Protokoll der Sitzung vom 18.05.2001

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 58. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der dritten Wahlperiode. Ich begrüße Sie, verehrte Anwesende, auf das Herzlichste. Die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses ist gegeben. Wir setzen die 31. Sitzungsperiode fort. Wir beginnen die Beratung mit dem Tagesordnungspunkt 6.

(Unruhe)

Wenn mehr Ruhe eingekehrt ist, werde ich die Beratung eröffnen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Zweite Beratung

Entwurf eines Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Bauaufträge im Land Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drs. 3/3971

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten - Drs. 3/4536

Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der PDS - Drs. 3/4532

Die erste Beratung fand in der 49. Sitzung des Landtages am 15. Dezember 2000 statt. Berichterstatter ist der Abgeordnete Herr Metke. Danach folgt eine Fünfminutendebatte. Bitte, Herr Metke, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der SPD-Landtagsfraktion über die Vergabe öffentlicher Bauaufträge im Land Sachsen-Anhalt wurde in erster Lesung in der 49. Sitzung des Landtages am 15. Dezember 2000 beraten und in die Ausschüsse für Recht und Verfassung, für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr, für Finanzen, für Inneres, für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport sowie für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten überwiesen. Federführend war der Wirtschaftsausschuss.

Nach der ersten Beratung in der 50. Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 7. Februar 2001 und der Verabschiedung einer vorläufigen Beschlussempfehlung an die mitberatenden Ausschüsse wurde am 21. Februar 2001 eine Anhörung der betroffenen Verbände, Kammern und Gewerkschaften durchgeführt.

Im Mittelpunkt der Beratungen in der 53. Sitzung am 14. März 2001 standen die Auswertung der Anhörung sowie erste Beratungen zur Erarbeitung einer Beschlussempfehlung des Ausschusses.

Im Ausschuss wurde zunächst deutlich, dass alle anwesenden Fraktionen dahin gehend übereinstimmten, dass bei der öffentlichen Auftragsvergabe Sozial- und Lohndumping ausgeschlossen sein müssten. Billigstanbietern dürften nicht noch Steuergelder zufließen.

Über die Wege zur Erreichung dieses Ziels gab es allerdings unterschiedliche Auffassungen. Während die CDUFraktion erklärte, dass die vorhandenen Regelungen, insbesondere die VOB und das Entsendegesetz, ausreichend seien und lediglich eine Ergänzung durch einen

Runderlass, wie in Niedersachsen praktiziert, erforderlich sei, sprachen sich die Fraktionen von SPD und PDS eindeutig für ein Vergabegesetz aus, da ausschließlich mit dem Instrument der Tariftreue wieder ein fairer Wettbewerb im Bereich der Bauwirtschaft herbeigeführt werden könne. Dazu reiche die VOB nicht aus. Zudem sei nach dem Vergaberechtsänderungsgesetz und dem Ablauf der Übergangsfrist am 30. Juni 2000 für zusätzliche Vergabekriterien eine gesetzliche Regelung erforderlich.

Die weiteren Beratungen konzentrierten sich auf die in der Anhörung aufgeworfenen Fragen. So erklärte der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst in Bezug auf die in der Anhörung aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass sich die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Berliner Vergabegesetz lediglich auf den Bereich des Straßenbaus beziehe und dass aus dieser Entscheidung kaum Rückschlüsse auf den Ausgang eines den Bereich des Hochbaus betreffenden Verfahrens gezogen werden könnten.

Das Bundeskartellamt habe Einspruch erhoben, weil die öffentliche Hand im Bereich des Straßenbaus ein Vergabemonopol habe. Da dies auf alle Bundesländer zutreffe, könne die Vorlage in Bezug auf den Straßenbau in Berlin als bundesweit relevant angesehen werden.

Da die Verfassungsgemäßheit der Forderung der Tariftreue zu klären sei, habe der BGH das Bundesverfassungsgericht angerufen. Für den BGH sei unter anderem strittig, ob im europäischen Kontext eine Tariftreueerklärung gesetzlich gefordert werden könne.

Die Mehrheit der mit der Thematik befassten Gutachter, so der GBD, sei allerdings der Ansicht, dass dies mit dem europäischen Recht im Einklang stehe, da die Sozialkomponente zu den Grundlagen der Europäischen Union gehöre. Die Mehrheit der Bundesländer halte den Erlass derartiger Regelungen ebenfalls für zulässig.

Darüber hinaus habe der BGH dem Bundesverfassungsgericht die Vorlage unterbreitet, weil er der Auffassung sei, dass ein Eingriff in das Tarifrecht vorliege, da im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung eine abschließende Regelung des Bundes vorhanden sei. Diese Auffassung, so der GBD ausdrücklich, werde von den Ländern bestritten.

