Protokoll der Sitzung vom 20.01.2000

Persönliche Bitten und Beschwerden unterliegen heute nicht mehr der Pflicht des persönlichen Vortrages, müssen aber schriftlich eingereicht und eigenhändig unterschrieben werden, und der Adressat muß erkennbar sein, damit ein Anspruch auf eine sachliche Prüfung besteht.

Das Bundesverfassungsgericht stellte 1953 klar, daß das Petitionsrecht nach Artikel 17 des Grundgesetzes kein bloßes Legislativgrundrecht ist, sondern dem Einreicher oder der Einreicherin einen Anspruch auf sachliche Prüfung und schriftliche Bescheidung bezüglich der Art der Entscheidung und Erledigung gewährt. Das Grundrecht des einzelnen, zu petitionieren, gibt es in Deutschland seit 1871, seinerzeit verankert in Artikel 126 der Weimarer Reichsverfassung.

Die Aufnahme in den Grundrechtskatalog der Verfassung unterstreicht die fortschrittliche Stellung des Petitionsrechts gegenüber früheren Verfassungen.

Dieser geschichtliche Abriß macht deutlich, wie hochrangig das Petitionsrecht zu werten ist, das im Artikel 17 des Grundgesetzes, in den Artikeln 19 und 61 der Landesverfassung sowie in der Geschäftsordnung des Landtages von Sachsen-Anhalt festgeschrieben ist, wobei sich die Regelungsgrundsätze in der Geschäftsordnung lediglich auf das Petitionsverfahren an sich beschränken.

Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch einige Sätze zur konkreten Behandlung von Peti

tionen. Im Jahre 1997 gingen 660 Petitionen, im darauffolgenden Jahr 1008 und im Jahre 1999 1 031 Bitten und Beschwerden sowie Anträge ein, in denen sich 263 Frauen, 668 Männer, 51 Familien und 26 Gemeinschaften an den Petitionsausschuß des Landtages wandten und somit von ihrem Petitionsrecht Gebrauch machten.

Ebenso gibt es - im Ausschußjargon gesagt: DP; ich sage es für Sie alle in einer etwas verständlicheren Form Dauerpetentinnen und -petenten. Das sind Petenten, welche als Einzelpersonen zahlreiche Petitionen einreichen. So wurden beispielsweise durch nur eine Person 17 Petitionen und durch eine weitere Person sogar 25 Petitionen eingereicht.

Dem vorliegenden Ausschußbericht des Jahres 1999 ist zu entnehmen, daß von den 836 abgeschlossenen Petitionen 135 in vollem Umfang entsprochen werden konnte.

Die Zahl der eingegangenen Eingaben ist keineswegs mit der Anzahl der Beschwerdeführer und -führerinnen gleichzusetzen; denn einschließlich der in der Statistik berücksichtigten 24 Sammelpetitionen mit 15 089 Unterschriften und zwei Massenpetitionen mit 186 Unterschriften wandten sich im Berichtszeitraum 16 085 Bürgerinnen und Bürger an den Ausschuß in der Erwartung, daß ihrem Petitum entsprochen würde und sie somit direkten Einfluß auf die Politik nehmen könnten. Nach der Ansicht des Ausschusses ist dies kein Zeichen von Politikverdrossenheit, wohl aber zeigt es eine große Erwartungshaltung an uns Landespolitikerinnen und Landespolitiker.

Die Mitglieder des Ausschusses und - das muß hervorgehoben werden - auch des Ausschußsekretariats prüfen und bearbeiten auch die kleinste Eingabe gewissenhaft und mit größer Sorgfalt. In vielen Stunden - auch außerhalb der Ausschußberatungen - werden von den Abgeordneten Petitionen gründlich vorbereitet, unter anderem durch eine direkte Kontaktaufnahme mit den Beschwerdeführenden, durch das befragende und klärende Gespräch, durch das Zuhören und durch Termine vor Ort, um sich einen objektiven Eindruck von dem Geschehen und dem Handeln der Verwaltung machen zu können und die Auswirkungen auf den Betroffenen feststellen und beurteilen zu können.

Daran anknüpfend wird über jedes einzelne Anliegen im Ausschuß berichtet, diskutiert und über das weitere Verfahren eine Beschlußvorlage erarbeitet. Das bedeutete für jedes Mitglied des Petitionsausschusses, im Jahre 1999 an 21 Petitionsausschußsitzungen mit einem zeitlichen Aufwand von ca. 103 Stunden teilzunehmen.

Als sehr zweckmäßig erweisen sich die Stellungnahmen der Ministerien, die schriftlich vom Sekretariat eingeholt werden, und ebenso eine mündliche Verteidigung der Stellungnahme durch den verantwortlichen Bearbeiter, die vor dem Ausschuß erfolgt.

Das oft kritische Hinterfragen des Lebenssachverhalts und des Ermessensspielraums der Verwaltung führt nicht nur in Einzelfällen dazu, daß Petitionen mehrmals im Ausschuß behandelt werden. In wenigen Einzelfällen allerdings teilte der Ausschuß nicht die Auffassung des berichterstattenden Ministeriums. Jedoch ließ die geltende Rechtslage mitunter nur einen politischen Handlungsspielraum zu, so zum Beispiel in den Fällen der Bodenreform und in Fällen des Ausländerrechts.

Als Vorsitzende des Petitionsausschusses möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich im Namen des Petitions

ausschusses bei Herrn Minister Dr. Püchel für sein Engagement und seine Initiative auf der Innenministerkonferenz des vorigen Jahres bezüglich der Altfallregelung für Vietnamesinnen und Vietnamesen zu bedanken.

Sehr geehrte Damen und Herren! Erschwerend, nahezu hinderlich wirken sich ministerielle Runderlasse und Arbeitsanweisungen aus, auf die im Sachvortrag Bezug genommen wird, obwohl sie den Ausschußmitgliedern nicht bekannt sind. Gestatten Sie mir, die Bitte zu äußern, daß Runderlasse an die Stellungnahmen angefügt werden, wenn ein direkter Bezug zu der Entscheidung über die Petition besteht.

Der Petitionsausschuß machte von seinen weitreichenden Ermittlungsbefugnissen als „schlummernder Untersuchungsausschuß“ in sieben Anhörungen, unter anderem zu einer Abschiebungsverhinderung, zur Familienzusammenführung und zur Bauleitplanung, bei zwei Ortsterminen, so in der Kraftwerkssiedlung Bitterfeld und zur Umweltverträglichkeit des Flughafens in Des-sau, und durch mehrere Aktenanforderungen Gebrauch.

Zwölf Petitionen wurden im Ergebnis der Beratung mit Empfehlungen an die Fachausschüsse überwiesen, damit ihr Inhalt bei der weiteren Bearbeitung von Gesetzen bzw. bei der Haushaltsberatung berücksichtigt werden konnte. Als Beispiel hierfür seien Petitionen zu überhöhten Abwasserpreisen und -kosten genannt.

Sechs Petitionen wurden der Landesregierung mit Erfolg zur Berücksichtigung überwiesen.

Auf dem in Düsseldorf im zweijährigen Turnus stattfindenden Arbeitstreffen der Petitionsausschußvorsitzenden im Mai vorigen Jahres konnte die Vorsitzende auf nationaler und internationaler Ebene neue Kontakte knüpfen und Erfahrungen austauschen, so hinsichtlich der unterschiedlichen Bearbeitungsvorgänge, der unterschiedlichen Bearbeitungsdauer und der unterschiedlichen Verfahren bei den Ausschußsitzungen.

Im besonderen weckte die Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen unter Teilnahme der Betroffenen Interesse. Einer Einladung des Bayerischen Landtages folgend nahmen die Abgeordneten im Oktober des vorigen Jahres an einer öffentlichen Sitzung teil.

Ebenso nutzte die Vorsitzende die Gelegenheit, sich über die Arbeit des europäischen Ombudsmanninstituts zu informieren. Dem Begehren des Petitionsausschusses im Hinblick auf eine Mitgliedschaft in dem genannten Institut wurde im Ältestenrat bei einer Befristung auf zwei Jahre entsprochen. Die Mitgliedschaft begann am 1. Januar 2000.

Ganz besonderer Dank gilt für die Entscheidung, daß wir im November des vorigen Jahres an einer Fachkonferenz in Florenz teilnehmen konnten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Redezeit zwingt mich zur Konzentration auf das Wesentliche.

(Zustimmung von Herrn Scharf, CDU - Zuruf von Frau Fischer, Merseburg, CDU)

Ihnen liegt der Bericht des Ausschusses vor. Für uns ist es wichtig, zu unterstreichen, daß der vorliegende Bericht ein Bild von der derzeitigen öffentlichen Meinung und den derzeitigen politischen Handlungsspielräumen gibt. Diese analytische Augenblicksaufnahme ist ein gesellschaftliches Spiegelbild und läßt deutlich erken

nen, wo und wie die Betroffenen von uns Landespolitikerinnen und Landespolitikern politisches Handeln erwarten.

Mir sei es gestattet, mich persönlich bei allen Mitgliedern des Ausschusses, den Vertretern des Ausschußsekretariates, den berichterstattenden Ministerinnen und Ministern, den Ministerialvertreterinnen und -vertretern für ihre engagierte, gewissenhafte und fachlich fundierte Arbeit zu bedanken. Ohne sie wäre diese Arbeit in der vorliegenden Qualität nicht zu bewältigen gewesen.

