Protokoll der Sitzung vom 10.03.2000

Herr Professor Trepte, bitte.

Herr Minister Harms, meine Frage wird inhaltlich-struktureller Natur sein.

Es scheint sich doch herauszukristallisieren, daß wir mittelfristig von einer Zielplanung von etwa 34 000 Studenten für das Land Sachsen-Anhalt ausgehen werden. Vielleicht müssen wir das weiter nach unten korrigieren. Diese 34 000 Studenten verteilen sich in SachsenAnhalt auf zwei Universitäten und fünf Fachhochschulen. Den Durchschnitt kann sich jeder selbst ausrechnen.

Das ist ein Bruchteil dessen, was entweder an der Freien Universität in Berlin insgesamt studiert, oder ein Bruchteil dessen, was an der Technischen Universität Berlin studiert. Wir leisten uns in Sachsen-Anhalt Studiengänge, in denen pro Matrikel fünf, sechs oder sieben Studenten studieren. Wir leisten uns sieben Rektorate, sieben Bafög-Stellen, also insgesamt sieben Hochschulverwaltungen.

Denken Sie nicht, daß diese Problematik der Hochschullandschaft in Sachsen-Anhalt langfristig viel prinzipieller und konsequenter angegangen werden müßte?

Herr Professor Trepte, das ist eine ganz schwierige Frage. Sie erkennen an dem vorliegenden Gesetzentwurf das deckt sich mit meiner Auffassung -, daß wir die ursprünglichen Überlegungen, eine eigene Fachhochschule in Stendal zu errichten, korrigieren müssen. Insoweit wird die Zahl der Fachhochschulen gegenüber den ursprünglichen Planungen um eine Fachhochschule reduziert.

Sie erkennen beispielsweise an der Struktur der Fachhochschule Anhalt aber auch, daß an drei Standorten gearbeitet wird. Das heißt, auf der Ebene der Fachhochschulen ist eine starke Regionalisierung des Bildungsangebots angesprochen worden. Ich halte das für richtig. Ich glaube, daß eine Dezentralisierung hierbei insofern angemessen ist, als das Land SachsenAnhalt nicht mit einem Stadtstaat wie Berlin vergleichbar ist.

Ich habe einmal das Vergnügen gehabt, an der Berliner Freien Universität zu studieren. Ich sage Ihnen, daß meine Gespräche mit den Studierenden in Magdeburg und Halle zeigen, daß hier eine sehr viel intensivere Betreuung möglich ist, und daß die hohe Zahl der Studienabbrecher gerade an den Massenuniversitäten darauf hinweist, daß wir gut daran tun, überschaubare Einheiten zu haben.

Über den zweiten Aspekt, den Sie angesprochen haben, nämlich die sehr starke Ausdifferenzierung der Fächer, müssen wir, glaube ich, nachdenken, und zwar auch im Sinne komplementärer Strukturen. Das heißt nicht, daß das Bildungsangebot in der Fläche beschnitten werden soll. Vielmehr müssen wir vielleicht nicht an jeder Hochschule jedes Fach vorhalten, wie es in der konkurrenzhaften Situation des Aufbaus entstanden ist. Ich halte es im Sinne einer regionalen Entwicklung auch für zumutbar, daß man beispielsweise ein bestimmtes Fach nicht an der Hochschule Harz studiert, sondern dafür nach Köthen oder nach Dessau fährt.

Hierzu wollen wir eine Abstimmung zwischen den Hochschulen erreichen. Dies gilt auch für die beiden Universitäten, die wir auffordern werden, genau in diesem Sinne in eine Prüfung einzutreten.

Es gibt Fächer, die auch wegen ihrer Struktur notwendigerweise klein bleiben. Ich nenne einmal die Orientwissenschaften in Halle. Niemand wird in bezug auf einen solchen traditionsreichen Studiengang, der an der Universität über eine der bekanntesten orientwissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland und Europa verfügt, sagen: Weil ihr so wenige Studenten habt, schaffen wir diesen ganzen Bereich ab. Dort gibt es Traditionen. Dort gibt es Fächer, die auch anderswo, auch an anderen Hochschulen in der Republik, auch in Stadtstaaten, sehr klein sind.

Wir müssen hierbei ein ausgewogenes Verhältnis erreichen. Es wird ein Prozeß über mehrere Jahre sein. Ich wende mich allerdings dagegen, die Hochschulen in dieser Situation auch noch mit Forderungen nach Schließung zu überziehen. Die Landschaft selbst ist, glaube ich, dauerhaft stabil zu halten, allerdings mit komplementären Strukturen.

(Zustimmung bei der SPD und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Wir kommen dann zu der Debatte, für die folgende Reihenfolge vereinbart worden ist: CDU-, DVU-FL-, PDS-, FDVP- und SPD-Fraktion.

