Protokoll der Sitzung vom 06.04.2000

Ich sage es noch einmal: Ich bin ärgerlich, daß dieser Fehler geschehen ist und will mich dafür auch entschuldigen. Wir werden die Konsequenzen daraus ziehen, soweit das im Moment möglich ist.

Ich kann es aber nicht hinnehmen, daß die CDU-Fraktion ohne Nachfrage, ohne auch nur zu versuchen, den Sachverhalt zu ermitteln, in einer Presseerklärung die Landesregierung beschuldigt, sie habe den Gesetzgeber bewußt hintergangen und das Gesetz gefälscht.

(Frau Stange, CDU: Das hat sie doch! - Lachen bei der SPD - Zuruf von Frau Mittendorf, SPD)

Das alles ohne auch nur zu fragen. - Das ist nicht nur ein mieser Stil, sondern eine üble Verleumdung, und dafür tragen Sie die Verantwortung.

(Beifall bei der SPD - Oh! bei der CDU - Zuruf von Herrn Dr. Bergner, CDU)

Weil Sie diese Vorwürfe öffentlich erhoben haben, fordere ich Sie auf, diese Vorwürfe genauso öffentlich zurückzunehmen und nicht, wie üblich, anschließend hinter der Tür durchzukriechen.

(Beifall bei der SPD - Unruhe bei der CDU)

Wir werden das gleich in der Sondersitzung des Finanzausschusses im Detail noch erörtern. Ich bin dankbar dafür, daß das möglich ist.

(Zuruf von Frau Stange, CDU)

Es reicht aber nicht, daß wir das dort erörtern und daß Sie dann möglicherweise eingestehen müssen, daß Sie sich ein bißchen zu weit hinausgelehnt haben.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Also, wer hat hier einen Fehler gemacht, Herr Minister?)

Ich bedaure, daß es Unklarheiten gegeben hat. Aber was nicht geht, ist die Methode, öffentlich Schuldvorwürfe in die Gegend zu stellen, sie nicht belegen zu können und anschließend zu glauben, daß Gras darüber wächst.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Wer hat hier einen Feh- ler gemacht?)

- Herr Bergner, das ist die Wortwahl, die ich von Ihnen kenne, nicht von Herrn Scharf. Es ist Ihre Wortwahl in dieser Presseerklärung. Ich bitte Sie, das gleiche zu tun wie heute morgen und soviel Mumm zu haben, zu erklären, daß Sie sich vergaloppiert und Vorwürfe in die Welt gesetzt haben, die durch nichts belegt sind.

(Beifall bei der SPD und von der Regierungsbank - Lachen bei der CDU - Zuruf von Herrn Schulze, CDU)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Da es sich um einen Fehler im Gesetzgebungsverfahren handelt, hätte ich es für angemessen betrachtet, wenn in diesem Verfahren der Landtagspräsident unterrichtet worden wäre. Nur soviel als Kommentar meinerseits.

(Zustimmung bei der SPD, von Frau Dr. Hein, PDS, und von Frau Stolfa, PDS)

Es ist eine Debatte angekündigt worden. Ich schlage folgende Reihenfolge vor: CDU, SPD, FDVP, PDS, DVU-FL, sofern das Wort gewünscht wird. Ich frage angesichts der fortgeschrittenen Zeit, ob wir eine Dreiminutendebatte oder eine Fünfminutendebatte führen wollen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Fünf!)

- Fünfminutendebatte wird gerufen, also beginnen wir damit. - Bitte, Herr Scharf, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der CDU-Fraktion und darüber hinaus bin ich dafür bekannt, daß ich über die Vorgänge im Finanzausschuß und im Parlament relativ viel sammle. Meistens finde ich die Angelegenheiten auch wieder, und ich finde mich auch meistens in den Angelegenheiten zurecht.

Ich habe hier den Entwurf des Haushaltsplans, den wir gemeinsam beraten haben, und ich habe eine Kopie des Haushaltsplanes, wie er ausgedruckt worden ist. Nun muß man zugestehen, daß bei den komplizierten Beratungen zum Haushaltsplan immer mal der eine oder andere Fehler passieren kann. Da passieren Zahlendreher. Da verschwinden auch ab und zu Haushaltsvermerke. Das wird korrigiert, die Haushaltsvermerke werden nachgeliefert. Dazu gibt es normalerweise ein Schreiben des Ministeriums der Finanzen. So war das auch im letzten Jahr, wir haben ein entsprechendes Schreiben bekommen.

Aber, meine Damen und Herren, eines sollte uns als Parlament zu denken geben, und deshalb müssen wir als Parlament an dieser Stelle sehr wachsam sein: Wenn wir uns den Haushaltsplanentwurf anschauen, werden wir feststellen, daß Druckfehler meist durch Irrtümer entstehen. Aber wenn an einer Stelle, über die in den Haushaltsberatungen überhaupt nicht geredet worden ist, plötzlich in der Drucklegung nicht nur Kleinigkeiten anders dastehen, sondern wenn fein säuberlich ein ganzer Titel eingefügt worden ist,

(Herr Schulze, CDU: Oh, oh, oh!)

und dann noch mit einem ganz leckeren Haushaltsvermerk, der da heißt „Kreditaufnahme zur eventuellen Umschuldung“ - - Das heißt, es hat zumindest auf Fachebene den verlockenden Gedanken gegeben, sich eine Kreditermächtigung über 100 Millionen DM zusätzlich zu beschaffen und diese eventuell dazu zu verwenden, eine Umschuldung vorzunehmen. Aber wenn man es ganz dringend braucht, läßt es der Haushaltsvermerk auch zu, daß man die Ermächtigung für alles andere benutzen kann.

