Anders stellt sich allerdings die Situation bei den Amtsgerichtsstandorten Hettstedt und Osterburg dar. Diese beiden werden nur schwer die Größe erreichen, bei der ihr dauerhafter Fortbestand nicht in Frage gestellt wird. Der Auftrag für eine erneute Evaluation ist jedoch ein tragfähiger Kompromiß. Lassen Sie uns in drei Jahren erörtern, ob die Argumente für und gegen die Auflösung der Amtsgerichte Hettstedt und Osterburg ein anderes Gewicht erhalten.
Der Abschlußbericht der interministeriellen Projektgruppe gibt uns Maßstäbe in die Hand, an denen die Kriterien unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen, demographischen und infrastrukturellen Entwicklung neu gemessen werden können.
Meine Damen und Herren! Die Reform der Amtsgerichtsstruktur stand von Anbeginn an unter der Maßgabe der Stärkung der Justiz durch die Schaffung leistungsfähiger Eingangsgerichte. Das hat der Ministerpräsident bereits in seiner Regierungserklärung ausgeführt. Darauf habe auch ich in allen Äußerungen den Akzent gesetzt.
Ich habe auch dargelegt, daß wir gut beraten sind, die Amtsgerichte jetzt in den Stand zu versetzen, nicht nur ihre seit Jahren stetig gestiegenen Aufgaben effizienter, das heißt ohne übermäßigen Einsatz, wahrnehmen zu können, sondern auch für die im Rahmen der Reformvorhaben des Bundes sich abzeichnenden Kompetenzzuwächse gewappnet zu sein.
Von dieser Einschätzung ist nichts zurückzunehmen. Ich vermag mich der Auffassung nicht anzuschließen, die hier und dort vertreten worden ist, man solle abwarten,
wie die Prozeßrechtsreform des Bundes ausfällt. Wir stehen auch deshalb vor der Notwendigkeit, die Amtsgerichtsreform jetzt auf den Weg zu bringen, weil die Umsetzung dieses Vorhabens nicht auf einen Schlag erfolgen kann.
Angesichts der Haushaltslage bleibt auch meinem Haus nichts anderes übrig, als sich mit den Investitionsbedarfen der anderen Ressorts zu arrangieren. Es werden von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr nur einige der mit der Zusammenlegung der Amtsgerichtsstandorte verbundenen Bauprojekte verwirklicht werden können. Außerdem veranschlage ich für die größeren Vorhaben Planungs- und Bauzeiten von durchschnittlich zwei bis drei Jahren.
Andererseits sollten wir uns im klaren darüber sein, daß die Alternative, nämlich nichts zu unternehmen, abgesehen von ihrer justizpolitischen Unvertretbarkeit keinesfalls kostenneutral sein wird. Das Reformvorhaben jetzt zu verschieben bedeutet nämlich, daß wir wider besseres Wissen alle Standorte so behandeln müssen, als würden sie auf Dauer aufrechterhalten bleiben; denn gar nichts zu tun ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz nicht länger zuzumuten. Wir würden nach einigen Jahren, wenn uns die Entwicklung überrollt hat, nachrechnen, daß wir wertvolle Investitionen in Standorte gesteckt haben, die letztendlich dann doch aufgegeben werden müssen.
Wie Sie dem Abschlußbericht der Projektgruppe entnehmen können, besteht neben den notwendigen Bauerhaltungsmaßnahmen an den meisten Amtsgerichtsstandorten ein erheblicher Sanierungs- und Erweiterungsbedarf. Wie wollten Sie hierüber entscheiden, wenn die Grundsatzfrage nach der Zukunft der einzelnen Standorte unbeantwortet bliebe?
Ich bleibe dabei, daß es eine Unterlassungssünde wäre, abzuwarten, um dann einer Entwicklung hinterherzulaufen, die seit Jahren absehbar war. Meine Meinung stütze ich auch auf den Stand der bundesweiten Reformvorhaben. Der nunmehr vorliegende Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Zivilprozeßreform sollte uns darin bestärken, auf dem eingeschlagenen Weg der Neugliederung der Amtsgerichte zügig voranzuschreiten.
Die im Rahmen des Reformvorhabens durchgeführ- ten rechtstatsächlichen Untersuchungen lassen nicht den Schluß zu, daß die Urteile der Amtsrichter, die schon heute in Verfahren bis zu einem Streitwert von 10 000 DM unabhängig von der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeit allein entscheiden, gegenüber denen eines Kollegialspruchkörpers von minderer Qualität wären. Daher ist auch die Stärkung des Einzelrichterprinzips der wesentliche Bestandteil des Bundesreformvorhabens.
Erlauben Sie mir, an dieser Stelle einen Aspekt der Reform des Zivilverfahrensrechts etwas umfangreicher darzulegen. Ich bin davon überzeugt, daß sich hieraus besonders augenfällig ableiten läßt, wie notwendig die Stärkung der Eingangsgerichte und damit die anstehende Neugliederung der Amtsgerichte ist.
