Meine sehr verehrten Damen und Herren! Während die Menschen in weiten Teilen der Bundesrepublik in diesen Minuten dem Aufruf des Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände folgen und für fünf Minuten innehalten, um damit ein Zeichen zu setzen, ein Zeichen der Verurteilung des Terrors, der Anteilnahme, des Mitgefühls und der Freundschaft mit dem amerikanischen Volk, auch ein Zeichen für Frieden und Freiheit, sind wir in diesem Raum zusammengekommen, um der Opfer der Terroranschläge in den Vereinigten Staaten von Amerika zu gedenken.
Uns allen sind das Schaudern und die Angst, der Schmerz und das Entsetzen, die von den Bildern der beiden vergangenen Tage und den Informationen der Medien ausgehen, buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Es ist und es bleibt auch knapp zwei Tage danach unfassbar.
Was macht das Unfassbare aus? Natürlich sind es zunächst die vielen Menschen, die von den Terrorakten unmittelbar betroffen sind; es sind die wohl Tausende von Menschen, die umgekommen sein dürften. Vielleicht ist es das Monströse an diesen Terrorakten, das Koordinierte, das Präzise an ihnen, ihr Ausmaß und die wohl eiskalt kalkulierte, überaus dreiste Symbolik, die das Unfassbare ausmachen.
Vielleicht ist es auch die Tatsache, dass die kriegerischen Akte vom Dienstag ganz bewusst darauf abzielten, dass wir in einer globalisierten Gesellschaft der Bilder leben. Bilder sind viel präsenter, wesentlich unmittelbarer als Worte. Bilder sind in ihrer Totalität der Inanspruchnahme des Einzelnen unerbittlich. Sie werden uns nicht loslassen, denn sie trafen auch uns ins Herz.
Jeder von uns wird nach Worten ringen, jeder von uns wird andere Worte finden, aber uns alle eint die Einschätzung, dass wir in dieser willkürlichen Attacke gegenüber dem Staat und dem Volk der Vereinigten Staaten von Amerika einen Angriff auf das Wesen unserer politischen Zivilisation, auf unsere Vision eines Universums weltoffener Demokratien, die uns auch im Herbst 1989 antrieb, zu erblicken haben. Auch wir sind gemeint, nicht nur betroffen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass die Verfassungsorgane des Bundes ihrer Verantwortung gegenüber dem Volk der Vereinigten Staaten von Amerika gerecht werden. Aber auch wir stehen in einer ganz besonderen Verantwortung. Ich rufe die gesamte Zivilgesellschaft in Sachsen-Anhalt auf, den unter uns lebenden Amerikanerinnen und Amerikanern, seien es zum Beispiel die kleine amerikanische Gemeinschaft hier in Magdeburg oder die wirtschaftlich engagierten im Chemiedreieck, solidarisch beizustehen, unsere Verbundenheit zu bekunden und sie der Gewissheit zu versichern, gemeinsam für die Werte unserer Zivilisation eintreten zu wollen.
Nicht wenige haben persönliche Kontakte in die Vereinigten Staaten. Ich bitte Sie, nein, ich fordere Sie auf, diese besonderen Kontakte zu nutzen, um den Amerikanerinnen und Amerikanern zu bekunden, dass wir ihnen gerade in dieser Stunde nahe sind.
Erschöpft sich unsere Verantwortung in dem Gesagten? Nein, der Ernstfall zwingt uns zu neuer Ernsthaftigkeit. Mit dem am gestrigen Abend beschlossenen Bündnisfall
haben wir Deutschen den Rubikon überschritten. Wir müssen uns auf harte Antworten auf den Terror gefasst machen. Sie zu verstehen und anderen zu vermitteln wird viel von uns abverlangen. Aber auch dabei dürfen wir nicht abseits stehen. Erweisen wir uns auch in dieser Frage als besonnene Gesprächspartner, die ihre besondere Verantwortung wahrnehmen.
Dem in dieser Stunde unter uns weilenden Vertreter des Generalkonsulats der USA in Leipzig sprechen wir unser tief empfundenes Beileid, unsere Trauer und unser Mitgefühl, aber auch unsere Verbundenheit aus. SachsenAnhalt steht an Ihrer Seite.
Ich danke Ihnen. - Das Wort hat nunmehr der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt. Bitte, Herr Ministerpräsident.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Das Grauen ist Wirklichkeit geworden, das Unvorstellbare ist eingetreten. Die barbarischen Terroranschläge in den Vereinigten Staaten von Amerika haben uns auf brutale Weise deutlich gemacht, wie verwundbar die freiheitliche Welt ist, wie verwundbar wir alle sind. Die Terrorristen haben ohne jedes Erbarmen zugeschlagen und nicht nur die amerikanische Nation ins Mark getroffen.
