Protokoll der Sitzung vom 24.05.2019

Aber das war es noch nicht, sondern wir haben noch mehr Forderungen. Das finden Sie im Antrag in Punkt II. Dabei geht es um das Thema, das wir gestern schon hatten. Wir hatten Ihnen gestern den Gesetzentwurf vorgelegt, in dem es um die Fahrgastrechte geht. Da hatten Sie uns vorgeworfen, dass die Mitbestimmung und die Stärkung von Fahrgastverbänden viel zu bürokratisch sei, zu kompliziert und auch zu teuer. Deswegen legen wir jetzt hier mit dem Antrag kein Gesetz vor, sondern einen Antrag. Das heißt, die Staatsregierung bekommt hier Gestaltungsspielraum und soll folgende Punkte umsetzen, die ich Ihnen hier noch einmal nennen werde. Zum einen soll Tarifklarheit in ganz Sachsen geschaffen werden. Es sollen aktuelle und korrekte Angebotsinformationen für jedermann jederzeit verfügbar sein. Es soll bei einer Verspätung von mehr als 15 Minuten bei Bus und Bahn eine Fahrpreiserstattung als Garantie geben. So ähnlich, wie es jetzt schon im Bund beim Fernverkehr ist, wollen wir im öffentlichen Nahverkehr, dass Menschen ihren Fahrpreis zurückerstattet bekommen, wenn der Bus ständig zu spät kommt oder die Anschlüsse nicht klappen.

Wir wollen, dass Menschen mit Mobilitätseinschränkungen einen kostenfreien, flexibel nutzbaren Begleitservice bekommen. So etwas gibt es schon in Leipzig. Das war ein Modellprojekt, das jetzt weitergeführt wird. Wir wollen das für ganz Sachsen, damit auch mobilitätseingeschränkte Menschen diese Unterstützung bekommen. Wir wollen, dass Sachsen endlich an einer Schlichtungsstelle teilnimmt, damit Menschen, wenn es Probleme zwischen den Verkehrsanbietern gibt, nicht erst zum Gericht gehen und teure Verfahren in Kauf nehmen müssen oder können, sondern sich bei Streitigkeiten außergerichtlich einigen können, wie es in allen anderen Bundesländern über die Schlichtungsstelle des ÖPNV möglich ist. Nur hier ist es nicht möglich, weil kein Unternehmen teilnimmt. Das muss unbedingt aufhören.

(Beifall bei den LINKEN)

Zu guter Letzt geht es um die Finanzierung. Wir wollen zunächst einmal, dass die Finanzierung, wie der ÖPNV in Sachsen finanziert wird, für alle Bürgerinnen und Bürger transparent dargestellt wird. Wir wollen, dass es ersichtlich und nachvollziehbar ist. Das ist im Haushaltsplan für den Laien nicht so einfach darzustellen. Wir wollen, dass es eine Öffentlichkeitsarbeit gibt, die darstellt, was ÖPNV kostet und wie viel davon der Freistaat ausgibt. Wenn wir schon beim Thema sind, wollen wir, dass der Freistaat auch eigenes Geld in die Hand nimmt, und zwar in Größenordnungen.

(Andreas Nowak, CDU: Das macht er ja!)

Das heißt also zunächst, dass die fast 600 Millionen Euro, die vom Bund kommen, zu 100 % an die Unternehmen weitergegeben werden, die den ÖPNV bestellen, und dann der Freistaat eigenes Geld in die Hand nimmt und nicht so tut, als ob die 600 Millionen von ihm kommen. Die

kommen vom Bund. Deshalb sagen wir: eigene Mittel vom Land bereitstellen, damit hier wirklich etwas vorangeht.

Der letzte Punkt, das Thema fahrscheinfreier ÖPNV oder 365-Euro-Ticket bzw. Bürgerticket. Es sind verschiedene Modelle, die im Raum stehen und diskutiert werden. Wir fordern, dass es dafür Modellprojekte gibt, damit ausprobiert werden kann, wie das umgesetzt wird, wie das angenommen wird. Dafür braucht es eine Finanzierung. Genau das fordern wir auch. Wir bitten daher um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei den LINKEN)

Als Nächstes ergreift für die CDU-Fraktion Kollege Nowak das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Böhme, wenn man Ihnen zuhört, muss man den Eindruck gewinnen, der sächsische ÖPNV liegt in Trümmern, in Schutt und Asche.

