Protokoll der Sitzung vom 14.09.2000

Lassen Sie mich nun zu dem Thema der verbleibenden Aufgabenerledigung beim Land kommen. Ich habe vorhin gesagt, vom Land solle nur der Restbestand an Aufgaben erledigt werden, der von den Kommunen nicht zweckmäßig und wirtschaftlich wahrgenommen werden kann. Dieser Restbestand von Aufgaben soll von einem Landesverwaltungsamt und daneben von einer begrenzten Anzahl von Landessonderbehörden erledigt werden; ich möchte nur das Landeskriminalamt nennen. Ich meine, nicht bei allen Sonderbehörden werden wir unterschiedlicher Auffassung sein.

Das Ziel ist beschrieben. Während der Übergangsphase werden die bisher von den drei Regierungspräsidien wahrgenommenen Aufgaben verstärkt als Vor-Ort-Aufgaben zusammengeführt. Wer aber der Vorstellung anhängt, in dieser Überführungsphase könne man schon in größerem Umfang eine Kommunalisierung von Aufgaben verfolgen, erweckt natürlich falsche Erwartungen.

Die Übertragung der Aufgaben auf die Kommunen wird in einem Paket erfolgen. Es wird seine Zeit dauern, dieses Paket mit den kommunalen Spitzenverbänden zu schnüren, nicht zuletzt deshalb, weil es auch hier um den Finanzausgleich geht und darum gerungen werden wird.

Die Zeitschiene hat natürlich zur Folge, dass für die Übergangszeit, die bis spätestens - dieser Zeitpunkt, Herr Becker, ist festgelegt - 31. Dezember 2004 läuft, die jetzt bei den Regierungspräsidien Beschäftigten dort immer noch im Landesdienst stehen werden. Alles

andere ist unmöglich und würde auch den Stillstand von Arbeit bedeuten.

Wir dürfen nämlich, ich wiederhole es noch einmal, nie vergessen, dass wir hier keine Verwaltungsreform am Reißbrett machen, sondern im laufenden Betrieb. Auch wer knallharte Zweistufigkeit durchsetzen will, wird für einen Übergangszeitraum die Regierungspräsidien mit ihren Mitarbeiterstämmen noch in Kauf nehmen müssen. Aber diese Übergangszeit endet. Es hängt auch von der Arbeit im Landtag und von der Arbeit im zeitweiligen Ausschuss ab, ob man diesen Prozess beschleunigen und damit das von Ihnen, Herr Becker, befürchtete Chaos verkürzen kann.

(Herr Becker, CDU: Richtig!)

Mein Wille und der meiner Fraktion ist dies jedenfalls.

(Herr Becker, CDU: Unserer auch!)

Ich will mich auch nicht am Disput um die verwaltungswissenschaftlich korrekte Bezeichnung der Behörde Landesverwaltungsamt beteiligen. Betont man, dass es Zuständigkeiten für das gesamte Land haben wird, so ist die Einordnung als obere Landesbehörde nahe liegend. Betont man, dass es ressortübergreifende Zuständigkeiten hat, könnte man es glatt als Mittelinstanz bezeichnen.

Ich habe ein Zitat gefunden, dem wir uns anschließen können. Ich zitiere Professor Hesse, der gesagt hat, dass mittelfristig nur noch die großen Flächenländer eine Mittelinstanz im klassischen Sinne haben werden. Sachsen-Anhalt ist kein großes Flächenland, sondern ein kleines Flächenland.

Wir machen eine mittelfristige Reform. Wie kurzfristig es sein wird, hängt vom Landtag ab. Also dürften auch die Befürchtungen aller anderen ausgeräumt sein.

Wenn es um den Restbestand der Aufgaben für das Landesverwaltungsamt geht, ist es mir wichtig, ein Wort des Ministerpräsidenten wiederzugeben, der gesagt hat: Es gilt eine Beweislastumkehr. In jedem Einzelfall muss begründet werden, warum eine Aufgabe nicht von den Kommunen erledigt werden kann, sondern vom Land erledigt werden muss. Ich denke, das ist ein großer qualitativer Fortschritt gegenüber allen Aussagen, die auch wir am Anfang zum Leitbild getroffen haben.

