Claudia Wiechmann
Sitzungen
3/35
3/36
3/37
3/38
3/39
3/40
3/41
3/42
3/43
3/44
3/45
3/46
3/47
3/48
3/49
3/50
3/51
3/53
3/54
3/55
3/56
3/57
3/58
3/59
3/60
3/61
3/63
3/64
3/65
3/66
3/67
3/68
3/69
3/70
3/71
3/72
3/73
Letzte Beiträge
Danke schön, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Herr Oleikiewitz, Sie sollten sich daran erinnern Sie sind mehrfach ermahnt worden -, in welcher Funktion Sie denn sprechen und dass Sie hier eigentlich als unabhängiger Berichterstatter der Enquetekommission auftreten sollten. Diese Unabhängigkeit haben Sie gerade eben verlassen. Das ist aber nicht das, was ich eigentlich sagen will. Ich bin über Ihre Unverfrorenheit und über Ihre Schamlosigkeit ein bisschen überrascht.
Ja, ich muss sagen: überrascht. Herr Oleikiewitz, an Ihrer Stelle wäre ich unter den Tisch gekrochen,
da wäre ich im Boden versunken. Denken Sie an Ihre SPD-Spendenskandal-Schmierenkomödie, die jetzt auch in Sachsen-Anhalt stattfindet, die auch Sachsen-Anhalt eingeholt hat. Sie kennen ja den Spruch: Die Wahrheit ist wie ein Schneeball. Sie kommt letztendlich immer heraus und wird immer größer.
Das, Herr Oleikiewitz, genau das, diese Spendenskandal-Schmierenkomödie, wäre ein Untersuchungsgegenstand für eine nächste Enquetekommission.
Ich denke, das wäre wichtig und das sollte der nächste Landtag auch machen. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Bericht der politischen Enquetekommission würden wir wie folgt qualifizieren: Außer Spesen nichts gewesen, jedenfalls nicht viel. Die Spesen hat Herr Oleikiewitz schon deutlich genannt: 95 000 DM hat uns der ganze Spaß gekostet, und das Ergebnis ist eher mager, auch wenn von Herrn Oleikiewitz und von den Kollegen der Fraktionen von SPD und PDS noch so viele Worte darum gemacht werden.
Aber woran liegt das? An den Menschen hier liegt es nicht; denn Sachsen-Anhalt hat hoch motivierte und gut ausgebildete Menschen, eine sehr gute geografische Lage - ich habe das schon mehrfach gesagt -, Traditionen in den wichtigsten Industriezweigen und müsste Spitzenreiter im Hinblick auf die Beschäftigungsquote sein. Leider ist es das aber nicht. Die wirtschaftliche Lage der neuen Bundesländer ist insgesamt nicht berauschend, aber in Sachsen-Anhalt ist sie katastrophal.
Die Ursache für die alle Rekorde sprengende Arbeitslosigkeit liegt nicht bei den Bürgern von Sachsen-Anhalt, sondern sie liegt, ganz einfach und deutlich gesagt, in dieser unfähigen Landesregierung. Wie verfahren die Situation im Lande bereits ist, wird durch die mangelhafte Zusammenarbeit Länder übergreifender Regionen bewiesen, mit denen Sachsen-Anhalt nicht einmal ernsthaft konkurrieren bzw. überhaupt kooperieren kann.
Wenn in Sachsen-Anhalt - das ist das Hauptbestreben bei politischen Entscheidungen derzeit nicht Investitionen und wirtschaftliches Wachstum Priorität besitzen, sondern altgehabte und abgewirtschaftete sozialpolitische Verteilungsregularien dominieren, dann, meine Damen und Herren, ist Ausweglosigkeit vorprogrammiert.
Da die Wirtschaft anerkanntermaßen größtenteils Psychologie ist, werden die Ablehnung und die Vorbehalte gegenüber dem Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt verheerende Langzeitwirkungen hervorrufen.
Der Zustand der Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt ist besonders kritisch. Sie kann sich ohne staatliche Fördermittel nicht bedarfsgerecht entwickeln, obwohl das Potenzial für die Entwicklung insgesamt vorhanden ist.
Im Vergleich mit den anderen neuen Bundesländern ist der Strukturwandel in Sachsen-Anhalt eher als negativ zu bezeichnen. Die Auswirkungen des anhaltenden ungewöhnlichen Abbaus von Arbeitsplätzen verursachen im Vergleich zu den anderen Bundesländern auch die höchste Arbeitslosigkeit.
Die große Arbeitslosigkeit ist auch Hauptursache für die überdurchschnittlich hohe Rate der Abwanderung der Bevölkerung aus dem Lande. Auch diesbezüglich ist gar nichts schönzureden. Herr Dr. Bergner hat das auch gesagt. Meine Redezeit ist etwas kürzer als seine. Zugleich ist die große Arbeitslosigkeit auch eine Ursache für den Wohnungsleerstand im Land Sachsen-Anhalt.
Die angespannte Arbeitsmarktlage im Land führt ferner zu einer großen sozialen Bedürftigkeit und sie fördert auch unmittelbar oder mittelbar eine verdeckte, aber auch eine offene Armut. Die soziale Schere klafft also weiter auseinander und Änderungen sind nicht in Sicht. Das hat auch der Bericht der Enquetekommission gezeigt.
Der Bericht „Zukunftsfähige Entwicklung des Sozialstaates und soziale Gerechtigkeit“ beschäftigt sich zwar umfassend mit der Nachhaltigkeit der Sozialpolitik des Landes Sachsen-Anhalt, allerdings unter Ausschluss der Familien und der Frauen. Auch bleibt der demografische Wandel insgesamt außer Betracht. Die vorgelegte so genannte Nachhaltigkeitsstrategie schreibt offenkundig die familienbehindernde Politik des Landes SachsenAnhalt weiter fort.
Für das Land Sachsen-Anhalt ist dies, bedingt durch Geburtenrückgang und Abwanderung, eine willkommene Gelegenheit, durch weitere Einsparungen zum Beispiel im Sozial- und im Bildungsbereich den Landeshaushalt auf Kosten von Ehe und Familie zu sanieren.
Bekanntlich werden die Aussagen zur Bildungspolitik insgesamt innerhalb und außerhalb des Landes widersprüchlich aufgenommen. Bildungspolitische parlamentarische Debatten erschöpfen sich in der Reichweite von tagespolitischen Entscheidungen und gleichen mehr einer Lobpreisung der jeweils herrschenden Parteienmehrheit oder sie verenden sozusagen in uferlosen Betrachtungen visionärer Zeiträume, die für ein durchschnittliches Menschenleben eigentlich unerreichbar bleiben.
Dietrich Schwanitz formulierte das zutreffend: „Die Schulen sind fast vollständig zur Beute politischer Parteien geworden.“
Meine Damen und Herren! Das ist das Dilemma von Bildung und Bildungspolitik: Die berufliche Ausbildung in Sachsen-Anhalt wird durch die allgemeine wirtschaft
liche Situation geprägt. Die Situation im Land wird sich durch Abwanderung und Geburtenrückgang noch weiter verschärfen, weil ein kontinuierlicher Wechsel der Generationen im Arbeitsleben nicht mehr möglich sein wird. Der Erfahrungsschatz der frühzeitig aus dem Berufsleben ausscheidenden Menschen geht verloren, die Übergabe des beruflichen so genannten Staffelstabes findet unzureichend statt.
Der Bericht „Zukunftsfähige Entwicklung der Kultur“ analysiert insgesamt die vorhandenen Gegebenheiten, zeigt Schwachstellen auf und benennt zugleich Schwerpunkte und Maßnahmen für künftige Entwicklungen. Wegen der beschränkten materiellen Möglichkeiten des Landes, die man sich selber geschaffen hat, erscheint die Umsetzung der unterbreiteten Vorschläge jedoch sehr problematisch. Es gilt auch hier europäische Maßstäbe anzulegen und zugleich eine globale Betrachtung vorzunehmen.
