Protokoll der Sitzung vom 04.05.2022

Auf konkrete Forderungen meiner Fraktion komme ich noch; zunächst jedoch einiges zu den Jugendkunstschulen selbst.

Den Grundstein für die kulturelle Bildung legen Kindergärten und Schulen. Vor allem die Schule ist eine Bildungseinrichtung, die das Leben Heranwachsender nachhaltig und lange prägt. Kulturelle Bildung wird hier bestenfalls sowohl fächerübergreifend als auch fachspezifisch vermittelt. Dass es um den regulären Unterricht in Kunst und Musik in den Schulen nicht gut bestellt ist, ist bekannt; das haben wir hier debattiert. Es fehlt an fachlich qualifizierten Lehrkräften, und der Unterrichtsausfall ist vergleichsweise groß.

Außerschulische Einrichtungen kultureller Bildung sind kein gleichwertiger Ersatz für den regulären Schulunterricht, weil Letzteren alle Heranwachsenden besuchen. Außerschulische Angebote an kultureller Bildung treten zu den schulischen hinzu. Sie ergänzen und erweitern die kulturelle Bildung in der Schule, was ihre Bedeutung jedoch nicht mindert. Das trifft eben auch für Jugendkunstschulen zu. Neben den Musikschulen bieten sie Kindern und Jugendlichen künstlerisch-experimentelle Freiräume und unterbreiten Angebote in verschiedenen künstlerischen Sparten. Manche versammeln gar alle Künste unter einem Dach.

Jugendkunstschulen gelten als klassische Honorarkraftbereiche. 90 % des Angebots bestreiten Künstlerinnen und Künstler aller Sparten auf Honorarbasis. Nach Ansicht der Jugendkunstschulen sichert dies dem Angebot seine Flexibilität, seine Dynamik der Innovationsbereitschaft, allerdings um den hohen Preis prekärer Beschäftigung mit mangelnder Kontinuität in der Aufbauarbeit. Experten sprechen vom Risiko gesellschaftlicher Unterbeschäftigung.

Angesichts dessen spricht für mich Ihr Punkt d in Abschnitt II des Antrags ein wenig Hohn, wenn dieser fordert, „auf fachliche Qualitätsstandards und Qualifikation“ zu achten. Das ist nicht ganz falsch, aber kümmern Sie sich doch erst einmal um eine faire Bezahlung und darum, dass genügend Fachpersonal ausgebildet wird; denn so sichert man Qualifikation und Qualität – und das dann mit einer fairen Bezahlung, auch in den Musikschulen.

Auch die Jugendkunstschulen waren von der Corona-Pandemie betroffen. Deswegen wurden sie in die Förderung durch das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ der Bundesregierung einbezogen. Mit dem Programmsegment „Jugendkunstschulen holen auf“ werden bundesweit künstlerisch-ästhetische Kurse, Ferienprojekte, Wochenendworkshops sowie offene und mobile Angebote für junge Menschen durchgeführt: bildnerisch, Tanz, Theater, Sprache, Zirkus, Spiel, mediale Gestaltung, Kommunikation. Ziel ist erstens, Kindern und Jugendlichen bundesweit mindestens 15 000 der während der Pandemie verloren gegangenen Stunden künstlerisch-ästhetischer Bildungsarbeit zurückzugeben. Zweitens wird eine Erstansprache neuer Zielgruppen für das Jugendkunstschulangebot angestrebt. Das finden wir wirklich sehr gut.

Was ist nun aber aus der Sicht unserer Fraktion konkret zu tun, um die Jugendkunstschulen in Sachsen zu stärken? Nur zwei Forderungen, aus Zeitgründen. Die erste: Die Jugendkunstschulen sind in das kommunale Bildungsmanagement aufzunehmen; der Aufbau von kommunalen Bildungslandschaften, in denen Schulen und Kultureinrichtungen als Orte der kulturellen Bildung eng zusammenarbeiten. Das beinhaltet die Erstellung einer regionalisierten, sozialraumorientierten Bildungsplanung, in die alle Formen und Arten, formelle wie auch informelle Bildungsräume einbezogen sind.

