Protokoll der Sitzung vom 24.05.2019

sind notwendige Kosten. Ja, Integration kostet Geld. Keine Integration kostet uns allerdings viel mehr.“

Mit der Ausbildungsduldung, den Arbeitsmarktmentoren oder der Ü18-Bildungsmaßnahme schließen wir wichtige Lücken auf dem Weg in Ausbildung und Arbeit. Somit wurde Sachsen in manchen Feldern der Integrationspolitik sogar zum bundesweiten Vorreiter. Wir haben auch gelernt – in Sachsen besonders schmerzlich –, dass wir uns alle in den kommenden Jahren einer wichtigen Herausforderung stellen müssen, nämlich der Wahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Hier besteht zuallererst die Frage nach der Akzeptanz von Migration. Doch Akzeptanz ist nicht nur die Akzeptanz von Zuwanderung, sondern es ist auch die Akzeptanz von Gleichstellung, von sexueller Orientierung und anderen Lebensweisen. Letztendlich geht es um die Akzeptanz von Vielfalt. Darin verwirklicht sich das zentrale Gebot des Grundgesetzes, dessen 70. Geburtstag wir gestern feiern durften. Diese Gebote zu achten gilt für alle – ob hier geboren oder zugewandert, ob traditionell oder fortschrittlich denkend. Die Freiheit, in unserem Land ohne Angst verschieden sein zu können, ist nicht verhandelbar.

(Beifall bei der SPD)

Auch hier waren wir als Staatsregierung aktiv: im Bereich der Demokratieförderung, der Gleichstellung, der Antidiskriminierung. Daher ist es richtig, dass der Freistaat in Kürze die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Vielfalt setzt eine Verständigung über unser Gemeinsames voraus.

Eine solche Verständigung findet ihren Ausdruck in der Kultur, denn Kultur zeigt eine Haltung zur Welt, in der man sich auch selbst erkennen kann. Eva-Maria Stange hat als Kunstministerin diese Verständigung der Gesellschaft über sich selbst gesucht – mit Kulturschaffenden in großen Zentren, aber auch im ländlichen Raum. Auch dort müssen attraktive kulturelle Angebote existieren. Unsere in Deutschland einmalige Finanzierung der Kulturräume haben wir deshalb deutlich gestärkt. Dabei müssen Künstlerinnen und Künstler auch fair bezahlt werden. Dafür sind aus meiner Sicht Tarifverträge in der Fläche das richtige Mittel. Damit sich die Theater und Orchester in den Kulturräumen auf den Weg zu Tarifverträgen machen können, stellen wir jährlich extra 7 Millionen Euro bereit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach viereinhalb Jahren als Fachminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie als stellvertretender Ministerpräsident stehe ich hier und blicke auf einen Zwischenstand. Ich erkenne die Resultate des Kurswechsels dieser Staatsregierung. Wir haben viel repariert, was in der Vergangenheit schieflief: Schluss mit Personalabbau, Niedriglohnpolitik, Staatsrückbau. Zugleich haben wir die Weichen gestellt für ein Sachsen der Zukunft, in dem man zu Neuem aufbricht, weil man sich des Bewährten sicher ist.

Ein solches Sachsen unterstützt seine Unternehmen, ihre Kreativität und wertschätzt seine Beschäftigten. Es verbindet Mut und Optimismus mit Wertschätzung und

Solidarität. Dieser Kurs ist kein Sozialklimbim, sondern er atmet Zukunftsluft. Solidarischer Optimismus ist ein verbreitetes Lebensgefühl in unserem Land. Ich lade alle ein, dieses Gefühl mit Leben zu füllen, damit Sachsen für die hier Ausgebildeten, für die Rückkehrer, für die Zugewanderten – also für alle Menschen, die hier leben wollen – eine Heimat bleibt und zur Heimat wird.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich danke Herrn Staatsminister.

Wir kommen jetzt zur Aussprache zu dieser Fachregierungserklärung. Folgende Redezeiten für die Fraktionen wurden festgelegt: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 24 Minuten, SPD 16 Minuten, AfD 12 Minuten, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12 Minuten und die fraktionslosen MdL je 1,5 Minuten.

