Protokoll der Sitzung vom 22.06.2000

gehensweise eine Mißachtung der kommunalen Spitzenverbände darstelle - so die Begründung der CDUFraktion.

Die Beratung wurde ohne die Mitglieder der CDUFraktion fortgesetzt.

Dem Vorschlag der SPD-Fraktion, den mitberatenden Umweltausschuß zu bitten, entgegen dem üblichen Verfahren eine nochmalige Anhörung zu der vorläufigen Beschlußempfehlung des Innenausschusses durchzuführen und den Innenausschuß hinzuzuladen, wurde von dem mitberatenden Ausschuß nicht entsprochen. Daher kam der Innenausschuß überein, vor der Verabschiedung der Beschlußempfehlung die Meinung der kommunalen Spitzenverbände einzuholen. Dazu fand eine erneute Anhörung statt.

In einer Empfehlung zu der vorläufigen Beschlußempfehlung des federführenden Ausschusses teilte der Umweltausschuß mit, daß die vorläufige Beschlußempfehlung in Kenntnis dessen angenommen worden sei, daß von den Vertretern der Fraktionen der CDU und der PDS Änderungen in Auswertung der Anhörung der kommunalen Spitzenverbände angekündigt worden seien.

Der mitberatende Ausschuß für Finanzen gab keine Beschlußempfehlung ab und informierte in einem Schreiben, daß er aus Zeitgründen erst nach der abschließenden Sitzung des Innenausschusses über den Gesetzentwurf beraten werde. Sollte der Finanzausschuß zu einem abweichenden Votum zu der Beschlußempfehlung kommen, werde er gemäß § 29 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Landtages eine eigenständige Beschlußempfehlung an den Landtag richten.

Am 14. Juni 2000 tagte der Finanzausschuß. Im Ergebnis dieser Beratung empfiehlt er mit 9 : 3 : 1 Stimmen, die abschließende Empfehlung des Innenausschusses anzunehmen.

(Zustimmung bei der PDS und bei der SPD)

Danke sehr. - Für die Landesregierung erteile ich dem Innenminister Herrn Dr. Püchel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegende Beschlußempfehlung des Innenausschusses zur Änderung des KAG kann als insgesamt maßvolle Novellierung bezeichnet werden, die in vielen Bereichen ein Mehr an Rechtssicherheit und Klarheit sowohl für die Anwender als auch für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger mit sich bringt.

Mit der Beschlußempfehlung ist es auch gelungen, den ursprünglich von der PDS-Fraktion vorgelegten Gesetzentwurf insoweit zu modifizieren, als eine Reihe von Vorschlägen nicht mehr enthalten ist, die geeignet gewesen wären, in der Praxis eher zu Verunsicherung und Verwirrung beizutragen. Vor allem ist die vorgeschlagene gesetzliche Kostenübertragung für Überkapazitäten von Abwasserbeseitigungsanlagen im Laufe der Beratungen fallengelassen worden.

Meine Damen und Herren! Ohne im Detail auf die Beschlußempfehlung eingehen zu wollen, zähle ich zu den Verbesserungen zum Beispiel die Eröffnung der Möglichkeit, privatrechtliche Entgelte anstelle von öffentlichrechtlichen Beiträgen zu erheben. Damit wird sowohl für Gebühren als auch für Beiträge ausdrücklich die Mög

lichkeit eröffnet, die Erhebungsform zu wählen. Diese Regelung schafft Rechtssicherheit, nachdem in der Vergangenheit einige Gerichtsentscheidungen Zweifel an der Zulässigkeit der Erhebung privatrechtlicher Entgelte streuten.

(Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Auf zwei Punkte der Beschlußempfehlung möchte ich etwas näher eingehen, weil sie in den letzten Tagen noch einmal Thema der öffentlichen Diskussion geworden sind. Ich meine damit zum einen das Gewittergrollen aus dem Süden des Landes, den Donnerhall des Rufes von Naumburg gen Dessau. Ich meine die Drohung mit der Verfassungsklage wegen der authentischen Interpretation.

(Herr Becker, CDU: Nehmen Sie das ernst, Herr Minister!)

- Ich nehme das ernst, Herr Becker. - Zugegebenermaßen stellt die authentische Interpretation des § 6 Abs. 6 ein Novum in unserem Land dar. Aber, meine Damen und Herren, stellte die Änderung des § 6 Abs. 6 im Jahre 1997, initiiert durch den Wotan des Südens, nicht ebenfalls ein Novum dar?

(Herr Hoffmann, Magdeburg, SPD, lacht)

Ziel der neuerlichen Gesetzesänderung ist eine hoffentlich endgültige Klarstellung der damals vor allem von Herrn Becker gewollten Änderung des § 6 Abs. 6 KAG, nach dem durch Gerichtsentscheidungen eine Fehlinterpretation der Vorschrift in der Praxis drohte.

