehr Digitalisierung entstehen.
Doch zunächst meine Antwort auf das DDR-Bashing ganz zu Anfang: Sie hatten von Schaumkronen gesprochen. Das stimmt; ich will da auch nichts beschönigen. Dennoch ist es heute nicht viel besser – leider –, das sage ich ganz ohne Häme.
Zunächst einige Zahlen zur Entwicklung des Nitratgehalts im Grundwasser, um das Thema DDR-Altlasten einmal richtigzustellen: Aus dem Nitratbericht des Bundesumwelt- und des Bundeslandwirtschaftsministeriums vom Januar 2017 geht hervor, dass in Sachsen im Vergleich der Zeiträume 2008 bis 2011 sowie 2012 bis 2014 bei 60 % der EU-Messstellen der ohnehin schon hohe Nitratgehalt von über 50 mg/l sogar noch zunahm. Der erste Zeitraum (2008 bis 2011) liegt lange nach dem Ende der DDR. Die zu DDR-Zeiten möglicherweise eingetragenen Stoffe waren schon lange mit dem Grundwasser wegtransportiert, als die massive Erhöhung festgestellt wurde.
Es bleibt also dabei: Die heutigen Verunreinigungen des Grundwassers gehen allein auf die Kappe der CDU, die das Landwirtschaftsministerium seit 1990 leitet. Das Ministerium hat sich erst bewegt, als die EU mit massiven Strafzahlungen gedroht hat.
Zum Thema Trinkwasser ebenfalls eingangs folgende Feststellung: Gab es 1992 noch mehr als 2000 öffentliche Trinkwasserversorgungsanlagen, die 94 % der sächsischen Bevölkerung versorgten, so erfolgt heute die Versorgung von rund 99 % der Bevölkerung des Freistaats durch rund 450 zentrale Wasserversorgungsanlagen. In Bezug auf Resilienz und Fehlerfreundlichkeit ist das sicherlich kein Erfolg. Schutzgebiete ohne aktive Wassergewinnung für die Trinkwasserversorgung, schwer schützbare Wasserdargebote oder Wasserdargebote mit schlechter Rohwasserbeschaffenheit wurden auf ihre Anhebung hin untersucht. Häufig wurden die Trinkwasserschutzgebiete aufgehoben, statt sie besser zu schützen.
Im Vergleich des Jahres 2011 zu 1992 haben Sie von der CDU die Fläche der Trinkwasserschutzgebiete in Sachsen etwa halbiert. Stoffliche Wasserprobleme werden also mit anderen Worten aktuell nicht dadurch gelöst, dass die Stickstoffeinträge in das Grundwasser angegangen werden, sondern dadurch, dass die Wasserversorger sauberes Wasser gegebenenfalls aus ortsfernen Quellen zukaufen. Das ist so nicht vorgesehen, da das Wasserhaushaltsgesetz eindeutig kleinräumige Versorgungslösungen bevorzugt und als Regel ansieht.
Die ortsnah verfügbaren Wasserressourcen sollen ausdrücklich durch das Wasserrecht geschützt werden. Das Gebot der ortsnahen Wasserversorgung ist insofern ein Beitrag zum flächendeckenden Grundwasserschutz. Wenn die angesprochenen zentralen Lösungen aufgrund von Trockenheit, Mikroschadstoffen oder anderen Ereignissen nicht mehr betrieben werden können oder wenn Wasser für die Vermischung zugekauft werden muss, steigen am Ende die Wasserpreise, und die ortsnahen Trinkwasservorkommen sind nicht oder nur noch eingeschränkt nutzbar. Deswegen ist flächendeckender Trinkwasserschutz wichtig.
Online kann man im Übrigen zahlreiche Wasserschutzgebiete innerhalb der sogenannten Nitratgebiete finden. Es ist Ihre Aufgabe, Herr Minister, hier rasch umzusteuern
und nicht Beprobungen anzuordnen, sondern eine komplett andere Bewirtschaftung. Ich komme darauf später noch zu sprechen.
Auch einigen Arten wie dem Birkhuhn ging es zu DDRZeiten – wie vielen anderen Arten, vom Rebhuhn bis zu diversen Insekten – besser. Das liegt daran, dass damals trotz der Großstrukturen immer noch mehr Landschaftselemente als heute und auf jeden Fall eine wesentlich höhere Vielfalt auch an Nutzpflanzen auf dem Acker vorhanden waren.
