Protokoll der Sitzung vom 24.05.2019

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine wichtige Schnittstelle ist der Übergang von der Schule in den Beruf. Wir wollen eine deutliche Verbesserung der beruflichen Orientierung erreichen, indem zukünftig in allen Schulen Praxisberater eingesetzt werden. Ein zentraler Baustein der Fachkräftesicherung ist die Stärkung der dualen Ausbildung. Wir wollen hier die Qualität erhöhen, ebenso

wie die Rahmenbedingungen. Ich denke an die Einführung des Azubi-Tickets zu Beginn des neuen Lehrjahres. Damit können Azubis selbstbestimmter, umweltgerechter und günstiger unterwegs sein.

Ich ärgere mich, dass das geplante umfassende Bildungsticket in dieser Legislaturperiode nicht kommen wird. Aber ich setze auf das Wort der Landräte, dass es zum nächsten Schuljahr kommt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Vergütung. Die im Bundeskabinett beschlossene Mindestausbildungsvergütung ist in meinen Augen überfällig und macht die duale Berufsausbildung für junge Menschen attraktiver.

(Beifall bei der SPD)

Wer heute Auszubildende finden will, muss sie vernünftig bezahlen. Besonders in den Gesundheits- und Pflegeberufen wollen wir, dass vollzeitschulische Ausbildung in die duale Berufsausbildung überführt wird. Das Schulgeld gehört abgeschafft. Die Lehrlinge gehören anständig bezahlt. Gerade in Sozialberufen sollten wir die Azubis mit offenen Armen empfangen und nicht zur Kasse bitten.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jede und jeder hat ein Talent oder eine Fähigkeit, die es zu entdecken und zu fördern gilt. Sachsen braucht alle. Wir wollen das Beschäftigungspotenzial aller vorhandenen Zielgruppen im Land noch besser aktivieren. Die Erwerbsbeteiligung in Sachsen ist erfreulicherweise in den letzten Jahren gestiegen. Dennoch gibt es spezielle Personengruppen, die immer noch Probleme am Arbeitsmarkt haben, so zum Beispiel die Gruppe der gut ausgebildeten Menschen mit Behinderung, Menschen mit Migrationshintergrund,

Alleinerziehende und Langzeitarbeitslose. Wir müssen den jeweils Betroffenen und den sächsischen Unternehmen konkret helfen, diese oft verborgenen Stärken zu erkennen und einzusetzen. Wir setzen zum Beispiel auf aktive Hilfen wie Coaches und Betriebsakquisiteure im Rahmen unseres neuen, sehr erfolgreichen Programmes „TANDEM“.

Wahr ist aber ebenfalls: Auch mit allen Anstrengungen werden wir ohne gesteuerte Zuwanderung die Herausforderungen bei der Fachkräftesicherung in Sachsen nicht allein meistern können. Deshalb brauchen wir eine gezielte Ansprache von Fachkräften aus dem In- und Ausland. Zu diesem Zweck hat das SMWA das Fachkräfteportal „Heimat für Fachkräfte“ aufgebaut. Zuwanderung ist notwendig. Wir wollen den Anteil ausländischer Beschäftigter in den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen bis 2013 von derzeit 4 % auf 8 % verdoppeln. Das ist das gemeinsame Ziel aller Beteiligten.

Nur, das setzt Neugier und Aufgeschlossenheit von uns allen voraus. Dass Sachsen hier Defizite hat, ist unbestritten. Ich appelliere an alle, die in diesem Land Verantwortung tragen: Seien Sie nicht verdruckst, sondern zeigen Sie Gesicht für Sachsen als Land von Welt! Ich mahne zugleich alle, die diese Defizite zu Recht kritisieren:

Gehen Sie anständig mit Sachsen und den Menschen um, die hier leben. Ich bin gewiss, in unserem Freistaat kann man erfolgreich arbeiten und gut leben. Das muss für alle gelten, egal, wo sie geboren sind.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Neben der klassischen Zuwanderung geht es aber auch um die Gewinnung und Rückgewinnung von Fachkräften, auch aus anderen Bundesländern sowie weggezogenen Sachsen, Auspendlern und potenziellen Rückkehrern.

