Protokoll der Sitzung vom 06.04.2000

„Aus heutiger Sicht muß über die Anzahl der Regierungspräsidien neu nachgedacht werden.“

Bei der Vorstellung des Eckpunktepapiers hat sich Herr Professor Böhmer jedoch veranlaßt gesehen, diesen Satz zu relativieren. In der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom folgenden Tag war zu lesen, ähnlich vorsichtig wie bei den Kreisgrenzen gehe die CDU das heikle Thema an, welche Perspektiven den Regierungspräsidien einzuräumen seien. „Ob es unbedingt drei sein müssen..., sinnierte Landeschef Böhmer und blieb die Antwort schuldig.“ - So die „MZ“ vom 7. Dezember 1999.

Im Eckpunktepapier der CDU vom 16. Februar 2000 folgt dann aber das entschlossene Bekenntnis:

„Angesichts der Größe des Landes erscheint eine Reduzierung von derzeit drei auf zwei Regierungsbezirke angebracht.“

(Herr Becker, CDU: Jawohl, so ist es!)

Als sich die Journalisten dann erkühnt haben zu fragen, welches denn aufgelöst werden solle, gab es wiederum Fehlanzeige.

Aus welchen Quellen schöpft die CDU-Fraktion ihre Weisheit?

In dem Bericht der Enquete-Kommission zur Verwaltungsreform vom Frühjahr 1994 war nachzulesen, daß das Land Sachsen-Anhalt seiner Einwohnerzahl nach kleiner als die Regierungsbezirke Düsseldorf, Köln, München, Arnsberg, Stuttgart und Darmstadt ist. Die Kommission unter dem Vorsitz von Herrn Kollegen Becker hat sich darauf verständigt, den Gedanken,

(Herr Schomburg, CDU: Das ist doch eine ganz andere Größe, Frau Budde!)

Regierungspräsidien in Sachsen-Anhalt auf Dauer beizubehalten, nicht weiter zu verfolgen und statt dessen die Vor- und Nachteile einer Auflösung der Regierungspräsidien entweder sofort oder nach einer Übergangszeit von sechs bis acht Jahren zu erörtern.

Knapp sechs Jahre nach der Vorlage dieses Berichtes ringt sich die CDU-Fraktion dazu durch, auf eines der drei Regierungspräsidien zu verzichten, verweigert jedoch auf die Frage, welches denn aufgelöst werden solle, die Antwort.

(Zuruf von der SPD: Spitze!)

Von Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der CDU, müssen wir uns wohl kaum den Vorwurf mangelnder Entschlußkraft gefallen lassen.

(Beifall bei der SPD und von der Regierungsbank - Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Mir fällt dabei ein schönes Frage-Antwort-Spiel von Charlie Brown und Snoopy ein. Charlie Brown fragte nach einem Fußballspiel Snoopy: Haben wir gewonnen oder verloren? - Snoopy antwortete: Ja. - Herr Bergner, welcher von beiden Sie sind, können Sie sich selbst aussuchen, allein anhand der Antwort.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Neben der Frage der Notwendigkeit eines Vorschaltgesetzes zur Kommunalreform stellt sich auch die Frage, ob es noch in dieser Legislaturperiode einer gesetzgeberischen Anstrengung im Hinblick auf die Reform der Landesverwaltung bedarf. Diese Frage kann und wird Gegenstand der politischen Diskussion sein.

Ich will dieses am Beispiel der Neustrukturierung der Umweltverwaltung begründen. Die Aufgabenerfüllung in der Umweltverwaltung wird derzeit vom Umweltministerium, den Regierungspräsidien, dem Landesamt für Umweltschutz und den Staatlichen Ämtern für Umweltschutz wahrgenommen. Zukünftig sollen bei weitestgehender Kommunalisierung der Aufgaben die Staatlichen Ämter für Umweltschutz vornehmlich in das Landesverwaltungsamt eingegliedert werden. Den Fortbestand des Landesamtes für Umweltschutz und dessen Funktion hat der Ministerpräsident ausreichend beschrieben.

Da ein Landesverwaltungsamt noch nicht existiert - die Auflösung der drei Regierungsbezirke und die Schaffung eines Landesverwaltungsamtes sollen erst bis zum Jahr 2005 erfolgen -, sehen die Vorstellungen der Landesregierung übergangsweise eine Zuordnung der Aufgaben zu den Regierungspräsidien vor. Dieses bedeutet, um das ganz offen zu sagen, - selbstverständlich zeitlich beschränkt - eine Vermehrung des Aufgabenbestandes der Regierungspräsidien vor ihrer Auflösung.

