Protokoll der Sitzung vom 18.05.2001

Der Runderlass zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs bei der Vergabe von Bauleistungen sowie zur Vermeidung illegaler Beschäftigung ist absolut ausreichend und von Fachleuten erstellt worden. Nachfolgekriterien, die im Hinblick auf ursächliches Lohn- und Preisdumping entscheidend sind, fehlen im vorliegenden Gesetzentwurf völlig.

Mittelpreisbildungen sind zur Findung des wirtschaftlichsten Angebots ungeeignet. Der niedrigste Preis ist nicht ausschlaggebend. Aber bei einer Abweichung von 10 % zum nächsthöheren Angebot muss sich die Vergabestelle zwingend mit der Kalkulation des billigsten Angebots beschäftigen. Der Bieter muss die ordnungsgemäße Kalkulation seines Angebots nachweisen. Das gilt auch bei Preisunterschreitungen in wesentlichen Teilbereichen.

Ein Ausschluss ist erst möglich, wenn der Bieter dem nicht nachkommt. Der Bieter hat bei Angebotsabgabe mitzuteilen, welche Leistungen an Nachunternehmen weitervergeben werden sollen. Der Auftraggeber darf bei fehlender Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit die Zustimmung zur Weitergabe von Leistungen an Subunternehmer verweigern.

Was soll mit diesem Gesetzentwurf eigentlich erreicht werden? In der VOB, im Tarifvertragsgesetz ist jeder Schritt geregelt und muss nur konsequent umgesetzt werden.

Insgesamt ist der Gesetzentwurf als nicht verfassungskonform einzustufen. Wir lehnen eine solche Überregelung ab und stellen fest: Überregulierungen sind das Kennzeichen linker Politik. Sie behindern den Markt und seine Mechanismen. Vor allem aus den Reihen der linksextremen SED/PDS wird immer wieder - egal, worum es geht - der Ruf nach einer gesetzlichen Regelung laut.

(Herr Dr. Süß, PDS: So ein Quatsch!)

Wenn dann noch der Satz „Nach Geld muss man nicht gleich fragen“ hinzugefügt wird, wie es Frau Krause vor Behinderten tat, sollte sich keiner mehr darüber wundern, dass der Schuldenstand des Landes bereits auf 28,3 Milliarden DM angewachsen ist.

Wir setzen auf ein freies und handlungsfähiges Unternehmertum, das sich seiner sozialen Verantwortung be

wusst ist. Die Fraktion der Freiheitlichen Deutschen Volkspartei lehnt diesen Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei der FDVP)

Danke sehr. - Die Debatte wird mit dem Beitrag der DVU-, Entschuldigung, der CDU-Fraktion fortgesetzt. Bitte, Herr Gürth, Sie haben das Wort.

(Herr Gürth, CDU: Darauf lege ich Wert! - Minis- terin Frau Budde: Das würde ich auch!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben im Frühjahr dieses Jahres deutschlandweit 285 000 Arbeitslose am Bau registriert. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Zuwachs um 9,3 %. Erstmals in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands haben wir auf dem Bau weniger als eine Million Beschäftigte. In Ostdeutschland wird die Lage als katastrophal bezeichnet. Dort gibt es 154 200 arbeitslose Bauarbeiter. Wir haben im Vergleich zum Vorjahr einen Zuwachs um 10,3 % zu verzeichnen. In Sachsen-Anhalt ist jeder dritte Bauarbeiter ohne Job.

Das Bauhauptgewerbe hat einen Auftragseingang registriert, der sich seit 1995 geradezu halbiert hat. Im Hochbau in Sachsen-Anhalt sind seit 1995 zwei Drittel des Auftragsvolumens weggebrochen. Die öffentliche Hand, die immer ein großer Auftraggeber gewesen ist, hat seit Mitte der 90er-Jahre, und zwar seit 1995, ihr Auftragsvolumen um 40 % auf nunmehr rund 400 Millionen DM reduziert. - So die statistischen Angaben.

Allerdings hat sich im gleichen Zeitraum die Zahl der Unternehmen in dieser Branche um 20 % erhöht und die Zahl der Unternehmen, die weniger als zehn Mitarbeiter haben, hat sich nahezu verdoppelt. Der Präsident des Bauindustrieverbands sprach vor zwei Wochen von einem Verdrängungswettbewerb durch Anarchie und kannibalisches Gebaren.

Das ist die Situation am Bau. Es herrscht eine angespannte Situation, wie sie in keiner anderen Branche vorzufinden ist.