(Zuruf von den LINKEN)

Das ist offensichtlich anders. Nachdem wir gestern über den untauglichen Gesetzentwurf der LINKEN debattiert haben, sind wir jetzt bei dem vorliegenden Antrag endgültig bei „Wünsch dir was“ angekommen. Wie üblich sagen Sie auch nichts zur Finanzierung. Wenn man sich das anschaut, erwähnen Sie zwar den Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission, aber beim weiteren Lesen entsteht für mich der Eindruck, als ob Sie den Bericht nicht gelesen haben oder die Rahmenbedingungen beim ÖPNV nicht kennen. Dabei hatten Sie selber einen Sitz in der Strategiekommission. Der Abschlussbericht listet eine Reihe von Maßnahmen auf, die in Summe 500 Millionen Euro kosten. Das ist ungefähr ein Drittel des für 2025 prognostizierten Marktvolumens. Es war in der Strategiekommission klar, dass das nicht alles auf einmal umzusetzen geht.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Es ist völlig klar, dass über die Verteilung der Kosten noch verhandelt werden muss, weil das keine Ebene allein stemmen kann. Sie waren selbst in der AG Finanzierung dabei. Sie könnten das alles wissen. Vielleicht wissen Sie das auch, aber Ihr Antrag berücksichtigt das nicht. Sie schreiben Maßnahmen auf, die nicht im Abschlussbericht stehen, und zwar aus gutem Grund.

Anders als Sie wollen wir tatsächlich Machbares umsetzen. Das muss man sich entsprechend vornehmen. Wir wollen uns an Sinnvollem orientieren. Weder das eine noch das andere scheint so richtig Ihr Ding zu sein. Im Gegenteil, gleich unter I.1 zementieren Sie den Status quo. Indem Sie den ÖPNV zu einer kommunalen Pflichtaufgabe machen, entziehen Sie dem Freistaat Sachsen die Mitwirkungsmöglichkeiten. Wenn das pflichtige Angelegenheit der Kommune wird, muss man die auch machen lassen. Die aktuellen, nicht immer einfachen Verhältnisse in diesem Bereich sind bekannt. Deshalb hat die Strate

giekommission die Einrichtung einer Koordinierungsstelle vorgeschlagen. Wenn Sie den ÖPNV zur Pflichtaufgabe machen, kann diese Stelle die Arbeit einstellen, noch bevor sie begonnen hat.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich.

Bitte, Kollege Böhme.

Geben Sie mir recht, dass in einer der vergangenen Sitzungen der Staatsminister für Wirtschaft, Martin Dulig, gesagt hat, dass es genau das Problem des Landes ist, dass wir zu wenig Richtlinien oder Ideen den Kommunen vorschreiben können, weil es kommunale Aufgabe ist? Wir wollen mit der kommunalen Pflichtaufgabe bestimmte Kriterien umsetzen. Das Land soll befähigt werden, Vorschläge zu unterbreiten, die umgesetzt werden müssen.

Die Frage!

Stimmen Sie mir darin zu?

Ich stimme Ihnen nicht zu. Das erreichen Sie nicht dadurch, dass es eine kommunale Pflichtaufgabe wird, sondern das erreichen Sie, indem Sie Mitwirkungsmöglichkeiten fürs Land ausbauen und nicht den Kommunen die Pflicht an der Stelle überhelfen. Sie müssen dafür zusätzliche Gelder bereitstellen und haben keinerlei Mitwirkungsrechte bei diesen Verwendungen. Das kann nicht sinnvoll sein.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Der unter 2. von Ihnen geforderte Tarifverbund ist längst auf dem Weg. Mit dem Sachsentarif wird genau das Wirklichkeit werden.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Es geht um einen Haustür-zu-Haustür-Tarif. Wie das organisiert wird, ist den Bürgern am Ende egal. Hauptsache es funktioniert.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Die Strategiekommission hat eine Maßnahme vorgeschlagen, die wird auch begonnen, und dafür ist Geld im Haushalt eingestellt.

Ihre straffen Taktzeiten unter 3. sieht die Strategiekommission ebenfalls nicht vor. Dort haben sich die Fachleute mit der Angebotsentwicklung beschäftigt. Das Ergebnis ist ein landesweites PlusBus- und TaktBus-Netz. Dort wird es in der Woche im Stundentakt und am Wochenende im Zweistundentakt zur Sache gehen. Das stärkt klar den ländlichen Raum. Viele Bürger werden damit zum ersten Mal überhaupt an den ÖPNV angeschlossen. Wenn das Zielnetz eingerichtet ist, haben 80 % aller Sachsen Zugang zum getakteten ÖPNV, der innerhalb der Buslinien und zur Eisenbahn entsprechend koordiniert ist. Die

restlichen 20 % in den absolut dünn besiedelten Gegenden werden über On-Demand-Systeme erschlossen. Hier werden wir gerade durch die zukünftige Entwicklung in der Digitalisierung und im autonomen Fahren eine erstaunliche Entwicklung erleben. Ihre festen Taktzeiten würden eine solche Entwicklung aus meiner Sicht eher behindern. Wir sollten das Geld an der Stelle lieber zukunftsfest ausgeben.