Bevor ich den ersten Redner aufrufe, darf ich Schülerinnen und Schüler aus der Sekundarschule Pratau unter uns begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Remmers. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, es gibt in diesem Hause niemanden, der sich mit dem Thema etwas näher befaßt hat, der nicht sagen würde: Es gibt Handlungsbedarf. Darüber besteht zunächst völlige Einigkeit. Es besteht sicherlich auch Einigkeit darüber - sowohl hier im Hause als auch mit den Hoch

schulen -, daß die Hochschulstruktur in unserem Land neu überprüft werden muß, daß vielleicht neue Gestaltungen notwendig sind.

Das Problem, das wir mit diesem Gesetz haben - das wird dazu führen, daß wir dieses Gesetz, jedenfalls in dieser Form, nicht mittragen werden -, ist, daß es an ganz entscheidenden - ich sage es einmal so Ankündigungen und Entscheidungen der Regierung fehlt, die Grundlage für die Anwendung dieses Gesetzes sein müssen.

(Zustimmung bei der CDU)

Was wir brauchen, ist eine Hochschulstrukturplanung für dieses Land.

(Zustimmung bei der CDU)

Und wir brauchen möglicherweise, wenn die Hochschulstrukturplanung - - Daß sie notwendig war, das wußte Herr Reck schon vor fünf Jahren. Er hat es angekündigt und versprochen, aber nicht gehalten. Wir brauchen die Hochschulplanung. Dann können Sie sich vielleicht eine solche Werkzeugkiste zulegen, mit der Sie versuchen, Dinge, die inhaltlich vorher noch nicht bestimmt sind, durchzusetzen.

Das Entscheidende ist doch, daß hier schlicht Aussagen fehlen. Es ist zwar heute morgen - es war ganz auffällig - von Herrn Ernst wie vom Minister über die Studentenzahlen gesprochen worden, aber das bleibt im Unverbindlichen; im Gesetz steht kein Wort davon.

(Minister Herr Dr. Harms: Das wäre auch ko- misch!)

Es fehlt zum Beispiel ein verläßlicher Finanzrahmen für die Zielplanung der Hochschulen. Im Gegenteil: Was an Verläßlichkeit da war - wogegen übrigens die Mehrheit in diesem Landtag bei den Haushaltsgesetzen immer wieder verstoßen hat -, wird abgebaut. Diese Bestimmung ist heute gar nicht angesprochen worden im Zusammenhang mit § 116, in dem die Hochschulen in ihrer Planung auf die mittelfristige Finanzplanung verwiesen werden.

Jetzt frage ich jeden, der sich hier im Hause etwas um die Finanzsituation unseres Landes und die Planbarkeit von Dingen kümmert: Für wie zuverlässig halten Sie Strukturplanungen an Hochschulen, wenn sie an die Werte der mittelfristigen Finanzplanung geknüpft sein müssen? Dazu kann man wirklich nur sagen: Hier wird Unzuverlässigkeit, Ungenauigkeit statt präziser Planungsvorgaben angeboten.

(Zustimmung bei der CDU)

In bezug auf den Aufbau zum Beispiel wäre Ihre Zielvorgabe wichtig. Sie sollten den Hochschulen im Lande, die in einen Konflikt untereinander getrieben werden, sagen, was Sie für Vorstellungen davon haben, wo was an welcher Stelle in welchem Umfang passieren soll, also standortbezogen die Studierendenzahlen aufteilen etwa in Ingenieurwissenschaften, Geistes- und Sozialwissenschaften, Naturwissenschaften und anderes mehr, so etwas wie einen Rahmenplan.

Wir kriegen das nicht zu hören. Ich kann daraus nur den Schluß ziehen, daß hier Verfügungsinstrumente zu Lasten der Autonomie der Hochschulen geschaffen werden, ohne daß man bereit ist, vorher seine Absichten offenzulegen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist der Kernpunkt unserer Kritik und, wie Sie wissen, nicht nur unserer Kritik.

Ich weiß, daß man immer mal über die Grenzen hinaussehen sollte. Sie haben Bayern zitiert. Wenn man sich Artikel 16 der bayerischen Hochschulgesetzgebung ansieht, dann stellt man fest, daß dort auch etwas darüber steht, daß es Aufgabe des Staates, des Landes ist, bei der Planung etwas vorzugeben.

Noch deutlicher ist es in Hessen. In Hessen ist am 10. November 1998 - damit niemand auf falsche Gedanken kommt

(Heiterkeit bei der CDU)

folgendes ausgesagt worden: Das Ministerium erstellt Zielvorgaben für die Entwicklung der Hochschulen. Erst später heißt es dann, daß die einzelnen Hochschulen aufgrund dieser Zielvorgaben mit dem Kultusministerium Zielvereinbarungen, die auch verläßliche Aussagen zur Finanzierung enthalten sollen, abschließen können.