Die Zahlen machen aber auch deutlich, dass wir, insbesondere die Landesregierung und die Mehrheiten in diesem Landtag, ein gehöriges Maß an Mitverantwortung dafür tragen, weil insbesondere das öffentliche Auftragsvolumen stärker als in anderen Bundesländern zurückgegangen ist.

Wir müssen zu Beginn der Debatte über dieses Gesetz auch sagen: Hierin steckt ein Stück weit ein Alarmsignal an die Landesregierung, mit ihrer Haushalts- und Finanzpolitik nicht so weiterzumachen; denn dieses Gesetz schafft keinen einzigen Auftrag mehr für unsere Unternehmen.

Die Situation, die von mir beschrieben wurde, macht deutlich, dass man etwas tun muss. Es gibt keinen vernünftig geregelten Markt mehr für einen fairen Wettbewerb der Bauwirtschaft in diesem Lande. Man versucht, die angespannte katastrophale Situation am Bau teilweise mit Billiglohn, mit Billigarbeiterkolonnen aus dem Ausland oder mit Schwarzarbeit zu überstehen. Das kann auf Dauer nicht so bleiben.

Der vorliegende Gesetzentwurf hat sich maßgeblich verändert. Die nunmehr vorliegende Beschlussempfehlung, die der Ausschuss dem Landtag in der zweiten Lesung

vorgelegt hat, hat sich im Vergleich zum ersten Entwurf in vielen Dingen verändert. Das ist auch die Ursache dafür, dass sich die CDU-Fraktion bei der Abstimmung über den vorliegenden Gesetzentwurf der Stimme enthalten wird.

Wir können dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen, weil mindestens vier wichtige Gründe dagegen sprechen und wir dafür nicht in Mithaftung genommen werden wollen:

Erstens. Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion in der jetzigen Fassung weckt Erwartungen, die nicht erfüllt werden können. Das garantiere ich, das verspreche ich von dieser Stelle aus.

(Beifall bei der CDU)

Offensichtlich sehen Sie das genauso und haben deshalb einen Entschließungsantrag eingebracht, nach dem Sie nach einem Jahr sehen wollen, was aus Ihrem Gesetz geworden ist.

(Zustimmung von Herrn Dr. Sobetzko, CDU - Herr Dr. Süß, PDS: Das ist doch vernünftig!)

Zweitens. Das Gesetz ist rechtlich äußerst umstritten. Die Positionen, die hierin dargelegt worden sind, sind äußerst umstritten.

Ich erinnere nur an das Tarifvertragsrecht. Sie schließen mit diesem Gesetz sogar Firmen aus, die einen Haustarifvertrag mit der Gewerkschaft geschlossen haben, solide Firmen, denen es ganz dreckig geht, die aber zusammen mit der Belegschaft und mit den Gewerkschaften einen Haustarifvertrag geschlossen haben, um eine schwierige Situation, die zum Beispiel aufgrund von Zahlungsausfällen eingetreten ist, zu überstehen. Diese bekommen keine öffentlichen Aufträge mehr. Das ist höchst bedenklich.

(Beifall bei der CDU - Herr Metke, SPD: Das stimmt nicht!)

Drittens ist aufgrund der rechtlichen Strittigkeit auch die Gefahr der Benachteiligung des einheimischen Mittelstands gegeben. Was ist, wenn durch das Bundesverfassungsgericht eine andere Rechtsprechung, als heute dargestellt, festgestellt wird? - Dann könnten wir die Situation verzeichnen, dass zum Beispiel Baufirmen aus Portugal oder anderen europäischen Ländern nach Entsendegesetz entlohnen dürfen und wir nach Tarif entlohnen müssen. Das bedeutet eine Wettbewerbsbenachteiligung für den einheimischen Mittelstand.

Viertens. Das Schwerwiegendste - ich will es nur kurz ansprechen - ist: Das Gesetz weckt Erwartungen, die deshalb nicht umsetzbar sind, weil diejenigen, die das nach Ihrer Forderung erfüllen und kontrollieren sollen, dazu nicht in der Lage sind.

Momentan sind viele Dinge im GWB und in der VOB geregelt. Jetzt sollen die Mitarbeiter in den Vergabestellen der Kommunen, der Verwaltungsgemeinschaften, die zum Teil Probleme mit der Auslegung der VOB und der jetzt geltenden Rechtsprechung, die aktuell zu berücksichtigen ist, haben, zu Tarifvertragsexperten werden.