Meine Damen und Herren! Finanzielle Zuführung ist vonnöten und darf ein bestimmtes Minimum nicht unterschreiten. Ansonsten bleibt Sachsen-Anhalt auch auf dem kulturpolitischen Gebiet Träger der roten Laterne.
Unsere FDVP-Fraktion, meine Damen und Herren, hat entgegen Ihren Aussagen, Herr Oleikiewitz, umfangreiche und ausgezeichnete Zuarbeiten geleistet, auch zu dem Bericht der Enquetekommission, die Sie aber vermutlich nicht einmal gelesen haben, geschweige denn dass sie Eingang in den Abschlussbericht gefunden hätten.
Stattdessen, meine Damen und Herren, versinkt unser Land dank der SPD im Spendensumpf und in Korruptionsskandalen. Ich kann nur noch einmal betonen: Das können wir nicht zulassen. Wir müssen dafür sorgen, dass solche Skandale in Zukunft nicht passieren. Das ist wichtig für die Zukunft dieses Landes, für die Zukunft Deutschlands und auch Sachsen-Anhalts. Dort muss man ansetzen und solche Skandale müssen bekämpft werden. - Danke schön.
Danke schön. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz sich über 500 000 Demonstranten versammelten, um gegen die SED-Herrschaft zu protestieren, hörten sie die betagte Schauspielerin Steffi Spiera jene Forderung aussprechen, die später zum geflügelten Wort dieser Ereignisse wurde: Nie wieder Staatsbürgerkundeunterricht!
Diese Forderung wurde nicht nur von den Kindern und Jugendlichen bejubelt, nein, auch die Eltern und Großeltern wussten oft aus eigenem Erleben, wie qualvoll gerade dieser Unterricht war, weil er mit ideologischer Gleichschaltung und ideologischer Disziplinierung einherging. Oft genügte schon ein Hauch anderer Gedanken, um entsprechende Sanktionen hervorzurufen. Es war kein Unterricht für Staatsbürger, um sie zu Meinungsfreiheit und aktiver Mitgestaltung des Gemeinwesens anzuregen; vielmehr wurde freie Meinungsäußerung verketzert und verfolgt. Die Widerstandskraft von Kindern und Jugendlichen sollte gebrochen werden.
Die Gleichschaltung ging einher mit angestrebter Anpassung, die zur Doppelzüngigkeit der Bevölkerung in der gesellschaftlichen Kommunikation führte. Die Verlogenheit dieser DDR-Gesellschaft erreichte dadurch wahre Meisterschaft.
Es mag wie die Geschichte von einem anderen Stern klingen, meine Damen und Herren, wenn sich die Eltern daran erinnern, ihren Kindern fast eingebläut zu haben, dass sie abends eben nur einen Sandmann sehen, was allerdings nur im Dresdener „Tal der Ahnungslosen“ Sie erinnern sich alle an diesen Ausdruck - zutraf.
Das heißt, bereits die Kinder wurden so in ihrem Verhalten und in ihren Einstellungen geprägt, die auf eine Gesellschaft wirken. Jene, die dieser Doppelzüngigkeit und Heuchelei widerstanden, erhielten durch vielfache Schikanen die Quittung, die oft in heute nachzulesenden
Biografien oder mündlichen Berichten als Lebensbrüche bezeichnet werden.
Die Anpassung, meine Damen und Herren, und der keineswegs aufrechte Gang waren die Folge. Nur in den privaten Bereichen, den so genannten Nischen, wurde jene Offenheit gepflegt, die ansonsten in der Gesellschaft verwehrt wurde. Deshalb war der Drang der Menschen nach Meinungsfreiheit in allen Bereichen der Gesellschaft so groß. Nicht zuletzt dieser Wille läutete das Ende der DDR ein.
Diese Meinungsfreiheit - grundgesetzlich garantiert - ist sicherlich mit das höchste Gut, das der frühere DDRBürger ersehnte und das er nun auch zu schätzen weiß.
Deshalb, meine Damen und Herren, sind die Bürger in Mitteldeutschland aber auch so misstrauisch, wenn ihnen heute erneut in den Medien und durch die Politik statt Meinungsvielfalt nur Meinungseinfalt begegnet und vieles in der Medienpräsenz an diese Gleichschaltung erinnert.
Meine Damen und Herren! Als die Forderung nach Beendigung des berüchtigten Unterrichts in Stabü - so wurde das genannt - aufkam, da war vor allem das Ende der Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen gemeint. Heute wird aber das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, das heißt, in Kenntnis der trüben Erfahrungen mit dem einstigen Unterricht wird abgelehnt oder mit großen Vorbehalten aufgenommen, was einer staatsbürgerlichen Erziehung durchaus dienlich wäre.
Meine Damen und Herren! Es ist unverständlich und auch erstaunlich, dass Kinder und Jugendliche oft keine Kenntnisse über die Geschichte der DDR, ihre Strukturen und die SED-Diktatur insgesamt besitzen.
Doch wen verwundert das? - Eltern sind hilflos und lehnen die Beantwortung der Fragen ab, weil die Antworten für sie selbst Fragen nach dem eigenen einstigen Verhalten aufwerfen. Oder man ist ganz einfach müde, ständig sein Verhalten zu DDR-Zeiten erklären und den Kindern begreiflich machen zu müssen, dass nicht jeder Mensch zum Helden geboren war. - Ein Problem, das in der deutschen Geschichte von Generation zu Generation übergreift. Lehrer in der Schule verkneifen sich Antworten oder übergehen gar die Fragen, weil sie sich von Schülern bedrängt fühlen oder fürchten, eigene Positionen von einst kundtun zu müssen.
Als erlösende generalisierende Formel, um aus der Ecke zu gelangen, in die man gestellt wird, bietet sich dann eine Formel an, die man immer wieder hört: Es war ja nicht alles schlecht in der DDR. - Mit dieser Formel wird nicht nur eigenes individuelles Verhalten erklärt, sonder auch eigenes Verhalten verklärt. Diese Formel wird genutzt, um den eigenen Lebenslauf, die Familie, die berufliche Entwicklung und auch das Umfeld des eigenen Lebens, der Familie zu schützen, weil Außenstehende, oft Wessi-besserwisserische, zur großen Verurteilung ansetzen und zum Schluss entschuldigend hinzufügen, man wisse ja nicht, wie man sich selbst verhalten hätte, wenn man in der DDR gelebt hätte.
All das, meine Damen und Herren, zeugt von Unkenntnis über die DDR, von der Unkenntnis über das Leben in der DDR, über die Tücken, Heimtücken und auch über die Menschenverachtung der SED-Diktatur.
Verwundernd ist es, meine Damen und Herren, wenn Bürgerrechtler zu Außenseitern werden, heute einstige
Opfer von einstigen Tätern verhöhnt werden, weil die Täter zu den Gewinnern der damaligen Wende gehören. Wie viel Bitternis stößt jenen Menschen auf, die nun heute um ihre Rehabilitierung kämpfen müssen und die erfahren müssen, dass Jahrzehnte als Zuchthauswärter höhere Rentenansprüche erbringen als Jahrzehnte, die man als politischer Häftling im Bautzener „Gelben Elend“ abgesessen hat.
Meine Damen und Herren! Wie verhängnisvoll wird es, wenn die Kinder, Jugendlichen und Studenten keine Kenntnisse über die überwundenen Zeiten erhalten und so der Platz für Legenden geschaffen wird. Es sind eben die Legenden, die mit der Formel beginnen: Es war doch nicht alles schlecht in der DDR. - Wer dieser Formel nachhängt, vergisst das Leid, vergisst die Opfer und die Entwürdigung von Menschen, die über all die Jahre der SED-Diktatur bei Strafe ihres Lebens schweigen mussten, die resignierten und heute - wo sie reden und herausschreien könnten und müssten - verbittert schweigen und verdrängen; denn das ist auch die einzige Art von Opferschutz.