Jetzt erhält für die Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Brünler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wenn man als selbst ernannter Heimatminister auf einer der letzten Sitzungen einer Legislaturperiode eine Fachregierungserklärung abgibt, dann wählt man das Thema sicher bewusst. Man ergreift das große Podium, um kurz vor Ende der Amtszeit Bilanz zu ziehen und klarzumachen, welches Thema ein besonderes Gewicht hatte.

Sie, Herr Dulig, haben sich dann für einen Rundumschlag „129 Jahre SPD“ entschieden. Es hat also durchaus seinen Grund gehabt, dass Sie entgegen den diplomatischen Gepflogenheiten Ihre Regierungserklärung vorher nicht bekannt gegeben haben.

Aber ich möchte zum eigentlich angekündigten Thema, zur Fachkräftestrategie, sprechen; denn diese Frage ist ja tatsächlich essenziell. Sie entscheidet im Großen über die volkswirtschaftliche Entwicklung im Freistaat und im Kleinen über die Zukunft von Unternehmen. Wenn auf mittlere Frist im Freistaat rund 328 000 Fachkräfte fehlen werden, dann zieht sich das durch sämtliche Bereiche. Aber Sie haben es sicher schon selbst bemerkt, Herr Dulig, bei der gestrigen Medienberichterstattung: Die Strategie wurde zwar mit grundsätzlichem Wohlwollen zur Kenntnis genommen; wirkliche Euphorie, dass hier ein innovatives Zukunftswerk vorliegen würde, hat sich jedoch nicht eingestellt, und ich muss sagen: Mir geht es ähnlich.

Im Vorwort der Fachkräftestrategie kann man lesen, dass es nicht darum ging, alles über den Haufen zu werfen, sondern im breiten Austausch mit den Partnern der Fachkräfteallianz und weiteren Wirtschafts- und Arbeitsmarktakteuren über die vor uns liegenden Herausforderungen zu debattieren und die 2012 noch vom damaligen FDP-Wirtschaftsminister Morlok vorgelegte Strategie für 2020 weiterzuentwickeln.

Dabei war es im Grundsatz richtig, nicht wie Ihr Vorgänger die Arbeitsmarktakteure erst im Nachgang um ihre Stellungnahmen zu bitten, sondern sie von Anfang an an den Tisch geholt zu haben. Und wie das so ist: Papieren, die im Diskurs weiterentwickelt werden, wohnt der Hang inne, länger zu werden. Das ist auch hier geschehen. Kam die alte Strategie mit 28 Seiten aus, so haben Sie, Herr Dulig, uns inklusive Anhang und Grafiken den fünffachen Seitenumfang vorgelegt. Diese Ausführlichkeit hat insbesondere in der Analyse geholfen, einiges zu schärfen, aber es kommt einem auch vieles bekannt vor.

Die vor uns liegenden Herausforderungen fanden sich, wenn auch stark verknappt, bereits in der alten Strategie. Auch die abgeleiteten Handlungsfelder sind teilweise bereits im Morlok-Papier enthalten gewesen: zum Ersten Fachkräfte ausbilden und so Potenziale entwickeln, zum Zweiten vorhandene Potenziale ausschöpfen, indem allen Erwerbspersonen der Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht wird, und zum Dritten gezielt Fachkräfte von außen nach Sachsen holen.

Auch die als Konsequenz dazu vorgesehenen Maßnahmen kommen einem in Teilen bekannt vor. Nun kann man das auf zwei Arten interpretieren. Zum einen scheint die alte Strategie jenseits des neoliberalen Grundtenors nicht nur Falsches enthalten zu haben; zum anderen muss sich die Staatsregierung allerdings auch fragen lassen, was man denn in den letzten Jahren alles getan hat oder eben nicht, wenn die Aufgaben teilweise bis ins Detail im Jahr 2019 noch genauso stehen wie bereits 2012. Vieles, Herr Dulig, was Sie heute als Ziele benannt haben, haben Sie schon 2014 ebenso als Ziele benannt.

Oder, um es zugespitzter zu formulieren: Wenn es im Bereich der Fachkräftesicherung das Endergebnis des zuständigen Ministers nach fast fünfjähriger Arbeit ist, ein Vierteljahr vor Ende der Amtszeit ein 140-seitiges Maßnahmenpapier vorzulegen mit Kernaufgaben, die seit Jahren bekannt sind und auf dessen praktische Umsetzung er vielleicht gar keinen Einfluss mehr haben wird, dann ist das nicht wirklich beeindruckend, zumal hinzukommt: Vor sieben Jahren war der Fachkräftemangel, abgesehen von einzelnen Branchen, ein Zukunftsszenario. In Ihrer Amtszeit, Herr Dulig, ist das vielerorts zum Teil zu einem Problem geworden.

