Protokoll der Sitzung vom 10.02.2000

Ich finde es schon ein starkes Stück, daß ausgerechnet Sie davon sprechen, daß Sie ein Chaos in der Wirtschaftspolitik übernommen haben. Sie leben doch heute noch von den Ansiedlungen in der Großchemie der ersten Wahlperiode. Wenn die nicht wären, würden Sie noch erbärmlicher dastehen, als das jetzt Ihre Bilanz ausweist.

(Beifall bei der CDU)

Anstatt sich hier als Fotograf von leeren Fraktionsbänken zu betätigen, würde ich Ihnen vorschlagen, kümmern Sie sich endlich einmal um eine vernünftige Wirtschaftspolitik in Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung von Herrn Dr. Sobetzko, CDU)

Seitdem Herr Höppner regiert, seit 1994, sind wir in fast allen wirtschaftlichen Kennziffern von Spitzenpositionen zum Schlußlicht geworden. Das ist wahrlich ein Grund, sich zu schämen.

(Beifall bei der CDU - Frau Budde, SPD: Herr Gürth, kommen Sie mal ganz schnell wieder runter!)

Wir können die Daten aufnehmen, wir können dem Punkt für Punkt nachgehen. Aber anstatt daraus die Lehren zu ziehen, versuchen Sie, Statistiken schönzurechnen.

Dann nochmals zu dem Argument, das Sie immer und immer wieder bringen, weil die Daten ja so traurig sind. Die denken wir uns nicht aus. Wir würden Ihnen gerne gratulieren, weil man dann dem ganzen Land SachsenAnhalt gratulieren könnte, wenn Sie endlich einmal richtige Erfolge hätten. Leider ist das nicht so,

(Zustimmung von Herrn Schulze, CDU)

und dann sprechen Sie davon, daß wir die Leistungsfähigkeit der Industrie schlechtreden. Wenn ich wohlwollend wäre, würde ich sagen, Sie haben da nicht richtig hingehört. Aber das war Absicht bei Ihnen.

Wir reden nicht die Leistungsfähigkeit unserer Industrie schlecht. Wir sagen nur, daß Ihre Leistungsfähigkeit, die der Landesregierung, schlecht ist und wir das teuer bezahlen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Schauen wir doch einmal Ihre Bilanz an. Anstatt die Anstrengungen zu steigern, was die Exportwirtschaft betrifft, wenn wir so mit allen Zahlen nach unten marschieren, was machen wir? Wir kürzen auch noch die Mittel für die Außenwirtschaftsförderung für dieses Jahr. Es ist nicht die CDU.

(Zustimmung von Frau Ludewig, CDU)

Nehmen wir einmal die Kammern, die Verbände, wie die das einschätzen. Die Arbeitgeber schreiben: Wir wissen derzeit nicht genau, wie die wirtschaftspolitische Grundlinie der Landesregierung auf dem Gebiet der Absatzförderung ist. Derartige Stellungnahmen können Sie von allen Kammern und selbst von Leuten, die Ihnen nahestehen, erwarten.

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

Und warum ist das so? Weil bis heute auch in den Kammern bei den Leuten, die sich mit Außenwirtschaft befassen, keiner weiß, was in welcher Höhe in diesem Jahr gefördert wird. Es wird auf die Mittelstandsinitiative und darauf verwiesen, daß irgendwann mitten im Jahr neue Richtlinien herauskommen sollen. Keiner weiß ganz genau, was in diesem Jahr los ist. Meine Damen und Herren! Das ist wirklich kein Ruhmesblatt.

(Frau Budde, SPD: Das stimmt doch nicht!)

Frau Budde, Sie haben noch einmal beklagt, daß wir auf das Jahr 1991 Bezug nehmen. Unser Bezug auf die Wirtschaftsdaten des Jahres 1991 betraf nicht nur Sachsen-Anhalt, sondern alle neuen Bundesländer. Das betrifft also alle gleichermaßen.