Meine Damen und Herren! Die Zahl jener Menschen, die nicht mehr schweigen wollen, wächst, und das ist gut so. Einst in DDR-Zeiten bei strengster Strafe verboten, wanderte das Buch von Wolfgang Leonhard „Die Revolution entlässt ihre Kinder“ dennoch von Hand zu Hand. Doch die den Zeitzeugen verbleibende Lebenszeit vermindert sich; die Zahl der Zeitzeugen verringert sich.
In diesen Tagen erscheinen die Erinnerungen des seriösen und untadligen Herrmann Weber, der einen Lehrstuhl für Zeitgeschichte an der Universität Mannheim innehatte. Weber schildert in seinen Erinnerungen, wie er 1947 als junger Kommunist aus der Westzone in die Ostzone zum Parteistudium delegiert wurde und wie seine Begeisterung bereits nach wenigen Wochen nachließ, weil ihm der Dogmatismus und die geistige Indoktrinierung so starke Fesseln anlegten, dass er seinen Ausflug in das kommunistische Herrschaftssystem bald beendete. Herrmann Weber wurde zu einem der sachkundigsten Analytiker der SED-Diktatur.
Meine Damen und Herren! Wem das nicht ausreicht, der sollte sich mit der Biografie Carola Sterns beschäftigen, die in der so genannten Höhle des Löwen, sprich in der Ulbricht‘schen Parteihierarchie, nicht unbedeutend war und am eigenen Leibe die gedankliche Entmündigung verspürte, wenn man sich der Nomenklatura verschreiben musste.
Meine Damen und Herren! Aber nicht nur diese Erinnerungen, nein, auch die Erinnerungen und die Erfahrungen der so genannten einfachen Leute mit der DDR, mit der SED-Diktatur werden den Kindern und den Jugendlichen verschwiegen oder in einem Schnellkurs innerhalb weniger Stunden vermittelt, der in die Nähe einer Quizsendung angesiedelt ist.
All das verblüfft nicht; denn jüngste Untersuchungen ergaben, dass die DDR-Forschung an den Universitäten und Hochschulen fast brachliegt. Wie sollen dann aber jene Kenntnisse über die DDR, deren Machtstrukturen und die SED-Diktatur erlangen, die diese Kenntnisse später in der Schule vermitteln sollen, wenn sie in ihrer Ausbildung nicht zu diesen Erkenntnissen geführt werden?
Der Autor der interessanten Studie über die DDR-Forschung und ihren Niederschlag im akademischen Lehrbetrieb, der noch unlängst in Wittenberg tätige Peer
Pasternack, schreibt Folgendes - ich darf wiederum zitieren -:
„Heute entscheidet sich, ob die DDR-Geschichte künftig eine angemessene Berücksichtigung in den Lehrplänen und in der Unterrichtsgestaltung erfahren wird und wie die gegenwärtig bzw. künftig auszubildenden Lehrerinnen und Lehrer diesen Teil deutscher Nachkriegsentwicklung werden unterrichten können. Was sie während des Studiums nicht wissenschaftlich vermittelt bekommen, werden sie danach kaum in den Unterricht transformieren können.“
Zu denken gibt das in der Studie angeführte Ranking der Sachthemen. Mit weitem Abstand nehmen jene Lehrveranstaltungen eine Spitzenposition im akademischen Lehrbetrieb ein, die sich mit ostdeutschem Kulturleben und der DDR-Kulturpolitik sowie mit dem politischen System und der Verwaltung befassen. Natürlich waren westdeutsche Bürokraten bei ihrem Einstieg im Osten hoch erfreut, gleichartige Amtsbrüder vorzufinden; denn: gleiche Brüder, gleiche Kappen, getreu dem Motto: „Bürokraten aller Systeme, vereinigt euch!“
Viel ernster ist doch die Tatsache, dass die Detailauswertung zum Themenfeld „Politisches System und Verwaltung“ ergab, dass die auf die SED bezogenen Themen lediglich einen Anteil von 2 % ausmachen.
Ebenfalls praktisch nicht existent ist die DDR-Militärpolitik.
Erbärmlich, aber dennoch ernüchternd ist ein weiterer Fakt. Ich darf auch hierzu bitte zitieren:
„Andere Themen sind ausgesprochen gering in den Lehrveranstaltungen vertreten. Opposition, Widerstand und Repression zählen nicht zu den zentralen Gegenständen der Lehre an den deutschen Hochschulen. Nur 60 von insgesamt 1 421 erfassten Vorlesungen und Seminaren waren zum Thema Opposition und Widerstand zu ermitteln, also nur 4 %. Die Themen MfS und Polizei machten 0,8 % der 1 421 Vorlesungen und Seminare aus.“
Meine Damen und Herren! Wer diese Zahlen vernimmt, der könnte in Anlehnung an den Satiriker Peter Ensikat ausrufen: Hat es die DDR überhaupt gegeben?
Meine Damen und Herren! Wen erstaunt es angesichts der bereits in der Lehrerbildung auftretenden Fehlentwicklungen, wenn hier neue Legenden Einzug halten? Niemand leugnet die Notwendigkeit, die Alltagskultur zu erforschen, aber wenn die Disproportionen derart ausgeprägt sind, dann stimmt die Richtung nicht mehr.
Wenn die Deutsche Forschungsgemeinschaft Millionenbeträge für Drittmittel auswirft und diese dann - das ist ein jetzt begonnenes Projekt - für die Erforschung der Sandmann-Sendungen und der Sendungen „Ein bunter Kessel“ des Fernsehens der DDR einsetzt, dann fragt man sich doch -
- Ja, es heißt „Ein Kessel Buntes“. Frau Lindemann, ich bin froh, dass Sie sich noch erinnern, aber ich erinnere mich nicht mehr so genau.
- Das ist ein ernstes Thema. Ich sehe, Sie haben die Sendung oft gesehen.
Wenn gegenwärtig die Sandmann-Sendungen oder die Sendung „Ein Kessel Buntes“ erforscht werden, dann fragt man sich, ob das die berüchtigte ElfenbeinturmForschung ist oder ob man an den Strukturen des politischen Systems, den Machtstrukturen der SEDDiktatur kein Interesse hat. - Diese Frage stelle ich Ihnen jetzt einfach einmal, Frau Lindemann, wenn Sie hier solche Einwürfe machen.
Wir wollen nicht über Hintergründe mutmaßen, aber man muss doch aussprechen,
dass es bedenklich ist und verhängnisvoll sein wird, Forschungen zur SED-Diktatur und zu den Machtstrukturen der DDR zu vermindern oder gar auszusparen. Das spiegelt sich auch in den Medien wider.
- Herr Rahmig, Sie haben doch schon gestern Ihre letzte Rede gehalten. Wir sehen Sie hier nicht wieder.
- Lassen Sie es halt.
Das spiegelt sich auch in den Medien wider. Erinnert sei an die brutalstmögliche Aufklärung in Bezug auf die Stasi-IM beim MDR.
Hartnäckig über Jahre hinweg verschwiegen und vertuscht, tauchen die geläuterten IM in den Redaktionen oder mit dem berüchtigten Lächeln und Grinsen wieder vor der Kamera auf. Die IM von einst - wir haben sie sogar hier im Landtag
treten nun als Saubermänner und Aufklärer der Zuschauer auf. Meine Damen und Herren! Diese IM begegnen heute dem Zuschauer nicht mehr mit Literatur für konspirative Arbeit in der Aktentasche, sondern mit dem Grundgesetz vor der Kamera oder in der Redaktion oder auch hier im Parlament wedelnd. Der Zuschauer aber fühlt sich dabei nicht nur veralbert, sondern er zweifelt.
Er zweifelt mehr als bisher an der Glaubwürdigkeit der Medien und der Politik. Das ist das Schlimmste. Er wird in seinem Misstrauen bestärkt.
Meine Damen und Herren! So wird die Politikverdrossenheit und die Politikerverdrossenheit bei vielen Menschen manifestiert.
