Protokoll der Sitzung vom 15.09.2000

Es scheint auch so zu sein, dass die Abschreibungsdauer unklar ist: wenigstens fünf Jahre, längstens 20 Jahre. Daraus ergibt sich eine große Bandbreite von möglichen Steuerausfällen, die in den nächsten fünf bis sechs Jahren für Bund und Länder zwischen 1 Milliarde DM und ungefähr 4 Milliarden DM liegen. Das heißt: Wir können den Effekt tatsächlich noch nicht ganz genau abschätzen.

Es spricht daher für meine Begriffe vieles dafür, dass wir uns, wenn diese unklare Situation etwas klarer geworden ist, im Finanzausschuss tatsächlich einmal hierüber Bericht erstatten lassen. Das würde wohl nicht für alle einen unmittelbaren Finanzgewinn bedeuten, aber auf alle Fälle einen Erkenntnisgewinn darüber, wie solche extraordinären Veräußerungen tatsächlich auf das Finanzgefüge der Bundesrepublik Deutschland wirken.

Erst dann sollten wir eine Bewertung vornehmen und entscheiden, ob wir als Land Sachsen-Anhalt endgültig darauf beharren, diese Sondersituation auch gesondert behandelt zu wissen, oder ob wir, weil wir das gesamte System nicht durcheinander bringen wollen, sagen: Wir lassen uns durch gesonderte Bundeshilfen bedienen, und das war es dann. Dabei müssen wir auch berücksichtigen, dass wir hier in Sachsen-Anhalt nach meiner Kenntnis nicht mit direkten Auswirkungen zu rechnen haben, weil wir keine Betriebsstätten haben, die von dieser Veräußerung direkt betroffen sind.

Es spricht also vieles dafür, den Antrag der PDS anzunehmen, und ich habe den Herrn Finanzminister so verstanden, dass er dies auch so signalisiert hat und dass dann auch die Berichterstattung erfolgen wird.

(Beifall bei der CDU)

Herr Scharf, würden Sie eine Frage von Herrn Trepte beantworten? - Er ist dazu bereit. Herr Trepte, bitte.

Herr Scharf, wenn Sie davon sprechen, dass es keine direkten Auswirkungen gebe, so betrifft dies nur das Land. Das Land ist an der Minderung der Körperschaftsteuereinnahmen nur über den Bund-LänderFinanzausgleich beteiligt.

(Herr Scharf, CDU: Das meinte ich!)

Aber bei den Kommunen ist das ganz anders, nicht wahr? Das Netz der Betriebsstätten dieser Unternehmen ist flächendeckend und die Gewerbesteuer fließt den Kommunen direkt zu. Halle hat das schon ungefähr berechnet. Wenn wir das überschlagen, kommt eine schöne Summe heraus.

Ich wollte nur fragen: Stimmen Sie mir zu, dass man das für die Kommunen und für die Bundesländer differenziert sehen muss?

Ich habe auch gehört, dass in Halle schon gerechnet worden ist. Aber ob damit tatsächlich schon ein Gesamtüberblick vorhanden ist, überblicke ich nicht.

Danke, Kollege Scharf. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Dr. Rehhahn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im August dieses Jahres haben wir einen spannenden Prozess verfolgen können, der schließlich mit einem Weltrekord geendet hat: die erste Versteigerung von Mobilfunklizenzen in Deutschland. Ich weiß nicht genau, ob wir damit einen Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde sicher haben. Sicher hat aber der Bundesfinanzminister eine einmalige Einnahme in Höhe von 98,8 Milliarden DM, immerhin fast das Fünffache unseres Landeshaushaltes.

Aber ehe diese zugegebenermaßen unerwartet hohen Einnahmen auf dem Konto des Finanzministers eingingen, meldeten sich immer mehr Stimmen, die von den Erlösen aus der Versteigerung profitieren wollten. Opposition, Wirtschaft, Lobbyistenverbände, die Länder, aber auch Ministerkollegen im Bundeskabinett haben einen Wunschzettel von Maßnahmen zusammengestellt, für die das Geld ausgegeben werden könnte.

Dieser Verlockung, die ich vom Grund her verstehen kann, ist auch die PDS-Fraktion erlegen, wie uns der zur Debatte stehende Antrag zeigt. Aber meine und auch die Meinung meiner Fraktion zur Verwendung der Erlöse hat sich nicht geändert. Mitte August, kurz nach dem Ende der Versteigerung, habe ich auf Nachfrage der Medien gesagt, dass die gesamte Summe für die Tilgung der Bundesschulden verwendet werden muss. Finanziellen

Spielraum gibt es nur im Rahmen der dadurch ersparten Ausgaben für Zinsen.