(Frau Budde, SPD: Das ändert nichts daran, daß es in allen neuen Bundesländern nach 1991 ei- nen Einbruch gegeben hat!)

Da Sie das nach wie vor durch Zwischenrufe beklagen ich habe das fast geahnt -, möchte ich Ihnen Zahlen für den Zeitraum nennen, den Sie sich eben gewünscht haben.

Herr Gürth, sind Sie bereit, bevor Sie Ihre Zahlen nennen, eine Zwischenfrage von Herrn Rahmig zu beantworten?

Am Ende sehr gern.

Am Ende.

Es geht um den Zeitraum seit 1994, seitdem Sie als SPD die Regierungsverantwortung im Lande haben. Vor mir liegt ein Auszug aus einer Veröffentlichung des Statistischen Landesamtes. Das ist wirklich keine CDUnahe Institution, sondern das sind Statistiker, denen Regierungen vielleicht egal sind. Sie stellen nur fest, was Fakt ist. Ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren:

„Seit 1994 verharrte der Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz in Sachsen-Anhalt nahezu unverändert an der 13%-Marke. Im Gegensatz dazu zeichnete sich in den anderen ostdeutschen Ländern über die Jahre eine fast kontinuierliche Aufwärtsentwicklung ab.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie in der Koalition oder in der SPD-Fraktion sehr herzlich bitten, dies ernst zu nehmen und nicht immer schönzureden und die CDU zu kritisieren, weil sie diese schlechten Fakten, die das Ergebnis Ihrer schlechten Regierungspolitik sind, immer wieder zur Sprache bringt. Das führt uns nicht weiter.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir haben vom Minister immer wieder dasselbe Spiel erlebt. Es ist noch einmal darauf hingewiesen worden, wie toll alles in diesem Lande sei. So ist das in Ihrer heutigen Pressemitteilung - sie ist noch fast druckfrisch - auch passiert. Das ist typisch für die SPD-geführte Regierung in Sachsen-Anhalt.

Sie sind zum Beispiel auf die Gewerbeanmeldungen eingegangen und freuten sich darüber, daß seit Ihrem Regierungsantritt im Jahre 1994 146 000 Gewerbeanmeldungen zu verzeichnen gewesen seien. Schauen wir uns aber einmal an, was dem gegenübersteht. Wenn wir uns die Gewerbeanmeldungszahlen aller Bundesländer anschauen, werden wir feststellen, daß wir auch in dieser Hinsicht Schlußlicht sind.

Wenn wir uns dann anschauen, wie die Entwicklung in der jüngsten Geschichte, im letzten Jahr aussieht, werden wir feststellen, daß allein im Kammerbezirk Halle im Jahre 1999 ein negativer Gewerbesaldo festzustellen ist. Dies ist fast einmalig in Deutschland. Ende 1999 gab es 2 000 Firmen weniger als zu Beginn des Jahres.

Und dann stellen Sie sich hier hin und sagen, alles sei wunderbar und solle so bleiben, die CDU solle nur nicht so herummeckern. Hören Sie auf, Kritik zu kritisieren, sondern ändern Sie Ihre Politik.

(Zustimmung bei der CDU)

Denn solange wir die höchste Arbeitslosigkeit haben, dürfen Sie mit der Kritik anderer nicht arrogant umgehen, sondern müssen Ihre Politik überdenken und ändern.

(Zustimmung bei der CDU und bei der DVU)

Herr Gürth, Sie hatten versprochen, eine Frage von Herrn Rahmig zu beantworten. Herr Rahmig, Sie haben jetzt das Wort.