Die hinterhältige Attacke war ein Angriff auf das Leben, auf das Leben vieler unschuldiger Menschen, aber sie war auch ein Angriff auf die Ideale einer freien, humanen und demokratischen Gesellschaft. Sie richtete sich gegen alle, die sich weltweit für die Achtung der Menschenrechte, für Toleranz gegenüber unterschiedlichen Kulturen und Religionen sowie für ein zivilisiertes Zusammenleben einsetzen.
Nichts, gar nichts, kein Glaube, keine Religion und keine politische Überzeugung dieser Welt kann einen solchen Massenmord rechtfertigen. Der Vorsitzende des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland sagte gestern: „Terror hat keine Religion.“ Ich glaube, wir alle hier im Hause können dem nur zustimmen.
Die feigen Terroranschläge haben uns auch deshalb so schockiert, weil sie so perfide geplant, so skrupellos durchgeführt wurden. Friedliche Menschen waren wehrlos in Flugzeugen gefangen; sie wurden als fliegende Bombe gegen ihre ebenfalls friedlichen Mitmenschen missbraucht, die gerade einen Arbeitstag begonnen hatten.
Das volle Ausmaß der Katastrophe wird uns erst in den kommenden Tagen ganz bewusst werden. Unzählige menschliche Tragödien sind mit ihr verbunden. Jeder Tote, jeder Verletzte - ein Einzelschicksal, von dem wiederum Familien, Freunde, Kollegen betroffen sind.
Unser aller Anteilnahme und unser tiefes Mitgefühl gelten in diesen Tagen den Bürgerinnen und Bürgern der USA, den Opfern, ihren Angehörigen, allen Betroffenen und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika.
Insbesondere möchte ich mich an unsere amerikanischen Mitbürgerinnen und Mitbürger wenden, die im Lande Sachsen-Anhalt leben, arbeiten oder uns derzeit als Gäste besuchen. Viele von ihnen wirken an entscheidenden Stellen in Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft an der Zukunft unseres Landes mit und setzen sich für eine Stärkung der amerikanisch-sachsenanhaltinischen Beziehungen ein. Ohne sie wäre es nach der Wende mit unserem Land nicht so vorangegangen.
Wir wissen, dass wir ihnen viel zu verdanken haben, und wir werden dies nicht vergessen. In dieser schweren Stunde können sie sich unseres Beistandes und unserer Solidarität gewiss sein. Wir fühlen mit ihnen, wir leiden mit ihnen, wir trauern mit ihnen.
Ich danke all denjenigen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Lande, die dies in den vergangenen Tagen zum Ausdruck gebracht haben durch verschiedene Zeichen der Anteilnahme, Gottesdienste, Kerzenmärsche. Es ist deutlich: Wir stehen zu den amerikanischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern.
Meine Damen und Herren! Dieser schwarze Dienstag wird die Welt verändern. Wir alle ahnen dies und können dennoch die Folgen nicht übersehen. Nur so viel ist klar: Es werden große Herausforderungen auf Deutschland, die Europäische Union und die Nato zukommen. Dies betrifft nicht nur die internationale Politik und die Sicherheitslage in den USA oder in Europa; es betrifft auch unser ganzes wirtschaftliches und politisches System.
Die deutsche und die internationale Politik muss alle Anstrengungen unternehmen, um dem internationalen Terrorismus den Boden zu entziehen. Ich bin sicher, sie wird es tun und die Täter und die Verantwortlichen bekämpfen und bestrafen.
Dies wird mit sicherheitspolitischen und militärischen Optionen allein nicht zu bewerkstelligen sein. Wir werden darauf achten müssen, dass wir dem Terrorismus den Boden entziehen, und, meine Damen und Herren, wir werden auch darauf zu achten haben, dass sich in dieser Zeit nicht Vorurteile gegen den Islam generell vertiefen, dass weiter Gräben zwischen den verschiedenen Kulturen ausgehoben werden und damit das Problem eher schwieriger wird.
In dieser angespannten weltpolitischen Situation hoffe ich deshalb für uns alle, dass die internationale Gemeinschaft trotz des Entsetzens, trotz unserer Trauer und unseres berechtigten und nur verständlichen Wunsches nach Entdeckung und Bestrafung aller Schuldigen mit der für den Frieden notwendigen Besonnenheit reagiert. Es dürfen dieser Katastrophe nicht weitere Katastrophen folgen. Ich hoffe, meine Damen und Herren, die Weltgemeinschaft wird diese Tatkraft und Besonnenheit aufbringen. - Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, sich zum Zeichen der Anteilnahme und des Mitgefühls, der Freundschaft und Verbundenheit mit dem amerikanischen Volk von den Plätzen zu erheben.
Meine Damen und Herren! Ich unterbreche die Sitzung bis 11 Uhr. Wir beginnen dann unsere parlamentarische Arbeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 61. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der dritten Wahlperiode.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit tiefem Bedauern haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass das Mitglied des Landtages Herr Rudi Czaja und der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichtes Naumburg und des Landesverfassungsgerichtes Herr Jürgen Goydke verstorben sind.
