Protokoll der Sitzung vom 04.05.2000

Für die DVU-FL-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Preiß.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man durch unser Bundesland reist und die Landschaft genau betrachtet, sieht man viele Hektar ungenutztes Weideland; die bewirtschafteten Weideflächen werden von großen Kuhherden bevölkert, die einen gesunden Eindruck machen. Große Schafherden sind dagegen selten zu sehen. Selbst die ausgedehnten Deichlandschaften unserer Flüsse werden nicht ausreichend von Schafen beweidet.

Wiedereinrichter und Existenzgründer, aber auch Betreiber traditioneller Schafzuchtbetriebe beklagen einmütig,

daß zum Beispiel die Deichverträge ungenügend und einseitig verhandelt wurden und die jetzige Lösung nur ein Kompromiß sein kann. Wie uns allen bekannt sein dürfte, sind die verheerenden Deichdurchbrüche beim letzten Oderhochwasser nur an den Stellen geschehen, an denen Schafe nicht ihren berühmten goldenen Tritt setzen konnten.

Der Schutz unserer Kulturlandschaft kostet unser Land jährlich Unsummen Steuergelder, weil Umweltverantwortliche betriebsblind auf technischen Umweltschutz bauen und dadurch die natürlichen Möglichkeiten - hoffentlich aus Unkenntnis - übersehen. Landschaftsschutzgebiete jeglicher Art können durch eine geplante Bewirtschaftung mit kontrollierten Viehbeständen Bestandserhaltung erfahren, die richtungsweisend für Deutschland werden könnte.

Alteingesessene Schafzüchter beklagen, daß sie ihre Betriebe aufgeben müssen, weil die Ausbildung von Mitarbeitern fast unmöglich geworden ist. Einer der anspruchsvollsten landwirtschaftlichen Berufe, der des Schäfers, hat in unserem Land keine Chance mehr, weil wiederum Augen und Ohren Verantwortlicher für die Sorgen der Bauern verschlossen blieben.

Wenn man die Entwicklung der Schafzucht in SachsenAnhalt seit 1990 aufmerksam verfolgt, dann ist nicht zu übersehen, daß der Schafbestand in den letzten zehn Jahren auf ca. 15 % geschrumpft ist. Aber was viel wichtiger ist: Die Existenzen der letzten Schafzüchter des Landes stehen auf dem Spiel, weil sie ohne vernünftig ausgehandelte Deich- und Pflegeverträge für Landschaftsschutzgebiete aufgeben müßten.

Schäfer unseres Landes integrieren in ihre Herden nicht selten auch einige Ziegen, die, da sie noch genügsamere Futterverwerter als Schafe sind, in bestimmten Gebieten als Restfutterverwerter fungieren. Es ist allerdings betrüblich, daß es in Sachsen-Anhalt nur wenige Ziegenhalter gibt, weil gerade unsere Region bis 1945 auf diesem Gebiet deutschlandweit führend war. Ziegenprodukte wie Käse, Milch, Fleisch und Wurstwaren aus einheimischer Produktion wären eine wertvolle Erweiterung unseres Nahrungsmittelangebotes.

Der Schafzuchtverband unseres Landes wird schon am 10. Mai dieses Jahres in Hoym/Sachsen-Anhalt über geeignete Möglichkeiten beraten, um die Ziegenaufzucht zu unterstützen. Vertreter des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sollten an dieser Beratung teilnehmen, um besser für kommende Aufgaben gerüstet zu sein.

Es ist nach unserem Erkenntnisstand auch notwendig, so schnell wie möglich den Schaf- und Ziegenzüchtern unseres Landes durch ein gemeinsam mit ihnen zu erarbeitendes Programm, welches auch wirklich im Einklang mit den ökologischen Erfordernissen stehen sollte, eine Zukunft zu bieten. Zukunft für Schäfer bedeutet sinnvolle finanzielle Förderung ihrer Betriebe.

Wir stimmen einer Überweisung des Antrags in den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu. - Danke.

(Zustimmung bei der DVU-FL)

Herr Krause hat noch einmal für die PDS-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ganz kurz noch einmal zur Erwiderung und auch zur Richtigstellung. Es stimmt, der Agrarausschuß hat sich in der Vergangenheit nicht nur einmal, meiner Meinung nach auch nicht nur zweimal, wie Frau Wernicke sagte, sondern öfter diesen Fragen wie auch vielen anderen Fragen zugewandt, die den Agrarausschuß ständig begleiten. Hierzu sind doch zweierlei Dinge zu benennen.

Der Antrag der CDU, Frau Wernicke, zielte seinerzeit ganz konkret auf Auswirkungen in Umsetzung der Artikelverordnung, auf ganz spezielle Maßnahmen im Vorharz.

