Protokoll der Sitzung vom 10.02.2000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens. Herr Gürth, ich verstehe, daß Sie immer nur von sechs Jahren reden und nicht an das Chaos erinnern möchten, das die erste Landesregierung in diesem Land verursacht hat.

(Zustimmung bei der SPD)

Zweitens. Heute sind Sie immerhin schon zu acht oder zu siebent anwesend - es dezimiert sich gerade ein bißchen. Als Sie neulich zur Öko-Steuer hier ans Rednerpult aufgebrochen sind, saß gar keiner bei der CDU.

(Herr Schomburg, CDU: Na, na! Ich saß!)

Das heißt, das Interesse scheint nicht so richtig groß zu sein. Ich muß das einmal sagen. Leider hatte ich keinen Fotoapparat dabei, sonst hätte ich geknipst, obwohl das unziemlich ist.

(Herr Metke, SPD, lacht)

Ich glaube natürlich, daß es verschiedene Ursachen dafür gibt, daß bei der CDU im Augenblick die depressiven Momente überwiegen; aber man darf die Dinge nicht vermischen.

Wenn Sie aus Zeitungen zitieren, dann tun Sie das doch bitte vollständig. Das Institut für Wirtschaftsforschung hat uns bescheinigt, daß wir auch bei der Wirtschaftsentwicklung in Ostdeutschland im Trend liegen.

(Frau Wiechmann, DVU: Wenn das der Trend ist, dann gute Nacht, Marie!)

Allerdings gebe ich zu, daß mir insgesamt das Tempo zu langsam ist. Ich werde nichts unversucht lassen, mit einigen Verbündeten die Rahmenbedingungen zu verbessern, so daß die Wirtschaft, von der die Impulse natürlich ausgehen müssen, etwas mehr Tempo bekommt.

Ich freue mich darüber, daß Sie sich dem Thema Außenwirtschaft zuwenden. Das ist durchaus lobenswert. Zehn Jahre nach der Wende ist es geradezu normal zu schauen: Wie haben sich die Instrumente der Außenwirtschaftsförderung bewährt; wie kann man gemeinsam mit den Kammern und Verbänden sowie den Unternehmen etwas tun, um die Defizite im Außenwirtschaftsbereich auszugleichen?

Dazu gehört auch eine Effizienzuntersuchung. Da wir mit eigenem Personal sparsam sind, haben wir sie in Auftrag gegeben. Wir erhoffen uns von dem Gutachten vertiefende Aussagen zur Außenhandelstätigkeit in qualitativer und quantitativer Hinsicht. Wir erhoffen uns, daß wir die Problemlagen spezifizieren und strukturelle Defizite in der Exportwirtschaft aufzeigen können. Dabei geht es natürlich auch um die Bewertung der bisherigen Strategien und Förderansätze.

Danach geht es darum, Lösungsansätze dafür zu finden, wie man das alles verbessern kann und wie man vor allen Dingen für die kleinen und mittleren Unternehmen die Möglichkeiten verbessern kann, von der dynamischen Globalisierung und der Entwicklung der ausländischen Märkte zu profitieren. Die Abstimmungsphase wird erst stattfinden, wenn das Gutachten vorliegt. Selbstverständlich wird es dazu dann eine Diskussion im Ausschuß für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten geben.

Nachdem ich das Verfahren, wie wir mit den Erkenntnissen umgehen werden, kurz angedeutet habe, möchte ich ein paar Bemerkungen zur Außenwirtschaft machen. Es steht außer Frage, daß wir Wachstumspotentiale nur darüber erschließen können, daß wir die internationale Arbeitsteilung ausnutzen. Aber eines muß man auch sagen: Die Unternehmen in und aus Sachsen-Anhalt behaupten sich auf den inländischen Märkten, auch in Sachsen-Anhalt, und bewegen sich dort im internationalen Wettbewerb. Das heißt, die globale Wirtschaft findet in der Region statt.

Die zahlreichen innovativen Unternehmen, auch die der Informations- und Technologiebranchen Sachsen-Anhalts, stellen täglich ihre Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis. Es ist nicht gut, wenn diese Leistungsfähigkeit aus dem politischen Bereich ständig ungeachtet der tatsächlichen Verhältnisse in Frage gestellt wird.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt nehme ich noch einmal Bezug auf das Wort „Depression“. Das ist ein Krankheitsbild. Wenn man sich lange genug einredet, daß man schlecht ist, dann steht man morgens nicht mehr auf. Genau das müssen wir vermeiden.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen unseren Unternehmen Mut machen, nicht irgendwie abgehoben, nicht fernab der Realität,

(Zuruf von Herrn Schulze, CDU)

aber auf dem Boden der tatsächlichen Leistungen, die in den letzten Jahren erbracht worden sind. Wir sind wirklich schlecht beraten, wenn wir ständig unseren Beitrag dazu leisten, die Dinge schlechter zu reden als sie sind.

Wenn Sie in den Unternehmen unterwegs sind und mit den Geschäftsführern, mit der Belegschaft reden, dann stellen Sie fest: Sie sind kampfeslustig, sie haben die Chancen der Globalisierung erkannt, und sie sind gewiß, daß sie in den nächsten Jahren genau die Effekte für sich nutzen werden, die die Globalisierung überhaupt erst ermöglicht. Sie fühlen sich im übrigen auch als ein Bestandteil der Entwicklung eines weltoffenen SachsenAnhalt. Sie wissen auch ganz genau, daß wir ein attraktiver Investitionsstandort sind. Das darf man an dieser Stelle nicht vergessen.