Nun sind Sie zwar zugegebenermaßen nicht für die demografische Entwicklung in Sachsen verantwortlich. Es ist Ihnen jedoch auch nach fast fünf Jahren im Amt nicht gelungen, hier praktisch eine wirksame Gegenstrategie zu implementieren. Im Gegenteil, Sie haben fast eine gesamte Legislaturperiode benötigt, um eine Strategie weiterzuentwickeln und überhaupt durch das Kabinett zu bringen.

(Widerspruch bei der SPD)

Aber man will ja nicht nur meckern. Darum will ich nicht verhehlen, dass es auch einen wichtigen inhaltlichen Unterschied zum Ansatz der Vorgängerregierung gibt, für die ich Ihnen, Herr Dulig, durchaus dankbar bin. Ging die alte Strategie noch von der absurden Annahme aus, dass

eine Deregulierung des Arbeitsmarktes dazu führen würde, ein Mehr an Arbeitskräften zu generieren, so beschreibt die neue Strategie die Bedeutung guter Arbeitsbedingungen und einer ordentlichen Entlohnung. Allerdings: Wo Licht ist, ist auch Schatten, klaffen doch Ihr selbst formulierter Anspruch und die Realität ziemlich weit auseinander. Dazu jedoch später mehr.

Schauen wir uns doch zunächst im Fokus die Punkte an, die laut Strategie in den unmittelbaren Aufgabenbereich der Staatsregierung fallen sollen und wo nach wie vor vieles im Argen liegt, obwohl es doch eigentlich seit Langem selbstverständlich sein sollte. Wenn ein strategisches Ziel formuliert ist, dass sächsische Schüler individuell gefördert werden und einen qualifizierten Abschluss erreichen sollen, dann tritt die Staatsregierung trotz Verbeamtung und Quereinsteigern im praktischen Resultat auf der Stelle.

Die nach wie vor unzureichende Ausstattung mit Schulsozialarbeitern wird in der Strategie euphemistisch mit der Notwendigkeit einer dynamisierten Finanzierung umschrieben. Der Unterrichtsausfall erreichte im letzten Schulhalbjahr mit über 5 % des Regelunterrichts einen neuen landesweiten Rekordwert. Sollte nach der alten Strategie der Anteil derer, die die Schule ohne jeden Abschluss verlassen, von 9 auf unter 5 % gesenkt werden, so liegt er aktuell noch immer bei über 8 %. Ziel ist nun, wenigstens den bundesdeutschen Durchschnitt zu erreichen. Nach einer wirklichen Bildungsoffensive klingt das nicht.

Wenn unter dem Schlagwort der bedarfsgerechten Ergänzung des schulischen Regelangebots besonders das produktive Lernen in der Strategie hervorgehoben wird, dann frage ich mich, warum dieses seit zehn Jahren im Stadium dies Schulversuchs verharrt und nach wie vor nicht einmal in allen Regionen Sachsens angeboten wird.

Wenn ein strategisches Ziel formuliert ist, die Berufsorientierung in Schulen zu stärken – eine Forderung, die richtig ist und die wir im Landtag seit Jahren diskutieren, die auch die Kammern seit Jahren immer wieder stellen und die sich bereits in der Fachkräftestrategie 2020 fand –, dann frage ich mich, warum es nach wie vor weder verbindliche Standards für die Berufsorientierung gibt noch überhaupt alle Schulen ein verbindliches BOKonzept haben.

(Zurufe von der SPD)

Doch sehen wir weiter. Sie wollen die duale Berufsausbildung stärken. Das ist ebenfalls richtig. Nur, dazu müssen Sie auch die Voraussetzungen schaffen. Mit der zentralen Berufsschulnetzplanung ist es in Sachsen aber ein bisschen wie mit Yeti oder Bigfood: Sie spuken als Legende durch den Raum, viele reden darüber, aber wirklich gesehen hat sie noch niemand.

Dabei haben wir über das Fehlen von Berufsschullehrern noch gar nicht gesprochen. Wenn die Staatsregierung weiter darauf beharrt, dass diese ausschließlich zentral an der TU Dresden ausgebildet werden, so ist das falsch.

