Werte Kolleginnen und Kollegen! Sollte dieser Untersuchungsausschuss eingesetzt werden, weil es der AfD dann irgendwie gelingt, einen verfassungskonformen Auftrag vorzulegen, freuen wir uns dann sicherlich alle schon auf die Fortsetzung der beliebten Reihe „Norbert Mayer auf der Suche nach der Frage“.
Allerdings greift auch hier die Erkenntnis: Manche deutschen Serienproduktionen hätte man lieber schon nach der ersten Staffel einstellen sollen. Diese hier wahrscheinlich ebenso.
Die Fortsetzung der Reihe „Ulbrich befragt sich selbst“ bleibt uns indes erspart. Dass Sie bis vorgestern ausgerechnet einen selbst aus Sicht Ihrer Partei erwiesenen Extremisten zum Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses machen wollten, spottet jedweder Beschreibung und zeigt, dass die Realität manchmal die größere Satire als das ist, was wir dafür halten.
Wahrscheinlich erspart uns offenkundig lediglich ein bloßer zeitlicher Zufall, dass der Vorsitzende dieses Untersuchungsausschusses auf der Suche nach dem Recht nicht nur das Staatsbürgerschaftsrecht der Nazis herauskramt, sondern gleich noch Frank und Freisler bemüht. Wenigstens das ist ein kleiner Vorteil in dieser Debatte.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Die AfD hat in dieser Legislatur mit einer Verschwörungserzählung begonnen und sie will mit einer neuen Verschwörungserzählung enden. Diesen Untersuchungsausschuss, der nur immense Kosten verursachen und absehbar kaum Erkenntnisse zutage fördern wird, braucht es aus unserer Sicht nicht. Dennoch wird Ihnen dieses Minderheitenrecht natürlich keiner verwehren können, solange der Untersuchungsauftrag nicht verfassungswidrig ist; denn es ist nicht die Aufgabe der Mehrheit, die Minderheit vor sich selbst zu schützen. Aber es ist Aufgabe dieses Hohen Hauses, die Verfassung zu achten.
An der Verfassungskonformität dieses Einsetzungsauftrags gab und gibt es erhebliche Zweifel, die die Landtagsverwaltung zu Papier gebracht hat. Für uns BÜNDNISGRÜNE ist der Einsetzungsantrag zum gegenwärtigen Stand, auch in der Fassung des Änderungsantrages, Herr Barth, keineswegs über jeden verfassungsrechtlichen Zweifel erhaben. Im Gegenteil. Sie versuchen, selbst mit Ihren Änderungen, mit diesem Untersuchungsausschuss tief in das Innerste der Grundreche von privaten Dritten hineinzuschnüffeln. Diejenigen – wie Frau Köditz gerade schon sagte –, die sonst immer den Schnüffelstaat hinter jeder Ecke wittern, offenbaren, dass sie die wahren Spitzel sein wollen. Aber genau vor diesem Vorhaben stehen erhebliche verfassungsrechtliche Mauern, die es dafür zu überwinden gilt, was Ihnen bisher nicht gelungen ist.
Private sind in diesem Landtag weder rechtlich noch politisch verantwortlich. Eine Untersuchung rein privater Sachverhalte ist mit elementaren Prinzipien des Rechtsstaates unvereinbar. So hat es auch die Landtagsverwaltung festgestellt.
Soweit also – wie in Ziffer 4. – versucht wird, ins Blaue hinein die finanziellen Verhältnisse geförderter Träger auszuforschen,
verlässt der Untersuchungsauftrag nicht nur den Boden des Anstandes, sondern klar den Rahmen der Sächsischen Verfassung. Das gilt auch für Ihre in diesem Punkt nur kosmetischen Änderungen,
die lediglich zeigen, dass es Ihnen nicht um Aufklärung geht, sondern absehbar darum, mit Dreck nach denen zu
werfen, die sich für Menschlichkeit und Demokratie engagieren. Das werden wir nicht zulassen. Aber das wird vor allen Dingen die Sächsische Verfassung nicht zulassen, werte Kolleginnen und Kollegen.
Gleichsam versuchen Sie, Ihren Untersuchungsauftrag ins vollkommen Unkontrollierte zu entgrenzen. Sie versuchen durch die Hintertür nicht nur den konkreten Fall der Förderung im Sozialministerium aufzuklären, sondern wollen über Ihre Ziffer 9 in der Neufassung vollkommen unbeschränkt die Förderpraxis des Freistaates Sachsen als solche untersuchen. Damit verlässt der Untersuchungsauftrag nach unserer Auffassung den notwendigen Bereich von Klarheit und Bestimmtheit, der für diesen Einsetzungsauftrag notwendig ist. Hier bestehen somit ebenso Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit.
