Protokoll der Sitzung vom 07.04.2000

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 38. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der dritten Wahlperiode. Ich begrüße Sie, verehrte Anwesende und Gäste, dazu auf das herzlichste.

Die Beschlußfähigkeit des Hohen Hauses ist gegeben.

Meine Damen und Herren! Das Mitglied des Landtages Frau Edeltraud Rogée hat heute Geburtstag.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen im Namen des Hohen Hauses und persönlich herzlich zu gratulieren und Ihnen alles Gute, insbesondere Gesundheit zu wünschen.

Wir setzen nunmehr die 20. Sitzungsperiode fort und beginnen vereinbarungsgemäß mit dem Tagesordnungspunkt 4.

Meine Damen und Herren! Bevor ich den Tagesordnungspunkt 4 aufrufe, teile ich mit, daß von seiten der SPD-Fraktion der Wunsch an das Präsidium herangetragen worden ist, den Tagesordnungspunkt 22 - Barrierefreier Tourismus für alle Menschen in SachsenAnhalt - vorzuziehen und nach dem Tagesordnungspunkt 15 zu behandeln. Soweit ich informiert bin, wurde dazu unter den parlamentarischen Geschäftsführern bereits Einvernehmen hergestellt. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann wird der Tagesordnungspunkt 22 nach dem Tagesordnungspunkt 15 - Greencard - behandelt.

Ich begrüße herzlich Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Werflingen im Namen des Hohen Hauses.

(Beifall im ganzen Hause)

Man soll Orte nicht fälschen. Der Ort heißt Weferlingen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:

a) Aussprache zur Großen Anfrage

Hochschulen und Hochschulentwicklung in Sachsen-Anhalt

Große Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 3/2377

Antwort der Landesregierung - Drs. 3/2736

b) Beratung

Entwicklung der Hochschul- und Wissenschaftslandschaft in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/2916

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Aussprache über die Große Anfrage der Fraktion der CDU. Gemäß § 43 der Geschäftsordnung des Landtages wird zunächst dem Fragesteller das Wort erteilt. Alsdann erhält es die Landesregierung. Der Ältestenrat schlägt eine Debatte von 30 Minuten vor. Nach der Aussprache steht dem Fragesteller das Recht zu, Schlußbemerkungen zu machen. Für die Debatte wird folgende Reihenfolge vorgeschlagen: FDVP, PDS, SPD, DVU-FL, CDU.

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Remmers, ich bitte Sie, nach vorn zu kommen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben mit der Großen Anfrage zur Hochschulsituation und zur Hochschulplanung das Ziel verfolgt, Grundlagen für die weitere Diskussion zur Gestaltung der Hochschullandschaft im Land zu erhalten.

Ich will am Anfang sagen: Wir bedanken uns für die enorme Arbeit, die im Kultusministerium geleistet worden ist. Ich will aber nicht verhehlen, daß ich den Eindruck habe, daß trotz der vielen beigefügten Tabellen und langen Antworten auf unsere Fragen mit der eigentlichen Aussage, wie sich nach der Vorstellung der Landesregierung die Hochschullandschaft entwickeln soll, hinter dem Berg gehalten worden ist.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU, und von Herrn Scharf, CDU)

Ich habe den Eindruck, daß an manchen Stellen zwar durchschimmert, daß es sein könnte, daß es Überlegungen gibt; aber es wird darauf verzichtet - so möchte ich einmal vornehm sagen -, uns diese Erwägungen mitzuteilen. Es wäre sehr hilfreich gewesen, wenn wir dazu - etwa auf die Frage nach Doppelungsstandorten - ein wenig mehr erfahren hätten, wie man mit solchen Problemen umgehen will.

Ich will, bevor ich auf die Einzelheiten der Antwort und auf den Sinn der Anfrage eingehe, eine grundsätzliche Bemerkung machen. Das Studium der Antworten und die intensive Diskussion der letzten Tage hat aufscheinen lassen, daß wir in einem sehr schwierigen Konflikt stehen, der sich bei der Diskussion über Ihren Gesetzentwurf zur Änderung des Hochschulgesetzes abgezeichnet hat.

Wir suchen die Antwort auf die Frage: Wie gehen wir als Land mit unseren Hochschulen um, damit sich dort etwas Vernünftiges entwickeln kann? Ich mache das einmal an dem Begriff Ressourcen fest. Für eine erfolgreiche Hochschularbeit brauche ich zwei Ressourcen: Ich brauche Geist. Davon haben die Hochschulen genug, sage ich einmal. Außerdem wissen Sie, daß Geist das einzige ist, was in der Welt gerecht verteilt ist.

(Herr Dr. Fikentscher, SPD: Davon kann man nie genug haben!)

Alle meinen, sie hätten genug.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Heiterkeit bei der FDVP und bei der DVU-FL)

Der Geist ist vorhanden. Die zweite Ressource, die ich brauche, wenn ich an die humboldtsche Konzeption der forschungsnahen Ausbildung denke, ist Geld.

Jetzt haben wir die sehr interessante Kombination: Das Geld hat das Land, oder es hat es nicht. Das ist je nach Land und je nach zeitlicher Situation sehr unterschiedlich. Der Geist ist in der Hochschule. Wie bringen wir beides zusammen?