Die zweite große Weichenstellung, die das Zweite Vorschaltgesetz erwähnt, sind die kommunalen Richtgrößen und die Einführung der qualifizierten Verwaltungsgemeinschaft. In diesem Zusammenhang gebührt dem Städte- und Gemeindebund großer Dank; denn seine Vorschläge haben die Diskussion ungemein befruchtet und vorangebracht. Sie haben auch in großem Umfang Berücksichtigung gefunden. Das zeigt: Wer konstruktiv mitarbeitet, findet auch Berücksichtigung in diesem Reformprozess.

Zu den Richtgrößen will ich nur zwei Aussagen aus dem Gesetz betonen, die mir besonders wichtig sind: zum einen das Ziel, pro Planungsregion maximal zwei Landkreise und eine kreisfreie Stadt zu haben, zum anderen die Ankündigung der Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für die Einführung der qualifizierten Verwaltungsgemeinschaft bzw. der Verbandsgemeinde.

Das Ziel, zwei Landkreise pro Planungsregion vorzusehen, macht deutlich, dass es sich bei der Richtgröße von 150 000 Einwohnern pro Landkreis wirklich um eine bloße Mindestgröße handelt und dass wir uns den

Aussagen der kommunalen Spitzenverbände hinsichtlich einer dauerhaften Einwohnerzahl von 150 000 in den Landkreisen durchaus anschließen.

Meine Damen und Herren! Der SPD erschien die flächendeckende Einführung von Einheitsgemeinden als der wünschenswerte Idealfall, weil Einheitsgemeinden die effektivste Form einer Verwaltungseinheit auf gemeindlicher Ebene darstellen. Es gibt einfach weniger Reibungsverluste. Wir berücksichtigen aber auch, dass gerade in dünn besiedelten Gebieten Handlungsbedarf dahin gehend besteht, eine Alternative anzubieten. Die Einheitsgemeinden würden gerade in den Gebieten der Altmark, in denen es Streudörfer gibt, zu flächenmäßig so großen Einheiten führen, dass selbst gut qualifizierte Ortschaftsverfassungen die Bedenken hinsichtlich der Wahrung einer eigenen Identität nicht ausräumen könnten.

Deshalb ist die Fortentwicklung, die Qualifizierung - so drückt es das Gesetz aus - von bestehenden Verwaltungsgemeinschaften hin zu Verbandsgemeinden eine gute Lösung, auch für all diejenigen, die den Schritt in die Einheitsgemeinde nicht gehen wollen oder aus objektiven Gründen, nämlich Gebietsgründen, Besiedlungsgründen, nicht gehen können. Wir haben deshalb im Gesetz die Gleichrangigkeit dieser beiden Formen festgeschrieben und nicht eine von beiden betont.

Ich gebe allerdings zu bedenken, dass das Gesetz für Mitgliedsgemeinden grundsätzlich eine Mindestgröße von 1 000 Einwohnern vorsieht. Das heißt, dass sich, wenn man vom jetzigen Status quo ausgeht, ungefähr 900 Gemeinden im Lande werden bewegen müssen, so oder so.

Natürlich gilt, was der Minister gesagt hat: Es wird auch Ausnahmen vom Regelfall geben. Es wird aber nicht so sein - ich hoffe zumindest, dass ich den Mund damit nicht zu voll nehme -, dass wir es wie bei Ihrer Reform machen werden, dass nämlich die Ausnahmen der Regelfall sind. Wir werden wirklich bloß Ausnahmen vom Regelfall zulassen.

(Frau Wernicke, CDU: Abwarten! - Herr Becker, CDU: Warten wir einmal ab, wie die Realität dann ist!)

Meine Damen und Herren! Das Zweite Vorschaltgesetz soll der Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform Ziel und Richtung geben. Das ist ein Prozess, der gerade in diesem Jahr ungemein an Dynamik gewonnen hat. Dies zeigt auch der vorliegende Gesetzentwurf, in den die Diskussionen der letzten Wochen eingeflossen sind.

