Protokoll der Sitzung vom 04.05.2000

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Für die PDS-Fraktion hat noch einmal der Abgeordnete Herr Kasten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein paar kleine Anmerkungen in der Reihenfolge der Rednerinnen und Redner.

Frau Weiß, es entsteht bei mir der Eindruck, Sie haben Ihre Rede vor meinen Ausführungen geschrieben und nicht genau zugehört.

(Frau Weiß, CDU: Doch, ich habe zugehört!)

Wir bewegen uns mit dem Antrag auf der Basis des Landesentwicklungsplanes, und wir hätten keinen Ansatz befürwortet, der dem, was dort abgestimmt wurde, widerspricht. Sie möchten sich das bitte noch einmal ansehen. Da ist nichts, was irgendwie eine andere Neubaustrecke ist. Das ist im Prinzip ein kreativer Umgang mit den gegebenen Rahmenbedingungen.

Wir leugnen auch nicht die Verantwortung des Bundes für die Infrastruktur. Eigentlich - das muß ich einmal so sagen - war die CDU-Bundesregierung für die Realisierungszeit bis 2001 zuständig. Das waren zehn Jahre, und bis jetzt ist da gar nichts passiert. Das Problem ist: Wenn sich der Standard durch Gar-nichts-Passieren verschlechtert, haben wir natürlich noch weniger Chancen, den Fernverkehr zu halten.

Übrigens ist jede ICE-Trasse eine Fernverkehrstrasse. Ich möchte das bloß als Ergänzung zu dem sagen, was Sie in Ihren Ausführungen gesagt haben. Sie möchten auch bitte einmal bei Herrn Mehdorn nach-lesen, wie er zu Netz 21 steht. Er steht nämlich voll-inhaltlich hinter Netz 21, möchte das Ganze bloß krea- tiv auf das Jahr 2020 beziehen, also ergänzen. Das heißt, die Fernverkehrsstrecken, die im Bestandsnetz sind, sind Bestandteile des Netzes 21.

Als letztes: Sie haben irgendwie von den Daten des ICE-T gesprochen. Ich weiß nicht, sie müssen Ihnen nicht vorliegen. Ein ICE-T deutscher Bauart fährt 230 km/h, ein italienischer fährt 250 km/h und der X 2000 300 km/h. Das sind ICE-Geschwindigkeiten. Was darüber ist, kann man den Flugzeugen überlassen.

Herr Mokry, ich möchte Ihnen ans Herz legen, zu unterscheiden, daß wir hier zwei Phasen eingebracht haben. Sie müßten eigentlich besser wissen als wir, daß eine Neubaustrecke auch gebaut werden kann. Wenn wir das hier ansehen, wäre das für das Jahr 2015.

Herr Sachse, zu Ihren Ausführungen. Wir fühlen uns nicht als Briefträger. Die Briefe sind in jeder Fraktion angekommen. Wir haben aber nach einer Möglichkeit gesucht, das Thema zu behandeln. Denn wir halten den Brief und die Leute, die ihn geschrieben haben - das ist im Auftrag mehrerer Verbände gemacht worden -, für so engagiert, daß wir das Thema nicht verlieren wollen. Das war für uns also eine Variante, über das Thema zu sprechen. Vielleicht gibt es eine bessere Lösung.

Wir verlassen - das möchte ich auch Ihnen deutlich sagen, weil Sie es in der Rede gesagt haben - in diesem Zusammenhang nicht den Landesentwicklungsplan. Wir haben hier keine Alternativdiskussion. Wenn Sie dies behaupten, dann müssen Sie sich die Trassenkarte nicht richtig angesehen haben.

(Herr Sachse, SPD: Das wird aber so verstan- den!)

Wir haben ganz einfach gesagt: Es gibt eine Fernverkehrsanbindung in zwei Phasen. Die erste Phase ist, daß wir das Bestandsnetz jetzt ausbauen und nicht warten, bis irgendwann der Fernverkehr über eine Neubaustrecke läuft. Wir wollen auch heute Fernverkehr über Halle und nicht erst sonstwann. Was passiert, wenn wir bei 160 km/h stehenbleiben? Beim Verkehrsprojekt Deutsche Einheit über Magdeburg haben Sie es erlebt: Der Verkehr geht vorbei. Er geht über die Umfahrung Stendal. Das möchte ich für unseren Südraum nicht noch einmal erleben!