Die Transferinitiative Kommunales Bildungsmanagement des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hat bundesweit dazu beigetragen, Modelle kommunaler Bildungssteuerung zu etablieren. Dabei sollten die lokalen Akteure finanziell und personell vom Land unterstützt werden – dementsprechend auch der Landesverband der Jugendkunstschulen Sachsen. Leider ist das nicht zu finden in Ihrem Antrag.

Die zweite Forderung lautet: Die Jugendkunstschulen sind auf eine landesgesetzliche Grundlage zu stellen, die deren Bestand und Förderung gesetzlich regelt. Die EnqueteKommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestags hat in ihrem Abschlussbericht 2007 alle Bundesländer ausdrücklich hierzu aufgefordert.

Auch der Deutsche Städtetag, der sich schon 2003 für die stärkere Verbreitung von Jugendkunstschulen in Deutschland ausgesprochen hat, unterstützt die Entwicklung von Fördergesetzgebungen in den Bundesländern. Vorerst haben aber nur wenige Bundesländer – Beispiele: NordrheinWestfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg – solche gesetzlichen Regelungen verabschiedet. Warum sollte nicht auch Sachsen eine solche landesgesetzliche Regelung für Jugendkunstschulen schaffen?

2003, 2007 – so lange beschäftigen sich Politik und Gesellschaft schon mit diesem Thema. Ich kann nur sagen: Legen Sie einen Schritt zu!

Ihr Antrag ist ein sehr kleiner Schritt, nach wie vor ganz am Anfang, mit der Aussicht – Zitat aus Ihrer Begründung –: „Zur Situation der Jugendkunstschulen soll bis zum 30.06.2024 ein Bericht vorgelegt werden.“ Das geht uns alles ein wenig zu langsam und nicht weit genug.

Wir finden das Ansinnen gut, können uns aus den hier genannten Gründen aber nur enthalten.

Kurz noch an dieser Stelle: Den Änderungsantrag der AfD vergessen wir ganz schnell wieder. Er ändert nichts am Kernproblem, sondern beschwört den Popanz herauf und lässt Sie frönen im Verfolgungswahn vor der Soziokultur und deren Zentren. Sie missachten damit die freiheitliche demokratische Grundordnung selbst.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Kollege Sodann sprach für die Fraktion DIE LINKE. Damit haben wir die erste Rednerrunde absolviert und könnten jetzt in eine zweite Rednerrunde einsteigen. Hat die CDU-Fraktion noch Redebedarf? – Das sehe ich nicht. BÜNDNISGRÜNE? – Sehe ich auch nicht. Aber Herr Kollege Richter von der SPD-Fraktion. Möchten Sie gleich von Mikrofon 1 aus sprechen? – Bitte schön.

Herr Präsident! Zu dem Änderungsantrag, der von der AfD-Fraktion eingebracht wurde: Gilt dieser schon als eingebracht? Ich habe das jetzt nicht so ganz – – Er ist noch nicht eingebracht, nein?

Eine zweite Runde braucht es aus meiner Sicht nicht, aber zu dem noch einzubringenden Änderungsantrag der AfD möchte ich natürlich noch sprechen.

Jawohl, vielen Dank. Den Änderungsantrag rufe ich noch einmal auf; dann haben die Fraktionen noch Zeit, dazu zu sprechen.

Jetzt zunächst noch einmal die Frage in die Runde: Gibt es seitens der Fraktionen noch Redebedarf? – Das sehe ich nicht. Dann übergebe ich an die Staatsregierung, an Frau Staatsministerin Klepsch. Bitte schön.

Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, ich freue mich über die Debatte, die wir zu dem Antrag „Stärkung von Jugendkunstschulen“ heute hier im Landtag führen. Ich möchte gern mit einem Zitat von Albert Einstein auf meinen Beitrag einstimmen, denn Einstein sagte: „Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.“

Ich denke, gerade Jugendkunstschulen setzen hier an, ohne dabei den Aspekt des Wissens zu vernachlässigen. Ja, es ist gut, dass wir in Sachsen Orte haben, die über die Künste die Fantasie anregen. Kinder und Jugendliche werden dadurch zum Weiterdenken animiert, über den Tag und das bisher Erlernte hinaus. So entwickeln sie Fähigkeiten und Fertigkeiten, die wiederum ganz neue Talente wecken können.