Ferner sei der BGH der Auffassung, dass das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen den Ländern keinen Raum für eigene Regelungen lasse. Auch diese Auffassung werde von den Ländern nicht geteilt. Im Gegenteil, § 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen besage ausdrücklich, dass weitergehende Anforderungen an Auftragnehmer bei der öffentlichen Auftragsvergabe nur gestellt werden dürften, wenn dies durch ein Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen sei. Dies sei nach Auffassung des GBD eine ausreichende Grundlage dafür, dass die Länder weitere Kriterien bei der Auftragsvergabe heranziehen könnten.

Die Frage, ob die Problematik durch den Bundesgesetzgeber abschließend geregelt sei, ist nach Auffassung der Länder offen. In diesem Zusammenhang wurde auch die Bundesratsinitiative des Freistaates Bayern zur Änderung des Tarifvertragsgesetzes diskutiert.

Auf die Frage, inwieweit ein derart novelliertes Tarifvertragsgesetz mit europäischem Recht in Einklang stehe, erklärte der GBD nochmals, dass die meisten Länder § 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen als ausreichende gesetzliche Grundlage betrachteten, um die Zahlung von Tariflöhnen zu verlangen.

Lediglich für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht eine Ergänzung des derzeitigen Gesetzeswerkes verlangen sollte, sei vorsorglich - so die Begründung zur bayerischen Bundesratsinitiative - die Änderung des Tarifvertragsgesetzes initiiert worden.

Abschließend erklärte der GBD, dass nicht sicher sei, ob das Bundesverfassungsgericht sich zu allen Bereichen der BGH-Entscheidung äußern werde. Auch sei ungewiss, wann mit einer Entscheidung gerechnet werden könne.

In der nachfolgenden Diskussion wurden die Ausführungen des GBD noch einmal aufgegriffen und im Hinblick auf den vorliegenden Gesetzentwurf konkretisiert. Deutlich wurde dabei, dass auch der Freistaat Bayern und das Saarland § 97 Abs. 4 GWB als eine ausreichende Grundlage für landesgesetzliche Regelungen angesehen haben. Beide Bundesländer haben bereits im vergangenen Jahr Vergabegesetze verabschiedet.

Auch in Bezug auf eine mögliche marktbeherrschende Stellung im Bereich des Tiefbaus wurde noch einmal darauf hingewiesen, dass im Gesetzentwurf für die Auftragsvergabe der Landkreise und Kommunen insoweit differenziert wird, als für den Tiefbau lediglich eine Ermächtigung vorgesehen ist, während die Anwendung für den Hochbau verbindlich geregelt werden soll.

Einen weiteren Schwerpunkt in der Diskussion bildeten die Bereiche Kontrolle und Sanktionen. Hierzu wurden weitere Prüfungen vereinbart und Änderungen seitens der SPD-Fraktion angekündigt, die in der abschließenden Beratung auch vorgelegt worden sind.

Ergänzend erklärte der Vertreter der Landesregierung, dass das Wirtschaftsministerium, wie in der Anhörung am 21. Februar 2001 bereits angekündigt, einen Erlass vorbereite, der ähnlich wie in Niedersachsen auf die Berücksichtigung des wirtschaftlichsten Angebotes abziele und aufgrund dessen bei einer Abweichung des günstigeren Angebotes um mehr als 10 % ein Nachweis über die Kalkulation insbesondere im Hinblick auf die Auskömmlichkeit der Preise verlangt werden könne.

Zum Abschluss dieser ausführlichen Beratung wurde vereinbart, dass der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst den vorliegenden Gesetzentwurf im Hinblick auf rechtsförmliche Gesichtspunkte prüft und dazu eine Synopse als Beratungsgrundlage erstellt.

Im Rahmen der Klausurtagung des Wirtschaftsausschusses am 2. und 3. Mai 2001 erfolgte die abschließende Beratung des Gesetzentwurfes. Grundlage waren die Beschlussempfehlungen der mitberatenden Ausschüsse. Dabei waren die Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr sowie des Innenausschusses besonders zu berücksichtigen. Die Empfehlungen des Bauausschusses wurden im vollen Umfang aufgegriffen und haben zu einer vollständigen Neuformulierung von § 2 - Vergabegrundsätze - geführt.

