Meine Damen und Herren! Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt. Mit Ja votierten 37 Abgeordnete, mit Nein 58 Abgeordnete, niemand enthielt sich der Stimme. 21 Abgeordnete waren nicht anwesend. Damit ist der Antrag der CDU-Fraktion in Drs. 3/3271 abgelehnt worden.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Sie paßt hervorragend in das neoliberale Bild der Deregulierung, der Desozialisierung dieser Marktwirtschaft, die auch von der SPD-geführten Bundesregierung fortgesetzt wird. Mit der Klage zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs soll diese Republik auf den Weg zur Dominanz von Wettbewerbsföderalismus und Standortwettbewerb zwischen den Bundesländern gebracht werden. Das föderale System, die Balance zwischen Solidarität und Wettbewerb zwischen den Gebietskörperschaften, wird mit der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht grundsätzlich in Frage gestellt, zumindest durch die Klägerländer.
Wie es auch ausgehen mag, meine Damen und Herren, ab dem Jahr 2005 werden die Einnahmen des Landes aus dem bundesstaatlichen Finanzausgleich sinken, und dies mit Sicherheit in erheblichen Größenordnungen.
Nach dem derzeitigen Stand der Beratungen der Länderfinanzminister, der Ministerpräsidenten untereinander sowie derselben mit der Bundesregierung sind auf der Ebene des horizontalen Länderfinanzausgleichs Mindereinnahmen für die ärmeren Länder in erheblichen Größenordnungen zu erwarten, die, wie ich schätze, verkraftet werden können, wenn frühzeitig gegengesteuert wird. Dies ist auch der solidarischen Positionierung der sogenannten Zehnergruppe der Bundesländer im Verhandlungsprozeß, der auch alte Bundesländer und sogar Geberländer zugehören, zu verdanken.
Auf der Ebene des vertikalen Finanzausgleichs, also der Zahlungen im Rahmen der verschiedenen Bundesergänzungszuweisungen, ist ab dem Jahr 2005 - so zeigt es der Verhandlungsstand - mit schrittweisen Rückführungen in erheblichen Größenordnungen zu rechnen. Auch in diesem Bereich hat das Bundesverfassungsgericht die Tür für Reduzierungen geöffnet.
forschungsinstitute im Zusammenhang mit der Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs ein Gutachten zum Aufholbedarf der neuen Länder erarbeitet. In diesem Gutachten wird der Finanzbedarf allein für den Abbau der Infrastrukturdefizite in den neuen Ländern in einem Zeitraum von über 25 Jahren, nämlich von 2005 bis 2030, auf sage und höre 300 Milliarden DM geschätzt.
Mit dem heute vorliegenden Antrag soll erstens erreicht werden, daß die Landesregierung regelmäßig über die erreichten Verhandlungsstände sowie die von ihr eingebrachten Verhandlungspositionen informiert. Zweitens ist es an der Zeit, im Ausschuß für Finanzen mit den Beratungen darüber zu beginnen, wie der zu erwartenden Entwicklung im Lande bis zum Jahr 2005 finanziell schrittweise entgegengesteuert werden kann und muß. Drittens ist es notwendig, diese für die Zukunft SachsenAnhalts gravierenden finanziellen Rahmenbedingungen einer breiten Öffentlichkeit im Lande schon heute darzulegen.
Meine Damen und Herren! Einige Erläuterungen. Zu Punkt 1 unseres Antrages will ich folgendes ergänzen: Die ursprüngliche Zeitachse sah vor, das Maßstäbegesetz vor dem Finanzausgleichsgesetz neu zu verabschieden, und zwar bis Ende 2002. Der Stand der Beratungen zeigt inzwischen, daß die Maßstäbe offenbar nicht von den Details des komplizierten Ausgleichsverfahrens getrennt werden können. Auch die Neufassung des Solidarpaktes II kann und muß sicherlich nicht vom Maßstäbegesetz und der Neuregelung des Finanzausgleichs getrennt werden. Es ist notwendig, diese drei Gesetzgebungsverfahren zusammenzutun.
Zu Punkt 2 unseres Antrages. Bei der Verteilung der Umsatzsteuer auf die Länder besteht zur Zeit ein sogenannter Umsatzsteuervorwegausgleich. Das bedeutet, 25 % des Länderanteils gehen vorweg an jene Bundesländer, deren Einnahmen aus Landessteuern unter dem Länderdurchschnitt liegen. Das betrifft natürlich die ostdeutschen Bundesländer. Die restlichen 75 % werden entsprechend der Einwohnerzahl auf die Bundesländer verteilt. Zu Lasten der armen Länder soll das erste Paket, also das 25%-Paket, abgeschafft werden, zumindest nach Meinung der Klägerländer.