Sich mit der Begründung, die Studienplätze seien bei Weitem nicht ausgelastet, beharrlich zu weigern, über eine dezentrale Ausbildung nachzudenken, lässt schlicht außer Acht, dass derzeit jemand sehr viel Idealismus mitbringen muss, um sich dafür zu entscheiden, wenn er Ausbildungsdauer und Karriereoptionen vergleicht. Hier sind ein grundsätzlicher Neuansatz und ein entschieden offensiveres Vorgehen gefragt.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich im zweiten Teil meiner Rede den Fokus etwas weiten, weg von den aktuellen Versäumnissen der Staatsregierung, hin zu grundsätzlicheren Fragen. Wir haben es heute schon mehrfach gesagt: Bis 2030 werden, wenn man sich die demografische Entwicklung im Freistaat anschaut, rund 328 000 Erwerbspersonen fehlen. Ich meine, jedem ist klar, dass man diese Lücke letztlich nur schließen kann, wenn Menschen von außerhalb ihren Arbeits- und Lebensmittelpunkt nach Sachsen verlegen. Da stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, wie attraktiv Sachsen als Lebens- und Arbeitsort sowohl im internationalen als auch im innerdeutschen Vergleich ist.

Wenn Menschen, ganz gleich, von woher, nach Sachsen kommen sollen, dann brauchen sie hier eine öffentliche und soziale Infrastruktur, die Grundlage für Lebensqualität ist. Strahlkraft und gesellschaftliches Miteinander basieren nicht auf Standortkampagnen wie „So geht Sächsisch“. Sie hängen mit realen Strukturen zusammen, die Menschen miteinander verbinden, die Gemeinsamkeiten stiften und die letztlich sogar dafür entscheidend sind, welche Haltung Menschen zu Sachsen als staatlichem Gemeinwesen entwickeln.

Das Gefühl von Sicherheit, das Gefühl, dass die Zukunft offen ist und dass sich das eigene Leben planen lässt, sind eng verwoben damit, ob die Kinderbetreuung vorhanden und bezahlbar ist, ob die Entfernung zum nächsten Krankenhaus oder zum Arzt nicht selbst ein Gesundheitsrisiko darstellt, ob es einen Ort für Austausch gibt und für Jugendliche Freiräume, sich auszuprobieren, ob der Gang aufs Amt oder zum Einkauf nur mit dem Auto geht oder ob ein Zug oder ein Bus kommt.

Eine Zukunft in einer Region können sich Menschen vorstellen, wenn sie das Gefühl haben, dass die Region selbst eine Zukunft hat. Nur eine solche Region kann auch nach außen ausstrahlen und Menschen anziehen. Wenn in der Fachkräftestrategie für Teile des ländlichen Raums eine besonders problematische Situation geschildert wird, die wegen anhaltender Abwanderung junger Menschen überproportional von Alterungs- und Bevölkerungsrückgang betroffen ist, dann hat das auch damit zu tun.

Wenn die Fachkräftestrategie richtigerweise von den Veränderungen spricht, die die Digitalisierung mit sich bringt, dass die Zukunft eine vernetzte Wissensgesellschaft sein wird, die auch die räumliche Verteilung der Wirtschaftsleistung verändern wird, dann ist das wahr. Man kann auch Teil eines kreativen Netzwerkes sein,

wenn man nicht in Berlin oder Leipzig, sondern in Bad Brambach oder in Bad Muskau lebt. Die Voraussetzung ist allerdings eine leistungsfähige digitale Infrastruktur – damit meine ich nicht das wegen der Grenzlage anliegende tschechische oder polnische Netz. Wir alle kennen den zähen Prozess, den Sachsen gerade durchläuft, um zumindest zum bundesdeutschen Standard aufzuschließen. Das ist auch die Folge einer Politik, die jahrelang auf veraltete Technologien und einen reinen marktgesteuerten Ausbau durch private Anbieter setzte.