Schon der Bericht der Enquete-Kommission von 1994 aber schlug für den Fall einer vorübergehenden Beibehaltung der Regierungspräsidien einen Aufgaben- zuwachs vor.

(Frau Schnirch, CDU: Ja!)

Die Aufgabenvermehrung der Regierungspräsidien ist eigentlich ein paradoxer Schritt auf dem Weg zum Landesverwaltungsamt. Deshalb darf er nicht als Bekenntnis zum längerfristigen Fortbestand der Regierungspräsidien mißverstanden oder auch bewußt mißverstanden werden. Um so wichtiger ist es, bei der konkreten Umsetzung der Zuordnung der Staatlichen Ämter für Umweltschutz das Ziel des Landesverwaltungsamtes nie aus dem Auge zu verlieren.

Die Regierungspräsidien sind nicht mehr zeitgemäß. Sie stammen aus einer Zeit des Obrigkeitsstaates. In der Mittelinstanz, die keine unmittelbare demokratische Legitimation besitzt,

(Herr Dr. Bergner, CDU: Jetzt wird es abenteuer- lich!)

soll nicht regiert, sondern in dem als unverzichtbar angesehenen Umfang administriert werden. Oder sind Sie der Auffassung, daß ein Regierungspräsidium so viele

Kompetenzen wie eine Landesregierung oder ein demokratisch gewähltes Parlament hat, Herr Dr. Bergner?

(Herr Dr. Bergner, CDU: Aber was wird denn bei einem Verwaltungsamt besser, wenn die Kritik stimmt?)

Ich will das ein wenig mit dem Spruch karikieren, der Anfang der 90er Jahre im Regierungspräsidium Halle - natürlich auch aus der Spannungssituation zwischen Halle und Magdeburg entstanden - immer wieder zu hören war; so sagen es mir meine Kollegen, die da- mals dort waren. Man sagte dort: Es mag ja sein, daß es neuerdings in Magdeburg eine Landesregierung gibt, aber wir hier sind die Bezirksregierung.

Meine Damen und Herren! So soll es nicht sein.

(Zuruf von Frau Schnirch, CDU)

Meiner Fraktion ist es sehr wichtig, klarzustellen, daß die Regierungspräsidien im Jahr 2005 abgeschafft werden und daß dies nach der Landtagswahl im Jahr 2002 kein Punkt der dann zu führenden Koalitionsverhandlungen sein wird und dann nicht mehr zur Entscheidung stehen wird.

Wir sind gesprächsbereit in bezug auf alle Vorschläge, die den Übergang von den Regierungspräsidien in ein Landesverwaltungsamt erleichtern oder sichern.

So empfiehlt es sich, die Aufgaben, die im Zuge der Umsetzung des Konzepts für die Umweltverwaltung auf die Regierungspräsidien übergehen, als Vor-OrtAufgaben in Halle und eventuell in Magdeburg zu konzentrieren. Das heißt, das RP Halle wäre, soweit es, wie im Beispielfall, die Umweltverwaltung betrifft, über den Regierungsbezirk hinaus zuständig. Wir würden sozusagen, um eine Anleihe bei unseren Finanzpolitikern zu nehmen, eine Abteilung Umwelt beim Regierungspräsidium Halle mit einem ku-Vermerk schaffen, der heißt: künftig umzuwandeln in das Landesverwaltungsamt.

Erwägenswert ist auch, gesetzgeberisch zu verdeutlichen, daß die Zuordnung von Aufgaben zu einem oder mehreren Regierungspräsidien nur ein Schritt auf dem Weg zur Bündelung der Aufgaben in einem gemeinsamen Landesverwaltungsamt ist. Deswegen könnte darüber nachgedacht werden, schon in dieser Legislaturperiode gesetzlich festzuschreiben, daß die Regierungspräsidien im Jahr 2005 in ein Landesverwaltungsamt übergehen.