Eine besonders interessante Gruppe sind die Hochschulabsolventen, von denen gegenwärtig noch immer rund 40 % ihre erste Arbeitsstelle nicht in Sachsen antreten. Unser Ziel ist es, dass über eine enge Kooperation von Schule und regionaler Wirtschaft in Zukunft zwei Drittel eines Jahrgangs nach dem Studium in Sachsen gehalten werden. Dafür war es extrem wichtig, dass diese Staatsregierung unter der Führung von Eva-Maria Stange endlich den Sparkurs an den Hochschulen beendet hat. Der Stellenabbau ist gestoppt. Den Hochschulen bleiben über 750 Stellen erhalten, und sie können auch dank des neuen Hochschulentwicklungsplans bis 2025 ohne Sparzwang planen.

Gleichzeitig hat diese Staatsregierung die Studentenwerke gestärkt und einen Rahmenkodex „Gute Arbeit an Hochschulen“ eingeführt. Der ausgezeichnete Ruf, den meine Kollegin Eva-Maria Stange in der bundesweiten Wissenschafts- und Forschungsszene genießt, trägt ebenfalls dazu bei, dass Sachsens Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen gedeihen. Sie sind Anziehungspunkt für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt. Viele bleiben in Sachsen und machen das Land besser. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Schließlich möchte ich noch zu einem letzten entscheidenden Punkt kommen. Die Arbeitgeber in Sachsen müssen Fachkräfte nicht nur ausbilden und gewinnen, sondern auch binden und halten. Das geht nur mit attraktiven Arbeitsplätzen, die gut bezahlt sind, Beschäftigte gesundhalten und Verwirklichungschancen bieten. Das ist das neue Handlungsfeld der Fachkräftestrategie. Gute Arbeit bedeutet an erster Stelle Wertschätzung für die Leistungen, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tagtäglich erbringen.

Trotz der überdurchschnittlichen Gehaltssteigerung in den letzten Jahren verdienen die Sachsen immer noch rund 730 Euro weniger und arbeiten auch noch 14 Tage länger als die Kolleginnen und Kollegen im Westen. Bei Tariflöhnen ist die Angleichung an die alten Länder fast vollzogen. Aber in Sachsen ist die Tarifbindung zu niedrig. Nur jeder siebte Betrieb in Sachsen ist an einen Flächen- oder Haustarifvertrag gebunden. Für die Umsetzung von guter Arbeit ist die Stärkung der Tarifbindung unverzichtbar und gleichzeitig ein wesentlicher Beitrag zur Fachkräftesicherung.

(Beifall bei der SPD)

Daneben wollen wir die Weiterbildungsquote der sächsischen Beschäftigten in den kommenden Jahren auf über 50 % erhöhen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gute Arbeit floriert in einer starken Wirtschaft, die nachhaltig zum Wohle der vielen wächst. Wirtschaftspolitik und Fachkräftesicherung gehören zusammen. Ohne Fachkräfte keine dynamische Wirtschaft, ohne dynamische Wirtschaft kein Anziehungspotenzial für kluge Köpfe.

Ich habe stets betont, dass Sachsen eine Innovationsschmiede für die digitale Zukunft werden muss. Unsere Wirtschaftspolitik unterstützt diejenigen, die in Sachsen etwas bewegen wollen. Wir haben unser breites Förderinstrumentarium in diesem Sinne ergänzt und angepasst. Die neugestaltete Mittelstandsrichtlinie oder die gestärkte einzelbetriebliche Unternehmensförderung zeugen davon.

Sachsen ist auch in den von der Europäischen Union anerkannten technologischen Zukunftsfeldern stets vorn mit dabei. Besonderen Wert legt Sachsen auf die Technologieförderung, die mit rund 140 Millionen Euro EFREMitteln und insgesamt 77 Millionen Euro Landesmitteln gefördert wird. Auch dank europäischer Mittel unterstützen wir Hochtechnologie und Innovation in den Unternehmen. Mit Technologiegründerstipendien, Gründerberatung und dem InnoStartBonus stärken wir den Gründergeist.