Dieser Antrag, den wir heute vorgelegt haben, beinhaltet zwar auch diesen Punkt, den Sie und wir gemeinsam damals nicht zufriedenstellend lösen konnten; aber in unserem Antrag geht es generell um die Frage, wie es mit der Schafhaltung, der Mutterkuhhaltung und der Ziegenhaltung aus der Sicht des Landschaftsschutzes in Sachsen-Anhalt unter Beachtung des Auslaufens der zwölfjährigen Verbindlichkeit für den Betrieb auf der Grundlage der damaligen Förderprogramme weitergeht. Hierzu soll es eine Antwort geben.

Es geht um die generelle Frage der Entwicklung dieses Wirtschaftszweiges. Dieses Anliegen ist mit dem damaligen Antrag nicht gleichzusetzen.

Ich bitte noch einmal um Zustimmung und schließe mich dem Vorschlag an, diesen Antrag in den Agrarausschuß und in den Umweltausschuß zu überweisen.

(Beifall bei der PDS)

Würden Sie auch eine Federführung vorschlagen?

Der Antrag sollte zur federführenden Beratung in den Agrarausschuß überwiesen werden.

(Herr Dr. Rehhahn, SPD: Wohin denn sonst?)

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte. Wir stimmen jetzt über den Antrag in Drs. 3/3059 ab. Es ist beantragt worden, diesen Antrag der PDS-Fraktion in die Ausschüsse für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Raumordnung und Umwelt und für Finanzen zu überweisen. Die Federführung soll der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten übernehmen. Kann ich darüber insgesamt abstimmen lassen? - Dagegen gibt es keinen Widerspruch.

Wer mit der Überweisung in die genannten Ausschüsse und der genannten Federführung einverstanden ist, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Keine. Damit ist dieser Antrag einstimmig in die Ausschüsse überwiesen worden. Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 17 abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung

Konzept zum Ausbau der Schienenwege in Mitteldeutschland

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/3060

Der Antrag wird durch den Abgeordneten Herrn Kasten eingebracht.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben nicht zum erstenmal über diesen Bereich des Schienenverkehrs gesprochen. Der Ausbau der Schienenwege in Mitteldeutschland ist seit 1990 sowohl Thema der Fachleute als auch der interessierten Öffentlichkeit. Ich denke, ein großer Teil unseres Hauses konnte das zumindest in der Presse verfolgen.

Dabei ist festzustellen, daß gegenüber den betroffenen Ländern, insbesondere Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt und, mittelbar davon betroffen, auch Bayern, die Bahn und die jeweilige Bundesregierung oft ihre eigenen Interessen voranstellten. Nur im Bundesverkehrswegeplan gab es kurzfristig den kleinsten gemeinsamen Nenner. Ich beziehe mich auf den Plan von 1992, eine Neubaustrecke zwischen Erfurt und Halle mit Abzweig nach Leipzig zu errichten, allerdings mit Trassierungskonzepten und Parametern der ersten Generation aus der Zeit der Pionierplanungen des ICE etwa Mitte der 70er Jahre. Die Inbetriebnahme war zum Fahrplanwechsel 2001/2002 geplant. Die Baukosten sollten bei ca. 50 Millionen DM pro Kilometer liegen.

Seit dem werden die im Verantwortungsbereich der Niederlassung Netz Südost liegenden Stammverkehrsstrecken - seit dem Jahr 1992, als es so beschlossen wurde - im Zuge dieser Relationen augenscheinlich vernachlässigt, was jeder unter anderem durch eine Verlängerung der Fahrzeiten im Personenfernverkehr erfahren kann. Anmerkung: Langsamfahrstellen.

Den Fahrgast interessiert wenig die Höchstgeschwindigkeit auf einem Streckenabschnitt, ihn interessiert vielmehr, wie schnell, pünktlich, sicher und kostengünstig er sich von A nach B im Netz der Bahn bewegen kann. Dazu ein Zitat aus dem uns vorliegenden Konzept: „Spitzentechnologie für eine hohe Netzgeschwindig- keit statt Spitzengeschwindigkeit auf wenigen isolierten Strecken.“

Die gegebene Problemlage führte dazu, daß sowohl Verkehrs- als auch Umweltverbände und auch die SPD in Thüringen und Bayern nach zeitnahen, dem technischen Stand des Jahres 2000 entsprechenden Lösungen suchten.

Das wäre zum Beispiel dort eine Ausbau-/Neubaustrecke der dritten Generation. So beauftragten zum Beispiel die SPD-Oppositionsfraktionen in Thüringen und Bayern ein renommiertes Planungsbüro mit der Ausarbeitung einer modernen Lösung. Das ist zusammen mit den Untersuchungen der Verbände Basis dieses hier vorliegenden Konzeptes. Es ist nach unseren Informationen allen Fraktionen zugegangen. Wir halten es für so ausgereift, daß es einer Prüfung wert ist. Das sehen die PDS-Fraktionen in Sachsen und Thüringen ebenso. Das wurde uns bestätigt.

