Protokoll der Sitzung vom 22.06.2000

Die Berücksichtigung der kommunalen Finanzkraft im Länderfinanzausgleich, und zwar nicht hälftig, sondern total, ist aus unserer Sicht völlig berechtigt.

Ich will aber schon darauf hinweisen: Auch wir werden einmal darüber nachdenken müssen, wie wir damit umgehen, daß innerhalb eines Bundeslandes die einzelnen Kreise eine völlig unterschiedliche Wirtschaftskraft entwickelt haben. Der Lastenverteilungsgrundsatz, der erst einmal die Voraussetzung für die Entscheidung darüber ist, welche Institution und welche Ebene überhaupt wieviel Geld bekommt, wird sofort wieder aktuell, wenn wir über Verwaltungsstrukturen und Gebietskörperschaften in Sachsen-Anhalt sprechen. Wenn wir darüber entscheiden, was denn ein Kreis oder eine Kommune entscheiden und leisten soll und was nicht, dann müssen auch nach unserer Verfassung die Finanzzuwendungen dem folgen.

Das heißt, wir haben letztlich auf einer Ebene darunter die gleichen Grundsätze zu entscheiden, und deswegen ist diese Diskussion im Ausschuß auch für uns hilfreich und, wie ich denke, wichtig.

Auch die Berücksichtigung von Sonderbedarfen durch Sonderzuweisungen ist ein Problem, dem wir uns nicht entziehen können; denn es ist nicht vorstellbar, daß jemals ein Gesetz zum Beispiel zur Umsatzsteueraufteilung zugunsten ärmerer Bundesländer erlassen wird. Das hieße, daß diejenigen, die arm sind, einfach mehr bekämen. Dabei wäre zu fragen, wie denn Armut definiert ist.

Die bisherige Verteilung nach Einwohnerzahlen kann auch problematisiert werden. Es gibt Leute, die vorschlagen, man sollte das nach Wirtschaftskraft vertei- len und diese Wirtschaftskraft an der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes messen. Das wäre unerhört schwierig, fast nicht praktikabel, keine Lösung für einen Länderfinanzausgleich.

Mit all diesen Problemen müssen wir uns befassen. Ich will, weil das rote Licht schon wieder leuchtet, nur eines noch ganz kurz vortragen und zitieren dürfen, meine Damen und Herren. Dieses Urteil, von dem wir jetzt sprechen und von dem die letzte Bewegung zur Gesetzgebung ausgegangen ist, ist in dieser Sache bei weitem nicht das erste. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahr 1952 auf eine Klage hin zum Länderfinanzausgleich ein Urteil gesprochen. Dort heißt es - ich darf zitieren -:

„Seinem Wesen nach ist der Finanzausgleich eine Gemeinschaftshilfe. Daraus folgt, daß er nur subsidiäre Bedeutung haben kann und lediglich zur Milderung, nicht aber zur Einebnung der natürlichen Finanzkraftunterschiede führen darf. Er ist deshalb auf einen Spitzenausgleich zu beschränken und so zu gestalten, daß die finanzielle Eigenverantwortung der Länder möglichst unangetastet bleibt, der Wille der finanzschwachen Länder zur Selbsthilfe nicht geschwächt und die Fähigkeit der übrigen Länder zu eigener Initiative und Leistungssteigerung nicht übermäßig beeinträchtigt wird.“

Nun will ich ohne jede Polemik sagen: Wer die Finanzsituation unseres Bundeslandes kennt und wer sicher davon ausgehen kann, daß die nächste gesetzliche Regelung des Länderfinanzausgleichs an den bisherigen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts nicht wird vorbeigehen können, der weiß, was auf uns zukommt. Deswegen lohnt es sich, darüber zu sprechen. Deswegen stimmen wir diesem Antrag zu.

(Zustimmung bei der CDU und von Frau Helm- ecke, FDVP)

Das Wort hat für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Herr Dr. Rehhahn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Trepte, Sie haben die Problematik sehr ausführlich erläutert und sind auf die einzelnen Punkte eingegangen. Der Finanzminister hat auch schon einige grundsätzliche Dinge gesagt, und auch Herr Professor Böhmer hat Zustimmung zu diesem Antrag erklärt, so daß ich zum einen aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und zum anderen auch wegen der Kompliziertheit der Thematik dem Antrag ebenfalls zustimmen kann.

Es wird eine interessante und spannende Diskussion in den Ausschüssen geben. Wir werden uns sicher nicht nur einmal, sondern mehrfach mit diesem Thema befassen müssen, denn es bestimmt über unsere Finanzkraft in den nächsten Jahren. Wir müssen sehen, wie wir uns tatsächlich a) in den Kontext der Länder im Osten und b) in den Kontext der wirtschaftlich schwächeren und der sich wirtschaftlich schneller oder langsamer entwickelnden Länder einbringen.