Wenn die Staatsregierung regelmäßig die Bedeutung von Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren und das Internet der Dinge beschwört, dies gar als Chance für die Zukunft des Freistaates beschreibt, dann muss man sich auch klarmachen, dass 5G und die dafür notwendigen Netze noch gar nicht existieren. Allein um die bestehende Mobilfunkabdeckung zu wahren, müssten abseits der Großstädte perspektivisch Hunderte neue Masten gesetzt und angeschlossen werden. Dabei ist von einer Schließung von Funklöchern oder gar einer flächendeckenden Abdeckung noch längst nicht die Rede. Wenn Sachsen hier wiederum auf den Markt setzt und nicht zeitnah eine Landesgesellschaft gründet, um strategisch Infrastruktur zu errichten, dann werden wir in fünf Jahren die gleichen Debatten von vor fünf Jahren wieder führen und beklagen, dass der Freistaat erneut Schlusslicht ist.

Ob das hilft, dass Sachsen nach außen ausstrahlt, auch außerhalb der Ballungszentren eine attraktive Region mit Zukunft zu sein, bezweifle ich. Wenngleich ich mich hier wiederhole: Wenn in der Fachkräftestrategie für Teile des ländlichen Raumes eine besonders problematische demografische Situation geschildert wird, dann hat das auch damit zu tun.

Wenn die Erkenntnis reift, dass Sachsen seinen Fachkräftebedarf auf mittlere Sicht aus rein demografischen Gründen auch von außen decken muss, dann stellt sich die Frage nach dem Woher. An die Abgeordneten der AfD gewandt, sage ich Folgendes: Das wird für Sie ein Horrorszenario sein. Es werden nicht nur nationalkonservative Biodeutsche, wahrscheinlich nicht einmal nur Europäer sein. Die demografische Entwicklung im ganzen Kontinent ist ähnlich wie hierzulande.

Wenn Sachsen international vor allem dadurch Bekanntheit erlangt hat, dass in Städten wie Plauen Rechtsextreme ungehindert in vollem Ornat durch die Straßen marschieren, ohne dass die lokalen Behörden willens oder in der Lage sind, dagegen etwas zu tun, wenn wie letztes Jahr in Chemnitz über Monate hinweg eine selbst ernannte Bürgerinitiative nahezu jeden Montag die Innenstadt lahmlegte, zur Selbstjustiz und Jagd auf alles Fremde aufrief und die sächsische Polizei tatenlos daneben stand, dann sind das Bilder, die im wahrsten Sinne des Wortes um die Welt gingen. Wenn das die AfD im Landtag nicht nur immer wieder relativiert, sondern sich sogar heimlich freut – ist man doch des gleichen Geistes Kind –, und im Plenum auch keine Gelegenheit auslässt, selbst gegen Zugewanderte zu hetzen, dann wird klar, dass Sie allen

falls in Ihrer verschobenen Wahrnehmung eine Alternative für was auch immer sind.

(André Barth, AfD: Bitte sachlich bleiben!)

In der Realität sind Sie eine Gefahr für die künftige Entwicklung der Wirtschaft Sachsens.

(Beifall bei den LINKEN)

Gerade gut ausgebildete Fachkräfte nehmen sehr wohl wahr, wie das Klima in einem Land ist, bevor sie sich entscheiden, dort eine neue Zukunft für sich und ihre Familie aufzubauen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns noch zu einem anderen Thema kommen. Es ist entscheidend, ob Sachsen eine attraktive Heimat für Fachkräfte ist. Hierbei bekleckert sich der Freistaat nicht mit Ruhm. In keinem anderen deutschen Bundesland haben so viele Beschäftigte keinen ordentlichen Tarifvertrag. In der Folge liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten in Sachsen um zwei Stunden über dem Schnitt der Westländer und immer noch um eine Stunde über dem ostdeutschen Schnitt. Im Gegensatz dazu liegen die Löhne in Sachsen nicht nur deutlich unter dem Bundesschnitt. Wenn man gleichgroße Betriebe aus gleichen Branchen miteinander vergleicht, so liegen sie sogar 5 % unter dem Niveau der ostdeutschen Länder. Dass Sachsen auf den ersten Blick bei den Durchschnittslöhnen im ostdeutschen Vergleich besser abschneidet, liegt lediglich an der günstigeren Wirtschaftsstruktur.

Wenn man sich fragt, warum jedes Jahr mehr Hochschulabsolventen Sachsen verlassen als Akademiker neu zuziehen, dann hat das sicherlich auch mit der Attraktivität der Arbeitsbedingungen zu tun. Kurz gesagt: Sachsen hat bundesweit die geringste Tarifbindung, die längsten Arbeitszeiten und die niedrigsten Löhne. Das nenne ich einen Standortvorteil.