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie uns auch zukünftig gemeinsam dafür Sorge tragen, daß dieses wichtige Grundrecht nicht verkümmert, sondern daß es zu einer unmittelbaren Verbindung zu den Bürgerinnen und Bürgern und somit zu einem starken Bindeglied zwischen dem Parlament und dem Volk von SachsenAnhalt wird. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Danke für die Berichterstattung. - Meine Damen und Herren! Auch zu diesem Tagesordnungspunkt ist keine Debatte vorgesehen worden. Wünscht trotzdem jemand das Wort? - Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung in der Drs. 3/2532. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Eine Enthaltung. Damit ist der Empfehlung des Ausschusses gefolgt worden. Wir haben den Tagesordnungspunkt 14 abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Beratung

Evaluierung, Neustrukturierung und Public Relations der Förderprogramme „Energietechnologie“

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/2538

Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/2607

Änderungsantrag der Fraktion der PDS - Drs. 2/2609

Der Antrag wird durch den Abgeordneten Herrn Professor Dr. Trepte eingebracht. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich nehme zunächst auf unseren ursprünglich eingebrachten Antrag in der Drs. 3/2538 Bezug und will eingangs herausstellen, daß die Evaluierung und Neustrukturierung der Förderprogramme für Technologien zur Erzeugung erneuerbarer Energien aus unserer Sicht keine Aufgabenstellung rein fachlich-technischer Natur ist. Mit diesem Antrag soll vielmehr eine politische Weichenstellung in Gang gesetzt werden.

In diesem Hause ist bekannt, daß ökologische Aspekte in der Landespolitik seit dem Ausscheiden der Bündnisgrünen aus dem Parlament nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Das zeigt auch die faktische Verabschiedung von einer ökologisch orientierten Energiepolitik, wie in der Begründung zu unserem Antrag aufgezeigt worden ist.

Auch Sie, Herr Minister Gabriel, fanden energiepolitische Aspekte, die auch im Landtag von Sachsen-Anhalt nicht

mehr die Rolle spielen, die ihnen eigentlich zukommt, nicht erwähnenswert.

In einer Presseerklärung vom 22. November 1999 äußern Sie sich, Herr Gabriel, zufrieden über die Beschlüsse des Finanzausschusses und heben positive Veränderungen in Einzelplan 08 hervor. Was Sie vergessen, Herr Minister, ist die Erhöhung der eingestellten Barmittel bei der Titelgruppe 77 - Energietechnologien. Daraus kann man Schlüsse ziehen, welche Bedeutung eine ökologisch orientierte Energiepolitik in Ihrem wirtschaftspolitischen Rangordnungssystem hat.

Auf Antrag der PDS-Fraktion wurde im Haushaltsplanentwurf der Ansatz bei Kapitel 08 02 Titelgruppe 77 von 3,3 Millionen DM auf 10 Millionen DM erhöht.

Warum, so muß sich die Landesregierung fragen lassen, wurde der Planansatz für das Jahr 2000 auf 3,3 Millionen DM gegenüber 4,8 Millionen DM im Haushaltsjahr 1999 abermals reduziert, wenn im Jahr 1999 von 648 Förderanträgen im Rahmen dieser Titelgruppe infolge der Erschöpfung der Haushaltsmittel 420 Förderanträge nicht bewilligt werden konnten?

Nunmehr stehen im Jahr 2000 also insgesamt 10 Millionen DM zur Verfügung. Das Ziel unseres Antrages besteht darin, dafür Sorge zu tragen, daß die Barmittel vollständig und ökologisch optimal strukturiert nun auch zum Einsatz kommen. Deshalb ist die Evaluierung und Neustrukturierung der Förderprogramme unabdingbar.

Zugleich werden wir darauf achten, daß eine Umwidmung von Anteilen der Barmittel zur Titelgruppe 72 Wirtschaftsnahe Forschung - gemäß Deckungsvermerk nur ausnahmsweise und schlüssig begründet erfolgt.

Meine Damen und Herren! Längst überfällig und noch immer im Erarbeitungsstadium ist das aktualisierte Landesenergiekonzept. Auf der Grundlage eines nachfolgenden Antrags werden wir natürlich dessen Beratung im Ausschuß für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten und im Umweltausschuß fordern.

Zunächst jedoch drängen wir darauf, daß die Evaluierung und Neustrukturierung der Förderprogramme auf der Grundlage dieses Konzeptes erfolgen und daß dies im Bericht an den Wirtschaftsausschuß nachgewiesen wird.

Es soll weiterhin eine deutliche Beachtung, Koordinierung und zugleich Abgrenzung der Förderung auf Landesebene zu jener auf Bundesebene in dem Konzept erfolgen.