Nun folgt dem pastoral wirkenden Stasiaktenverbrenner aus Wittenberg und dem sich in Eitelkeit pfauenartig spreizenden Übergangsminister Diestel der sich als Kanzler aller Deutschen gebärdende SPD-Genosse Schröder, der sich - so übrigens nachlesbar - durchaus vorstellen kann, einen Schlussstrich unter die Stasiakten
zu ziehen, weil er ein Umdenken im Umgang mit dem politischen Erbe der DDR fordert.
Demagogisch wie gewohnt ernennt sich Kanzler Schröder zum Sprecher des kleinen Mannes und stellt die Frage, ob bei diesem kleinen Mann denn die Personalfragebogenpolitik noch fortgeführt werden soll. Natürlich erfolgt die Fragestellung auch bei Schröder - wie er sagt - vorurteilsfrei, aber diese Gedanken des Bundeskanzlers entspringen nicht einer Bierlaune und besitzen auch nicht die staatspolitische Bedeutung seines bewährten Schlachtrufs „Hol mir mal ‘ne Flasche Bier!“
Nein, meine Damen und Herren, hier wird vom Bundeskanzler und SPD-Vorsitzenden getestet, wie weit er sich herauswagen kann, um zu prüfen, ob ab dem 22. September 2002 auf Bundesebene die rot-blutrote Koalition möglich ist. Die volle Zustimmung für den politischen Testballon erhielt Schröder bereits von der PDS; das haben wir alle gehört.
Die „Welt“ sieht im Vorgehen Schröders den Versuch, es den Tätern nunmehr zu gestatten, im Windschatten des Kohl-Akten-Urteils, mit dem der Opferschutz unterstrichen wurde, unerkannt im Rechtsstaat unterzutauchen. Aber selbst das ist kaum vonnöten; denn einstige Stasitäter und der Stasi Dienende haben alle Barrieren übersprungen, sind als brandenburgischer Ministerpräsident tätig oder üben sich im neuen Machtbereich des Berliner Wirtschaftssenators.
Nicht zuletzt verweigerte die SPD-Fraktion hier im Landtag - ich darf alle noch einmal daran erinnern - die parlamentarische Überprüfung ihrer Abgeordneten bezüglich einer Stasitätigkeit.
Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Was ist schon der korrupte Spendengestank der Kölner Müllverbrennung gegen diesen beißenden und ätzenden Geruch der Geschichtsverdrängung, der viel nachhaltigere Wirkungen bei der jüngeren Generation hervorrufen wird und hervorrufen soll? - Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kuntze, ich weiß nicht ganz genau, was bei unserem Antrag nicht maßvoll ist, aber irgendwie mussten Sie wohl die Kurve kriegen und einen Grund dafür finden, warum Sie diesem Antrag nicht zustimmen, obwohl das eigentlich auch die Intention der CDU-Fraktion ist. Ich bin einigermaßen überrascht von dem Inhalt Ihres Beitrags.
Es war sicherlich nicht nur Zynismus, sondern auch lebensverbundene Erkenntnis, wenn wir nachlesen können, meine Damen und Herren, dass die wichtigste Lehre der Geschichte die ist, dass der Mensch eben nicht sehr viel aus der Geschichte lernt. Für mich trifft das nicht zu. Ich habe sehr viel aus der Geschichte gelernt.
Für den einen oder anderen in diesem Raum, insbesondere für einige auf den mittleren und linken Sitzblöcken, trifft dieser Spruch allerdings sehr wohl zu.
Dieser Eindruck verstärkt sich heute, wenn man die Debatte verfolgt, insbesondere wenn ich feststellen muss, dass sich die Damen und Herren der SPDFraktion und der PDS-Fraktion zu diesem Thema nicht äußern. Bei Ihnen könnte ich es noch verstehen, weil es Sie selbst betrifft. Aber gut.
Wir halten es doch lieber mit dem Goethe-Wort von der Pflicht des Historikers, das Wahre vom Falschen, das Gewisse vom Ungewissen, das Zweifelhafte vom Verwerflichen zu unterscheiden.
Ein Blick in die Schulbücher der Kinder, in die Lehrpläne der Studenten oder - das ist viel wichtiger - ein Gespräch mit ihnen offenbart genau diese Lücken, die es zu füllen gilt.
Diese Lücken offenbaren sich dadurch, meine Damen und Herren, dass die DDR-Geschichte - ich sage es an dieser Stelle noch einmal - und vor allem die Machtstrukturen der SED-Diktatur, Herr Kuntze, weitestgehend ausgespart werden. Die bereits zitierte Untersuchung von Peer Pasternack führte an, dass nach anfänglicher Neugier auf DDR-Themen das Interesse daran einfach abflachte und im Jahr 2001 oder auch 2002 in 54 der insgesamt 88 deutschen Universitäten keine einzige explizit auf Ostdeutschland bezogene Lehrveranstaltung stattfand.
Die Untersuchung folgert: Sofern es richtig ist, dass an allen Orten, an denen Geschichts- und Sozialkunde-, Deutsch- oder Religionslehrer sowie Sozialwissenschaftler ausgebildet werden, Lehrangebote zur DDR nötig sind, dann ist ein gravierendes Problem zu konstatieren.
Die Forderung wird erweitert und unterstrichen durch die abschließende Bemerkung in der Untersuchung - ich darf bitte noch einmal zitieren -:
„Gewiss ist es vom Grundsatz her zu begrüßen, dass die DDR eine immer stärker integrierte Behandlung in weiter gefasstem Rahmen erfährt. Dennoch sollten Lehramtsanwärter, Studierende mit beruflichen Perspektiven im Journalismus oder in der politischen Bildung und sonstige künftige Multiplikatoren eine realistische Chance haben, sich mit der DDR-Geschichte als explizitem Gegenstand ihrer universitären Ausbildung befassen zu können.
Daher erscheint es unabdingbar, dass in möglichst vielen sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächern und an allen Universitäten entsprechende Lehrveranstaltungen angeboten werden.“
Meine Damen und Herren! Es wäre sehr nützlich und vonnöten, wenn Bundeskanzler Schröder in den Kreis jener einbezogen würde, denen die DDR-Geschichte insgesamt und die der SED-Diktatur nahe gebracht wird. Das würde auch seinen abstrusen Schlussstrichgedanken keinen weiteren Raum mehr lassen. Diese Schlussstrichgedanken haben wir auch schon von unserem Ministerpräsidenten Höppner gehört, aber das verwundert nicht.
Die zitierte Studie kann vom jetzigen Berliner Wissenschaftsstaatssekretär Pasternack in die Wirklichkeit umgesetzt werden. Wie der „Welt“ vom 23. Februar 2002 zu entnehmen war, wird an den Schulen noch mit 30 Jahre altem Lehrstoff gearbeitet. Eine Lehrerin beklagt, wenn sie genau nach Vorschrift unterrichten würde, dann würden ihre Fünft- und Sechstklässler in Geschichte und Sozialkunde über die Wiedervereinigung überhaupt nichts hören. Die historische Wende, meine Damen und Herren, und ihre Ursachen kommen im gültigen Rahmenplan Sozialkunde für die Grundschule gar nicht vor. Das ist auch nicht möglich; denn das Planwerk datiert von 1968.
Nun können sich die Berliner und die Schullehrer aber sicherlich daran erbauen, wie der Obertalker und Wirtschaftssenator Gysi sein Geschichtsbild unterbreitet oder frühere Mauerbefehlshaber wieder agitatorisch an Schulen wirken können. Scheinbar ist hier nichts unmöglich.
Meine Damen und Herren! Die entkriminalisierte Darstellung der DDR-Geschichte und der SED-Diktatur ist kein Problem speziell in Sachsen-Anhalt. Aber es wäre vor allem in Sachsen-Anhalt notwendig, sich damit auseinander zu setzen, damit die historische Entzauberung der blutroten Macht der SED/PDS nicht länger verhindert wird. Das ist dieses Parlament, meine Damen und Herren, den Opfern der SED-Diktatur schuldig, nicht mehr und nicht weniger.