Vor diesem Hintergrund schließt sich meine Fraktion der Forderung nach Überweisung des Antrags mit den begehrten Änderungen in den Rechtsausschuss an.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Der freiheitliche Rechtsstaat unterscheidet sich von der Willkürherrschaft dadurch, dass er jederzeit nach erkennbaren und nachvollziehbaren Regeln agiert. Das bedeutet schlussendlich, dass Sie frei sind, auch in diesem Parlament die nächste Verschwörungstheorie auszubreiten, aber Sie müssen dies im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ordnung machen. Daran wollen Sie sich anscheinend nicht halten. Deshalb ist eine sorgfältige Prüfung dieses Einsetzungsauftrages dringend geboten.
Ich glaube, Herr Kollege Barth, diese eine Woche werden Sie nach Ihrem sehr langen Nachdenken und nach den sehr langen dafür benötigten Diskussionen darüber, ob Sie diesen Untersuchungsausschuss wollen, sicherlich noch verkraften. Wir brauchen dies definitiv; denn am Ende ist nicht der Wille der AfD der Maßstab, sondern die sächsische Landesverfassung, der wir verpflichtet sind.
Für die Fraktion BÜNDNISGRÜNE sprach Kollege Lippmann. Jetzt spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Friedel.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Barth von der AfD hat natürlich die Freiheit, hier alles zu behaupten, was er will, selbst wenn es wahrheitswidrig ist. Das ist Demokratie, das müssen wir aushalten und das halten wir auch aus.
Ich schicke das voraus, weil ich in den nächsten Sätzen die Wahrheitswidrigkeit an der einen oder anderen Stelle etwas korrigieren werde.
Ich möchte die verfassungsrechtliche Situation, vor der wir stehen, kurz zusammenfassen. Wäre der Antrag der AfD zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses rechtmäßig,
dann wäre der Landtag verpflichtet, diesen Ausschuss einzusetzen. Das würden wir auch machen. Solange der Antrag rechtswidrig bleibt, ist der Landtag verpflichtet, den Antrag abzulehnen. Dem geht die Überweisung in den Rechtsausschuss voraus. Deshalb ist auch meine Fraktion der Auffassung, dass wir diese Runde drehen müssen.
Herr Barth, damit komme ich zum ersten wahrheitswidrigen Punkt. Sie haben hier behauptet, dass Sie das Gutachten des Juristischen Dienstes eins zu eins umgesetzt haben. Diese Behauptung ist wahrheitswidrig. Ich nehme einen Punkt heraus. Der Juristische Dienst schreibt Ihnen: „Es wird empfohlen, den Begriff Fördersumpf durch einen wertungsfreien Terminus wie Fördermittelvergabe oder Fördermittelpraxis zu ersetzen.“ Was macht die AfD-Fraktion? Sie schreibt statt Fördersumpf mutmaßlicher Fördersumpf. Sie haben eben nicht die Empfehlungen des Juristischen Dienstes eins zu eins umgesetzt, selbst wenn Sie das hier behaupten. Das ist gelogen.
Ich will noch etwas zur politischen Einordnung des Ganzen sagen, weil Herr Barth schon mit seiner Rede gut vorgeführt hat, was das Problem an diesem Antrag ist. Aus unserer Sicht ist der Einsetzungsantrag unehrlich. Er ist anrüchig, weil er versucht, die Bürgerinnen und Bürger sowie die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen. Warum? Die AfD-Fraktion fordert Aufklärung, dabei ist alles öffentlich. Der Sonderbericht des Rechnungshofes ist öffentlich. 36 Antworten auf Kleine Anfragen sind öffentlich, für jedes Förderjahr sind alle geförderten Projekte, deren Träger und die Fördersumme öffentlich. Aber das interessiert die AfDFraktion nicht. Die AfD-Fraktion fordert Konsequenzen, dabei sind die schon längst gezogen. Das Ministerium hat organisatorisch und personell reagiert, das Förderverfahren wurde neu aufgestellt, die Richtlinien novelliert. Aber all das interessiert die AfD-Fraktion nicht. Die AfD-Fraktion fordert jetzt eine parlamentarische Untersuchung, dabei ist die schon längst im Gange. Der Sozialausschuss hat sich mit dem Bericht befasst. Der Haushaltsausschuss hat sich mit dem Bericht befasst. Der Rechnungshof wurde gehört, das Ministerium befragt.
Wir Abgeordneten haben auch in nicht öffentliche Dokumente Einsicht erhalten. Aber all das interessiert die AfDFraktion gar nicht. Denn die AfD-Fraktion hat ein ganz anderes Projekt: Sie ist auf der Jagd. Wir werden sie jagen, das hat Alexander Gauland gesagt und das setzt die AfD um, auch hier wieder. Der AfD-Fraktion geht es in diesem Untersuchungsausschuss eben nicht um eine rechtmäßige Verwaltung oder um parlamentarische Aufklärung. Das interessiert die AfD-Fraktion alles gar nicht. Im Gegenteil. Als es im Haushaltsausschuss um die Details ging, da haben die AfD-Abgeordneten sogar geschlossen die Sitzung verlassen.
Die AfD-Fraktion will diesen Untersuchungsausschuss allein für den Skandal. Und das wäre, damit wir uns nicht
falsch verstehen, sogar ein völlig legitimes Mittel der Opposition. Nicht umsonst kennt die Rechtsliteratur den Begriff der Skandal-Enquete. Aber im Unterschied zu allen anderen Untersuchungsausschüssen, die bisher von demokratischen Fraktionen eingesetzt wurden, steht für die AfDFraktion das Ergebnis schon vor der Untersuchung fest. Das haben wir erst in der letzten Plenarsitzung gehört. Hier zitiere ich: „Das Staatsministerium für Vetternwirtschaft und Korruption“, so Herr Barth, habe „schamlos mit festem Vorsatz gesteuert“, so Herr Prantl, dass „58 Millionen Euro in der Asylindustrie verschwunden seien“, so Herr Mayer.
Herr Barth, Herr Prantl, Herr Mayer. Gerade diese drei Herren schlagen Sie jetzt als Mitglieder für den Untersuchungsausschuss vor? Ich glaube, besser kann man nicht zeigen, dass es einem eben nicht um die Sache geht.
Dieses Schauspiel der AfD-Fraktion ärgert mich maßlos, und ich will Ihnen sagen, warum. Natürlich ärgert es mich auch, weil die AfD versucht, Petra Köpping zu schaden, der SPD zu schaden, indem sie hier Kulissen für einen Wahlkampf auf die Bühne schiebt. Die Rede von Herrn Barth hat ja deutlich gemacht, weil sie sich mehr mit den bevorstehenden Landtagswahlen befasst hat als mit der Sache selbst, worum es hier eigentlich geht.
Mich ärgert vor allem, dass die AfD den Sächsischen Rechnungshof für dieses Manöver missbraucht, mich ärgert, dass sie das Parlament für dieses Manöver missbraucht, dass gerade diese verfassungswidrige Partei zwei Verfassungsorgane so vor ihren Karren spannt, um mit Skandalisierung auf Stimmenfang zu gehen. Das ist unwürdig, denn diese Verfassungsorgane können sich gegen die Instrumentalisierung nicht wehren.
Der Landtag ist verpflichtet, den Untersuchungsausschuss bei einem rechtmäßigen Antrag einzusetzen, und der Rechnungshof hat kein Recht, sich dazu zu äußern. Aber die Bürgerinnen und Bürger, auf die das Handeln der AfD zielt, haben es natürlich in der Hand, sich nicht hinters Licht führen zu lassen, sich nicht instrumentalisieren zu lassen. Die können da sehr genau hinschauen. Ich bin mir sicher, die meisten werden das auch tun.
Wir hörten Frau Kollegin Friedel für die SPD-Fraktion. Jetzt hat der fraktionslose Abg. Kollege Teichmann um das Wort gebeten. Bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir beraten und entscheiden heute über den Einsetzungsantrag zur Aufklärung der rechtswidrigen Förderpraxis im Sozial
ministerium. Dass es eine grobe rechtswidrige Förderpraxis im Sozialministerium gegeben hat, steht wohl außer Frage. Wenn die Opposition weiteren Untersuchungsbedarf sieht, ist das legitim. Nicht legitim ist es, wie die Regierungsparteien dieses berechtigte Anliegen verunglimpfen. Dabei hat die Staatsregierung, insbesondere die Sozialministerin diese groben Missstände zugelassen.
An die Vertreter der Regierungsparteien mein Appell: Sie haben im Rahmen des Untersuchungsausschusses die Möglichkeit, Dinge, die Sie vielleicht anders sehen, richtigzustellen. Warum haben Sie denn Angst davor? Aus jedem Ihrer Redebeiträge höre ich Angst, Angst im bevorstehenden Wahlkampf.