Jugendkunstschulen sind damit ein wichtiger Bestandteil einer Bildungslandschaft, die wir gerade heute mehr denn je brauchen. Um Antworten auf die Fragen unserer Zeit zu finden, ist mehr vonnöten als der klassische Schulkanon an Bildung. Wenn wir weiter, schneller und lösungsorientierter denken wollen, brauchen wir zusätzliche Fantasie und Kreativität. Nichts beflügelt die Fantasie so stark wie Malerei, Musik, Medien und darstellende oder schreibende Kunst.

Deshalb ist es gut, dass wir uns darüber austauschen, wie wir Jugendkunstschulen, die genau das anbieten, bei uns im Freistaat stärken wollen. Dabei ist es mir wichtig, dass wir den Bildungsaspekt, den eigenständigen Kompetenzerwerb an Jugendkunstschulen betonen und diese nicht nur als Freizeitvergnügen sehen. Sie sind Teil einer guten sächsischen Bildungslandschaft.

Neben der Fantasie kommen weitere wichtige Kompetenzen hinzu, die an solchen Bildungsorten mit allen Künsten unter einem Dach angesprochen werden: An erster Stelle ist es die soziale Kompetenz, die an Jugendkunstschulen durch Begegnungen und Interaktionen gefördert wird und ganz entscheidend zur Persönlichkeitsbildung beiträgt. Damit stärken kulturelle Bildungsorte nicht nur das Selbstbewusstsein und die Sozialkompetenz des Einzelnen. Sie tragen auch dazu bei, dass sich unsere Gemeinschaft und das gesellschaftliche Miteinander verbessern und stärken. Hinzu kommt ein Verständnis für künstlerische Prozesse, dass Kinder und Jugendliche an die Kultur auch als Publikum herangeführt werden. Und nicht zuletzt können Kunstschulen auch die Basis für eine neue Generation von Künstlerinnen und Künstlern legen, die jedes Land und ganz besonders Sachsen als Kulturland auszeichnet. Das gilt selbstverständlich auch für unsere Musikschulen.

Jugendkunstschulen können helfen, eine Herausforderung zu meistern, die Picasso ganz treffend beschreibt: Jedes Kind ist ein Künstler. Das Problem ist, Künstler zu bleiben, wenn man erwachsen wird. Kulturelle Bildung kann zumindest ihren Teil dazu beitragen, dass unsere sächsischen Orchester Nachwuchs gewinnen, dass Ateliers auch künftig genutzt werden und in der Kultur und Kreativwirtschaft eine ganz wichtige Wertschöpfung stattfindet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wissen, dass wir an der neuen Förderrichtlinie für die Kulturelle Bildung bereits gearbeitet haben. Von Beginn an haben wir ganz eng die Fachverbände einbezogen. Ich möchte an dieser Stelle auch all den Fachverbänden Danke für dieses gute, konstruktive Miteinander sagen. Jetzt haben wir diese und weitere Akteure, wie die Kulturräume, um ihre Stellungnahme gebeten. Die Stellungnahme wurde aufgrund der Anhörung eingearbeitet. Wir werten aus und bringen das Verfahren abschließend ins Kabinett. Dieser Prozess läuft noch. Ich möchte an dieser Stelle diesem Prozess auch nicht weiter vorgreifen.

Ich bin mir mit der gemeinsamen Zielsetzung sicher, dass es uns gelingt, die Jugendkunstschulen erstmals hier stärker hervorzuheben und letztlich stärker zu fördern. Damit legen wir eine Grundlage, die vom Landtag letztlich eingestellten Mittel zielgerichtet und gut einzusetzen.

Meine Damen und Herren! Es wird keiner bestreiten, dass wir in unserer Gesellschaft solche Bildungsorte brauchen, an denen Kinder und Jugendliche unabhängig von familiären, kulturellen oder sozialen Hintergründen zusammenkommen und durch ein ganzheitliches Bildungsverständnis auf ihrem weiteren Lebensweg begleitet werden.