Die Diskussion wird und muss weitergehen. Wir sollten deshalb bei der Beratung des Gesetzentwurfes in den Ausschüssen für sinnvolle Präzisierungen und Änderungen offen sein. Es sind noch längst nicht alle Fragen geklärt. Ich erinnere nur an das Stadt-Umland-Problem, das noch einer gesetzgeberischen Lösung bedarf und in dem Gesetzentwurf noch nicht aufgegriffen wurde.

Herr Becker, die Landesregierung hat Wort gehalten. Mit Beschluss vom 4. Mai dieses Jahres hat der Landtag mit den Stimmen der drei großen Fraktionen die Landes- regierung aufgefordert - ich verlese den Wortlaut -,

„baldmöglichst, jedoch spätestens im dritten Quartal dieses Jahres den Entwurf eines Vorschaltgesetzes zur Kommunalreform vorzulegen, welches verlässliche Handlungsorientierungen für eine kommunale Strukturreform bereits auch in einer freiwilligen Phase sichert, im Zusammen

hang damit ein Vorschaltgesetz zur Verwaltungs- und Funktionalreform vorzulegen, welches insbesondere die Grundstruktur des Verwaltungsaufbaus und Grundlagen und Grundsätze der Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen regelt.“

Wir diskutieren heute über dieses Zweite Vorschaltgesetz. Ich möchte daran erinnern, dass auch die CDUFraktion im Mai die Auffassung vertrat, dass sowohl die Kommunalreform als auch die Reform der Landesverwaltung notwendig sind; denn sonst hätte sie nicht die Vorlage entsprechender Vorschaltgesetze von der Landesregierung gefordert. Uneins waren wir uns im Mai nur über das Wie, nicht über das grundsätzliche Ob.

(Herr Becker, CDU: Richtig!)

Dieser Streit über die Sache war und ist zu begrüßen. Es wäre wünschenswert, sowohl die Kommunalreform als auch die Reform der Landesverwaltung im größtmöglichen Konsens durchzuführen. Ich baue dabei auf die Mitarbeit aller großen Fraktionen im Landtag. Ich hoffe, dass der Eindruck, den ich in der heutigen Debatte gewonnen habe, nämlich dass Sie doch noch einmal ein bisschen mit der Totalopposition spielen oder kokettieren, ein falscher Eindruck ist.

Ich bitte um Überweisung des Gesetzentwurfes in den zeitweiligen Ausschuss und zur Mitberatung in den Innenausschuss und in den Rechtsausschuss. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Frau Abgeordnete Budde, Sie hatten zugesagt, eine Anfrage des Abgeordneten Dr. Bergner zu beantworten. - Ich bitte jetzt um die Frage.

Frau Kollegin, Sie haben es mir leicht gemacht, indem Sie die gemeinsame Entschließung selbst zitiert haben. An das Zweite Vorschaltgesetz ist die Erwartung gestellt worden, dass die Landesregierung eine verlässliche Handlungsgrundlage für die Freiwilligkeitsphase schafft.

Versuchen Sie sich vorzustellen, dass zwei Kreise auf der Basis des Ersten Vorschaltgesetzes kämen und einen Kreiszusammenschluss beantragen würden. Auf welcher Grundlage kann die Genehmigungsbehörde entscheiden, ob dieser Zusammenschluss den Funktionsübertragungen, die zukünftig in der Reform der Landesverwaltung geplant sind, entspricht oder nicht?

Sind Sie nicht der Meinung, dass die Angaben, die Zahl der Behörden solle halbiert werden, es solle dies und das geschehen, irgendwann werde das Regierungspräsidium abgeschafft werden und es entstehe ein Landesverwaltungsamt - wie groß dieses sein wird, wird überhaupt nicht gesagt; welche Funktion es haben soll, wird überhaupt nicht gesagt -, sehr vage sind? Wie wollen Sie angesichts einer solchen vagen Ausgangslage überhaupt irgendeine fundierte Entscheidung hinsichtlich freiwilliger Zusammenschlüsse auf kommunaler Ebene treffen?