(Zustimmung von Herrn Dr. Sobetzko, CDU)

Das hätten wir von Ihnen erwartet. Mir ist es egal, wenn sich die Fraktion der SPD als Bote für die Erwägungen des Kultusministers betätigt. Das ist schon in Ordnung. Ich denke nicht, daß Sie damit Anhörungen umgehen wollen. Wir werden gleichwohl Anhörungen im Ausschuß durchführen, und wir werden darüber zu diskutieren haben.

Ich will es ganz kurz für mich zusammenfassen, weil ich denke, ich bekomme ein Signal wegen der Redezeit -

Sie denken richtig, Herr Kollege Remmers.

Ich denke, wir werden über dieses Gesetz im Ausschuß zu beraten haben. Wir werden es aber nicht tun können, ohne daß diese Landesregierung ihre Ressourcen auch dazu benutzt, materiell zu planen, materielle Vorgaben zu machen. Studentenzahlen: Was haben Sie für Vorstellungen, Herr Harms? Finanzrahmen: Was für Verläßlichkeiten können Sie den Hochschulen bieten? Und schließlich: Was soll wo im Lande in welchem Umfang geschehen? Das müssen Sie sagen. Dann kann über Folgegesetze geredet werden.

So ins Vage hinein - das hatte ich auch öffentlich gesagt - können wir Ihnen diese schweren Geräte für die Gartenarbeit nicht zugestehen. Wir wüßten gern, welche Bäume Sie fällen wollen, bevor wir Ihnen so große Sägen in die Hand geben. - Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDVP und bei der DVU-FL)

Von der DVU-FL-Fraktion wurde kein Redebeitrag angemeldet. Von der PDS-Fraktion wurde Frau Dr. Weiher angemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf bietet den Rahmen zur Umsetzung der geplanten Hochschulstrukturreform. Wir werden uns

daher sehr eng an das Gesetz halten und an diesem Platz nicht zu grundsätzlichen Fragen der Hochschulstrukturreform im Land Stellung nehmen. Dazu wird es sicherlich noch bei der Aussprache zur Großen Anfrage der CDU-Fraktion zur Hochschulentwicklung Gelegenheit geben.

Der Gesetzentwurf beinhaltet neue Elemente ebenso wie die Neugewichtung bereits bekannter Möglichkeiten zur Umsetzung hochschul- und wissenschaftspolitischer Vorstellungen. Dazu zählen unter anderem geänderte Verhältnisse zwischen der Landesregierung und den Hochschulen bei Planungsprozessen der Hochschulhaushalte, geänderte konkrete Aufgaben und Zielstellungen der verschiedenen Ebenen innerhalb der Hochschulen sowie zwischen den Hochschulen und der Landesregierung und Positionsänderungen von Senat und Senatskommissionen, Ausgestaltung von Instrumentarien, wie beispielsweise Zielvereinbarungen und zu qualifizierende Hochschulentwicklungspläne, geänderte Regelungen zu Prüfungsordnungen und zu dienstrechtlichen Fragen innerhalb der Gruppe der Professoren.

Prinzipiell werden deutlich die Verantwortung und die Einflußmöglichkeiten der Landesregierung gestärkt. Eine einseitige Aussichtung, das heißt eine Flußrichtung vom Ministerium zu den Hochschulen, wird daher zwangsläufig eher kritisch und mißtrauisch betrachtet. Immerhin könnten sich damit Abhängigkeiten der Hochschulen von Entscheidungen der Landesregierung vergrößern bzw. vertiefen, Abhängigkeiten, die ohnehin schon direkt oder indirekt bestehen.

Im Rahmen der Gesetzgebung zum Landeshaushalt hat sich das bisher jedes Jahr deutlich gezeigt. Besonders kritisch kann die Betrachtung auch ausfallen, weil die Einflußmöglichkeiten von außen unter Umständen auch als Verletzung der Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Forschung, Lehre und Studium interpretierbar sind.

Als der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz der Hochschulen Sachsen-Anhalts, Professor Kreckel, vor einiger Zeit vor dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft ausführte, daß ein Konsens zwischen den Hochschulen zu Strukturentwicklungsfragen noch nicht in Sicht sei, und ganz klar die letzte Entscheidungsverantwortung an den Landtag und an die Landesregierung verwies, wuchs bei uns die Befürchtung, daß sich die Diskussion über diese Beschlüsse erneut abseits von mittelfristig zu erwartenden wissenschafts- und forschungspolitischen Entwicklungsprozessen bewegen würde. Wünschenswert wäre, daß inhaltliche Problemstellungen zu den wesentlichen Eckpunkten dieser Konsensposition gehören würden, was so im Augenblick noch nicht zu sehen ist.