Mit all den genannten Maßnahmen haben wir begonnen, Zukunftssicherheit für die Menschen in Sachsen zu schaffen, die Gewissheit, dass die Staatsregierung alles in ihrer Macht Stehende tut, um Arbeitsplätze, Einkommen und berufliche Verwirklichungschancen auch in einer sich wandelnden Arbeitswelt zu sichern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus- und Weiterbildung, Integration, attraktive Arbeitsplätze und gute Aufstiegs- und Verwirklichungsmöglichkeiten sind

wichtige Puzzleteile für eine Fachkräftestrategie. Aber bei dieser entscheidenden gesellschaftspolitischen Frage geht es um mehr. Ich denke an den Zugang zu Kita und Schule, Kultur- und Sportangebote, preiswerten Wohnraum und Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und vieles mehr. Zu diesen Fragen höre ich oft: Das lässt sich nicht in Heller und Pfennig aufwiegen. Das sind nur weiche Standortfaktoren. Nichts könnte falscher sein!

Das Denken in harten und weichen Standortfaktoren ist ein Denken von gestern. Das Lebensgefühl eines Landes ist etwas Zentrales. In Sachsen zu leben muss sich gut anfühlen. Sachsen ist nicht nur Wirtschaftsstandort, Sachsen ist unser Lebensmittelpunkt, unser Erfahrungsraum, unsere Heimat. Es ist unser Land. Es ist dein Land.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ob im Beruf, im Familienleben oder in der Freizeit – Mobilität ist ein zentraler Aspekt guten Lebens. Wer sich entscheidet, wo er leben und arbeiten will, schaut heutzutage auf Ver

kehrsanbindungen und ÖPNV-Angebote. Deswegen ist es nicht nur ein verkehrspolitischer Erfolg, was wir in dieser Legislaturperiode geschafft haben. Die an die Zweckverbände übertragenen ÖPNV-Mittel haben wir deutlich aufgestockt und verstetigt. Die ÖPNV-Investitionsförderung wurde auf hohem Niveau fortgeschrieben. Nach viereinhalb Jahren als Verkehrsminister sage ich nicht ohne Stolz: Sachsens ÖPNV schaut in eine sichere Zukunft.

(Beifall bei der SPD)

Aber beim Status quo wird es nicht bleiben. Wir unterstützen den Auf- und Ausbau des landesweiten BusGrundnetzes. Plus- und Taktbuslinien sollen regelmäßig und vertaktet von morgens bis abends verkehren. So werden auch die Mittelzentren und die ländlichen Räume attraktiver für Fachkräfte, die nicht auf das Auto angewiesen sein wollen. Um den ÖPNV der Zukunft wirklich mitgestalten zu können, muss der Freistaat über die Rolle des Finanziers hinaus zum aktiven Gestalter werden. Deswegen verfolge ich das klare Ziel, so rasch wie möglich eine Landesverkehrsgesellschaft zu etablieren. Wir müssen das Kirchturmdenken im Nahverkehr überwinden.

(Beifall bei der SPD)

Dass wir unser Straßen- und Schienennetz erhalten und, wo nötig, auch ausbauen werden, wird allein noch nicht ausreichen, um eine nachhaltige Verkehrswende und ein selbstbestimmtes Mobilitätsverhalten aller Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen. Deswegen investieren wir in den Ausbau von Radschnellwegen. Deswegen geben wir uns nicht zufrieden mit den viel zu wenigen RadwegKilometern, die auf Basis der Planungen der Vorgänger aktuell im Bau oder fertiggestellt sind. Das sind die „Morlok-Kilometer“.