Ich bitte an dieser Stelle noch einmal, auch in Richtung CDU-Fraktion, auch Herrn Kuntze, unserem Antrag zuzustimmen. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Na klar ist es Wahlkampf, und ich beteilige mich gern an diesem Wahlkampf, weil eigentlich diese gesamte Plenarsitzung seit gestern hauptsächlich Wahlkampf ist.
Ich möchte aber Folgendes vorwegnehmen. Wir sind für den Solidargedanken. Wir sind dafür möglicherweise mehr, als Sie es sind. Solidarität kann aber nicht immer nur einseitig eingefordert werden.
Ich habe, glaube ich, in der gestrigen Debatte gesagt: Die einzige Leistung dieser Landesregierung besteht offenbar darin, immer nur nach dem Geld anderer zu rufen. Dazu zähle ich natürlich auch die die Landesregierung tragenden Fraktionen der SPD und der PDS. Von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPDFraktion, stammt auch dieser andere Antrag.
Ich habe also kritisiert, dass ständig nach Geld gerufen wird, anstatt einmal ernsthaft darüber nachzudenken, wie wir es in Sachsen-Anhalt schaffen, die Wirtschaft so stark zu machen - auch hierbei komme ich wieder zu dem Thema der Wirtschaft; es endet immer wieder bei der Wirtschaft -, dass die Arbeitslosigkeit in SachsenAnhalt beseitigt wird. Dann gibt es auch wieder mehr Beitragszahler. Dann haben die Kassen auch wieder mehr Geld zur Verfügung und wir brauchen nicht über Beitragserhöhungen nachzudenken. Dazu sage ich aber in der Beratung zu dem nächsten Tagesordnungspunkt mehr.
Ich komme zu der zweiten Möglichkeit, die ich hier auch ansprechen möchte. Anstatt nach Geld zu jammern, würde die zweite Möglichkeit darin bestehen - das ist eine grundlegende Forderung der FDVP -, die dringend notwendige Reform - es sollte aber eine grundlegende Reform sein - der Krankenkassen vorzunehmen.
Meine Damen und Herren! Wer für über 1 500 Krankenkassen ist, der ist auch für über 1 500 Wasserköpfe. Das betrifft die Verwaltung, Fuhrpark und so weiter. Der ist damit natürlich auch für einen riesigen Kostenapparat, der die Beitragsgelder der Versicherten verschlingt.
Wenn ein Direktor, meine Damen und Herren, einer Krankenkasse ein Jahressalär von 300 000 DM erhält man muss sich diesen Betrag mit dem Faktor 1 500 multipliziert vorstellen, das gibt es in der Bundesrepublik Deutschland -, dann braucht mich niemand mehr zu fragen, wo das ganze Geld der Versicherten bleibt. Dann brauche ich auch an dieser Stelle nicht nach Beitragserhöhungen zu rufen.
Wenn Millionen an Beitragsgeldern - auch das gibt es und das geschieht auch in Sachsen-Anhalt - für fremde Leistungen ins Ausland fließen, dann muss mich auch keiner mehr fragen: Was ist eigentlich die Aufgabe unserer Krankenkassen? Wofür ist unser Solidarprinzip in Sachsen-Anhalt und in Deutschland eigentlich da?
Dem Antrag der SPD-Fraktion können wir natürlich nicht zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch dieser Antrag wäre geeignet, eine namentliche Abstimmung zu verlangen, zumal alle betont haben, dass wir uns im Wahlkampf befinden. Aber diese Option halte ich mir noch offen, bis ich meine Position vorgetragen und die Reaktionen darauf aus dem Plenum erhalten habe.
Ich habe gestern anlässlich der Aktuellen Debatte zum Thema Arbeitslosigkeit den Zustand in Sachsen-Anhalt deutlich beschrieben. Ich glaube, jeder kann sich daran erinnern. Jeder kennt diesen Zustand.
Ferner habe ich erläutert, wo wir die Ansätze sehen, um die Menschen in diesem Lande wieder in Arbeit zu bringen. Nicht die Verwaltung der Arbeitslosigkeit - auch das habe ich gesagt -, sei sie noch so modern, ist das Modell der Zukunft. Vielmehr wollen wir die Wirtschaft stärken, damit in diesem Land wieder Arbeitsplätze geschaffen werden. Genau an dieser Stelle setzen wir an.
Ich habe in einer unserer vergangenen Debatten einmal gesagt: Es kommt nicht darauf an, wie der Wind weht, sondern darauf, wie man die Segel setzt. Das ist noch immer die Überschrift unseres Wirtschaftskonzepts, das darauf ausgerichtet ist, Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt durch Betriebsansiedlungen zu schaffen.
Welche Bedeutung den kleinen und mittelständischen Betrieben zukommt, habe ich gestern gesagt. Weshalb das so ist, habe ich begründet. Ich möchte an diesen Punkt anknüpfen. Es wird der Bereitstellung eines gerade für die kleinen und mittelständischen Unternehmen tauglichen steuerlichen und sozialrechtlichen unbürokratischen Umfeldes bedürfen.
Ich habe gestern noch einmal auf die Bedeutung insbesondere des Handwerks sowie der kleinen und mittelständischen Betriebe für die künftige Entwicklung der Wirtschaft im Lande verwiesen.
Das wirtschaftspolitische Konzept der FDVP-Fraktion zielt genau darauf ab, nämlich vorhandene Unternehmen zu stärken, neue Unternehmen anzusiedeln und zu gründen.
Meine Damen und Herren! Dadurch könnten Synergieeffekte ausgelöst werden und im Lande - das geht auf seriöse Berechnungen zurück - ca. 200 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden.
Auch ich weiß, dass das nicht kurzfristig umgesetzt werden kann, nachdem die Karre derart an die Wand gefahren wurde und sicherlich viel Kraft nötigt sein wird, das Ganze wieder aus dem Schlamm zu ziehen.
Aber das muss angegangen werden; denn das sichert Steuereinnahmen und verbessert die Kaufkraft. Dabei sollten wir - auch das habe ich schon einmal in diesem Hause betont - nicht immer wieder nach fremdem Geld rufen, sondern wir müssen uns immer mehr auf die eigenen Kräfte besinnen und uns auf die Verdichtung bereits vorhandener Strukturen - es sind ja Strukturen vorhanden - und auf vorhandenes Know-how konzentrieren. Mit wenigen Worten: Wir müssen Unternehmensnetzwerke gründen statt Einzelkämpfermentalität zu entwickeln.
Das Ergebnis unserer Überlegungen stelle ich Ihnen hiermit konzeptionell vor. Nach Meinung der FDVP-Fraktion führt der Weg zum Ziel im Gegensatz zum PDSArbeitsverwaltungsansatz, den wir gestern noch einmal gehört haben, über folgende Grundsätze der FDVP: Leistung muss sich wieder lohnen. Freies Unternehmertum ist zu fördern. Privateigentum ist zu unterstützen. Eigenverantwortung statt staatlicher Bevormundung. Marktwirtschaft mit sozialer Verantwortung.
Meine Damen und Herren! Nicht Abhängigkeit vom Staat und von staatlicher Fürsorge, ob durch Arbeitslosenunterstützung, Arbeitslosenhilfe, ABM oder anderes, sichert ein Leben in Freiheit und Würde, sondern Unabhängigkeit sichert diese Freiheit. Es gibt keine Freiheit und Würde ohne Arbeit. Soziale Sicherheit, meine Damen und Herren, gelingt eben auch nur durch Arbeit.
Dabei haben die Unternehmen einerseits einen Anspruch auf vernünftige Rahmenbedingungen, aber sie haben andererseits auch die Verpflichtung, ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden, damit sich insgesamt die Situation auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt verbessert, damit der Schritt zur Selbständigkeit wieder attraktiver wird und damit durch unternehmerischen Fleiß wieder Gewinne gemacht werden können, damit die Arbeitnehmer angemessene und faire Gehälter erhalten können.