Wir haben ja eine Anhörung zu diesem Thema im Umweltausschuss gehabt. Daher kann ich gern darauf eingehen, was die heutigen Probleme sind.
Was nämlich das Birkhuhn angeht – das betrifft im Übrigen weite Teile des Sachsenforsts –, so ist forcierte Holzwirtschaft genauso wenig immer gut, wie Unterhaltungsmaßnahmen in den sächsischen Wäldern stets durch die preisgünstigsten Anbieter durchführen zu lassen.
Mit unserem Antrag „Birkhuhn-Artenhilfsprogramm im Erzgebirge umsetzen“ haben wir einen Stein ins Rollen gebracht, der nun hoffentlich dazu führt, dass wenigstens die Birkhuhnpopulation im Erzgebirge überleben wird, also nicht wie die Flachlandpopulation in der Lausitz von Ihnen, Herr Minister, vergessen wird, bis sie schließlich komplett erloschen ist.
Die aktuellen Signale aus der jüngsten Beratung deuten leider nicht vollständig in die richtige Richtung.
Sehr geehrte Frau Kollegin Dr. Pinka, kennen Sie die Publikationen unseres hochgeschätzten früheren Kollegen Prof. Mannsfeld, der nach zehn Jahren deutscher Wiedervereinigung sehr genau
analysiert hat, was die Spätfolgen und das Gedächtnis des Bodens sind als Folge der bereits in den Jahren der DDR eingetragenen Umweltbelastungen?
Wir reden doch heute über die moderne Umweltpolitik der Zukunft. Wir können doch nicht ständig 30 Jahre zurückschauen!
Deswegen will ich Ihnen sagen: Es gibt heute Probleme, die haben wirklich nichts mehr mit der DDR zu tun. Das sind zum Beispiel die Nitratprobleme im Grundwasser, das sind Dinge wie der angesprochene Artenverlust und das Insektensterben, auf das ich ebenfalls noch zu sprechen komme.
Im Übrigen traf ich Herrn Prof. Mannsfeld erst letzte Woche auf einer Tagung, auf der es um die Trockenheit 2018 ging. Ich kann Ihnen sagen: Was er über den derzeitigen Zustand der CDU sagt, das spricht Bände. Dazu können Sie Herrn Prof. Mannsfeld gern in den Landtag zurückholen!
Frau Dr. Pinka, geben Sie mir recht, dass insbesondere die Altlastenproblematik durchaus sehr viel mit der DDR-Zeit zu tun hat und dass sich diese nach wie vor auf Boden, Gewässer und Landschaftselemente auswirkt?
Darin gebe ich Ihnen recht, Herr Dr. Meyer, dass wir natürlich sehr viele Hinterlassenschaften der DDR beseitigen mussten und dass wir tatsächlich viele Altlasten haben. Aber ich sagte es gerade: Wenn wir jetzt Bilanz ziehen, dann müssen wir aber auch die aktuellen Probleme sehen. Das hat der Staatsminister in seiner Rede nicht getan. Er hat zwar wahllos bestimmte Probleme aufgezählt, aber nicht gesagt, wie er sie angehen will.
Dazu ein Beispiel, Thema Oberflächenwasser: Die Verbraunung der Kleinen Spree im Spreewald ist ein echtes Problem. Aber es wird seitens des Staatsministers keine Lösung aufgezeigt, wie er das in Gänze angehen will. Damit bleibt es auch in Zukunft ein Problem. Hierzu sage ich: Wir dürfen doch heute nicht nur Bilanz ziehen, sondern wir müssen auch die Probleme benennen, die wir sehen und dir wir angehen wollen. Dazu habe ich heute nur gehört, dass simul+ quasi die Lösung für alles ist. Aber darauf komme ich später noch zu sprechen.
Nun möchte ich meine Rede fortsetzen. – Auch beim Waldzustand lassen sich verschiedene Ereignisse beim besten Willen nicht mehr mit der DDR begründen, sondern es sind einwandfrei neue Schäden.