(Beifall bei der PDS)

Das ist das, was dahintersteht. In diesem Zusammenhang möchten wir diesen Antrag sehen, nicht als eine Alternativdiskussion, sondern als eine Diskussion, die ein strategisches Ziel hat, aber auch Schritte vorgibt, in denen wir jetzt vorgehen können angesichts der Finanzsituation des Bundes, wo die Netzverantwortung liegt. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Herr Kasten, würden Sie eine Frage von Herrn Sachse beantworten?

Herr Kasten, ich habe zwei Fragen. Die erste Frage: Würden Sie zugeben, daß die Versäumnisse, die im Ergebnis das Abhängen des Magdeburger Raumes vom ICE-Verkehr betreffen, in den Jahren 1990 bis 1994 begangen wurden, weil damals niemand vehement gegen einen falschen Streckenbau votiert hat?

Die zweite Frage: Würden Sie nicht auch meinen, daß wir zum jetzigen Zeitpunkt eine Diskussion führen, die falsch verstanden werden kann? Ich habe zum Ausdruck gebracht, daß die Prüfung des Konzeptes als Alternativdiskussion verstanden werden kann, daß das zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem keine Kriterien zum Bundesverkehrswegeplan vorliegen, kontraproduktiv und gegen die Bestrebungen der Landesregierung gerichtet ist.

Ihre erste Frage würde ich bejahen. Ich würde das sogar auf den Zeitraum bis 1992 eingrenzen. Das Jahr 1994 ist vielleicht ein bißchen zu spät. Das war bis 1992 gelaufen, und ich würde VPDE Nr. 3 gleich mit dranhängen. Die Probleme, die wir jetzt dabei haben, über Stendal wirklich noch etwas auf die Beine zu bringen in Richtung Hamburg/Bremen, sind ja auch in dieser Zeit gelegt worden.

(Herr Sachse, SPD: Das ist klare CDU-Verant- wortung!)

- Ja. Das ist klar.

Zu Ihrer zweiten Frage. Wir hatten gerade gedacht, daß wir in diesem Zeitraum noch Anregungen erhalten, die über Verbände gekommen sind und die eine fachliche Basis haben, unabhängig von einer Partei oder einem Land, das ein Projekt durchboxen will. Sachsen ist natürlich an der Verbindung über Leipzig interessiert, egal, wie sie sonst läuft. Aber wir haben doch das erstemal gesehen, daß wir mit diesem Konzept mehr als ein Land unter ein Dach kriegen können. Die Stimme eines Landes im Bund ist gering. Wichtig wäre, daß wir mehrere bündeln können. Dann ist auch die Chance größer, das relativ zeitnah umzusetzen. Es geht immerhin um einen Zeitraum, der zwischen 2010 und 2020 liegt.

Ich muß auch einmal erwähnen: Herr Minister Dr. Heyer hat eigentlich den ersten Schritt getan. Die Verhandlungen zum Ausbau des Südkopfes Halle und die Ergebnisse sind in diesem Zusammenhang sehr wichtig gewesen.

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte und kommen zum Abstimmungsverfahren zu Drs. 3/3060. Es hat niemand eine Überweisung verlangt. Demzufolge ist über den Antrag selbst abzustimmen. Wer stimmt dem Antrag zu? - Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Dieser Antrag ist damit mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden. Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 18 beendet.

Ich rufe den letzten Tagesordnungspunkt, den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Beratung

Die institutionelle Förderung von Verbänden und Einrichtungen im Kulturbereich und die notwendige Schaffung einer Projektberatungsstelle

Antrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/3061

Der Antrag wird eingebracht durch die Abgeordnete Frau Wiechmann.

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren! Das ist jetzt der letzte Tagesordnungspunkt. Ich bitte Sie, noch durchzuhalten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin hat es mir vorweggenommen: Es ist der letzte Tagesordnungspunkt, und die Zeit ist auch schon fortgeschritten. Ich rechne trotzdem noch mit voller Konzentration bei diesem, wie ich denke, sehr wichtigen Thema. Das will ich natürlich auch begründen.

Vor acht Tagen fand eine Anhörung im Ausschuß für Kultur und Medien statt. Thema der Anhörung war: Wieviel Festschreibung braucht die Kultur? Dieses Thema war von allen Ausschußmitgliedern gebilligt worden, und die an der Anhörung teilnehmenden Institutionen und Personen waren von den Fraktionen vorgeschlagen worden.