Schließlich könnte als dritte Möglichkeit zur Durchführung der Neustrukturierung bereits jetzt ein kleiner Aufbaustab eine Art Keimzelle des zukünftigen Landesverwaltungsamts sein. Auch diese Arbeit würde signalisieren, daß es der Regierung mit der Reform der Landesverwaltung ebenso ernst ist wie mit der Kommunalreform.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend hierzu bemerken - Sie haben unseren Änderungsantrag zum Antrag der PDS in der Drs. 3/2919 gesehen -: Deutlicher kann meine Fraktion hier und heute nicht zeigen, daß es uns mit der Auflösung der RPs und mit der Bündelung der Aufgaben in einem gemeinsamen Landesverwaltungsamt ernst ist.

Bei der Bildung des Landesverwaltungsamts geht es uns keineswegs nur um den Austausch von Türschildern.

(Frau Schnirch, CDU: Doch!)

Wir wollen keine Mammutbehörde, sondern ein schlankes Landesverwaltungsamt. Deshalb gibt es in der Frak

tion eine durchaus kritische Diskussion um die Außenstellen, selbstverständlich mit unterschiedlichen Standpunkten, je nach der regionalen Herkunft meiner Fraktionskollegen.

Über die Reichweite des Auftrages in Artikel 86 Abs. 2 unserer Landesverfassung, meine Damen und Herren, den allgemeinen Aufbau der öffentlichen Verwaltung und ihre räumliche Gliederung durch Gesetz zu regeln, kann man trefflich streiten. Entscheidend ist doch, daß sich der Landtag als das zuständige Gesetzgebungsorgan des Themas Verwaltungsreform angenommen hat.

Wenn wir uns in dem Ziel einig sind, ein Landesorganisationsgesetz zu verabschieden, stellt sich die Frage nach dem dafür am besten geeigneten Zeitpunkt. Ich meine, daß eine abschließende Festlegung hinsicht- lich der künftigen Behördenstruktur sinnvollerweise erst dann erfolgen kann, wenn Klarheit im Hinblick auf die künftige kommunale Gebietsstruktur besteht, also im zeitlichen Zusammenhang mit der Verabschiedung des Gebietsreformgesetzes, die analog der Verfahrensweise von vor einem Jahrzehnt für das Jahr 2003 geplant ist.

Die seriöse Vorbereitung eines Landesorganisationsgesetzes liegt im überwiegenden Interesse des Landes und ist deshalb von der Verfassung gedeckt. Die Nochnicht-Erfüllung des Verfassungsauftrages ist hinzunehmen, solange an seiner Erfüllung gearbeitet wird. Das geschieht sowohl auf seiten der Landesregierung wie auch im zeitweiligen Ausschuß „Funktional- und Verwaltungsreform/Kommunale Gebietsreform“,

(Herr Dr. Bergner, CDU: Da gehen Sie jetzt auf dünnes Eis!)

weil die Überführung der Verwaltungsstrukturen nur im Rahmen eines prozeßhaften Verfahrens machbar ist. Aus Gründen der Rechtssicherheit wäre weiterhin zu prüfen, ob die Regierung per Rechtsverordnung befristet bis 2005 ermächtigt werden soll, Zuständigkeiten hinsichtlich der einzelnen bündelungsrelevanten Aufgaben zu verlagern.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Dazu brauchen Sie aber ein Gesetz!)

- Wir wissen, daß wir dazu ein Gesetz brauchen. Wenn Sie richtig zugehört haben, dann wissen Sie, daß ich nicht gesagt habe, daß wir dazu kein Gesetz brauchen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Ja, ja!)

Wenn diese Aufgaben nach dem Vorbild der Umweltverwaltung Schritt für Schritt in das künftige Landesverwaltungsamt integriert werden, wäre dies einem bruchartigen Neubeginn im Jahr 2005 vorzuziehen.

Der zeitweilige Ausschuß hat sich darauf verständigt, zu Beginn seiner Arbeit eine Grundlagendebatte in bezug auf die Organisation der Landesverwaltung, insbesondere in bezug auf die Organisation der Mittelinstanz, zu führen, und er will über grundlegende Eckpunkte der Kommunalreform, wie zum Beispiel die Richtgrößen, beraten.

Auf der Grundlage dieser Arbeitshypothesen, die ein Grundgerüst für den allgemeinen Aufbau der Landesverwaltung darstellen, wird der zeitweilige Ausschuß in der Folge die einzelnen Verwaltungszweige einer aufgabenkritischen und aufgabenorganisatorischen Würdigung unterziehen. Diese Arbeit wird sicherlich bis zum Ende der Legislaturperiode dauern.