Die Rechtsmittelreform in Zivilsachen dient unter anderem dem Ziel, die Verfahren bereits in der ersten Instanz zur Überzeugung aller Beteiligten zu beenden. Unabdingbare Voraussetzung zur Erreichung dieses Ziels einer streitbeendenden Funktion der ersten Instanz und damit einer Verfahrensbeschleunigung ist eine inhalt- liche Stärkung dieser Instanz.
Der Entwurf erweitert deshalb die materielle Prozeßleitungs- und Hinweispflicht des Gerichts. Der Richter soll die Sach- und Rechtslage mit den Parteien umfassend erörtern und darlegen, wenn seine Beurteilung von dem Vortrag einer Partei abweicht. Die richterliche Entscheidungsfindung soll für die Parteien transparenter werden, damit der Prozeßstoff schneller auf die entscheidungserheblichen Fragen beschränkt werden kann. Wenn die Parteien auf diese Weise in das Verfahren einbezogen werden, kann man davon ausgehen, daß sie ein streitiges Urteil, auch wenn es zu ihren Ungunsten ausfällt, eher akzeptieren können.
Die Möglichkeit einer einvernehmlichen Konfliktregelung wird im heutigen Zivilprozeß nicht ausreichend genutzt. Angesichts der unverändert hohen Belastung der Zivilgerichtsbarkeit ist es jedoch notwendig, ein stärkeres Augenmerk auf eine gütliche Streitbeilegung in einem möglichst frühen Stadium zu legen. Damit werden die Gerichte entlastet. Sie dient aber auch den Verfahrensbeteiligten, indem sie die Möglichkeit eines schnellen, einfachen und kostengünstigen Verfahrens eröffnet.
Der Gütegedanke wird in dem Referentenentwurf durch die Einführung einer obligatorischen Güteverhandlung, die der eigentlichen streitigen Verhandlung vorausgeht, institutionell stärker verankert.
Ich habe bewußt diese Aspekte des Reformvorhabens herausgegriffen, weil sie sehr deutlich machen, welche Bedeutung die Zivilverfahren vor den Amtsgerichten in Zukunft haben werden. Jedem dürfte klar sein, daß das derzeit vorhandene Personal bei den Eingangsgerichten hierfür nicht ausreicht. Eine Erweiterung der Amts- gerichte ist daher unausweichlich.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist auf diese Reform der Bundesregierung vorbereitet wie auch auf eine vermutlich folgende Reform in Strafsachen.
Meine Damen und Herren! Sicherlich erwarten Sie auch einen Exkurs auf die finanzielle Seite des Reformvorhabens. Ich habe zwar von Anfang an ausgeführt, daß die Neugliederung der Amtsgerichte nicht fiskalischen Erwägungen geschuldet ist. Ihnen kommt aber, das wissen wir alle, ein erhebliches Gewicht zu.
Ich bin deshalb froh, feststellen zu können, daß auch auf der Grundlage des geänderten Gesetzentwurfes trotz der mit der Zusammenlegung der Amtsgerichte verbundenen Baukosten hochgerechnet auf zehn Jahre erhebliche Minderausgaben zu erwarten sind.
Unter Zugrundelegung des Daten- und Zahlenmaterials, das die interministerielle Projektgruppe unter Beteiligung der Finanzverwaltung zur Untersuchung der Amtsgerichtsneugliederung erhoben und ausgewertet hat, stehen bei einer Reduzierung auf nunmehr 27 Amtsgerichte Mehrkosten von rund 20,9 Millionen DM Minderausgaben in Höhe von 28,2 Millionen DM gegenüber. Diese Minderausgaben sind zu einem erheblichen Teil auf den geringeren Flächenbedarf und die damit verbundenen Einsparungen bei der Sanierung, Bauunterhaltung und Bewirtschaftung zurückzuführen.
Absichtlich unberücksichtigt bleiben eventuelle Erlöse aus der Veräußerung aufgegebener Liegenschaften. Sofern auch nur einige der Liegenschaften veräußert würden, entstünden nicht unerhebliche Einnahmen für das Land. Ich will den Verhandlungen, die wir seriöserweise erst aufnehmen können, wenn das Gesetz beschlossen ist, nicht vorgreifen und verzichte daher auf
Wenn Sie, meine Damen und Herren, dem Gesetz zustimmen, kann es zum 1. Juni in Kraft treten. Die aufzulösenden Amtsgerichtsstandorte werden dann zunächst als Zweigstellen der aufnehmenden Gerichte fortgeführt, bis dort die baulichen Voraussetzungen geschaffen sind.
Ich hoffe, daß wir uns bei der Finanzierung dieser Baumaßnahmen jederzeit der Verantwortung bewußt bleiben und zu einer zügigen Umsetzung dieses Vorhabens finden; denn die Zweigstellenregelung darf nur eine Übergangslösung sein, die im wesentlichen dem Umstand geschuldet ist, daß das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters und das Bestimmtheitserfordernis der Gesetzesregelung eine solche Zwischenlösung notwendig machen.