Je öfter wir davon reden, daß der Standort nichts taugt, daß die Unternehmen nichts können, um so schwieriger wird es, Unternehmen dafür zu begeistern, hier zu investieren. Allerdings haben diese Schlechtredeversuche bisher zum Glück nicht gewirkt. Wir sind nach wie vor die Nummer 1 - die letzten Statistiken belegen das beim Anwerben ausländischer Investoren.

Wenn Sie sich die Wirtschaftsdaten des Bundeswirtschaftsministeriums ansehen, stellen Sie fest, daß wir bis ins Jahr 1999 insgesamt bei geförderten Investitionen der gewerblichen Wirtschaft in Ostdeutschland die Nummer 1 sind.

(Unruhe bei der CDU)

- Sie können sich gern separat unterhalten. Vielleicht wollen Sie das auch nicht hören. Es gehört für mich unabdingbar dazu.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im übrigen wird die Diskussion im Ausschuß zeigen, inwieweit Sie tatsächlich bereit und in der Lage sind, uns zu unterstützen, auch unsere Konzepte weiterzuentwickeln.

Noch einen Aspekt. Die chemische Industrie hat im letzten Jahr beim Export massiv zugelegt

(Zustimmung von Herrn Dr. Sobetzko, CDU)

und das Volumen von 1 Milliarde DM überschritten. Oder ich nenne als Beispiel unsere Automobilzulieferindustrie, die inzwischen über 8 500 Beschäftige hat.

(Zuruf von Herrn Dr. Süß, PDS)

Die Automobilzulieferindustrie konnte in den letzten zwei Jahren ihren Absatz im Geschäft mit einem Konzern wie Volkswagen verdoppeln. Das ist ein Beleg dafür, daß diese Unternehmen im internationalen Wett-bewerb bestehen können. Leider ist in unserem Land oft nicht der Sitz der Mutterfirma. Das ist sehr bedauerlich, das darf aber nicht zu dem Schluß führen, daß die Firmen, die im Inland Absatz haben, im internationalen Wettbewerb nicht bestehen. Sie könnten sonst auch den Inlandsabsatz nicht erzielen.

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuß. Ich bin sicher, daß wir dort einen nennenswerten Schritt vorankommen werden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, würden Sie eine Frage von Herrn Dr. Süß beantworten? - Herr Dr. Süß, bitte.

Herr Minister, bis wann können Sie diese Analyse und diese Konzepte vorlegen?

Wir können - ich möchte es vorsichtig ausdrücken - die Diskussion im Ausschuß im ersten Halbjahr haben. Wir können das vor der Sommerpause unter Dach und Fach bringen.

(Zustimmung bei der SPD)

Bevor ich Kollegin Budde für die SPD-Fraktion das Wort erteile, freue ich mich, auch in Ihrem Namen Schülerinnen und Schüler des Winkelmann-Gymnasiums Seehausen in der Altmark begrüßen zu dürfen.

(Beifall im ganzen Hause)

Dann begrüße ich ganz herzlich Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Jugendweihe aus Gardelegen.

(Beifall im ganzen Hause)

Bitte schön, Frau Budde.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gürth, ich wundere mich immer wieder, was für eine feine Nase Sie haben, daß Sie Themen fünf Minuten bevor sie im Ministerium fertiggestellt worden sind, auf die Tagesordnung bringen.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Ich habe fast vermutet, daß das daran liegt, daß Ihre Aufbaustrategien - wir haben vorhin über Verwaltung gesprochen - in der ersten Legislaturperiode doch so gut funktioniert haben, daß Sie immer noch wissen, wann was im Ministerium fertig wird. Die Aufbaustrategien wurden damals nicht durch den Landtag bestätigt.

Das Thema Außenwirtschaft haben wir in jeder Legislaturperiode mindestens einmal auf der Tagesordnung. Das wird der Wichtigkeit des Themas auch gerecht. Wir haben in jeder Legislaturperiode mindestens einmal über das Außenwirtschaftsprogramm beraten und daran immer wieder etwas geändert. Wir haben es immer wieder den Gegebenheiten angepaßt.

Wenn Sie fragen, warum die Exportwirtschaft in Sachsen-Anhalt nicht so erfolgreich ist wie in den anderen Bundesländern, dann darf ich auf eine Erklärung des Ministers verweisen. Sie wissen genauso gut wie ich, daß wir sehr viel Zulieferindustrie haben. Das stimmt, und darüber werden Sie nicht den Kopf schütteln können. Deren Exportzahlen tauchen nicht in den Statistiken auf.

Sie haben hier mit Zahlen herumfilibustert, ich will es Ihnen darin nicht gleich tun. Daß wir sehr wenig Finalproduzenten in Sachsen-Anhalt haben, ist ganz sicher ein Problem. Darin gebe ich Ihnen recht. Daß sich die Zulieferer in den Zahlen nicht wiederfinden, darin müssen Sie mir wiederum recht geben. Die Lage der

Exportwirtschaft kann man aber anhand der statistischen Zahlen des Landesamtes so auch nicht beurteilen.

Sie beziehen sich immer auf das Jahr 1991. Ich würde sagen, es ist schon fast ein wenig böswillig, daß Sie dieses Jahr als Vergleich heranziehen. Die großen Einbrüche in der Industrie sind erst nach dem Jahr 1991 gekommen. Wenn Sie dieses Jahr als Vergleichsjahr heranziehen, dann müßten Sie sich auf die Vergleichszahlen beziehen, die für 1998, 1997, 1996 vorliegen. Da sind die Zahlen ungefähr gleich. Sie wissen aber auch, was die Zweit- und die Drittprivatisierungswelle auf die Wirtschaftsstruktur für Auswirkungen hatte.