Der zweite Punkt. Sind Sie nicht auch - das war die Aussage von Herrn Becker, die Sie bewusst missverstanden haben - der Meinung, dass man es den Bediensteten schuldig ist, klar zu sagen, zu welchem Zeitpunkt was

mit ihrer Behörde geschieht? Wo finden Sie im Zweiten Vorschaltgesetz eine solche klare Aussage?

Was den Zusammenschluss von Landkreisen angeht, kann ich sagen, dass sehr wohl konkrete Rahmenbedingungen im Zweiten Vorschaltgesetz enthalten sind. Diese stehen nicht nur in dem Vorschaltgesetz, sondern auch schon im Leitbild und werden hiermit auf die gesetzliche Grundlage gestellt.

Wir sagen: mindestens 150 000 Einwohner, dauerhaft 150 000 Einwohner. Sie können sich selbst ausrechnen, dass man zum gegenwärtigen Zeitpunkt von ungefähr 180 000 Einwohnern ausgehen wird.

(Herr Scharf, CDU: Wo steht denn das drin?)

- Lassen Sie mich doch erst einmal ausreden, Sie wissen doch gar nicht, was ich sagen will.

Zum Zweiten sagen wir: zwei Landkreise pro Planungsregion. Die Planungsregionen werden hinterher angepasst und nicht die Landkreise innerhalb der Planungsregionen geschnitten. So viel zur Größenordnung, was die Landkreise betrifft.

Wenn man sich an diesen Zahlen orientiert, kann doch die Aufgabenkritik ganz vernünftig weitergehen. Wir haben im Ausschuss einen vernünftigen Arbeitsplan nach Vorlage der Ministerien. Diese Vorlage müssen die Ministerien, die Verwaltungen leisten. Sie können doch genauso wenig wie ich im Einzelfall entscheiden, wo die Aufgabe sinnvoll gemacht wird. Das heißt, in den Ministerien muss eine Vorarbeit stattfinden, und sie wird in den Ministerien stattfinden, nämlich Ministerium für Ministerium.

Ich gebe Ihnen Recht in Bezug darauf, dass die Umweltverwaltung schon ziemlich weit ist und dass wir uns hier sehr schnell einklinken müssen. Das wollen wir auch. Wir haben dafür einen normalen, planmäßigen Ablauf im zeitweiligen Ausschuss vereinbart, der vorsieht, wann wir darüber wieder beraten werden.

Jetzt ist klar, von welcher Größenordnung der Landkreise wir reden. Damit sind wir schon ein Stück weiter als beim Leitbild. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Daran angepasst werden wir beurteilen, welche Vorlagen aus den Ministerien für die Aufgabenverteilung kommen müssen.

Wir haben einen zweiten Grundsatz im Gesetz festgeschrieben, der heißt: Grundsätzlich soll alles, was sachlich kommunalisiert werden kann, kommunali- siert werden, bezogen auf eine Landkreisgröße von 150 000 plus. Das Land bzw. die Landesregierung, die Verwaltung muss dann begründen, warum etwas nicht geht. Ich denke, das ist sowohl für die Strukturierung der Arbeit als auch für die Größenordnung, auf die es zugeschnitten wird, eine verlässliche Arbeitsgrundlage.

Was die Rahmenbedingungen für die Bediensteten angeht, ist doch ganz klar: Bis 2004 ist der Zeitpunkt gesetzt, und es ist auch gesagt worden, was mit den Bediensteten passiert.

Wir haben auch schon im Ersten Vorschaltgesetz die Regelung, was den Personalübergang angeht. Dass das nachher im Einzelfall problematisch wird, wenn es darum geht, einzelne Personen zuzuordnen, sowohl in welcher Region sie dann arbeiten, als auch welche Auf

gabe sie wahrnehmen, das ist auch klar. Aber ich werde einen Teufel tun, mich von diesen Totschlagargumenten schon jetzt beeinflussen zu lassen und dies an einem einzelnen kleinen Spezialfall zu diskutieren.

Wir haben als Landtag die Aufgabe, die Rahmenbedingungen festzulegen, damit die Größenordnung, die kommunale Struktur bekannt ist. Wir sagen deutlich, was die Landkreisgrößen angeht und was die Größe der Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften angeht.