Zu 4.: Anstatt das Schulbussystem zu zementieren, sollten wir zusehen, dass wir möglichst viele Schüler in den Jedermann-Verkehr bekommen. Das Pilotprojekt „Muldental in Fahrt“ erreicht das heute schon.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

So haben nicht nur die Schüler etwas vom Bus. Im Übrigen passiert dort genau das, was Sie hier fordern. Die Schulkonferenzen werden in die Fahrplangestaltungen eingebunden. Fragen Sie einmal den MDV-Geschäftsführer Steffen Lehmann wie das funktioniert. Das müssen wir im Sächsischen Landtag wirklich nicht erst noch beschließen.

(Zurufe der Abg. Marco Böhme und Cornelia Falken, DIE LINKE)

Unter 7. lassen Sie die Katze aus dem Sack. Sie führen einen Feldzug gegen den Individualverkehr. Das ignoriert vollständig, dass es zwischen Stadt und Land Unterschiede gibt. Wir wollen deshalb eine gute Infrastruktur, vor allem auf dem Land. Sie ist die Voraussetzung für neue Arbeitsplätze, für die Ansiedlung von Betrieben und die gedeihliche Entwicklung der bestehenden Wirtschaft. Wie Staatsminister Schenk in der heutigen Befragung zutreffend bemerkt hat, ist das die Basis für all das, was in der Zukunft gebraucht wird. Die Leute nur auf das Fahrrad zu schicken oder zu Fuß gehen zu lassen, mag an so sonnigen Tagen wie heute und in Dresden oder Leipzig attraktiv sein.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Das steht da gar nicht drin!)

Aber machen Sie das einmal bei 5 °C und Schneeregen in Annaberg-Buchholz. Ziel muss es sein, den Leuten attraktive Angebote zu machen. Ja, dazu gehört auch das eigene Auto, das über moderne Straßen fährt. Die benutzt im Übrigen auch der Bus. – Natürlich steht das da drin, Herr Böhme. Sie wollen mehr Fuß- und Radverkehr, und den Rest wollen Sie dazu entsprechend beschneiden. –

Viel von dem unter II. ist Bestandteil des Abschlussberichtes. Zum Sachsentarif habe ich schon etwas gesagt. Die Arbeitsgruppe Tarif und Vertrieb der StratKom hat weitere Maßnahmen vorgeschlagen. Im Falle des elektronischen Vertriebs werden wir ähnliche Dynamiken erleben, wie beim autonomen Fahren. Hier wollen wir Geld ausgeben. Alle Verbünde haben heute schon entsprechende Angebote. Die müssen allerdings noch synchronisiert werden. Insbesondere zwischen MDV und dem Rest klappt das noch nicht. Auch daran arbeiten die Fachleute, und dazu braucht es keinen Landtagsbeschluss. Das gilt

auch für die Pönalen. Mir ist kein Verkehrsleistungsvertrag bekannt, der keine Vertragsstrafen enthält. Ihre Forderung unter III. ist damit überflüssig.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Die langfristige Finanzierung unter IV. gibt es bereits heute. Mit dem Regionalisierungsgesetz haben die Aufgabenträger bis 2031 Planungssicherheit. Nennen Sie mir einmal einen anderen Politikbereich, in dem so langfristige Planungsvorläufe liegen.

(Katja Meier, GRÜNE: Das hängt aber auch vom Haushalt ab, Herr Nowak!)

Mit dem Regionalisierungsgesetz haben wir das den Aufgabenträgern entsprechend sichergestellt. Wir haben die ÖPNVFinVO entsprechend angepasst und Mittel zurückgelegt, damit es in den 2020er-Jahren keine Finanzierungsengpässe geben wird.

Und hören Sie bitte mit der Behauptung unter IV.2 auf. Das liest sich so, als ob sich der Freistaat Sachsen über das Finanzministerium auf Kosten der Aufgabenträger an den Regionalisierungsmitteln bereichert. Diesen Eindruck erwecken Sie, wenn Sie die Weitergabe von 100 % der Regionalisierungsmittel fordern.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Das wird doch heute schon genauso gemacht. Der Finanzminister fummelt eben nicht mit schmierigen Fingern an dem Geld herum, das eigentlich den Aufgabenträgern zusteht, sondern 100 % der Regionalisierungsmittel

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

fließen in den sächsischen ÖPNV. Damit können die Aufgabenträger Verkehrsleistungen bestellen oder Investitionen tätigen.

(Zuruf der Abg. Katja Meier, GRÜNE)