Der Beschlussempfehlung des Innenausschusses konnte mehrheitlich nicht gefolgt werden. Der Innenausschuss hatte den Wirtschaftsausschuss aufgefordert zu prüfen, ob im Hinblick auf die noch ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in das Gesetz eine Regelung aufgenommen werden könne, wonach es in die Entscheidungsbefugnisse der Kreistage und Gemeinderäte gestellt wird, ob die Tariftreue bei Hoch- und Tiefbau für die Kommunen zum Vergabekriterium erhoben werden soll. Gerade aus wirtschaftspolitischer

Sicht konnte dieser Empfehlung nicht gefolgt werden, da eine unterschiedliche Vergabepraxis zur Beeinträchtigung der Wettbewerbssituation im Land führen würde und damit die beabsichtigte Wirkung des Gesetzes ausgehebelt wäre.

Weiterhin lagen vier Änderungsanträge der CDU-Fraktion vor, von denen ein Antrag zu Beginn der Beratung zurückgezogen wurde. Ein Änderungsantrag, mit dem die Zeitvorgabe für die Aktualität des Gewerbezentralregisterauszuges von drei auf sechs Monate geändert werden sollte, fand die Zustimmung des Ausschusses.

Zum Abschluss beschloss der Ausschuss die vorliegende Beschlussempfehlung mit 7 : 1 : 2 Stimmen.

Ich möchte mich ausdrücklich für die Hilfe und Unterstützung seitens des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes bedanken. Gerade weil wir als Fraktion den Gesetzentwurf erarbeitet hatten, war es für diese parlamentarische Initiative wichtig, die Unterstützung des GBD zu haben. Sie war deshalb von besonderer Bedeutung. Dafür auch mein persönlicher Dank.

(Zustimmung bei der SPD, von Herrn Dr. Süß, PDS, und von Ministerin Frau Budde)

So bleibt mir zum Abschluss nur noch, Sie um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses in Drs. 3/4536 zu bitten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren, wir haben wieder liebe Gäste. Wir können Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule IV aus Wolfen herzlich begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Für die Fraktion der FDVP erteile ich nunmehr dem Abgeordneten Herrn Weich das Wort. Bitte, Herr Weich.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Anhörung im Februar des Jahres 2001 kam von 90 % der anwesenden Vertreter der größten Wirtschaftsverbände von Sachsen-Anhalt ein klares Nein zu diesem Gesetzentwurf.

Dieses Gesetz gegen die eigentliche Zielgruppe Bauwesen zu verabschieden macht doch überhaupt keinen Sinn. Eine Überregulierung nach der anderen ergibt doch mehr Schaden als Nutzen. Oder haben wir hier die Ursache für das Finanz- und Wirtschaftsdesaster im Land Sachsen-Anhalt gefunden?

Wir haben gerade in diesem Bereich, der zu den ältesten Wirtschaftszweigen überhaupt gehört, genug Gesetzeswerke und Verwaltungsvorschriften. Zur Erinnerung für die linksextremen Parteien möchte ich die wichtigsten Vorschriften nennen:

Erstens die Verdingungsordnung für Bauleistungen Teile A, B und C, zweitens das Bürgerliche Gesetzbuch, drittens das Gesetz über die allgemeinen Geschäftsbedingungen, viertens das Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen, fünftens die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, sechstens die Gewerbeordnung, siebentens die Bauträgerverordnung, achtens das Gesetz über die Sicherung der Bauanforderungen und neuntens die Baustellenverordnung.

Fakt ist, dass die Bauwirtschaft des Landes SachsenAnhalt in einer tiefen Krise steckt, wobei ein Ende noch nicht in Sicht ist. Erschwerend für die Landesregierung kommt hinzu, dass diese Krise hausgemacht ist. Wie kann man in dieser Situation die Mittel für Investitionen um rund 500 Millionen DM kürzen?

Lösungswege für dieses Dilemma gibt es nur wenige. Die Landesregierung kennt keine. Ein Weg wäre die ordnungsgemäße Vergabe von öffentlichen Aufträgen mit einer Sicherung von auskömmlichen Preisen für den Bieter.

Hierin liegt der Hauptmangel dieses Gesetzentwurfs. Das Vergabegesetz ist der Versuch, nur die Tariftreue per Landesgesetz durchzusetzen. Andererseits ist der öffentliche Auftraggeber völlig von der Pflicht entbunden, für auskömmliche Preise des Unternehmens zu sorgen. Hier sollte man sich nicht das Vergabegesetz Bayerns zum Vorbild nehmen, was an sich schon etwas seltsam ist - Rot-Röter kupfert von Schwarz ab -, sondern hier sollten doch die Erfahrungen unseres Nachbarlandes Niedersachsen übernommen werden.

Der Runderlass zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs bei der Vergabe von Bauleistungen sowie zur Vermeidung illegaler Beschäftigung ist absolut ausreichend und von Fachleuten erstellt worden. Nachfolgekriterien, die im Hinblick auf ursächliches Lohn- und Preisdumping entscheidend sind, fehlen im vorliegenden Gesetzentwurf völlig.