Protokoll der Sitzung vom 24.05.2019

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Herr Abg. Stange für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werben für Europa zwei Tage vor der Wahl – ich denke, es ist korrekt, das an diesem Tag noch einmal laut zu sagen. Es gibt gewichtige Argumente dafür, aber es gibt auch Nachdenklichkeit, die wir in dieser Debatte an den Tag legen sollten. Wir sollten für grundlegende Werte eintreten. Kollege Schiemann, Kollege Baumann-Hasske, Sie haben bereits vieles genannt. Es geht um Demokratie. Es geht um Menschen- und Bürgerrechte. Es geht um den Frieden in Europa. Kollege Baumann-Hasske, Sie haben vollkommen recht: Die Vergesslichkeit unter den Menschen ist groß, und über 70 Jahre Frieden scheinen eine gewisse Gleichgültigkeit hervorzurufen.

Es ist wichtig, dass die Menschen ihr Leben in demokratischen Staaten mit demokratischen Institutionen, in einer demokratischen Europäischen Union frei gestalten können. Dennoch muss man sich an diesem Tag fragen, weshalb wir die kommende Europawahl auch als Schicksals-, als Richtungswahl begreifen. Es ist im Grunde die Reflexion der jüngsten Vergangenheit in der Europäischen Union. Jean-Claude Juncker hat vor einigen Jahren gesagt, die Union ist in keinem guten Zustand.

Der Befund ist seitdem nicht besser geworden, das muss man der Ehrlichkeit wegen sagen. Aber wir müssen uns fragen, warum es so ist. Wir müssen uns darauf orientieren, wie wir das mit Blick auf diese Wahl und die dann folgende Legislaturperiode des Europäischen Parlaments, der kommenden Kommission und der Arbeit der künftigen Vertreterinnen und Vertreter Sachsens im Europäischen Parlament angehen wollen, mit welcher Perspektive wir Europa betrachten wollen.

Es wird nicht ausreichen, dass wir auf die Erfolge, auf die vielen Projekte, die in Sachsen mit Unterstützung der Europäischen Union umgesetzt wurden – ob das Beton ist oder Bauten aus Glas oder viele Projekte, die Menschen grenzübergreifend, grenzüberschreitend zusammengeführt haben –, verweisen. Wir müssen für die Europäische Union eine Perspektive eröffnen, in der die Bürgerinnen und Bürger, und zwar vor allem jene, die der Europäischen Union skeptisch gegenüberstehen, mit uns gemeinsam eine Vision nicht nur entwickeln, sondern auch umsetzen können, in der sie sich aufgehoben fühlen, in der sie Europa nicht als das ferne Brüssel begreifen, sondern als das Europa vor ihrer Haustür und als ihr Europa. Das ist, denke ich, die Herausforderung, vor der wir stehen, und damit nehme ich uns alle – die da drüben würden sagen: Altparteien – in die Verantwortung.

Wir tragen im Grunde die Verantwortung auch dafür, dass wir diese Vision bisher so nicht vermitteln konnten. Deshalb ist es, glaube ich, wichtig, an diesem Tag die Bestandsaufnahme zu untermauern und zu sagen: Lasst uns die Defizite, die die Europäische Union hat, in Zukunft ausräumen. Es geht um Mitgestaltung durch die Bürgerinnen und Bürger. Es geht um mehr direkte Demokratie für die Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union. Es geht – Sie wissen, dass wir diese Kritik haben – um die weitere Demokratisierung der europäischen Institutionen, dass das Europäische Parlament mit unseren vier sächsischen Vertretern – Kollege Schiemann, Sie haben sie aufgezählt – eben letztendlich nicht an dem Willen der Staats- und Regierungschefs scheitert, sondern dass das Europäische Parlament als gewählte Volksvertretung der Bürgerinnen und Bürger Europas ein viel stärkeres Gewicht in der Europäischen Union bekommt.

Daran müssen wir arbeiten, und diese Vision müssen wir gemeinsam vertreten, um tatsächlich die Lust an Europa weiter zu verbreiten –

Bitte zum Ende kommen.

Das ist wie immer.

Ja. Tut mir leid.

– und den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen: Diese Wahl ist deshalb wichtig, weil wir die Europäische Union nicht jenen überlassen dürfen, die sie zerstören wollen, sondern wir müssen sie jenen übergreifend in die Hände geben, die sie weiterentwickeln wollen.

Herr Stange, bitte!