Unsere konkreten Forderungen und Vorschläge zur Sicherung der Existenz und der Neuansiedlung und Gründung von kleinen und mittelständischen Unterneh
men und damit zur Schaffung von Arbeitsplätzen werde ich kurz erläutern. Es geht uns erstens um die Stärkung der Wettbewerbskraft durch Senkung der Lohnnebenkosten, der Steuern und der Abgaben.
Könnten Sie den Geräuschpegel etwas senken? Anderenfalls muss ich so schreien.
Sie könnten aber um Ruhe bitten.
In Deutschland werden zurzeit Steuern erhoben mit dem Ziel der Sicherung des Staatseinflusses auf alle Lebensbereiche seiner Bürger. Zuerst meine Damen und Herren, nimmt der Fiskus den Arbeitnehmern und den Unternehmen bis zu über 50 % ihrer Einkünfte weg, um ihnen danach einen Teil wieder zurückzuerstatten. Hierbei werden einerseits Abhängigkeiten geschaffen und andererseits versinken große Beträge in der Bürokratie der Verwaltung.
Freiheitliches Ziel muss es deshalb auch sein - das ist es auch -, insbesondere die hohe Steuer- und Abgabenlast zu reduzieren. Die Grundsätze eines gesunden Steuersystems müssen wieder im Vordergrund stehen, beispielsweise die Senkung der Einkommensteuer auf allen Stufen sowie eine Vereinfachung des Steuerrechts durch Einführung eines einheitlichen Steuersatzes und die Realisierung entsprechender Freibeträge.
Alle Unternehmen müssen die gleichen Wettbewerbschancen haben. Das heißt, Wettbewerbsverzerrungen, beispielsweise durch EU-Richtlinien und damit verbundene einseitige zusätzliche Belastungen einheimischer Unternehmen, sind abzuschaffen, ebenso alle steuerlichen Privilegien für Großbetriebe bzw. Kapitalgesellschaften.
Wir fordern - das legen wir der Landesregierung ans Herz - die Rückgängigmachung der so genannten Ökosteuer und damit die Senkung aller Energiekosten und die Entlastung der Unternehmen zum Beispiel bei der in jeder Hinsicht überhöhten Mineralöl- und Kfz-Steuer.
Handwerker, kleine und mittelständische Unternehmen müssen in den ersten Jahren nach ihrer Gründung Steuererleichterungen erhalten, und zwar nach unserer Vorstellung im ersten Jahr Steuerfreiheit bei der Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen. Beispielsweise könnten dem Betrieb 100 % der Lohnsteuer als Rücklage verbleiben. Im zweiten Jahr könnten das 50 % sein und im dritten Jahr 25 %. Die steuerlichen Vergünstigungen sind an die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen zu binden und schließen Zusatzförderprogramme durch das Arbeitsamt nicht aus.
Wir fordern die Abschaffung des Vorauszahlungswesens. Wir fordern also die Umsatzsteuerabführung
nur bei bezahlten Rechnungen. Auch das sollte ein Anliegen dieser Landesregierung sein.
Ersatzlose Streichung der Gewerbesteuer.
Unumgänglich ist auch die Senkung der Lohnnebenkosten und der Abgabenlast bei Wasser, Strom und Müll. Es ist nicht unbekannt, dass wir in Sachsen-Anhalt mittlerweile höhere Wasser- und Abwasserkosten zu zahlen haben, als das zum Beispiel in der Stadt München der Fall ist.
Steuerfreiheit für nicht entnommene und reinvestierte Gewinne zur Verbesserung der Eigenkapitalstruktur bei kleinen und mittelständischen Unternehmen. Nur so können Unternehmen nicht nur so genannte schlechte Zeiten besser überstehen, sondern sie haben auch Handlungsspielräume. Größere Investitionen können dann schneller umgesetzt werden und das dient letztlich der Sicherung von Arbeitsplätzen und der Verhinderung von Kreditausfällen. Auch das muss insgesamt unser Ziel sein.
Weiterhin die Wiedereinführung der Verlustvorträge. Das heißt, Verluste müssen wieder in vollem Ausmaß geltend gemacht werden können.
Die Betriebsnachfolge muss zur Erhaltung der kleinen und mittelständischen Unternehmen steuer- und gebührenfrei gestellt werden. Sämtliche Steuern und Gebühren sind an dieser Stelle ersatzlos zu streichen.
Die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen und das Vertrauensverhältnis - das ist in Sachsen-Anhalt längst nicht mehr gegeben - zwischen Wirtschaft und Politik als Voraussetzung einer künftigen erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen-Anhalt sind wiederherzustellen.
Zweitens die Förderung und aktive Unterstützung der Existenzgründer und Jungunternehmer. Überregulierung, undurchschaubare Gesetze, finanzielle Drangsalierung und eine ausufernde Bürokratie sind kein Anreiz für Unternehmen, sich in Sachsen-Anhalt anzusiedeln. Dahin gehend sind Gesetze, Verordnungen, Erlasse und anderweitige Vorschriften zu durchforsten und auf Wirtschaftsverträglichkeit zu prüfen. Eine moderne Verwaltung steht einer modernen Wirtschaft nicht im Wege.
Die Neugründung von Unternehmen ist zielgerichtet zu fördern, zum Beispiel durch Existenzgründerbeihilfen in den ersten Jahren nach Existenzgründung. So wie das derzeit besteht, ist es längst nicht ausreichend. Wir könnten uns beispielsweise vorstellen, im ersten Jahr 1 000 € und im zweiten Jahr 500 € pro Monat für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen.
Neben dem innovativen und dem produzierenden Gewerbe ist die Gründung von Dienstleistungsunternehmen verstärkt zu fördern. Dieser Bereich wurde in SachsenAnhalt bisher völlig vernachlässigt. Der Dienstleistungssektor schafft ebenso wie der produzierende Sektor Arbeitsplätze, zum Beispiel im Bereich der privaten Kinderbetreuung, im Bereich der Hauswirtschaft, im Bereich
der Landschaftsgestaltung, bei privaten Nachhilfeeinrichtungen und in anderen Bereichen.
Wir wollen die fristgebundene Neubewertung der eidesstattlichen Versicherung gegenüber Banken nach fünf Jahren, ansonsten nach zehn Jahren, und kostenlose Verfahren zur Restschuldbefreiung. Wir wollen die Gewährung von Sozialleistungen für mithelfende Ehegatten im eigenen Betrieb in voller Höhe.
Es geht uns um die Neuordnung der Förderpolitik. Die Vergabe von Fördermitteln muss objektiv und vor allen Dingen transparent und unbürokratisch erfolgen. Ich habe an dieser Stelle schon einmal gesagt, dass 100 % der von uns befragten Unternehmer - das waren über 500 - auf die Frage, ob die Fördermittelpolitik derzeit zufrieden stellend sei, mit Nein geantwortet haben.
Mit deutschen Geldern müssen Arbeitsplätze und Unternehmen in Deutschland geschaffen werden. Förderungsunfähig sind deutsche Unternehmen im Ausland. Wir können also nicht deutsche Steuergelder für Unternehmen im Ausland verwenden.
Schwerpunktmäßig müssen Fördermaßnahmen in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Infrastruktur und Existenzgründung eingesetzt werden.
Wir fordern die Reduzierung der behördlichen Bearbeitungszeit auf ein Mindestmaß und die Unterbindung des Subventionstransfers für Billigarbeitskräfte auch nach außerhalb, zum Beispiel bei Subunternehmen.
Auch das ist kein Einzelfall. Ich erinnere nur an eine Razzia, die in Dessau auf einer öffentlichen Baustelle, nämlich auf der der Fachhochschule Dessau, stattgefunden hat. Dort hat man genau das vorgefunden, dass für 5 DM pro Stunde durch einen Subunternehmer Leute beschäftigt wurden.