(Herr Bullerjahn, SPD: Sachlich bleiben!)

Das weitere Leckere ist: Wer sich das Gesetz über das Sondervermögen „Förderfonds Sachsen-Anhalt“ anschaut - ich mache auf die Gefahr aufmerksam -, der weiß, daß die Kreditermächtigung über das Haushaltsjahr hinaus fortgilt. Das heißt, man hätte 100 Millio- nen DM über mehrere Jahre als liquide Masse zur Verfügung, wenn man sie brauchte.

Ich glaube nicht, meine Damen und Herren, daß Druckfehler so komplizierter Art so einfach entstehen. Druckfehler sind meist einfacher.

(Beifall bei der CDU und bei der DVU-FL)

Ich will daran erinnern, daß wir uns bei der Installierung des Sondervermögens „Förderfonds Sachsen-Anhalt“ heftig darüber unterhalten haben, ob wir die ursprüngliche Absicht, die Kreditermächtigung allein an die Genehmigung des Finanzministers zu binden, überhaupt durchgehen lassen können. Wir alle im Hause waren uns sehr schnell darüber einig, daß das überhaupt nicht sein darf.

Ich warne an dieser Stelle davor, diese Dinge lax zu nehmen. Es geht nicht nur um Kleinigkeiten, es geht nicht nur um kleine Irrtümer, die mal passiert sind, es geht um 100 Millionen DM, und - Herr Gerhards, deshalb müssen wir das im Finanzausschuß ausführlich behandeln - es geht um eine Serie. Herr Gerhards, es geht um eine Serie dergestalt, daß Sie das Parlament permanent nicht rechtzeitig und umfassend über die Vorgänge informieren, die es kennen muß.

(Frau Stange, CDU: Genau!)

Von der Kreditaufnahme von 200 Millionen DM zur Entschuldung der Midewa hätte das Parlament nie erfahren, wenn das nicht im Finanzausschuß durch intensive Befragung herausgekommen wäre.

(Beifall bei der CDU und bei der DVU-FL)

Das muß ich an dieser Stelle schon einmal ganz deutlich sagen.

(Herr Bullerjahn, SPD: Das haben wir schon ein- mal vorbehandelt!)

- Das ist nie vorbehandelt worden. Hätten wir im Finanzausschuß nicht so deutlich nachgefragt, hätte das niemand gesagt. Es hätte vom Ministerium keiner den Mund aufgemacht, und wir - das würde ich behaupten - hätten immer noch nicht gewußt, daß diese Kredite aufgenommen worden sind - übrigens nach meiner Auffassung nicht auf einer gesetzlichen Grundlage, die das zugelassen hätte.

Ich will an einen weiteren Vorgang erinnern: Wir haben als Parlament als Ganzes den Beschluß gefaßt, daß wir bei über- und außerplanmäßigen Ausgaben von erheblicher oder grundsätzlicher Bedeutung vom Ministerium der Finanzen unverzüglich über diese Vorgänge zu informieren sind.

Herr Minister Gerhards, wir bekommen das erst auf permanente Nachfrage, aber nicht unverzüglich und unaufgefordert. Wenn es nach Ihnen ginge, gäbe es überhaupt keine Vorgänge von grundsätzlicher Bedeutung, über die das Parlament hinreichend schnell informiert werden müßte.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Minister Gerhards, wenn ich Ihnen das alles so vortragen muß, dann müssen Sie uns schon zugestehen, daß wir an dieser Stelle elektrisiert sind, wenn nicht wir es gemerkt haben - ich muß gestehen, ich lese nicht jeden Tag im Haushalt -, sondern wenn der Landesrechnungshof merkt, daß zwischen Beschlußfassung und Veröffentlichung offensichtlich eine gravierende Veränderung des Haushaltsplanes passiert ist.

Nach meiner Kenntnis gilt, solange nichts anderes veröffentlicht worden ist, der veröffentlichte Gesetzestext. Jeder Mensch im Lande hat auf dieser Grundlage arbeiten können. Ich weiß nicht, ob auf dieser Grundlage tatsächlich gearbeitet worden ist. Nach Ihren Ausführungen nehme ich an, daß von dieser Regelung nie Gebrauch

gemacht worden ist, weil Sie gesagt haben, es sollte davon auch nicht Gebrauch gemacht werden.

Aber wenn es tatsächlich ein Druckfehler gewesen ist - das ist für mich überhaupt noch nicht festgestellt -, dann hätten Sie das Parlament unverzüglich darüber informieren müssen.

(Zustimmung von Herrn Dr. Daehre, CDU - Herr Hoffmann, Magdeburg, SPD: Das hat er doch selber nicht mitgekriegt!)

Ich kann mir nicht vorstellen, daß drei, vier - -

(Minister Herr Gerhards: Ich bin doch erst vor- gestern darüber informiert worden, Herr Scharf!)

- Dann muß man doch einmal deutlich fragen: Welche Mechanismen haben Sie in Ihrem Hause und insgesamt in der Landesregierung, die Gesetze auf Korrektheit zu überprüfen, bevor sie veröffentlicht werden? Das muß man doch einmal fragen.

(Beifall bei der CDU und bei der DVU-FL)

Herr Scharf - -

Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich die Leute, die zum Beispiel im Wirtschaftsministerium täglich mit dem Förderfonds arbeiten, nicht ab und zu verdutzt die Augen gerieben und gefragt haben: Was steht denn hier drin?