Die vom Innenausschuß empfohlene authentische Interpretation stellt klar, daß bei Straßenausbaubeiträgen eine Beitragspflicht schon immer nur dann entstand, wenn spätestens zum Zeitpunkt der Beendigung der beitragsauslösenden Maßnahme eine Beitragssatzung in Kraft getreten war. Die gegen die authentische Gesetzesinterpretation geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken halte ich angesichts der allgemeinen Anerkennung dieses Institutes durch die Rechtsprechung und in der rechtswissenschaftlichen Literatur nicht für gerechtfertigt, Herr Becker.

(Herr Becker, CDU: Haben Sie die Frau Justizmi- nisterin gefragt?)

- Natürlich haben wir uns vorher in dieser Frage mit dem Justizministerium abgestimmt.

(Ministerin Frau Schubert: Wir sprechen täglich miteinander! - Herr Dr. Daehre, CDU: Fast täg- lich!)

- Fast täglich, am Wochenende weniger.

So haben insbesondere das Bundesverwaltungsgericht in Entscheidungen aus den Jahren 1970 und 1987, aber auch das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1960 die authentische Interpretation, das heißt die Auslegung einer gesetzlichen Norm durch den Gesetzgeber selbst, als zulässiges gesetzgeberisches Instrument anerkannt. Die führenden Kommentatoren zum Grundgesetz stimmen dem nicht nur zu, sie stellen darüber hinaus klar, daß die authentische Interpretation das Gewaltenteilungsprinzip unserer Verfassung nicht verletzt.

Ich hoffe, daß mit der authentischen Interpretation des Gesetzgebers Ruhe und Rechtssicherheit einkehren können; denn aus zahlreichen Zuschriften und Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern zum Problemkreis der Straßenausbaubeiträge weiß ich, daß die Rechtspre

chung der Verwaltungsgerichte zu diesem Thema zu erheblicher Verwirrung, ja zu Betroffenheit und Unverständnis geführt hat.

Meine Damen und Herren! In der Praxis wird leider des öfteren die seit dem Jahr 1996 gesetzlich festgeschriebene Pflicht verletzt, die später Beitragspflichtigen frühzeitig über die beabsichtigten Vorhaben einschließlich der zu erwartenden Kostenbelastung zu informieren. Deshalb sah der Gesetzgeber auch hier Handlungs- bedarf.

Die unterlassene Beteiligung der später Abgabepflichtigen soll durch eine Änderung des § 6 d sanktioniert werden; denn die beitragspflichtigen Maßnahmen unterliegen nicht dem Geheimschutz und sind nicht als Geheimsachen zu behandeln, sondern müssen bereits nach dem geltenden KAG, von der CDU-Fraktion und der SPD-Fraktion damals gemeinsam beschlossen, in aller Offenheit und Klarheit mit den künftigen Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern erörtert werden.

Nach ersten Erkenntnissen zeigt diese in den letzten Wochen intensiv diskutierte Sanktionsvorschrift bereits vor ihrem möglichen Inkrafttreten Wirkung. Die ihr zugedachte Warnfunktion wird sie meines Erachtens erfüllen. Dies gibt Anlaß zu der Hoffnung, daß es in der Praxis erst gar nicht zu den angedrohten Sanktionen gegenüber säumigen Gemeinden kommen muß, was für alle Beteiligten die beste Lösung wäre.

Meine Damen und Herren! Gegen diese Regelung wurden vereinzelt kommunalverfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Die Kommunalaufsichtsbehörden wären als Rechtsaufsicht nicht befugt, auf Antrag eine Zweckmäßigkeitsüberprüfung der jeweiligen Maßnahme, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Sachverständigen, durchzuführen.

Diese Bedenken greifen ebenfalls nicht; denn die Kommunalaufsichtsbehörde wird dabei nicht in ihrer klassischen Funktion als Rechtsaufsicht tätig. Ihr wird vielmehr eine Aufgabe eigener Art übertragen, bei der Erwägungen, die über eine Rechtsprüfung im engeren Sinne hinausgehen, durchaus zulässig sind; denn letztlich soll der sparsame Umgang der Kommunen mit öffentlichen Mitteln sichergestellt werden.

Zu guter Letzt möchte ich meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, daß die jetzt beratene Änderung für längere, wenn möglich für lange Zeit die letzte Überarbeitung des KAG sein wird. Änderungen des KAG in so kurzen Abständen verunsichern sowohl die abgabepflichtigen Bürgerinnen und Bürger als auch die Kommunen und Verbände und behindern damit notwendige Entscheidungen.

Ich erinnere nur daran, daß die letzte Änderung des KAG, die ebenfalls von der PDS-Fraktion initiiert wurde, gerade erst ein Jahr zurückliegt. Das Gebot für die nächsten Jahre muß daher sein, durch ein unverändertes Kommunalabgabenrecht für die Anwender des KAG und die betroffenen Bürger Rechtssicherheit herzustellen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe auf eine große Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Wir begrüßen Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Loburg, der Berufs

bildenden Schule Burg und eine Gruppe von Grundschullehrerinnen und -lehrern aus Fletmark.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Die Debatte wird in folgender Reihenfolge durchgeführt: PDS, FDVP, SPD, CDU und DVU-FL. Ich bitte Frau Theil, nochmals das Wort zu ergreifen.

Verehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Her- ren Abgeordnete! Die PDS-Fraktion brachte am 16. April 1999 in der 19. Sitzung des Landtages die Novelle zum Kommunalabgabengesetz ein. Der da- mals wesentlich umfangreichere Antrag wurde in Abstimmung mit der damaligen Umweltministerin Frau Häußler und mit dem Innenminister Herrn Dr. Püchel sowie Vertretern der Landesregierung und Landtagsabgeordneten in gemeinsamen Gesprächen in der Art verändert, daß bis auf wenige Ausnahmen alle abwasserrelevanten Probleme aus dieser Gesetzesnovelle herausgenommen wurden, um diese in einer anderen Form einer Klärung zuzuführen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Tja! - Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Der Hauptschwerpunkt war die Teilentschuldung der hoch verschuldeten Abwasserzweckverbände unseres Landes. Dazu wurden inzwischen Richtlinien und Kriterien für die Teilentschuldung von Abwasserzweckverbänden erarbeitet. Das Umweltministerium wird nach der Plenarpause mit der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung bei den ersten hoch verschuldeten Verbänden beginnen.

Die Zielstellung unseres Novellierungsvorschlags war und ist es, die Rechtsstellung des Bürgers im Zusammenhang mit der Erhebung von Gebühren und Beiträgen zu verbessern. Wer diesem Antrag nicht folgt kann - das ist offensichtlich bei einigen Vertretern der CDU-Landtagsfraktion der Fall -, kann den Bürgern in den Kommunen nicht glaubhaft vermitteln, daß er deren Interessenvertreter sei.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD - Zuruf von Herrn Becker, CDU)

In unserer Beschlußempfehlung, Herr Becker, wurden von uns unter anderem folgende Gesetzesinhalte zur Sprache gebracht: Praktiken zur Verzinsung des Eigenkapitals, Fragen zur Aussetzung der Abschreibung nach dem Wiederbeschaffungszeitwert von Anlagen bis zum 31. Dezember 2005, die Erhebung von Grundgebühren neben den verbrauchsabhängigen Gebühren, die sich auf 25 v. H. beschränken sollen.

Ferner wurde vorgeschlagen, daß für Kreisstraßen von den Grundstückseigentümern keine Straßenausbaubeiträge erhoben werden dürfen. Von dieser Regelung bleiben Gehwege, Grünflächen und die Straßenbeleuchtung im Gehwegbereich unberührt. Kostenregelungen sollten nach wie vor für den Kalkulationszeitraum von drei Jahren erfolgen. Kostenüberdeckungen im Kalkulationszeitraum sind unmittelbar im ersten Jahr des nächsten Kalkulationszeitraumes auszugleichen.

Eine besondere Bedeutung messen wir dem § 6 d bei. Er schafft insofern Rechtssicherheit für den späteren Beitragszahler, als festgeschrieben ist, daß im Vorfeld von beitragsauslösenden Vorhaben der Bürger spätestens einen Monat vor der Entscheidung zu informieren

ist. Kommen kommunale Gebietskörperschaften dieser Pflicht nicht nach, haben die Beitragspflichtigen einen Anspruch auf Nachholung einer Anhörung. Wenn Sie, Herr Becker, auch diese zweite Möglichkeit als Pflicht gegenüber dem Bürger unterlassen, dann hat der Beitragspflichtige die Möglichkeit, eine Überprüfung der Kosten durch die Kommunalaufsicht unter Hinzuziehung von Sachverständigen durchführen zu lassen.

(Herr Becker, CDU: Und dann zahlen Sie es für die Gemeinde!)

Herr Oberbürgermeister und Landtagsabgeordneter Becker, ich kann Ihre Ängste, daß daraus den Kommunen Nachteile erwüchsen, nicht nachvollziehen, denn der Gesetzgeber hat von Beginn an festgeschrieben, daß die Beitragspflichtigen über Maßnahmeninhalte und Kostenbelastungen zu informieren sind. Wenn das eine Kommune nicht tut, verletzt sie bestehende Gesetzlichkeit. Ich denke, daß es dann berechtigt ist, die Kommune in die Pflicht zu nehmen.

Im März 1999 hat der Landtag auf Antrag der PDSFraktion fraktionsübergreifend zum § 6 eine Klarstellung zur Erhebung von Beiträgen für leitungsgebundene Einrichtungen beschlossen. Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat in seiner Rechtsprechung diesen Paragraphen nicht nur auf leitungsgebundene Einrichtungen, sondern auch auf Straßenausbaubeiträge angewandt. Dies war so vom Gesetzgeber nicht gewollt.

Wir beantragten damals, die Klarstellung zum § 6 rückwirkend zu verankern. Dies konnte von den Fraktionen der SPD und der CDU nicht mitgetragen werden, da man der Auffassung war, daß das von Anfang an nicht gewollt gewesen sei und die neue Formulierung nur der Klarstellung des Gesetzes gedient habe.