Es ist erstmals ein möglicher größter gemeinsamer Nenner beschrieben worden mit dem Ausbau der Relation Erfurt - Naumburg - Halle - Leipzig, dem Ausbau der Relation Nürnberg - Bamberg - Jena - Naumburg und dem Ausbau der Relation Nürnberg - Hof - Leipzig inklusive der Nutzung des geplanten S-Bahn-Tunnels in

Leipzig für den Fernverkehr und zusammen mit den in den Unterlagen aufgezeigten Ergänzungsstrecken.

Die qualitative Verbesserung der Stammstrecken ist in unserem Land durch Beschlüsse des Parlaments untersetzt und auch in die Fortschreibung der Anmeldungen zum Teil Schiene des Bundesverkehrswegeplanes aufgenommen worden, allerdings nur für einen Ausbaustandard, Herr Minister, für 160 km/h. Dieser müßte auf 200 km/h - kreuzungsfrei und neigetechnikgerecht; das war Bestandteil - angehoben werden. Das ist auch sachlich gerechtfertigt, da die genannten Strecken auch Vorrangstrecken im Rahmen der DB-Strategie Netz 21 sind.

Unbenommen ist davon bei Bedarf auf der Grundlage des Landesentwicklungsplanes und der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit der Bau einer weiteren Neubaustrecke. Sollte man jetzt weiter nur auf diese Neubaustrecke setzen, fehlt auf jeden Fall ein marktgerechtes Angebot heute und morgen.

Außerdem wäre nicht auszuschließen, daß das Städteband im mitteldeutschen Raum irgendwann die gleiche Abkoppelung vom hochwertigen Fernverkehr erfährt, wie es gerade zwischen Braunschweig und Berlin die Landeshauptstädte Magdeburg und Potsdam erleben. Analog der Strecke Hannover - Berlin über Stendal könnte bei einer alleinigen Konzentration auf eine Neubaustrecke mit einem schlechten Nutzen-Kosten-Verhältnis von rund 0,2 ein Baubeginn weiter in den Sternen stehen und durchaus die Strecke München - Nürnberg via Leipzig an Sachsen-Anhalt vorbeiführen. Hier strategisch zu denken und schrittweise zu handeln, sollte Landesinteresse sein.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit

(Frau Hajek, SPD: Oh! Nein! - Herr Gallert, PDS: Mach mal noch fünf Minuten, Uli! - Frau Budde, SPD: Nö!)

und möchte zum Schluß eine kleine sachliche Korrektur an unserem Antrag vornehmen. Im ersten Satz muß es nach den Worten „Ausbau der Schienenwege in Mitteldeutschland“ heißen: „fachlich zu prüfen“. Die Worte „durch die Fachministerien“ sind zu streichen. Das ist die Verantwortung der Landesregierung, über die wir hier nicht beschließen können. Der erste Satz hieße dann also: „Die Landesregierung wird beauftragt, das in der Anlage beigefügte Konzept zum Ausbau der Schienenwege in Mitteldeutschland fachlich zu prüfen.“

Das andere bleibt, wie es ist. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke für die Einbringung und auch für die Kürze. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion in der Reihenfolge DVUFL, CDU, FDVP, SPD, PDS vereinbart worden. Die DVU-FL-Fraktion hat signalisiert, daß Herr Kannegießer spricht.

Frau Präsidentin! Eigentlich sollte Frau Brandt sprechen. Da Sie aber erst morgen kommt, gebe ich den Beitrag zu Protokoll.

(Zu Protokoll:)

Der Antrag der PDS, dem ein vom Bund ausgearbeitetes Konzept zugrunde liegt, wird von der Fraktion der DVUFL abgelehnt.

Für unsere Fraktion ist von höchster Priorität der Bau der ICE-Strecke von Nürnberg über Erfurt nach Halle/ Leipzig. Da dieses in dem Antrag der PDS nicht favorisiert wird, sondern nur der Ausbau des Schienennetzes mit Neigetechnikzügen, befürchten wir, daß die drei mitteldeutschen Metropolen Erfurt, Halle und Leipzig auf längere Zeit von hochmodernen ICE-Zügen abgekoppelt bleiben und somit gegenüber anderen Regionen infrastrukturell ins Hintertreffen geraten. Dieses ist der ökonomischen Entwicklung in den neuen Ländern nicht förderlich.

Sicherlich sind einige positive Denkanstöße dem dem PDS-Antrag zugrunde liegenden Konzept zu entnehmen, aber deren Realisierung würde auch erhebliche finanzielle Mittel in Anspruch nehmen, und dieses, wohlgemerkt, in einer Zeit leerer Kassen.