Wie soll das funktionieren, wenn in der Praxis jemand unterschreibt, dass er nach Tarif zahlt, aber dann, nachdem er den Auftrag bekommen hat, doch nicht nach Tarif zahlt? Sie können doch noch nicht einmal unterscheiden, ob jemand am Bau ganz gerecht in derselben Lohngruppe, wie es nach Flächentarif vorgesehen ist, eingestuft ist. Jetzt muss der Mitarbeiter, der zum Teil

Probleme mit der VOB hat, entscheiden, ob der Beschäftigte Tischlerarbeiten oder Zimmererarbeiten oder was auch immer macht. Es gibt eine ganze Reihe von Problemen. Die kommunalen Spitzenverbände haben darauf hingewiesen.

Wir möchten nicht die Verantwortung für diese Dinge übernehmen. Ich garantiere Ihnen, dass Sie das, was Sie vorgeben zu tun, nicht erreichen werden. Das ist eigentlich bedauerlich; denn die Situation im Baubereich muss verbessert werden.

Die CDU-Fraktion hat alternative Vorschläge unterbreitet. Ein Teil davon ist berücksichtigt worden. Die niedersächsische Regelung -

Kommen Sie bitte zum Ende, Herr Gürth.

Ich komme zum Ende, Herr Präsident. Ich hatte mich geirrt. Ich dachte, es seien noch 38 Sekunden, aber es werden immer mehr Sekunden angezeigt.

Die CDU-Fraktion - so darf ich abschließend feststellen hat einige Veränderungen einbringen können, etwa die Forderung, den niedersächsischen Runderlass analog umzusetzen, und eine Erleichterung zur Aktualisierung der Vorlagen. Aber wir brauchen in Sachsen-Anhalt insbesondere mehr Aufträge für Unternehmen. Wir müssen die Vergabestellen, die Mitarbeiter fit machen. Wir müssen die ehrenamtlichen Kreisräte, Gemeinderäte fit machen im Umgang mit der VOB, damit sie souveräner entscheiden können. Wir brauchten - das als letzte Anregung - vielleicht eine klare Definition -

Herr Gürth, ich muss Sie jetzt unterbrechen. Sie haben Ihre Redezeit jetzt um 75 Sekunden überschritten. Es gibt zu diesem Thema sicherlich noch sehr viel zu sagen; ich kann mir das durchaus vorstellen, aber Sie müssen sich an die fünf Minuten halten.

(Unruhe)

Herr Präsident, ich hätte den Satz jetzt zu Ende geführt, ich wäre schon fertig. Ich wollte nur darstellen, dass man gemeinsam mit dem Rechnungshof, dem Innenministerium und der Bauwirtschaft eine Klarstellung für die Anwendung der VOB vornehmen sollte,

(Herr Dr. Süß, PDS: Herr Gürth! Das gibt es doch gar nicht!)

damit man sich nicht hinter dem LRH -

Ich habe es gesagt, Herr Gürth, es gäbe noch sehr viel zu sagen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Rogée. Bitte, Frau Rogée.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Junge ausgebildete Menschen aus Sachsen-Anhalt wandern in die alten Bundesländer ab - oder besser: dahin, wo es Arbeit gibt, die gut bezahlt wird. Jetzt wird endlich darüber nachgedacht, und zwar laut - das finde ich gut -, dass der besondere Standortfaktor von Sachsen-Anhalt eben nicht Lohnzurückhaltung und schlechte soziale Standards sind. Es ist eben so: Wer gute, qualifizierte Arbeit will, muss auch gute Löhne zahlen. Das hilft den Menschen, die sich hier eine Lebensperspektive aufbauen, und der finanzpolitischen sowie der Wirtschaftsentwicklung unseres Landes.

Es ist sicher ein gutes Zeichen gelebter Demokratie, wenn, wie es in den letzten Tagen in der Presse zu vernehmen war, Vertreter der Bauwirtschaft sich zwar noch zurückhaltend zum Vergabegesetz äußern, aber das Gesetz dennoch als besseren Kompromiss nicht mehr ablehnen.

Die Einbeziehung der Arbeitgeber und ihrer Verbände sowie die Beachtung der von ihnen gestellten Anforderungen an den Inhalt und die Vergabe von Bauaufträgen hat in der Endkonsequenz zu dem uns heute vorliegenden Gesetzentwurf geführt. Nicht zuletzt ist die Verständigung auf eine Positivliste der Unternehmen, die damit signalisieren, dass sie die Tarifbindung in ihrem Unternehmen akzeptieren und anwenden, ein gutes Signal der Akzeptanz. Damit zeigen sie ihre Seriosität als Vertragspartner sowohl gegenüber den Arbeitnehmern als auch gegenüber den Auftraggebern.