Meine Damen und Herren! Die Justiz fit zu machen ist das Gebot der Stunde. Kleine und kleinste Amtsgerichte sind nicht zukunftsfähig. Die Neugliederung der Amtsgerichtsbezirke in Sachsen-Anhalt schafft die Voraussetzungen, unter dem Erhalt von Bürgernähe und zumutbarer Erreichbarkeit Gerichte zu bilden, die schnelles und gutes Recht sprechen werden - auch dann, wenn ihre Aufgaben nochmals erheblich steigen werden.
Die Synergieeffekte des Reformvorhabens lassen schon in den ersten zehn Jahren trotz der notwendigen Investitionen Minderausgaben in Höhe von 7,35 Millionen DM erwarten.
Die Amtsgerichte im Land Sachsen-Anhalt werden auch in Zukunft bürgernah bleiben. Der Rechtsstaat zieht sich nicht aus der Fläche zurück. Wir schaffen vielmehr auch in der Amtsgerichtsstruktur den Anschluß an die Mehrzahl der Bundesländer, welche vergleichbare Reformen längst hinter sich gebracht haben.
Unsere Bürgerinnen und Bürger haben eine moderne und zukunftssichere Justiz verdient. Beweisen wir politische Klugheit und Weitsicht, indem wir jetzt die Neugliederung der Amtsgerichte auf den Weg bringen. - Ich danke Ihnen.
Frau Ministerin, Sie haben das Thema der Umbauten bzw. der Ergänzungsbauten nur kurz gestreift. Ich habe eine konkrete Frage in bezug auf den Bördekreis. Sie wollen das Amtsgericht in Wanzleben schließen. Wann soll der Umzug erfolgen? Wie hoch schätzen Sie die Kosten für den Standort Oschersleben ein, wenn der Umzug erfolgt? Ist das im Detail geprüft worden?
Wir haben das natürlich im Detail geprüft. Aber wie ich soeben ausgeführt habe, bedarf es vor jeder Umsetzung des Ganges zum Haushaltsgesetzgeber. Das heißt, in den Haushaltsberatungen wird das Vorhaben angemeldet. Es wird letztlich von Ihnen entschieden, ob die Mittel, die für die Umsetzungen im jeweils nächsten
Selbstverständlich haben wir uns in unserem Haus Gedanken darüber gemacht, wie die Zeitschiene aussehen könnte. Aber da das von Ihrem Willen abhängig ist, sollten wir abwarten, wie Sie darüber beschließen werden.
Entschuldigung, die Abgeordnete Frau Stange hat auch noch eine Frage angemeldet. Wenn Sie bereit sind zu antworten, erteile ich ihr das Wort. - Bitte.
Frau Ministerin, wie beurteilen Sie den Entschließungsantrag der PDS? Welche Nachnutzung haben Sie für die beiden dort angeführten Gerichtsstandorte vorgesehen?
Wir streben selbstverständlich für alle Gerichtsstandorte, die aufgegeben werden sollen, Nachnutzungen an; denn das ist wirtschaftlich.
Insbesondere, denke ich, zielt Ihre Frage auf den Standort Genthin ab. Auch hier haben wir intensive Verhandlungen geführt. Aber wie ich eben in meiner Rede ausgeführt habe, kann man, solange das Gesetz nicht beschlossen ist, nicht in offizielle Vertragsverhandlungen einsteigen.
Wir haben uns durchaus über den Standort Genthin sehr intensiv Gedanken gemacht; denn Genthin ist einer der Standorte, der von seinem Sanierungsstand her einer der am besten ausgestatteten Standorte ist. So einen Gerichtsstandort gibt man nicht auf, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was daraus wird.
Vielen Dank. - Wir beginnen jetzt keine Diskussion. Wenn keine Fragen mehr gestellt werden, beginnen wir mit der Debatte der Fraktionen. Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Remmers. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Ministerin, Sie haben wirklich sehr hoch angesetzt mit Ihrer Rede und ein Jahrtausendgesetz verkündet. Ich bin wirklich tief beeindruckt davon, mit was für einem Doppeldecker Sie hier gelandet sind;
denn von einer Reform aus einem Guß oder von einer Reform, die die Justiz fit macht für eventuell eintretende fundamentale Änderungen auf Bundesebene, kann nach diesem Kleinkrieg und unter dem Gesichtspunkt - Sie wählen immer den Ausdruck Eingangsgerichte - des schon im Entwurf viel zu kleinkarierten Vorschlags bei diesem Rest überhaupt nicht mehr die Rede sein.
Man muß feststellen, es wird mit großem Getöse ein Reformgesetz verkündet. Das, was jetzt dabei herauskommt, wird insbesondere nicht das erreichen, was Sie versprechen. Es erfüllt aber außerdem nicht die Voraus
Was haben wir über die Notwendigkeit zur Begründung von solchen Reformgesetzen gelernt? Ich denke, wir sollten ein Gesetz nur dann verabschieden, wenn die Justiz fundamental neu strukturiert werden muß, wenn die Bürgersituation verbessert werden kann und die Leistungsfähigkeit der Gerichte gesteigert wird.
Sicherlich ist es nicht unanständig, darüber nachzudenken, ob man die Kosten für Staat und Bürger senken kann. Weiterhin ist zu überlegen, ob man diese Maßnahme zur rechten Zeit macht.