Die neue Förderrichtlinie wird den wichtigen Teilbereich der kulturellen Bildung aufbauen, verstärken und insgesamt neue Akzente im Land setzen. Dabei sind mir nicht allein die Jugendkunstschulen, sondern die kulturelle Bildung insgesamt eine wirkliche Herzensangelegenheit.

Parallel zur Fertigstellung der Förderrichtlinie werden wir Ihren Antrag bearbeiten. Und ja, ich freue mich auf eine weitere Diskussion dazu, dann auch hier im Hohen Haus.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie vereinzelt bei der SPD und den BÜNDNISGRÜNEN – Beifall bei der Staatsregierung)

Für die Staatsregierung sprach Frau Staatsministerin Klepsch. Vielen Dank. – Nun übergebe ich für die Koalitionsfraktion das Schlusswort an Frau Dr. Maicher, Fraktion BÜNDNISGRÜNE.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern noch auf das eine oder andere eingehen. Vielen Dank für die Debatte. Zunächst aber: Herr Kirste, ich glaube, Sie haben die Prinzipien der soziokulturellen Arbeit nicht so ganz verstanden. Sie wollen das wahrscheinlich auch nicht verstehen. Bei der Soziokultur geht es gerade um eine breite gesellschaftliche Beteiligung, um Vielfalt und gerade nicht um Einzelinteressen, die Sie hier vorgeworfen haben.

(Thomas Kirste, AfD: Ich habe Beispiele gesagt!)

Aber: Weil rassistische und faschistische Werte nicht zu den Werten des Landesverbandes Soziokultur gehören, haben Sie offenbar ein Problem mit der Soziokultur und auch mit der Beteiligung des Landesverbandes.

(Ha-Rufe von der AfD)

Das sagt alles über Ihre Gesinnung, und es ist zumindest konsequent, was Sie dann hier machen.

(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN und den LINKEN)

Sie haben noch etwas über Ihren Gesinnungscheck gesagt. Das soll offenbar ein Eintrittsverbot bedeuten.

(Zurufe von der AfD)

Wenn Sie am Eingang einer jeden Bildungseinrichtung eine solche Grenzkontrolle einführen wollen, dann können Sie das gleich an jedem Ortseingangsschild in Sachsen machen. Ich frage mich dann aber, ob Sie dann noch zu diesen Orten Zutritt haben, ob Sie dann selbst noch hereinkommen.

(Zuruf von der AfD: Wir hätten Zutritt!)

Das würde ich bezweifeln.

(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN und den LINKEN)

Und nun zur kritischen Würdigung des Kollegen Sodann. Das betrifft den Eingangssatz, den Sie in Ihrer Rede schon vorbereitet hatten. Sie sehen nicht so richtig, was hier vorangebracht werden soll, deshalb werde ich es noch einmal kurz sagen: Wir wollen mit diesem Antrag die Stärkung der Jugendkunstschulen voranbringen. Das ist ein Prozess, das sind erste Schritte. Wir wollen nicht nur mehr Unterrichtseinheiten fördern, sondern wesentliche Punkte im Strukturaufbau, in der Stärkung, in der nachhaltigen Förderung, bei

Qualitätsstandards in Angriff nehmen. Wir wollen Beratung, Kooperation usw. gezielt fördern.

Damit die Teilhabechancen für Kinder und Jugendliche überall in Sachsen gefördert werden, auch im ländlichen Raum, wollen wir – zweitens – zu Neugründungen kommen und diese fördern.

Wir wollen – drittens – das als Beteiligungsprozess sehen. Dieser Antrag ist kein Abhaken, sondern er ist ein Schritt und soll Entwicklungen möglich machen. Das soll auch der Inhalt des Berichts sein, der in dem Antrag gefordert wird. Wichtig ist uns dabei vor allen Dingen, die Verbände einzubeziehen. Das ist ein sehr wesentlicher Schritt in Richtung Förderung und Stärkung von Jugendkunstschulen in Sachsen. Deshalb bitte ich um die Zustimmung.