Meine Damen und Herren! Der Bundesfinanzminister sitzt nur sehr kurz auf einem großen Sack voll Geld; denn er wird mit den Milliarden die Schulden abtragen, die ihm sein Vorvorgänger im Amt, der CSU-Politiker Theo Waigel, hinterlassen hat.

(Herr Dr. Daehre, CDU, lacht)

Theo Waigel, der als Herr der Löcher in die Finanzgeschichte eingegangen ist, hatte während seiner neuneinhalbjährigen Amtszeit ein geschicktes System der Schuldenverwaltung angelegt,

(Herr Scharf, CDU: Der hätte sich über solche Einnahmen gefreut!)

getilgt hat er kaum.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Ihr habt immer noch mehr gefordert! Das war nie genug!)

Durch sein Nichtstun - bitte zuhören, Herr Dr. Daehre - vergrößerte er die Schuldenlast für die nächste Generation, die die rot-grüne Koalition nun zu begrenzen sucht. Von einer Sanierung des Haushaltes hielt Herr Waigel nichts. Allenfalls stopfte er kurzfristig die klaffenden Haushaltslöcher mit Erlösen, zum Beispiel aus einer zweimaligen Erhöhung der Mehrwertsteuer oder aus dem Börsengang der Telekom. Ansonsten verfiel Herr Waigel auf eher krude Ideen, um das Budget zumindest rechnerisch auszugleichen. So wollte er selbst das Gold der Bundesbank höher bewerten lassen und damit an die laut Buchwert gestiegenen Überschüsse der Bank gelangen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Herr Kollege, kommen Sie mal zum Thema! Wir haben doch ein ganz anderes Thema!)

Das war Geldschöpfung aus dem Nichts. - Sie haben doch gefragt. Nun habe ich geantwortet.

Lieber Professor Trepte, wir beide wissen, dass für Herrn Eichel solche Tricks, wie ich sie eben nannte, nicht infrage kommen. UMTS-Lizenzen bedeuten für ihn unerwartete Mehreinnahmen zur Tilgung der Schulden.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU, lacht)

Herr Scharf, Sie haben es genauso gesagt. Das ist keine bürgerliche Attitüde oder neoliberale Schikane. Das ist schlichtweg notwendig; denn mit jeder D-Mark weniger Schulden und in der Folge weniger Zinsdienst wird der Spielraum für notwendige Reformen des Gesundheitswesens, des Rentensystems oder - wir sprachen darüber - zur Finanzierung der Bundeswehr gewonnen.

Jede Milliarde D-Mark aus dem Jahreshaushalt, mit der keine Altlast abgetragen werden muss, ist eine Investition in die Zukunft der Bundesrepublik. Schuldentilgung bedeutet Nachhaltigkeit; denn sie erspart in der Zukunft Zinslasten. Das haben inzwischen viele verstanden, die noch vor ein paar Wochen begehrliche Blicke auf die Rekordeinnahmen geworfen hatten.

Meine Damen und Herren! Wenn die Einnahmen aus den Erlösen vollständig für die Tilgung der Bundesschulden aufgewendet werden, dann verbleibt zum Verteilen nur die Summe der ersparten Zinsen von rund 5 Milliarden DM und damit rund 3,8 Milliarden DM mehr, als im Bundeshaushalt 2001 veranschlagt war.

Wir haben bereits von unserem Finanzminister gehört, dass diese Mittel in die Zukunft investiert werden sollen,

also in den Aufbau der Infrastruktur, in die Bildung, die Wissenschaft und die Forschung. Davon werden insbesondere die Länder und die Kommunen profitieren, nicht einmalig, sondern nachhaltig.

Der Finanzminister hat zugesichert, dass er, wenn konkrete Antworten und Vorschläge vorliegen, sie dem Ausschuss zur Verfügung stellen und erklären wird. Dann können wir uns im Ausschuss darüber eine Meinung bilden und uns zusätzliche Erkenntnisse aneignen. Wir lehnen deshalb diesen Antrag zum jetzigen Zeitpunkt ab. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD)

Die DVU-FL hat keinen Beitrag angemeldet. Für die FDVP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Weich.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viele reden von UMTS, ohne die eigentliche Bedeutung und Vorteile des Systems zu kennen. UMTS steht für Universales Mobiles Telekommunikationssystem.