Herr Goydke war zunächst Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Nach der Wiedervereinigung kam er nach Sachsen-Anhalt. Von 1992 bis 1995 war er Präsident des Oberlandesgerichtes in Naumburg und bis zum Jahre 2000 war er Präsident des Landesverfassungsgerichtes Sachsen-Anhalt. Herr Goydke hat sich bleibende Dienste um die Verfassungsgerichtsbarkeit in Sachsen-Anhalt und um den Aufbau der ordentlichen Justiz erworben. Seinem Wirken ist es auch zu verdanken, dass zwischen dem Landesverfassungsgericht und dem Landtag stets ein Verhältnis gegenseitiger Achtung und respektvoller Distanz herrschte.
Herr Czaja war Mitglied des Landtages der dritten Wahlperiode. Er starb im Alter von 62 Jahren. Herr Czaja gehörte zuletzt der Fraktion der DVU an und war Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich habe in Ihrem Auftrag ein Kondolenzschreiben an die Hinterbliebenen gerichtet und einen Kranz überbringen lassen.
Im Gedenken an die Verstorbenen darf ich Sie bitten, sich zu einer Schweigeminute von Ihren Plätzen zu erheben.
Meine Damen und Herren! Mit Schreiben vom 23. August 2001 hat mich der Landeswahlleiter darüber unterrichtet, dass die nächstfolgende Ersatzperson des Landeswahlvorschlages der DVU, Frau Ingrid Spors, die Wahl angenommen hat und somit in den Landtag nachgefolgt ist.
Auf die entsprechende Unterrichtung - vorliegend in der Drs. 3/4864 - verweise ich. Im Namen des Hohen Hauses begrüße ich Frau Ingrid Spors als neues Mitglied des Landtages. Ich wünsche Ihnen alles Gute bei der Erledigung Ihrer verantwortungsvollen Arbeit.
Meine Damen und Herren! Zwei Mitglieder des Landtages haben heute Geburtstag, und zwar Frau Schnirch und Frau Wiechmann. Im Namen des Hohen Hauses sowie persönlich gratuliere ich Ihnen herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.
Ich komme zur Entschuldigung von Mitgliedern der Landesregierung. Die Wirtschaftsministerin Frau Budde ist einer Einladung von 100 amerikanischen Touristen zu einem Gedenkgottesdienst nach Wittenberg gefolgt. Sie ist auf dem Wege von Wittenberg nach Magdeburg. Ich erwarte sie noch vor 12 Uhr.
Für die Landtagssitzung am morgigen Freitag hat sich Frau Ministerin Schubert entschuldigt, da sie die Landesregierung als Ehrengast beim ersten Europäischen Juristentag in Nürnberg vertritt.
Zur Tagesordnung, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Tagesordnung für die 33. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Die Fraktionen der FDVP und der CDU haben fristgemäß jeweils ein Thema für die Aktuelle Debatte eingereicht. Dabei handelt es sich
um folgende Anträge: „Äußerungen des Innenministers Dr. Püchel in der Presse zur Ausstellung ‘Zum Schweigen verurteilt - Die Todeslager des NKWD‘“ - Antrag der Fraktion der FDVP in der Drs. 3/4927 - sowie „Werte vermittelnder Unterricht in Sachsen-Anhalt“ - Antrag der Fraktion der CDU in der Drs. 3/4929. Die Drucksachen liegen Ihnen vor. Die Anträge werden formal als Tagesordnungspunkte 26 a und 26 b eingeordnet.
Der Ältestenrat hat sich in seiner Sitzung am 6. September 2001 darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt „Aktuelle Debatte“ als ersten Beratungsgegenstand am morgigen Tag zu behandeln. Der nach der ausgedruckten Tagesordnung an dieser Stelle vorgesehene Tagesordnungspunkt 6 - Entwurf eines Dritten Vorschaltgesetzes zur Kommunalreform - rückt somit an die zweite Stelle am Freitag.
Wegen der Abwesenheit der Frau Ministerin Schubert am Freitag wird vom Ältestenrat empfohlen, den Tagesordnungspunkt 14 - Sozialtherapeutische Abteilung in Halle - als letzten Tagesordnungspunkt am heutigen Abend zu behandeln.
Die Abgeordneten der FDVP im Landtag von SachsenAnhalt sind zutiefst betroffen über den Terrorakt gegenüber unschuldigen Menschen in New York und Washington. Mit lähmendem Entsetzen und großer Hilflosigkeit sahen und hörten wir in Bild und Wort das grausame Inferno. In dieser Stunde sollte jedem verantwortlichen Politiker bewusst werden, dass es keinerlei Rechtfertigung für Krieg und Terror gibt und dass man den Frieden nicht herbeibomben kann.