Ganz wesentlich ist die unter Punkt 3 des Antrags angeführte Berücksichtigung der kommunalen Finanzkraft bei der Bestimmung der Finanzkraft der Bundesländer, die wiederum Grundlage für die bundesstaatlichen Zuführungen ist. Die Finanzkraft der Länder ist also Grundlage für die Höhe der Ausgleichszahlungen. Die Finanzkraft der Kommunen in den neuen Ländern liegt zur Zeit weit unter der in den alten Ländern. Würde sie zu 100 % in der Finanzkraft der Länder berücksichtigt, würde sich ein klarer und gerechtfertigter Vorteil für die neuen Bundesländer ergeben.
Zu Punkt 4. Die Einwohnerdichte in Sachsen-Anhalt, insbesondere im Norden, und in Mecklenburg-Vorpommern liegt weit unter dem Länderdurchschnitt. Zahlreiche Aufwendungen - wir kennen sie alle -, etwa für Infrastruktur, für Schülertransport und für vieles andere, fallen jedoch in Abhängigkeit von der Fläche und nicht vorrangig in Abhängigkeit von der Einwohnerdichte an. Eine überdurchschnittliche Einwohnergewichtung dieser Länder, wie wir sie fordern, würde die Zuführungen im Rahmen des Ausgleichs weiter verbessern, was ebenfalls objektiv zu fordern und auch zu rechtfertigen ist.
An dieser Stelle will ich die Erläuterung zu unserem Antrag abbrechen. Das Restliche ist verständlich, denke
Danke für die Einbringung. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden. Die Fraktionen sprechen in der Reihenfolge CDU, SPD, FDVP, DVU-FL und PDS. Als erstem erteile ich jedoch für die Landesregierung Minister Herrn Gerhards das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Neuregelung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern gehört zu den schwierigsten Vorhaben, die in den nächsten Jahren im Zusammenwirken von Bund und Ländern und im Zusammenwirken der Länder untereinander verwirklicht werden müssen. Für die ostdeutschen Länder ist es dabei unverzichtbar, zugleich auch Umfang und Inhalt der Leistungen für den Aufbau Ost nach dem Jahr 2004, also den Solidarpakt II, verbindlich sicherzustellen.
Die Länder haben inzwischen ihre Anforderungen für die Neuregelung definiert. Dabei haben sich infolge der unterschiedlichen Interessen im wesentlichen zwei Gruppen herausgebildet. Die zehn Nehmerländer einschließlich Sachsen-Anhalts haben ihre weitgehend übereinstimmenden Positionen formuliert und dabei die Notwendigkeit einer auch weiterhin bedarfsgerechten Finanzausstattung verdeutlicht. Vier Länder, nämlich die drei Länder, die vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt haben, und Nordrhein-Westfalen, haben ihre Forderungen nach Verringerung ihrer im derzeitigen System bestehenden Leistungsverpflichtungen artikuliert. Zwei Länder, Sachsen und Thüringen, haben jeweils eigenständige Erklärungen abgegeben.
Es besteht bei allen Beteiligten Einigkeit darüber, daß die im Antrag der PDS aufgezählten Aspekte zu den Schwerpunkten jeder Neuregelung gehören, jedenfalls nach dem gegenwärtigen System. Konsens unter allen 16 Ländern besteht ferner darüber, daß die gesamte Neuregelung des horizontalen und des vertikalen Finanzausgleichs sowie die Nachfolgeregelungen für den Solidarpakt ab dem Jahr 2005 untrennbar miteinander verbunden sind und daß deshalb das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Maßstäbegesetz, das darauf aufbauende eigentliche Finanzausgleichsgesetz und der Solidarpakt II bis zum Abschluß der derzeitigen Wahlperiode des Deutschen Bundestages verwirklicht werden müssen.
Die Bundesregierung hat in der vergangenen Woche beim Zusammentreffen des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten der Länder dieser Vorgehensweise ausdrücklich zugestimmt, nachdem sie in der Vergangenheit in diesem Punkt noch sehr zögerlich gewesen ist. Ich bin deshalb zuversichtlich, daß der Zeitplan eingehalten werden kann.
Die Landesregierung wird selbstverständlich über den Fortgang der Verhandlungen regelmäßig berichten, wie dies im Antrag der PDS gefordert worden ist.
Anders als in dem PDS-Antrag vorausgesetzt, geht die Landesregierung gegenwärtig allerdings nicht davon aus, daß die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs und der Solidarpakt II in den nächsten Jahren automa
tisch zu erheblichen Einnahmerückgängen führen müssen. Die bisherigen Beratungen zum Finanzausgleich lassen eher erkennen, daß Ausgangspunkt der Neustrukturierung im wesentlichen die Beibehaltung des derzeitigen Gesamtvolumens zumindest in den ersten Jahren nach 2004 sein wird.
