Protokoll der Sitzung vom 10.02.2000

(Frau Theil, PDS: Ich hätte gern eine Frage an Herrn Becker gestellt!)

- Frau Theil, Sie hatten noch eine Rückfrage an Herrn Becker? Dann wollen wir Herrn Becker fragen, ob er bereit ist, diese Frage zu beantworten. - Das ist der Fall. Bitte schön.

Verehrter Kollege Becker, Ihren ersten Sätzen habe ich entnommen, daß Sie sich in diese breite Diskussion zur Gemeindegebietsreform und zur Kreisgebietsreform in dieser Euphorie nicht mit einbringen werden. Ist das eine richtige Schlußfolgerung?

Ja, das ist eine richtige Schlußfolgerung.

Das ist eine richtige Schlußfolgerung?

Sie sprachen mich persönlich an. Es ist richtig, ich beziehe mich nicht ein.

Ich kann verstehen, daß Sie in der Vergangenheit die Verwaltungsreform ein Stückchen weiter vorangetrieben haben, als das allgemein im Land üblich ist.

Jawohl, freiwillig.

Darüber sind wir uns einig. Sind Ihre Auftritte, die Sie überall im Burgenlandkreis und über den Burgenlandkreis hinaus zur Gemeindegebietsreform und zur Verwaltungsreform leisten, ein Rückfahren dieser Aktivität? Oder wie soll ich das verstehen?

Das dient der Beruhigung der aufgebrachten Bürgermeister und Landräte.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Heiterkeit bei der SPD - Herr Hoffmann, Magdeburg, SPD: Denen könntest du Aspirin geben, da brauchtest du nicht selbst vorbeizufahren!)

Ich bedanke mich, Herr Becker.

Meine Damen und Herren! Vor der Diskussion der Fraktionen hat der Herr Ministerpräsident um das Wort gebeten. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Becker, das ist auch meine Zielvision, daß wir irgendwann einmal sagen können: Wir sind zwar ein armes Land - das werden wir noch ein lange Zeit bleiben -, aber wir haben eine Verwaltung, von der man sich ein Stück abschneiden kann. In der

Zielvorstellung sind wir uns einig. Das finde ich hervorragend. Hinzu kommt natürlich immer die Frage nach dem Weg, um das zu erreichen.

Als ich Ihren Antrag gelesen habe, mußte ich feststellen, daß in der Formulierung schlicht ein Fehler enthalten ist. Sie gehen nämlich davon aus, daß es eine Vorlage gab, die im Kabinett keine Mehrheit gefunden hat. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Im Kabinett ist über die Vorlage, die angeblich im Panzerschrank von Herrn Püchel liegen soll, nicht verhandelt worden. Das heißt mit anderen Worten: Es gibt keine Vorlage, die im Kabinett keine Mehrheit gefunden hat. Dies ist der erste Fehler in Ihrem Antrag.

(Zuruf von Herrn Schulze, CDU)

Dann kommt ein zweites hinzu. Darauf muß ich aus grundsätzlichen Erwägungen bestehen. In diesem Prozeß der Verwaltungsreform, den wir im Land voranbringen,

(Zuruf von Frau Weiß, CDU)

gibt es - das werden Sie sich vorstellen können - eine Menge beschriebenes Papier. Wir haben damals in der Enquete-Kommission zusammengearbeitet. Auch dort ist eine Menge Papier beschrieben worden, ehe man endgültige Fassungen hatte. Das ist nun ein Bereich von Regierungstätigkeit - auch verfassungsrechtlich geschützt -, der tatsächlich einer für uns ist. Das heißt mit anderen Worten: Dieses Papier werden wir, auch aus diesen grundsätzlichen Erwägungen heraus, nicht verteilen.

Nun ist die Frage gestellt worden, auch in unserer Fraktion, wie das möglich sein kann: Es ist ein relativ umfangreiches Papier zur kommunalen Gebietsreform und allem, was auf dieser Ebene zu tun ist, veröffentlicht und vom Innenminister vorgelegt worden. Was in diesem Zusammenhang vom Innenminister über die Verwaltungsreform auf Landesebene vorgelegt worden ist, ist umfangmäßig relativ mager.

Ich kann das verstehen. Das löst Nachfragen aus. Dazu muß ich aber zunächst auf einen grundsätzlichen Unterschied hinweisen. Was auf kommunaler Ebene - ich meine mit kommunaler Ebene entsprechend unserer Verfassung sowohl die Gemeindeebene als auch die Kreisebene - zu tun ist, bedarf einer breiten Diskussion im Lande. Das ist unumgänglich.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Und in der Landesver- waltung nicht?)

- In der Tat, Herr Bergner. Deshalb erzähle ich diese ganze Geschichte. Wir setzen in einer ersten Phase darauf, daß freiwillig Bewegung in die Landschaft kommt.

(Zuruf von Frau Stange, CDU)

Das setzt voraus, daß über die Möglichkeiten über die Rahmenbedingungen, über das, was an Schritten zu gehen ist, in der breiten kommunalen Öffentlichkeit diskutiert wird.

(Zuruf von Frau Wiechmann, DVU)

Daß das auch kontroverse Diskussionen auslöst, ist völlig klar. Ich würde das nicht als Hysterie bezeichnen, sondern ich würde sagen, daß das zu diesem Prozeß dazugehört. Die Leitvorstellungen, die der Innenminister vorgelegt hat, sind vom Kabinett gebilligt worden. Ich denke, daß diese für die Diskussion vernünftige Orientierungsdaten darstellen.