Durch das zurückliegende Extremjahr 2018 wurde für uns deutlich, wie sich Klimawandel anfühlt. Die für die Zukunft zu erwartenden Tendenzen sind unter anderem im Waldzustandsbericht nachzulesen. „Stürme und extreme Witterungsereignisse nehmen zu. Die Durchschnittstemperaturen steigen. Die jahreszeitliche Verteilung der Niederschläge verändert sich. In der Vegetationsperiode regnet es weniger. Die Niederschläge werden intensiver. Schäden mit mehr als 200 000 Kubikmeter Schadholz sind mittlerweile als Normalfall zu betrachten“, heißt es im aktuellen Waldzustandsbericht. Die Sturmereignisse in den Jahren 2007 und 2018 warfen jeweils rund 2 Millionen Kubikmeter Schadholz zu Boden. Zum Vergleich: Der emissionsbedingte Schadholzanfall in den Jahren 1968 bis 1988 bewegte sich maximal bei einer damals unglaublichen Menge von einer halben Million Kubikmeter. Im Durchschnitt waren es rund 160 000 Kubikmeter im Jahr.
Die zurückliegenden vier Trockenjahre in einem Jahrzehnt schädigen nicht nur die besonders anfälligen Forstkulturen, sondern auch ältere Bäume in immer stärkerem Umfang. Im Waldzustandsbericht heißt es dazu: „Erstmalig werden damit außergewöhnliche Witterungseinflüsse, deren Auswirkungen bisher lediglich bei einzelnen Baumarten und/oder Regionen beobachtet werden konnten, auch über die gesamte Stichprobe hinweg landesweit sichtbar.“
Herr von Breitenbuch nutzte seinen Wortbeitrag zum Waldzustandsbericht 2009 am 28. April 2010 zu einer Anklage, bezogen auf die Zeit vor 1989: „Sozialistischer Raubbau an Schöpfung und Menschheit hat zu einem desolaten Zustand der Wälder geführt. Die Wälder kranken bis heute an dieser Zeit.“
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, lassen Sie uns gemeinsam die Klimaschutzanstrengungen deutlich intensivieren, damit es nicht in zehn Jahren heißen muss: Kapitalistischer Raubbau an Schöpfung und Menschheit hat zu einem desolaten Zustand der Umwelt geführt, die künftigen Generationen die Voraussetzungen zum Leben erheblicher verschlechtert als alle zuvor gekannten Entwicklungen. Die Menschen haben es in einer Zeit, in der es mit einfachen Mitteln möglich gewesen wäre, eine Veränderung herbeizuführen, eine nachhaltige Entwicklung in allen Lebensbereichen einzuläuten, verpasst, sondern haben sehenden Auges auf einen desolaten Zustand zugesteuert.
Wir sehen: Umweltschutz bleibt Handarbeit und ist bestenfalls durch Computertechnologie zu unterstützen, zum Beispiel durch Datenbank- oder Online-Tools, aber nicht zu ersetzen. Minister Schmidt hat in seiner Rede wiederholt von Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung gesprochen, und darauf möchte ich gern eingehen.
Ich möchte kurz darstellen, warum ich das für einen Irrweg halte und was stattdessen geschehen muss.
Im Grunde ist doch die Frage gestellt, ob diese Techniken und Verfahrensweisen nicht doch mehr Ressourcen benötigen als nachwachsen, ob sie möglichst frei allen Menschen zur Verfügung stehen oder Wissenshierarchien fördern, ob sie leicht reparierbar sind, Zeit sparen oder gegebenenfalls auf anderen Ebenen nicht mehr Zeit und Aufwand verursachen, ob sie lokal vorhandene Rohstoffe nutzen und sich einfach recyceln lassen oder ob sie insgesamt effektiv das Leben erleichtern, anstatt es zu verkomplizieren.
Man könnte es auch anders formulieren: Könnten alle Menschen auf der ganzen Welt diese Technologie haben und nutzen, und, wenn ja, wie würde diese Welt dann aussehen, und wäre sie dann besser? Viele dieser Fragen lassen sich so beantworten: Ihre Technologien, Herr Minister, lohnen sich doch nur für große Betriebe, die große Flächen zur Verfügung haben. Die Technologien brauchen Öl und andere Rohstoffe aus anderen Erdteilen in erheblichem Umfang, enorm spezialisiertes Wissen der Menschen, die damit umgehen oder diese Technik reparieren müssen.