Drittens. Mehr Unternehmerfreiheit durch freiwillige Kammermitgliedschaften. Die Zwangsmitgliedschaft in Kammern und Verbänden ist abzuschaffen. Freiwillige Mitgliedschaften in leistungsfähigen Kammern zur optimalen Betreuung der Mitglieder - das muss die Zielsetzung sein. Wenn ich heute ein Gewerbe anmelde, dann bekomme ich als Erstes meinen Beitragsbescheid für die Industrie- und Handelskammer oder für die Handwerkskammer, obwohl ich noch keine müde Mark verdient habe. - Das kann es wohl nicht sein.
Kammern und Verbände sollen schlank und serviceorientiert arbeiten. Die Funktionärszahl ist zu senken. Auch hierbei stehen wir auf dem Standpunkt: Leistung statt Parteibuch.
Innungen, Gremien und Fachverbände sind zusammenzulegen. Die Schaffung eines demokratischen Kammerwahlrechts ist unabdingbar, und nicht eine Parteibuchwirtschaft und ein Proporzsystem, wie es derzeit stattfindet.
Viertens. Die Stärkung der kleinen und mittelständischen Unternehmen durch Entbürokratisierung, Deregulierung und Flexibilisierung. Wir fordern einen vehementen Belastungsstopp unter anderem durch die Verringerung des bürokratischen Aufwands.
Statt Innovationen und wirtschaftliche Aktivitäten zu behindern - so wie es in Sachsen-Anhalt momentan stattfindet -, müssen positive wirtschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Kleinen und mittelständischen Betrieben ist die Teilnahme an öffentlichen Auf
trägen zu erleichtern und nicht zu erschweren. Diese öffentlichen Aufträge sind vorzugsweise an ansässige Unternehmer zu vergeben, und zwar unter verstärkter Berücksichtigung der Verwendung einheimischer Produkte.
Die bisherige Praxis - nicht das Gesetz -, jeweils den billigsten Anbieter zu beauftragen, ist zu ändern. Vorrang bei der Auftragsvergabe müssen künftig regionale und wirtschaftliche Gründe haben, wie zum Beispiel die Erreichbarkeit bei Wartung oder Reklamation. Die Lohnsteuer verbleibt in der Region und weitere Synergieeffekte entstehen.
Wirtschaftsverträglichkeitsprüfungen und Folgekostenberechnungen für neue Gesetze und Verordnungen haben stattzufinden. All jene Normen sind zu beseitigen, die ohne wesentlichen Grund die wirtschaftliche Tätigkeit von Unternehmen beschränken. Von diesen Normen haben wir eine ganze Menge in Sachsen-Anhalt.
Wir fordern gleichzeitig ein neues Arbeitsmodell: Sozialpartnerschaft gehört in die Betriebe. Ein neues Arbeitsmodell bedeutet für uns, dass Lohnverhandlungen auch auf Betriebsebene stattfinden und individuelle Verträge als Alternative zu kollektiv ausgehandelten Verträgen geschlossen werden.
Programmansatz heißt für uns Flexibilität und soziales Sicherheitsnetz. Das dient dem Arbeitgeber, aber auch dem Arbeitnehmer und sichert Arbeitsplätze.
Kollektive Regelungen und Bestimmungen können nicht auf die Bedürfnisse einzelner Mitarbeiter und Unternehmen eingehen. Die Sozialpartnerschaft sollte deshalb insgesamt in die Betriebe verlagert werden.
Mitarbeiterbeteiligungsmodelle als Mittel der Lohngestaltung haben sich mitunter schon bewährt und sind unternehmensspezifisch verstärkt umzusetzen.
Wir fordern die verstärkte Bereitstellung von Mitteln zur Förderung von Jugendarbeitsplätzen, zum Beispiel durch die Abschaffung der unsinnigen so genannten Mobilitätsprämie.
Die Vereinfachung und Verbesserung der administrativen und gesetzlichen Rahmenbedingungen für unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen enthält zum Beispiel die Forderung der Schaffung einer schlanken und effizienten Verwaltung. Auch die Verbesserung der Legislativdienste ist darin eingeschlossen.
Entbürokratisierung des Gewerberechts, Beschleunigung und Vereinfachung der unterschiedlichen Bewilligungs- und Genehmigungsverfahren, echte Privatisierung - das ist ein ganz wichtiger Punkt - durch Aufhebung der Monopolstellungen im Bereich der Ver- und Entsorgung mit Wasser, Strom und Müll
und damit die Senkung der Abgabenlast.
Die Förderung von Risikokapitalsfonds ist ebenso eingeschlossen, um auch die Eigenkapitaldecke der kleinen und mittelständischen Unternehmen sicherer zu machen.
Ebenfalls sollte bei unverschuldeten Liquiditätsengpässen der kleinen und mittelständischen Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben werden, dass von Banken, Finanzämtern oder Krankenkassen bei Forderungen
Ratenzahlungen einzuräumen sind, um Konkurse zu verhindern. Viele Unternehmen werden in den Ruin getrieben, weil diese Forderungen in einer Summe aufgemacht werden.
Meine Damen und Herren! Wir haben massive Mängel im Bereich des Standortmarketings; auch das habe ich gestern gesagt. Es muss vordringliche standortpolitische Aufgabe sein, den Ruf des Landes Sachsen-Anhalt in der Öffentlichkeit positiv zu korrigieren. Man sollte darüber nachdenken, hierfür öffentliche Mittel einzusetzen, um Unternehmen bei Werbe- und Messeauftritten finanziell zu unterstützen.
Die Vernetzung von Forschung, Entwicklung und Wirtschaft ist ein wichtiger Punkt. Auch dies ist in SachsenAnhalt längst nicht gegeben.
Filz, Korruption und Steuergeldverschwendung, die Sachsen-Anhalt längst in Ausmaßen erreicht haben, sind zu bekämpfen.
Außerdem ist auch die so genannte Schwarzarbeit oder Schattenarbeit zu bekämpfen. Es reicht nicht aus, auf den Baustellen sporadisch Kontrollen durchzuführen. Vielmehr ist eine gezielte Pass- und Legitimationspflicht einzuführen
und sind bei einer Zuwiderhandlung entsprechend hohe Sanktionen auszusprechen.
Dazu gehört auch die Reform der Lehrlingsausbildung und des Schulsystems. Wir wissen alle, die wirtschaftlichen Erfolge eines Landes stehen und fallen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Qualität seines Bildungssystems. Ich erinnere an die Pisa-Studie.
Investoren schauen besonders auf Grundkenntnisse, Fertigkeiten, Erfahrungen, Fremdsprachen, Innovationsfähigkeit, Kreativität, Arbeitsmotivation,
- komme ich; ich bin sofort fertig - Weiterbildungsbereitschaft und Risikobereitschaft.
Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen an dieser Stelle für Ihre Aufmerksamkeit. Ich werde mich noch einmal zum Ende der Debatte äußern. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag, gegebenenfalls in namentlicher Abstimmung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ziemlich erstaunt, verstehe es aber auch. Ich weiß natürlich, wer das zu verantworten hat, dass Sie sich zu diesem Thema nicht äußern wollen, weil Sie offenbar kein richtiges politisches Konzept für die künftige wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Entwicklung in Sachsen-Anhalt haben.
Das hatte man auch letzte Woche in der Diskussion gehört, als Herr Sachse sagen musste: Tut mir Leid. Das habe ich nicht dabei.
Ich gebe Ihnen noch einen kleinen Ausblick, Herr Sachse.
Viele Missstände und Stolpersteine für eine funktionierende Wirtschaft und für ein freies Unternehmertum in Sachsen-Anhalt sind bei gutem Willen, bei Fantasie, Mut und Ehrlichkeit ziemlich problemlos zu beseitigen. Aber in diesem Land mangelt es derzeit am notwendigen Mut und an der Entschlusskraft der Altparteien, die notwendigen Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Handelns nachhaltig zugunsten wirtschaftlicher Entwicklung zu verändern.