(Oh! und Beifall bei der SPD - Frau Dr. Sitte, PDS: Das Wort hatten wir gerade!)

Dies ist ein Telekommunikationssystem der dritten Generation und ist ein Produkt der bedeutendsten und einflussreichsten Mobilfunkfirmen der Welt. Bei UMTS gibt es zwei Hauptbestandteile, das Funknetz und das Trägernetz. Das Funknetz besteht aus Mobilfunkgeräten und der Basisstation, zwischen denen per Funk kommuniziert wird. Das Trägernetz verbindet wiederum die Basisstationen miteinander und führt zum ISDN-Netz und in das Internet.

Die vorgesehenen Frequenzen liegen im Gigabereich in einer Bandbreite von 5 MHz. Die hohe Bandbreite von 5 MHz ist der Vorteil des Systems. Es ist damit erstmals möglich, große Datenmengen wie Bilder und Sprache mit hoher Qualität und Geschwindigkeit zu übertragen. Dazu kommen ISDN- und Internetzugang in der gleichen Qualität, wie er großen Firmen mit 2-Megabit-Leitungen zur Verfügung steht.

In Deutschland wurden insgesamt zwölf Mobilfunkblöcke nach 173 Runden für die Gesamtsumme von 98,8 Milliarden DM versteigert. Diese Milliarden müssen nun erst auf einem Markt verdient werden, den es noch nicht gibt. Zu diesen Milliarden kommen noch die Kosten des Aufbaus des UMTS-Netzes, der weitere Milliarden verschlingt.

Meine Damen und Herren! Wie im Antrag der PDSFraktion vermerkt ist, soll die Landesregierung zur Kompensation der Steuerausfälle von Land und Kommunen infolge der Versteigerung der Mobilfunklizenzen beim Bund initiativ werden und darüber bis November 2000 im Ausschuss für Finanzen berichten.

Als Begründung führt die PDS-Fraktion an, dass die Konzerne ihre Ausgaben für den Kauf der Mobilfunklizenzen steuerlich abschreiben würden. Dies würde zu einer Reduzierung des Aufkommens bei der Körperschaftsteuer in Größenordnungen für Bund und Länder zu gleichen Teilen führen.

Weiterhin wird ausgeführt, dass die Konzerne ihre Investitionen von der Gewerbesteuer absetzen können und damit die Kommunen von Einnahmeverlusten betroffen

sind. Das hört sich im ersten Augenblick gut und sozial an.

Hierbei spricht die PDS-Fraktion wie üblich mit gespaltener Zunge für die armen und auch von ihr gebeutel- ten Kommunen, siehe Haushaltsentwurf 2001. 230 Millionen DM weniger an Zuwendungen inklusive der Förderprogramme sind für die Kommunen vorgesehen.

Doch wie sieht es wirklich mit den Steuerverlusten in den nächsten Jahren aus? Die Ersteigerer der Mobilfunklizenzen können 20 Jahre lang 40 % des Kaufpreises steuerlich absetzen. Das macht eine jährliche Steuermindereinnahme von durchschnittlich von 1,99 Milliarden DM für ganz Deutschland und für Sachsen-Anhalt eine Mindereinnahme von 50 Millionen DM pro Jahr aus. Im Gegenzug entstehen in Deutschland 750 000 Arbeitsplätze, davon allein in Sachsen-Anhalt etwa 19 000, wodurch die Steuermindereinnahmen bei den Ländern und den Kommunen mehr als kompensiert werden.

Diese Zusammenhänge möchte die PDS-Fraktion mit Absicht nicht sehen. Ich möchte es ihr auch nicht unterstellen. Sie sieht bei komplexen Zusammenhängen nicht mehr durch,

(Lachen bei der SPD und bei der PDS)

was in der Wirtschaftspolitik des Landes Sachsen-Anhalt leider Normalität ist. Es ist bezeichnend: Überall dort, wo die PDS in irgendeiner Form an der Regierung beteiligt ist, geht die Wirtschaft rasant den Bach hinunter und Investoren verabschieden sich.

Die PDS-Fraktion versucht mit fremden Geldern Politik zu machen und schiebt andere vor, wie in diesem Fall die Landesregierung. Geht es gut, war es die PDS, klappt es nicht, waren es die anderen.

Die PDS ist zu einer Sprücheklopferpartei geworden, da ihr fast alle Fachkompetenz fehlt. Bei einer kompetenten Regierung in Sachsen-Anhalt wäre es zu dieser Fünfnach-zwölf-Situation in fast allen Bereichen nicht gekommen.