Welches System dabei letztlich zum Tragen kommt, ob es das gegenwärtige mit einigen Veränderungen ist, wofür dann die von der PDS genannten Punkte Richtschnur sein würden, oder ob ein völlig neues, ganz anders geartetes System zum Tragen kommt, ist gegenwärtig nicht absehbar. Es wäre deshalb auch zu früh, sich jetzt bei den Verhandlungen ausschließlich auf die heutige Systematik mit den genannten Punkten schwerpunktmäßig zu kaprizieren.
Insbesondere für den Aufbau Ost ist der fortbestehende Nachholbedarf an Investitionen gerade für die Infrastruktur, für die Arbeitsmarktpolitik und für die Wirtschaftsförderung in Höhe von ca. 500 Milliarden DM in den folgenden Jahren durch die von allen ostdeutschen Ländern gemeinsam eingeholten Gutachten der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute eindrucksvoll belegt worden. Darauf hat Professor Trepte eben hingewiesen.
Das hat im übrigen dazu geführt, daß inzwischen auch auf der Seite der Geberländer und bei der Bundesregierung die Richtigkeit unserer Forderungen nach diesem Gutachten ernstlich nicht mehr in Zweifel gezogen wird. Auch deshalb wäre es verfrüht, schon jetzt von erheblichen Einnahmerückgängen auszugehen und damit die eigene Verhandlungsposition zu verschlechtern. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke, Herr Minister. - Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Professor Dr. Böhmer.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn ich Ihre Wertung, verehrter Herr Kollege Trepte, nicht teile, gebe ich Ihnen völlig recht, daß wir jetzt über die grundsätzlichen Probleme eines föderalen Staates sprechen und daß das ein Thema ist, dem auch wir uns nicht entziehen können, wenn wir auch zum Glück nicht für die Gesetzgebung über den Länder- finanzausgleich zuständig sind.
Aber es gibt viele Probleme, die uns in ähnlicher Weise berühren. Deswegen stimmen wir dem Antrag zu - nicht weil ich mir davon eine höhere Unterhaltung für die Finanzpolitiker im Ausschuß verspreche, sondern weil ich der Meinung bin, daß wir letztlich über gleiche Probleme zu entscheiden haben; denn wir sind zum Beispiel zuständig für das Gesetz über den kommunalen Finanzausgleich. Dabei tauchen viele grundsätzliche Probleme wieder auf.
Das Bundesverfassungsgericht hat ja vielleicht sogar aus einer gewissen Verärgerung heraus - ich weiß das nicht - beschlossen, daß ein Maßstäbegesetz vorzugeben ist, weil seit Bestehen der Bundesrepublik mehrere Klagen gegen den Länderfinanzausgleich anhän- gig waren, über die immer wieder entschieden wurde, und niemals haben sich die Politiker an die Sprüche des Bundesverfassungsgerichts gehalten. Deswegen hat das
Gericht jetzt gesagt: Wir erwarten ein Maßstäbegesetz, mit dem die Begriffe definiert werden und mit dem erst einmal festgelegt wird, welche Höhe und welche Strukturen des Ausgleichs denn tatsächlich geschaffen werden sollen. Dies trifft in analoger Weise auch für die Bereiche zu, für die wir zuständig sind.
Das Problem der Einwohnerveredelung oder Einwohnergewichtung ist zum Beispiel ein Instrumentarium aus dem ehemaligen preußischen Staatsrecht. Es stammt aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, als bereits festgestellt wurde, daß eine hohe Bevölkerungsagglomeration zu hygienischen Problemen führt, die durch den Bau von Kanalisationsanlagen gelöst werden müssen. Weil das ein hoher Aufwand ist, wurde Bewohnern in großen Städten bei der Geldverteilung ein höheres Gewicht zugeordnet, und demzufolge erhielten diese großen Städte mehr Unterstützung.
Ich bin der Meinung, daß am Anfang des 21. Jahrhunderts die Vorteile einer hohen Bevölkerungsagglomeration durch entsprechende Nachteile ausgeglichen werden und umgekehrt, daß für den ländlichen Raum, für den wir die gleichen Anforderungen stellen, auch die Nachteile einer geringeren Bevölkerungsdichte mit anderen, höheren Verpflichtungen verbunden sind, weshalb eine Einwohnergewichtung oder -veredelung aus meiner Sicht auch beim kommunalen Finanzausgleich nicht mehr zeitgemäß ist.