Deswegen stimmen auch wir Ihrem Antrag zu und erwarten eine interessante Diskussion in den Ausschüssen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Weich hat jetzt für die FDVP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der deutsche Länderfinanzausgleich dient dazu, Gelder von Ländern mit hohen Staatseinnahmen an Länder mit niedrigen Staatseinnahmen umzuverteilen. Rechtliche Grundlage des Länderfinanzausgleichs ist das Grundgesetz. In diesem heißt es, die Finanzkraft der Länder müsse angemessen ausgeglichen sein.

Neben dem sogenannten horizontalen Finanzausgleich zwischen den Ländern gibt es den vertikalen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern. Diese Ausgleichszahlungen sollen zum Ausbau der Struktur und zur wirtschaftlichen Entwicklung der schwächeren Bundesländer dienen. Allerdings muß auch festgestellt werden, daß es das Ziel sein muß - und das in absehbarer Zeit -, daß das Land Sachsen-Anhalt durch eine konstruktive Wirtschafts- und Finanzpolitik in die Lage versetzt wird, nicht ewig am Tropf dieses Länderfinanzausgleichs hängen zu bleiben.

Leider ist kennzeichnend, daß rote Politik darauf beruht, aus ideologischen Gründen Finanzmittel an falscher Stelle - siehe Verein „Miteinander“ - einzusetzen. So gehen 3,6 Millionen DM der Wirtschaftsförderung verloren. Diese SPD-PDS-Landesregierung schafft aus ideologischen Gründen immer wieder Spannungsfelder, denen sie dann machtlos gegenübersteht.

Zu dem Antrag der PDS-Fraktion zum Thema „Neuregelung des Länderfinanzausgleichs“ ist zu sagen, daß eine regelmäßige Berichterstattung der Landesregierung im Finanzausschuß über den jeweiligen Verhandlungsstand unbedingt nötig ist. Wir stimmen dem Antrag zu.

(Beifall bei der FDVP)

Die Fraktion der DVU-FL verzichtet auf einen Redebeitrag. Ich nehme an, die PDS-Fraktion ebenfalls, weil Herr Professor Dr. Trepte hinausgegangen ist.

Damit beenden wir die Diskussion und kommen zum Abstimmungsverfahren zu der Drs. 3/3274. Wer stimmt dem Antrag zu? - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Ebenfalls nicht. Einstimmig so beschlossen. Wir haben den Tagesordnungspunkt 22 abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:

Beratung

Landesregierung für Nachbesserung des Steuersenkungsgesetzes

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/3275

Jetzt warten wir auf den Einbringer, Herrn Professor Trepte.

(Herr Prof. Dr. Trepte, PDS, den Plenarsaal be- tretend: Ich verzichte! - Heiterkeit)

- Herr Professor, Sie sind mit der Einbringung des Antrages unter Tagesordnungspunkt 23 dran. Ich hatte gedacht, Ihr Weggehen bezog sich auf den Verzicht auf einen nochmaligen Redebeitrag. Aber einbringen möchten Sie den Antrag doch sicherlich.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung. - Meine Damen und Herren! Der Crash

erscheint unabwendbar. Falls der Bundesrat am 14. Juli dieses Jahres dem Steuersenkungsgesetz mit möglicherweise nur geringfügigen Änderungen durch den Vermittlungsausschuß zustimmt, ist das Dilemma offenbar Realität. Dann wird dieser Landtag im September einen Haushaltsplan präsentiert bekommen, wie wir ihn noch nicht erlebt haben, und wir haben an Einnahmeverlusten in den letzten Jahren schon allerhand erlebt.

Das Haushaltsvolumen wird sich im Jahr 2001 gegenüber dem Jahr 2000 um knapp 700 Millionen DM vermindern. Hauptursache dafür wäre das Wirksamwerden des Steuersenkungsgesetzes am 1. Januar 2001. In der jetzigen Anlage führt das Gesetz im Jahr 2001 nach meinen Berechnungen zu Mindereinnahmen für das Land in Höhe von ca. 300 Millionen DM gegenüber dem Jahr 2000. Hinzu kommen Personalkostenerhöhungen aus Rechtsverpflichtungen von mindestens 100 Millionen DM. Dann sind wir - 700 plus 100 Millionen DM - bei einem notwendigen Einsparungsvolumen von 800 Millionen DM angelangt. Ich denke, der Finanzminister veranschlagt dieses Volumen noch in bedeutend größerer Höhe.