Wir haben unterschiedliche Auffassungen, aber im demokratischen Streit in einem demokratisch gewählten Parlament mit viel mehr Kompetenz sollte das in Zukunft gelingen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der CDU und den GRÜNEN)

Herr Barth, bitte, AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! „Für die Zukunft Sachsens arbeiten: Europa wählen – Europa mitgestalten“, der Titel dieser Debatte ist mit Verlaub irreführend; denn wir wählen am Sonntag nicht Europa, sondern wir wählen ein Parlament

(Martin Modschiedler, CDU: Parlament in Anführungsstrichen!)

der Europäischen Union. Ich rede gern über Europa. Europa ist großartig. Papst Benedikt XVI. sagte in seiner historischen Rede vor dem Deutschen Bundestag im September 2011: „Die Kultur Europas ist aus der Begegnung von Jerusalem, Athen und Rom – aus der Begegnung zwischen dem Gottesglauben Israels, der philosophischen Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenken Roms entstanden.“ Ich sage: Ja, so ist es. Ich persönlich als keiner Konfession zugehöriger Mensch würde noch die Aufklärung hinzufügen, deren Geist Europa ganz maßgeblich mitgeprägt hat.

Für die Zukunft Europas zu arbeiten – und darum soll es ja in der heutigen Debatte gehen – kann nur gelingen, wenn wir uns dieser Säulen jederzeit bewusst bleiben. Nur dann können wir in Europa seinen tiefsten inneren Wert bewahren. Wer seine Zukunft gestalten will, der darf seine Herkunft nicht vergessen.

Vor vier Wochen haben wir in unserem tiefsten Inneren vernommen: In Paris brannte die berühmte katholische Kathedrale Notre Dame. Wir alle sahen mit Entsetzen die Bilder aus der französischen Hauptstadt.

Meine Damen und Herren, vergleichbare bedeutende Orte gibt es noch unzählige zwischen Lissabon und Moskau. Es sind die Orte, an denen wir spüren, was es heißt, ein Europäer zu sein. Darin verbinden sich Stolz und Dank

barkeit für die Vergangenheit mit einer Verpflichtung für unsere gemeinsame Zukunft.

Werte Kollegen! 27 von 46 Ländern Europas sind heute in der EU zusammengeschlossen. Deutschland ist eines davon. Sich für eine gedeihliche Entwicklung ganz Europas politisch einzusetzen, ist für uns Ehre und Aufgabe. Es heißt deshalb, auch den Teil Europas besser zu machen, der sich in der EU als Bund souveräner Staaten zusammengeschlossen hat. Doch Sie werden sich fragen, was das konkret bedeutet. Das will ich Ihnen gern in meiner zweiten Rederunde erklären.

(Beifall bei der AfD)

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abg. Dr. Maicher, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Titel der Aktuellen Debatte gelesen habe, habe ich mir überlegt, was er sagen soll. Ich finde, es ist ein sehr weitreichender und bedeutender Titel, den Sie gewählt haben: „Für die sächsische Zukunft arbeiten: Europa wählen – Europa mitgestalten“. Ich ziehe für mich die Schlussfolgerung, dass vor allen Dingen damit verbunden ist, dass eine gute sächsische Zukunft eben nur mit einer vertieften Zusammenarbeit in der EU eine gute Zukunft sein kann; denn die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, aber auch die großen Chancen, die damit verbunden sind – beim Klimaschutz, bei der Energiewende, bei der Artenvielfalt, die wir erhalten wollen, bei Globalisierung, fairem Handel und Gerechtigkeit, Luftreinhaltung oder Erhalt des Friedens in der Welt –, all das macht nicht an sächsischen Grenzen halt. All das ist nur gemeinsam zu lösen.

Mir fällt keine einzige Herausforderung ein, die national besser gelöst werden kann als auf europäischer Ebene. Hinzu kommt, dass Nationalismus auch keine Probleme lösen kann, die durch fehlende Integration entstanden sind. Deshalb ist es gut, dass wir diese Debatte vor der Europawahl heute hier führen, weil die Zukunft Sachsens ganz wesentlich mit der Zukunft der Europäischen Union verbunden ist, und das nicht nur, weil Sachsen mitten in Europa, mitten im Herzen Europas liegt.

Ich verbinde mit der Gestaltung Europas auch die Verantwortung, die wir als Land haben, als Landesparlament und in Sachsen, nämlich für die Wertegemeinschaft Europas, für die Werte der EU, für die EU-Bürgerinnen und -Bürger einzustehen und dafür auch nach draußen zu gehen. Da sind zuvorderst für mich die Pressefreiheit, die Sicherung der Pressefreiheit, aber auch die Sicherung der Kunstfreiheit – wir hatten heute früh kurz die Debatte – die entscheidenden Punkte, Demokratie und Minderheitenrecht zu stärken, auch hier in unserem Land. Es zählt für mich dazu, dass wir Verantwortung dafür übernehmen, dass zukünftige Generationen die Europäische Union als gemeinschaftliche Union weiterentwickeln können und sie nicht jetzt bei Wahlen durch Populisten, Nationalisten und Rechtsextreme erstickt wird.

Bei allen parteipolitischen Unterschieden hier im Parlament möchte ich diese Gelegenheit nutzen – oder wir sollten sie gemeinsam nutzen –, die Sächsinnen und Sachsen aufzufordern, diesen Sonntag tatsächlich wählen zu gehen und über die Zusammensetzung des nächsten Europäischen Parlaments mitzuentscheiden. Entscheiden Sie mit, wer Sie in Brüssel und Straßburg vertritt! Gehen Sie wählen und stärken Sie dadurch die Demokratie in Europa und überlassen Sie sie nicht den Nationalisten und Populisten!

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, den LINKEN und der SPD)

Denn Europa ist die beste Idee, die Europa je hatte. Ich bin sehr glücklich darüber, dass am letzten Sonntag zum Beispiel in Leipzig viele Tausende Menschen bei „Ein Europa für alle“ auf der Straße waren, dass sie über den Leipziger Ring gelaufen sind, der eine große Bedeutung für Freiheit, für Pressefreiheit, für Demokratie hat, und dass dort diskutiert und sehr fröhlich gefeiert wurde. Es wurde durchaus auch gefragt: Wie stellen Sie sich die Zukunft vor? Was sind die Konzepte? Was wollt ihr? Was tun wir für Klimaschutz? Was tun wir für die Zukunft der nächsten Generation?

Ich finde es sehr schade, dass Sie von der CDU dort nicht dabei sind, dass Sie nicht mit auf die Straße gehen, dass Sie sich nicht der Diskussion stellen. Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, all denen zu zeigen, dass wir für eine Weiterentwicklung der Europäischen Union sind,

(Marko Schiemann, CDU: Wen haben Sie damit gemeint?)

dass es eine Stärkung gibt, zumindest nicht sichtbar. Ich finde das schade, weil das eine gute Gelegenheit für diejenigen ist, denen die europäische Zusammenarbeit wichtig ist, Gesicht zu zeigen.

Ja, wir wollen mehr Mitgestaltung, auch hier in Sachsen. Wir wollen mehr Diskussion über die Zukunft Europas und da reichen dann auch solche Wahlaufrufe nicht. Das ist mir bewusst. Wir haben die Möglichkeit, als Landesparlament die Menschen viel stärker zu beteiligen. Stichwort: nächste Förderperiode. Ich nehme das als Erstes, weil Ihnen das immer sehr wichtig ist, was die Geldverteilung angeht.

Aber dann lassen Sie uns nicht nur über die Zahlen reden, sondern darüber, wie die Programme hier ausgestaltet werden. Warum kann man nicht die Menschen, die Zivilgesellschaft und deren Akteure viel stärker an der Ausgestaltung der Programme beteiligen? Wofür sollen denn die EU-Gelder gegeben werden? Bei der letzten Programmierung waren kommunale Akteure, Umwelt- und Sozialpartner nur formal beteiligt, einen breiten Prozess gab es jedoch nicht. Das können wir jetzt tun; diese Chance haben wir noch.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Bereich der europapolitischen Bildung hat meine Fraktion schon sehr viele Vorschläge gemacht.

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Auch dabei brauchen wir eine stärkere Förderung, denn Europabildung ist eine Daueraufgabe und kein anlassbezogenes Schmuckwerk. Auch da könnten Sie noch viel stärker noch vorn gehen. Wir würden Sie dabei unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir kommen zur nächsten Rederunde. Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abg. Modschiedler.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Dr. Maicher, wir gehen demonstrieren – Stichwort: „Pulse of Europe“. Wir waren stark vertreten und haben ein tolles Zeichen gesetzt. Von wegen, die CDU ginge nicht demonstrieren – doch, wir können das!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Es waren übrigens weniger GRÜNE dort.

Ich möchte aus aktuellem Anlass einmal ein wenig in eine Symbol- und Wertedebatte eintauchen. Konrad Adenauer hat einmal gesagt: „Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen, sie wurde eine Hoffnung für viele und sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle.“ Das hat sich auch aus dieser Diskussion hier ergeben.

(Beifall bei der CDU – André Barth, AfD: Das hat aber nicht Konrad Adenauer gesagt!)

Herr Barth, der Mann hatte recht, oder?

(André Barth, AfD: Das hat er nicht gesagt!)