Vorrang bei der herrschenden Politik nimmt die Verteidigung der Macht um jeden Preis ein. Aber - das sage ich noch einmal so deutlich - so kann es nicht gelingen. Mit Schieberwirtschaft und Klassenkampfparolen ist den Bürgern in Sachsen-Anhalt nicht geholfen.
Das Motto der heimischen Wirtschaft muss heißen: Arbeit gibt es nur in gesunden Betrieben. Dafür hat die Politik zu sorgen. Arbeit und Engagement muss sich auch für den Unternehmer wieder lohnen. Er darf dafür nicht diskreditiert werden. Gewinne zu erzielen ist ein erklärtes Unternehmensziel. Vorrang muss natürlich die Schaffung von Arbeitsplätzen in Partnerschaft mit tüchtigen Mitarbeitern haben.
Es ist offensichtlich - das weiß ich auch; wir haben heute schon gesagt, dass wir uns im Wahlkampf befinden -, dass dieser Regierung all das nicht gelingt.
Wir verlangen diese Dinge nicht erst seit heute, sondern wir haben sie immer wieder hier eingebracht. Deswegen haben wir sie heute auch noch einmal wiederholt.
Ich möchte Ihnen eines nicht vorenthalten. Das ist eine ganz hübsche Sache, die ich hier habe. Daraus darf ich einmal zitieren:
„‚Schluss mit den PDS-Seilschaften und dem SEDFilz in unseren Betrieben und Verwaltungen. Das haben unsere Arbeiter und die Bürger, die im Herbst letzten Jahres die friedliche Revolution gemacht hatten, nicht verdient,‘ betonte Volkskammervizepräsident Dr. Reinhard Höppner, SPD, Anwärter auf das Amt des Ministerpräsidenten in Sachsen-Anhalt.
‚Alle wollen wir neu anfangen. Die Menschen stehen in den Startlöchern und packen an. Immer wieder treffen sie auf neue Chefs, die doch die alten sind. Stasileute im Arbeitsamt, SED-Bonzen an der Spitze von Betrieben und PDS-Cliquen in den Verwaltungen - so läuft der Aufschwung nicht.‘“
- Das hat er gesagt, der Dr. Höppner. - Er verspricht weiter:
„Bei mir haben die wirklich Belasteten keine Chance. Wir gestalten den Wirtschaftsumschwung mit Entschlossenheit und neuen Ideen. Wir wollen den Industriestandort Sachsen-Anhalt erhalten, Arbeitsplätze und soziale Sicherheit schaffen. Dafür kämpfen wir Sozialdemokraten.“
Meine Damen und Herren! Dieser Ausspruch stammt aus einer Wahlkampfzeitung aus dem Jahr 1990. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch daran. Mittlerweile sind fast zwölf Jahre vergangen. Acht Jahre SPD-Regierungszeit, acht Jahre Ministerpräsident Dr. Höppner.
Das Ergebnis von dem, was er damals versprochen hat, das haben wir heute. Deshalb entscheiden die Wähler am 21. April.
Ich glaube, die entscheiden sich gegen Sie! - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Kuppe, wenn ein designierter Vorsitzender der Bundesarbeitsverwaltung, wie wir es eben gehört haben, die Situation in den neuen Ländern nicht kennt, dann, meine Damen und Herren von der Landesregierung und meine Damen und Herren von der SPD- und auch von der PDS-Fraktion, ist er ungeeignet, dieses Amt zu übernehmen.
Aber eines werde ich natürlich gern tun: Ich werde Ihnen sagen, wie die Situation im Land Sachsen-Anhalt aussieht, und Sie können es ihm mitteilen, wenn er Ihrer Einladung tatsächlich folgt.
Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalt ist in allen wichtigen Schlüsselpositionen das Schlusslicht aller Bundesländer. Daran beißt die Maus keinen Faden ab. Das sind Fakten und diese können wir nicht wegreden. Die Arbeitslosigkeit ist Besorgnis erregend hoch und es ist keine Umkehr erkennbar. Die Unternehmenslücke in Sachsen-Anhalt wird immer größer statt kleiner, die ProKopf-Verschuldung hat Rekordhöhe erreicht.
Um die Arbeitslosenzahlen zu schönen, werden Abwanderungsprämien an Fachkräfte gezahlt. Kurzfristig - das ist bereits jetzt klar, meine Damen und Herren - ist mit einem Fachkräftemangel im Land Sachsen-Anhalt zu rechnen, und wir rufen großmundig nach Ausländerzuzug, um diesen Fachkräftemangel zu beheben.
Kurz, meine Damen und Herren: Die bisherige Politik der rot-roten Landesregierung des Ministerpräsidenten Dr. Höppner ist in jeder Hinsicht gescheitert. Mehr noch: Sachsen-Anhalt wird in den Ruin regiert.
Das Land hat nicht nur innerhalb der Bundesrepublik, sondern auch international an Attraktivität verloren. Investoren - wir haben es immer wieder erlebt - machen einen großen Bogen um unser Land. Gelähmt von einer mit der bloßen Sicherung der Macht beschäftigten Regierung, wurde die Entwicklung des Landes und seiner wirtschaftlichen Strukturen nicht nur vernachlässigt, sondern diese wurden völlig falsch gesetzt. Das Ergebnis haben wir jetzt vor uns liegen.
Leichtfertig, meine Damen und Herren, wird vom Ministerpräsidenten die Zukunft unseres Landes aufs Spiel gesetzt, und Sie, Frau Ministerin Kuppe, spielen den Steigbügelhalter dafür.
Es hat sich gezeigt, dass mit der Politik der Landesregierung des Ministerpräsidenten Höppner die Überlebensfähigkeit unseres Landes nicht gesichert werden kann,
aufgrund deren sich jungen Menschen dann Zukunftschancen eröffneten, die in den Grenzen ihrer Heimat liegen.
Sie reden davon, dass sich die Arbeitslosigkeit reduziert habe. Das liegt daran, dass gerade diese jungen Menschen - das ist ein Grund, warum sich die Arbeitslosigkeit reduziert hat - zu Tausenden das Land verlassen. Und Tausende stehen bereits in den Startlöchern, um ihnen zu folgen.
Dabei, meine Damen und Herren, hat doch SachsenAnhalt einiges zu bieten. Wir haben traditionelle Industriestandorte und Handwerksbetriebe, fleißige und qualifizierte Menschen und eine gute geografische Position.
Aber nach reichlich sieben Jahren rot-roter Regierung unter Ministerpräsident Höppner überwiegen die Schwächen und Nachteile. Wir haben im Land Sachsen-Anhalt - das lässt sich kurz aufzählen - keine Stabilität und Kontinuität in der Wirtschaftspolitik. Wir haben zu hohe Steuern, Gebühren und Abgaben sowie eine staatliche Überregulierung. Wir haben nicht umsetzbare und nicht kontrollierbare Gesetze. Wir haben eine schlechte Zah
lungsmoral, im Besonderen der öffentlichen Hand. Wir haben keine Verzahnung von Wirtschaft, Universitäten und Fachhochschulen. Wir haben eine mangelnde Eigenkapitalausstattung der Unternehmen. Wir haben Strategie- und Marketingschwächen usw. usf.
Ich betone es noch einmal: Das ist nicht etwa so, weil die Menschen in Sachsen-Anhalt schlechter arbeiten, sondern es ist so, weil die Wirtschaftspolitik von Rot-Rot konzeptionslos ist und von einer Fehlentscheidung in die andere stolpert und - das ist das Schlimmste an der ganzen Geschichte - viele Entwicklungen aus ideologischen Gründen nicht berücksichtigt oder gar verschlafen hat.
Da können Sie sich hier hinstellen, Frau Sitte, und sagen, Sie, die PDS, hätten damit nichts zu tun. Sie und die SPD und die Landesregierung,