Wir haben dem Radverkehr in Sachsen einen völlig neuen Stellenwert gegeben. Wir haben die Förderung vollständig überarbeitet und überhaupt erst attraktiv gemacht. Wir haben für die Gründung der AGFS, Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte, gesorgt, wir setzen uns für die Radschnellwege ein, wir planen 500 Kilometer neue Radwege in Sachsen. Daran können Sie mich messen. Das sind die „Dulig-Kilometer“.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Einen wichtigen Punkt möchte ich noch ergänzen: Wir schaffen Rechtssicherheit bei der Nutzung neuer Verkehrsmittel wie beispielsweise den E-Scootern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gutes Leben in Sachsen heißt Leben in Sicherheit. Sicherheit kommt nicht von ständig strengeren Gesetzen, sondern durch genug Menschen, die sie durchsetzen. Bereits in den Koalitionsverhandlungen wurde der Stopp des Stellenabbaus bei der Polizei durchgesetzt. Die Polizei ist schrittweise wieder deutlich sichtbarer auf der Straße, und das ist gut so!

(Beifall bei der SPD)

Überhaupt hat die vergangene Legislatur einen Paradigmenwechsel im öffentlichen Dienst erlebt. Diese Regierung stärkt den Staat, der für seine Bürgerinnen und Bürger da ist. Viele Jahre lang war die Personalpolitik nur von einem Thema geprägt, nämlich von Personalabbau. Das hat dazu geführt, dass junge Menschen aus Sachsen lieber in den alten Bundesländern Lehrer wurden und in der freien Wirtschaft Fachkräfte in den Westen abwanderten. Wir haben den Wind hier in dieser Legislaturperiode gedreht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine gute Heimat zu sein heißt für mich auch, eine gute Heimat zu werden für kommende Generationen und für Menschen, die zu uns kommen wollen oder zu uns kommen müssen. Gerade die Anfangszeit dieser Legislaturperiode, die Jahre 2015 und 2016, hat uns vor eine bislang nicht gekannte Herausforderung gestellt. Die gesellschaftlichen Veränderungen dieser Tage hätte kein Koalitionsvertrag der Welt voraussehen können. Unser Land hat sich in diesen Tagen auch selbst über seine Zukunft befragt. Wenn ich zurückschaue, dann schaue ich mit Dankbarkeit und Respekt auf all diejenigen, die sich für die zu uns Geflüchteten eingesetzt haben. Ich danke denjenigen in der Zivilgesellschaft, aber auch in den Kommunen sowie in der Landesverwaltung, die über sich hinausgewachsen sind.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU und den GRÜNEN)

Ich zolle Petra Köpping meinen Respekt, die uns mit ihrem Optimismus sowie ihrem kleinen, aber feinen Geschäftsbereich gezeigt hat, dass auch Sachsen vorbildliche Integrationspolitik umsetzen kann. Sie hat eine klare Haltung und nicht nur ein Gespür, sondern vor allem ein Ohr für die Menschen.

(Zurufe von den LINKEN: Reine Wahlkampfpropaganda!)

Sie hat früh erkannt, dass viele Menschen in unserem Gemeinwesen sich auch dann nicht gehört und akzeptiert finden, wenn sie hier geboren wurden.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

„Integriert doch erst mal uns“ heißt das Schlagwort, aus dem neue Formen des Dialogs erwuchsen. Inzwischen hat Petra Köpping die Frage der Nachwende-Ungerechtigkeiten heraus aus der Nische auf die große öffentliche Bühne geholt. Die Forderung nach mehr Respekt vor Lebensleistungen wird heute lautstärker erhoben und klarer vernommen als zuvor.

(Beifall bei der SPD)

Gerade diese Vielfalt der Perspektive macht meine Kollegin zu einer besonderen Botschafterin der Integrationspolitik. Ich möchte sie gern zitieren, wenn sie davon spricht, was wir in den vergangenen Jahren gelernt haben: „Wir als Staat, als Verwaltung, aber auch als Gesellschaft haben gelernt, welche Herausforderung Migration sein kann und was aktive Integrationspolitik bedeutet. Dieser Aufbau hat in den vergangenen Jahren viel Kraft gekostet, aber es

sind notwendige Kosten. Ja, Integration kostet Geld. Keine Integration kostet uns allerdings viel mehr.“