Die Frage, wie die Landesverwaltung organisiert wird, ist, verfassungsmäßig festgelegt, eine Angelegenheit der Landesregierung. Das heißt, wie die Verwaltung im Land organisiert wird, ist keine Angelegenheit, über die querbeet im Land diskutiert werden muß und diskutiert werden kann. Jeder, der ein wenig von Verwaltung versteht, weiß auch, daß das keine formale Trennung nach dem Motto ist „Da haben sich die Gesetzgeber aber etwas Blödes ausgedacht“, sondern das ist eine sachlich vernünftige Trennung. Die Frage, wie Verwaltung organisiert wird, kann in der Tat nur von der Exekutive einigermaßen vernünftig entschieden und umgesetzt werden.

(Zuruf von Herrn Scharf, CDU)

Herr Ministerpräsident, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Becker zu beantworten?

Dazu bin ich gern bereit.

Bitte schön, Herr Becker.

Herr Ministerpräsident, ich widerspreche Ihnen nicht gern, aber ich habe folgende Frage an Sie. Warum haben wir in der Verfassung den Auftrag an das Parlament, ein Landesorganisationsgesetz zu schaffen? Diesem Auftrag ist das Parlament bislang noch nicht nachgekommen. Ich möchte nicht nach den Gründen suchen, warum das bisher nicht geschehen ist. Aber das macht doch deutlich, daß die Frage der Organisation der Landesverwaltung auch eine Frage dieses Hohen Hauses ist.

Herr Kollege Becker, daß kann ich Ihnen bewußt auch als Kollege sagen. Wir haben in der Enquete-Kommission zusammengesessen. Wir haben in der Verfassungskommission zusammengesessen. Über diese Fragen haben wir beide diskutiert. Es war erstens völlig klar, daß es sich bei einem solchen Gesetz nur um die grundsätzliche Struktur handeln kann. Ich denke dabei an das Thema der Einstufigkeit oder der Zweistufigkeit. Es kann sich nicht um Details handeln, beispielsweise um die Festlegung der Zahl der Landesämter.

Das zweite war uns damals auch allen bewußt, nämlich daß eine solche Gesetzgebung, die einen einigermaßen vernünftigen Charakter hat, natürlich erst am Ende eines Prozesses gemacht werden kann, in dem wir derzeit mittendrin stecken. Denn man kann bei solch einer Reform nicht vorwegnehmen, wie tatsächlich die einzelnen Schritte vernünftig zustande kommen. Wenn ich das verfolge - wir haben das ziemlich intensiv seit 1994 betrieben -, dann kann ich dazu sagen: Wir haben manche Vorstellungen gehabt, bei denen sich nachher aus guten Gründen bei der Diskussion mit Betroffenen, bei der Analyse der Aufgaben herausstellte, dies ist nicht vernünftig; aber wir sind auch auf eine Reihe von Ideen gekommen, auf die wir vorher gar nicht gekommen wären.

Ich füge hinzu: Die Entwicklung etwa der Kommunikationstechnik, der Datenverarbeitung wird uns noch zu

Ideen führen, die für uns vor ein paar Jahren noch nicht vorstellbar gewesen wären. Im Bereich der Katasterverwaltung hat der Innenminister erlebt, daß man im Grunde nachher viel größere Einheiten zusammenfassen konnte, weil ganz andere technische Möglichkeiten das hergaben.

Deswegen meine ich, dieses Verfassungsgebot muß erfüllt werden; das kann aber erst gemacht werden, wenn wir einigermaßen vernünftig übersehen, was in einem solchen Gesetz festgelegt werden muß.

Ich habe mich übrigens vergewissert, wie die Situation in den anderen Bundesländern ist. Da stellt sich heraus, daß die meisten so etwas nicht haben und selbst diejenigen, die jetzt unter der Rubrik etwas angeben, in der Regel ihre Umstrukturierungsschritte gesetzlich festgelegt haben. Das heißt mit anderen Worten, es ist schon ein Stück Weisheit dabei, damit mit Augenmaß umzugehen. Wir haben das Verfassungsgebot, wir werden es auch erfüllen, aber es wird nicht am Anfang dieses Prozesses stehen können.

Herr Bergner hat noch eine Frage? Aber Sie denken bitte daran, daß das nicht auf meine Redezeit angerechnet wird.

Daran denke ich mit Sicherheit.

Das ist nett, danke.

Aber das Erteilen des Wortes fällt diesmal mir zu. Wären Sie bereit, die Frage des Abgeordneten Herrn Dr. Bergner zu beantworten?

So ist es.

Dann kommt Herr Dr. Bergner bitte mit seiner Frage.

Herr Ministerpräsident, wenn ich Ihre Aussage, die mich doch ein bißchen bewegt,

(Ministerpräsident Herr Dr. Höppner: Das freut mich ja!)

verkürzt zusammenfasse, dann lautet sie: Das Konzept zur Reform der Landesverwaltung geht das Parlament nichts an. - Ist diese verkürzte Wiedergabe so richtig? Können wir auf dieser Basis weiterdiskutieren? Das wäre meine erste Frage.

Die zweite Frage. Sie haben sich mit der Aussage, daß es in anderen Ländern genauso wäre, auf sehr dünnes Eis begeben. Herr Becker hat ja mit seinem Gag zur Vorlage zur Funktionalreform des Freistaates Sachsen versucht, schon ein wenig die Aufmerksamkeit über die Landesgrenzen hinaus zu lenken. Die Vorlage des Freistaates Sachsen umfaßt eine Vielzahl von Seiten und ist der Öffentlichkeit zugänglich.

Sind Sie nicht der Meinung, daß ein solches Verfahren, das eine öffentliche Diskussion im Landesparlament über das zuläßt, was man in Sachen Reform der Lan