Herr Kollege Gürth, über die Statistik wollen wir uns im Ausschuß unterhalten. Aber ich stelle Ihnen folgende Frage: Ist Ihnen im Hinblick auf die Attraktivität des Landes bekannt, daß anläßlich der Inbetriebnahme von Guardian Flachglas der damalige Kanzler und das nun gestürzte Denkmal zur Attraktivität des Landes geäußert hat: Kommen Sie nach Sachsen-Anhalt; hier finden Sie hervorragende Bedingungen; hier geht das auch alles sehr schnell, es ist also sehr sinnvoll, hierher zu kommen? - Wenn Sie das nicht wissen sollten, fragen Sie Ihren Fraktionsvorsitzenden oder den Kollegen Schulze. Sie saßen damals neben mir.

Lieber Herr Kollege Rahmig, nicht nur diese Sätze kenne ich. Genau dieselben Sätze können Sie auch von mir hören, wenn ich irgendwo im Ausland oder anderswo bin und für Sachsen-Anhalt werbe. Das ist überhaupt keine Frage.

(Herr Rahmig, SPD: Das ist ein Unterschied! - Frau Budde, SPD: Aber nicht in Sachsen-An- halt!)

Wenn Sie sich Guardian Flachglas anschauen: Blicken wir einmal zurück. Vier Jahre Schucht in Sachsen-Anhalt. Der Einstieg war schon grandios. Es folgte lange nichts, und in den Ansiedlungen war Ebbe, auch bis zum Ende beinahe Ebbe. Dann kam Guardian Flachglas. Innerhalb eines Jahres - ich habe das gezählt gab es 50 Presseartikel, initiiert, angestoßen durch die Landesregierung, zu Guardian Flachglas als Beispiel dafür, daß auch Ansiedlungen gelingen.

Es ist schön, daß Guardian Flachglas gekommen ist. Wir freuen uns auch darüber. Es ist nur zu wenig, wenn sich eine Landesregierung darauf beschränken muß, die Ansiedlung eines Unternehmens über beinahe zwölf Monate zu loben, während ansonsten nicht allzu viel passiert. Wir können davon nicht leben. Das reicht einfach nicht aus. Wir alle haben die Verantwortung, für Sachsen-Anhalt zu werben, und wir alle haben die Verantwortung dafür übernommen, daß in diesem Lande mehr passiert, daß sich mehr Leute in Sachsen-Anhalt ansiedeln, die Arbeit schaffen.

Unsere Forderung ist - sie ist, glaube ich, auch berechtigt -, daß die Landesregierung endlich auch Anstrengungen unternimmt und all denen, die um Investitionen und Arbeitsplätze werben, das Geschäft endlich leichter macht. Das fordern wir, und das ist Pflicht der Landesregierung.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, Sie wollten noch eine kurze Bemerkung machen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nur eine kurze Bemerkung. Ich freue mich, Herr Gürth, daß Sie für Sachsen-Anhalt werben wollen. Schade, daß das aus dem Programm Ihrer Fraktionsdelegation, die neulich in Taiwan gewesen ist, nicht so hervorging, was Sie da an Werbung für Sachsen-Anhalt veranstaltet haben.

Aber das nur am Rande. Zehn Tage wären dafür eigentlich Zeit genug gewesen.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Ansonsten freue ich mich über die Feststellung, daß wir gemeinsam etwas für das Land Sachsen-Anhalt tun wollen, um das Tempo der Wirtschaftsentwicklung zu erhöhen.

Nur noch einmal drei Sachen - zwei habe ich vorhin schon genannt -: Auf den Einwohner gerechnet Nr. 1 nach den aktuellen Statistiken in Ostdeutschland, was Investitionen ausländischer Firmen bei uns betrifft; Nr. 1 bei geförderten Investitionen allgemein in der gewerblichen Wirtschaft über die GA und die anderen Programme - das kann man alles nachlesen - und im übrigen auch Nr. 1 beim Bruttoinlandsprodukt pro Erwerbstätigen. Lesen Sie es ruhig einmal vollständig.

(Beifall bei der SPD)

Die Runde ist damit noch einmal offen. Möchte noch jemand dazu reden? - Bitte schön, Herr Gürth.

(Zurufe von der SPD - Herr Dr. Süß, PDS: Ach! - Herr Gallert, PDS: Mann!)