Nun mag auf den ersten Blick dieses Thema tatsächlich nicht geeignet sein, Neugier zu wecken oder gar jemanden vom Hocker zu reißen. Zu abstrakt, vielleicht sogar lebensfremd erschien die Formulierung von der Festschreibung der Kultur.

Aber, meine Damen und Herren, was erhofft wurde, trat ein: Lebendige Diskussionen, unterschiedliche Positionen aus den verschiedenen Kulturbereichen prägten die Anhörung über mehrere Stunden. Sachkunde und auch das ehrliche Bemühen, die Probleme der Institutionen und Einrichtungen ungeschminkt zu nennen, dominierten. Aber all das kann man, denke ich, dem Protokoll über die Anhörung entnehmen.

Meine Damen und Herren! Ich gehe deshalb von der Anhörung aus, weil bei aller Unterschiedlichkeit der Meinungen und auch - -

(Unruhe)

Entschuldigung, Frau Kollegin. - Meine Damen und Herren! Ich hatte Sie vorhin deutlich darauf hingewiesen, daß von uns allen ein bißchen mehr Konzentration erwartet werden kann.

Danke sehr. - Ich gehe deshalb also von der Anhörung aus, weil bei aller Unterschiedlichkeit der Meinungen und Probleme eines deutlich wurde, nämlich die Sorge aller vertretenen Institutionen, Verbände und Teilnehmer um die finanzielle Absicherung der kulturellen Aktivitäten. Das reichte vom Deutschen Bühnenverein über den Museumsverband, den Landesheimatbund oder den Landesmusikrat bis hin zu Vertretern von Vereinen, den Beauftragten der evangelischen Kirche und den Kulturmanagern.

Obwohl nicht an der Anhörung beteiligt, meine Damen und Herren, sprach vor Tagen der Präsident der GoetheInstitute und der einst mehr als zwei Jahrzehnte tätige Kulturdezernent von Frankfurt am Main, der international hoch geachtete Hilmar Hoffmann, jenes Wort aus, das, so meine ich, jeder der an der Anhörung Beteiligten vorbehaltlos unterschrieben hätte, nämlich jenes Wort, das die mißliche Lage in der Bundesrepublik Deutschland kennzeichnet. Ich darf bitte zitieren:

„Kulturpolitik wird in Deutschland nicht mehr von Kulturdezernenten, sondern von Kämmerern und Finanzministern betrieben. Das Ende dessen, was man früher mal euphorisch Kulturpolitik genannt hat, steht damit bevor.“

Meine Damen und Herren! In diesem Spannungsfeld zwischen Euphorie und Niedergeschlagenheit befinden wir uns, wenn wir die Wertungen über den Kulturbereich und zur Kulturpolitik betrachten. Anfängliche Euphorie über Förderung und Nutzung der vielfältigen Fördertöpfe für unterschiedliche Projekte, über institutionelle Förderung ist längst verflogen. Aber nicht nur eine realistische Sichtweise nahm den Platz ein, sondern Mittelkürzungen gehen an die Substanz und schaffen auch den Raum für Hoffnungslosigkeit.

Das bereits zitierte Wort Hilmar Hoffmanns vom Ende jeder Kulturpolitik wird im größeren Zusammenhang von Rupert Graf Strachwitz und Stefan Tüppler gesehen, wenn sie schreiben:

„Unser gesellschaftliches Leben ist in der Krise. Die öffentlichen Kassen sind leer und weder durch Steuern noch durch Kredite aufzufüllen. Schlimmer noch: Die Politik ist mit ihren Rezepten am Ende.“

Meine Damen und Herren! Interessant erscheint mir aber zugleich die Folgerung, die beide Autoren aus die

ser schwierigen, fast hoffnungslosen Lage ziehen, eine Folgerung, die nicht dem üblichen bekannten Zweckoptimismus vom halbvollen oder halbleeren Glas entspricht, sondern die die Autoren als Chance begreifen, wenn sie schreiben:

„Diese Krise ist zugleich eine Chance, die Chance, das Mitdenken und Mitwirken vieler wieder zu aktivieren. Kunst und Kultur sind in Entstehung, Vermittlung und Pflege unmittelbar betroffen. Auf die Künstler und die, die in kulturellen Einrichtungen Verantwortung tragen, kommen besondere Aufgaben zu. Sie müssen neues Denken vorleben.“