Wie kann erreicht werden, daß die Hochschullandschaft durch eine Neugestaltung attraktiver wird und dadurch - das ist gerade für Sachsen-Anhalt wichtig - der negative Wanderungssaldo, den Sie dargestellt haben, beseitigt wird? Wie erreichen wir, daß der Geist in unseren Hochschulen materiell und in der tatsächlichen Umsetzung so dargestellt wird, daß es sich auch für Nichtbinnenländer - im Sinne von föderaler Landesbezogenheit und nicht küstenbezogen gemeint - lohnt, nach Sachsen-Anhalt an die Hochschulen zu kommen?

Vor diesem Hintergrund stelle ich einen für mich fast unauflöslichen Konflikt fest, wenn Sie an Ihrer Position festhalten. Erstens sagen Sie: Wir bestimmen über euer Geld, wir sagen aber nicht, wieviel ihr kriegt. Zweitens sagen Sie: Wir werden für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Hauptgruppen 8, 5 und 4 sorgen.

Ausgewogen - was ist denn das? Wir haben die Hochschulmittel in den letzten Jahren ununterbrochen zurückgefahren. Wenn wir die Hochschulen, die mit ihrem Geist gern erfolgreich wären, jetzt damit vertrösten, daß wir ankündigen, wir würden in den Hauptgruppen gleichmäßig kürzen, ausgewogen, dann, finde ich, ist das ein schwacher Trost.

Ein weiterer Punkt ist: Wir bieten den Hochschulen auch wegen der starren Ablehnung von Eigeneinnahmen, wenn ich von der Fremdmittelförderung und von der Fremdmitteleinwerbung absehe, keine Basis für eine wettbewerbsgerechte Eigenfinanzierung.

(Beifall bei der CDU)

Wir halten sie finanziell - Sie wollen sogar gesetzlich festschreiben, daß dieses Abhängigkeitsverhältnis erhalten bleibt - an der ganz kurzen Leine des Staates, so daß der Geist sich gar nicht so entwickeln kann, wie er könnte.

(Herr Hoffmann, Magdeburg, SPD: Das stimmt aber nicht, Herr Remmers! Das stimmt nicht!)

Auf der anderen Seite geben wir ihnen nicht den Freiraum für Gestaltung.

Ich denke, ich werde, was diese Argumentation angeht, an verschiedenen Stellen in diesem Hause auflaufen. Deshalb will ich das jetzt nicht weiter vertiefen.

Ich will aber eines dazu sagen: Wenn man die finanzielle Leine weiterhin so straff halten will, dann muß man sich allerdings der Verpflichtung stellen, Rahmenbedingungen für die Hochschulen zu schaffen und Voraussagen zu treffen über das, was man im Rahmen der finanziellen Mittel erwartet. Das muß man dann schon präziser und mutiger tun, als das in der Antwort geschehen ist.

(Beifall bei der CDU)

Diese Antwort auf die Große Anfrage ist, was die Zukunft der Hochschullandschaft angeht, ein reines Versteckspiel. Damit ist unseren Hochschulen effektiv nicht gedient. Ich habe an anderer Stelle in bezug auf das Hochschulgesetz schon gesagt: Im Grunde wollen Sie eine Säge haben, aber Sie haben uns nicht gesagt, welchen Baum Sie fällen wollen.

(Minister Herr Dr. Harms: Doch!)

Jetzt sage ich Ihnen etwas anderes: Sie stellen sich zugleich vor die Hochschulen hin, die sehr unterschiedliche Interessen haben - wenn ich die Hochschule einmal als Familie betrachte und die Fakultäten und Fachbereiche als ihre Kinder -, und erwarten, daß die Gesamtsippe darüber entscheidet, welche Kinder im Wald zum Verhungern ausgesetzt werden. Das werden Sie nicht erreichen.

Sie können ein anderes Bild nehmen: Sie stellen sich vor einen Chor und sagen, nun singt mal schön, aber Noten gebe ich euch nicht; ich erwarte aber, daß ihr einigermaßen im Gleichklang singt, und wenn das nicht stimmt, dann war es das wohl.

(Zustimmung bei der CDU)

Es zeigt sich auch in dieser Argumentation: Sie wollen die Leine kurz halten. Freiraum für Gestaltung wird nicht gegeben; das zeigt sich an vielen Stellen. Die Hochschulen ächzen währenddessen unter der Finanzierungslast.

Ich will jetzt nicht auf die vielen Einzelheiten eingehen. Die Antwort ist 76 Seiten lang. Das kann jeder lesen, den es interessiert. Es macht unendlich viel Spaß, sich durch die Tabellen zu arbeiten. Abends bei einem Glas Wein ist das etwas Wunderbares.

Aber was sehen wir denn? - Unter anderem: Fehlbesetzungen - „nicht strukturgerecht besetzt“ heißt das, glaube ich, neuerdings. Müssen wir nicht doch darüber nachdenken, den Hochschulen dabei zu helfen, daß sie auch durch gestaltende Regelungen in Mitbestimmungs- und sonstigen Bereichen, etwa im arbeitsrechtlichen Bereich, Gestaltungsfreiheit bekommen? Wir geben in einem Bereich - ich sage das einmal ganz spitz - Geld für Soziales aus, in dem wir es für die Wissenschaft brauchten.

(Beifall bei der CDU)