Meine Damen und Herren! Sie wissen, mit welcher Härte und Konsequenz in den letzten beiden Jahren Einsparungen, auch schmerzliche, in jedem Einzelplan, in jedem Kapitel und in jedem Titel beraten und erzwungen worden sind. Ich meine, das Einsparungsvolumen ist weitgehend erschöpft. 800 Millionen DM sind unter diesem Aspekt eine Dimension, bei der die Frage zu stellen ist: Lohnt es sich überhaupt noch, sich hinzusetzen und in die Haushaltsverhandlungen einzusteigen?

Zwei Probleme hat die PDS mit dem Steuersenkungsgesetz:

Erstens. Das Steuersenkungsgesetz - das ist ganz offensichtlich - entlastet große Kapitalgesellschaften, also insbesondere die Großunternehmen - einmal durch die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes auf 25 %, zum anderen durch den Verzicht auf einen progressiven Staffeltarif bei der Körperschaftsteuer, weiterhin durch die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens bei der Besteuerung ausgeschütteter Gewinne und schließlich und insbesondere durch die Körperschaftsteuerbefreiung für Veräußerungsgewinne aus Anteilsveräußerungen.

Der Mittelstand wird kaum entlastet, relativiert zu den Großunternehmen wird er sogar stärker belastet. Ich spreche es hier aus: Das Steuersenkungsgesetz ist mittelstandsfeindlich.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU)

Zweitens. Die angeblich hohe Steuerbelastung der deutschen Unternehmen ist nach wie vor umstritten. Ich habe dazu von dieser Stelle aus mehrfach gesprochen. Nach mehreren Einschätzungen liegt die Belastung durchaus im Mittelfeld europäischer Länder. Wenn die Bundesregierung trotzdem die Unternehmen entlasten will, dann soll sie es, bitte sehr, nicht zu Lasten der Bundesländer tun. Wenn sie es trotzdem will, müssen die Verteilungsquoten der Gemeinschaftssteuern, hier der Körperschaftsteuer, zugunsten der Länder neu geregelt werden.

Meine Damen und Herren! Das Steuerentlastungsgesetz bedeutet also einen gravierenden Einschnitt in die Landesfinanzen. Es ist eigentlich nicht zu leisten - das habe ich schon gesagt -, einen akzeptablen Haushalt zu erarbeiten. Der Minister der Finanzen Herr Gerhards sagte

dazu am 27. April mit Bezug auf dieses Gesetz - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis wörtlich, und zwar mehrfach -: „Damit wären wir nicht mehr in der Lage, alle Aufgaben zu erfüllen.“

Am 18. Mai sagte er: „Damit wäre die Aufstellung eines soliden Haushaltsplanes für das kommende Jahr unmöglich.“

Am 27. April - wiederum wörtlich -: „Entweder es wird abgespeckt oder ein Ausgleich für alle Länder gefunden.“

Nun, in den letzten Maitagen setzt sich das Kabinett zusammen und macht Hausaufgaben. Man berät, wie man mit den drastischen Einschnitten zurechtkommen könnte. Keine Spur mehr, meine Damen und Herren, von Widerstand, aber auch überhaupt keine Spur.

Ich halte mich dabei nach wie vor an die Einschätzung meines Freundes und Kollegen Wulf Gallert, der die Situation am 26. April als ernsthafte Bedrohung des Magdeburger Modells bezeichnete. Das ist sie in der Tat, und ich hoffe, daß Wulf seine Meinung nicht geändert hat.

(Herr Dr. Bergner, CDU, lacht - Herr Scharf, CDU: Das hat er schon öfter!)

Allerdings muß ich mich fragen, meine Damen und Herren, - das wird in meinen Überlegungen über die Sommerpause hinweg eine große Rolle spielen - ob diese Bedrohung für Magdeburg und für Schwerin nicht vielleicht sogar gewollt ist. Das müssen wir, denke ich, auch erwägen.

Nun, Herr Ministerpräsident und Herr Minister der Finanzen, besinnen Sie sich bitte auf Ihren eingangs gezeigten Willen zum Widerstand, zeigen Sie also Rückgrat. Meine Damen und Herren des Kabinetts und der SPDFraktion, so kann es nicht gehen.

Ich will zum Schluß noch ein Wort an den Abgeordneten Herrn Hoffmann richten. - Er ist nicht da, schade.

(Herr Dr. Keitel, CDU: Wir erzählen es ihm!)

Ich beziehe mich auf sein Interview in der „Volksstimme“ vom 13. Juni 2000. Herr Hoffmann, Sie sagten dort wissentlich die Unwahrheit. Wider besseres Wissen behaupteten Sie - ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin -: