Protokoll der Sitzung vom 15.09.2000

Die PDS ist zu einer Sprücheklopferpartei geworden, da ihr fast alle Fachkompetenz fehlt. Bei einer kompetenten Regierung in Sachsen-Anhalt wäre es zu dieser Fünfnach-zwölf-Situation in fast allen Bereichen nicht gekommen.

Die UMTS-Lizenzen fallen

(Lachen bei der SPD)

in das Bundesrecht und die Bundesländer haben keinen rechtlichen Anspruch auf die Erlöse. - Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall bei der FDVP)

Herr Professor Trepte, Sie verzichten auf einen Redebeitrag.

(Lachen und Unruhe)

- Ich will das nicht weiter werten.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 3/3583. Wer stimmt dieser Drucksache zu? - Gegenstimmen? - Sie müssen sich einen Augenblick gedulden, wir müssen auszählen. - Stimmenthaltungen? - Keine. Wir haben gerade nachgerechnet, weil es ein bisschen unübersichtlich war. Der Antrag ist mit 35 zu 27 Stimmen abgelehnt worden.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Oh!)

Der Tagesordnungspunkt 29 ist damit beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf:

Erste Beratung

Handlungskonzept zur Förderung der berufsbildenden Schulen in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/3588

Der Antrag wird von dem Abgeordneten Herrn Siegert eingebracht.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In außerordentlicher Weise haben sich Landesregierung und SPD-Fraktion in der Vergangenheit der Berufsausbildung gewidmet. Es ist dem besonderen Einsatz unseres Ministerpräsidenten zu verdanken, dass wir auch im letzten Jahr die beste Ausbildungsbilanz aller Bundesländer vorzuweisen hatten.

In den nächsten Jahren wird sich die Schere zwischen Angebot und Nachfrage an Ausbildungsplätzen beständig schließen, was zu einer Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt führen wird. Das ist auch ein Verdienst des „Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit“.

Es besteht aber kein Grund, sich zufrieden zurückzulehnen. Im Bereich der beruflichen Ausbildung konzentrieren wir uns mit dem vorliegenden Antrag nun auf die weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen an den Berufsschulen. Rascher und umfassender Wandel in einer sich weltweit vernetzenden Wirtschaft stellt neue Anforderungen an die Berufsausbildung. Unter dem Einfluss der Globalisierung geraten die tragenden Pfeiler des dualen Systems immer stärker unter Modernisierungsdruck.

Um das Problem an einem Beispiel zu verdeutlichen: Seit 1996 sind 34 neue Berufe entstanden und über 100 bestehende Berufe wurden modernisiert. Das erfordert eine intensivere und effektivere Abstimmung zwischen denjenigen, die sich in der Berufsausbildung engagieren.

Gerade der Berufsschule als einem Lernort im dualen System wird dabei hohe Flexibilität abverlangt, um mit der Dynamik des Wandels Schritt halten zu können. Die Berufsschulen brauchen mehr Autonomie, dezentralere Entscheidungen, Entscheidungsfreiräume, Wirtschaftsnähe sowie Transparenz und Leistungsorientierung. Dadurch bleibt nicht nur der Lernort Berufsschule entwicklungsfähig, sondern das gesamte duale System.

Ein derartiger Paradigmenwechsel der Politik erfordert neue Wege und Instrumente. Dazu gibt der vorliegende Antrag einen Anstoß.

Um die Abstimmung zwischen staatlicher Schulaufsicht und berufsbildenden Schulen einerseits sowie Kammern und Verbänden andererseits zu verbessern, hat der Kultusminister zwei regionale Arbeitsgemeinschaften für berufliche Bildung geschaffen. Ihr Einzugsbereich deckt sich mit dem der Kammern. Das ist wichtig, um zum Beispiel Personalmaßnahmen und fachliche Zusammenarbeit besser zu koordinieren oder regionale Fragen sowie Fachprobleme besser diskutieren zu können.

Die bisherige Zersplitterung des Handelns auf sieben staatliche Schulämter - alles kleine Fürstentümer - und 40 Berufsschulen beeinträchtigt die Zusammenarbeit nachhaltig. Ob und wie die Arbeitsgemeinschaften weiter gestärkt werden können, sollten wir im Rahmen der

Berichterstattung prüfen. Wir sollten dabei auch darüber nachdenken, wie zum Beispiel Berufsschulen als die unmittelbaren Kompetenzträger eingebunden werden können.

Solche Arbeitsgemeinschaften schaffen den organisatorischen Rahmen, um eine stärkere Kooperation der Lernorte möglich zu machen. Auf die Notwendigkeit dazu verwies die Kultusministerkonferenz bereits im Jahr 1998.

Berufsschulen erhalten darüber verbesserte Möglichkeiten, den Dialog mit anderen Partnern des dualen Systems zu führen, benötigen allerdings auch einen größeren Organisationsfreiraum, um zum Beispiel dem regionalen Ausbildungsmarkt gerecht zu werden. Es ist verständlich, wenn Unternehmen bei inhaltlichen und planerischen Gestaltungen des Unterrichts schnelle und effektivere Entscheidungen vor Ort von den berufsbildenden Schulen erwarten.

Für zwingend erforderlich halten wir es, dass die Einflussmöglichkeiten der Schulleitungen in der Personalpolitik gestärkt werden. Dagegen kann eingewandt werden, dass damit in einen zentralen Verantwortungs-bereich der Schulaufsichtsämter eingegriffen werde.

Zu bedenken geben wir aber, dass Berufsschulen stärker als jede andere Schulform zu praxisnaher Ausbildung gezwungen werden. Das ist nur durch entsprechend qualifiziertes Personal möglich. Staatliche Schulämter sind oft nur begrenzt in der Lage, den immer noch bestehenden Mangel an Lehrpersonal ausreichend zu differenzieren, um den unterschiedlichen Anforderungen an Berufsfelder und Schulformen gerecht zu werden.

Profilierung einerseits und Personalpolitik andererseits sind aber untrennbar miteinander verbunden. Das kann neue Perspektiven für Berufsschulen schaffen, wie gute Modelle in Dänemark, in der Schweiz oder in den Niederlanden belegen.

Der Einfluss auf Personalentscheidungen in berufsbildenden Schulen ist eng verbunden mit der von uns angestrebten Profilierung und Weiterentwicklung der Berufsschullehrerausbildung. Eine leistungsfähige Universitätsausbildung ermöglicht dringend notwendige und in die Zukunft gerichtete Weiterbildung und Umschulungen und hilft, eigenen Nachwuchs zu qualifizieren.

Selbstverständlich sind damit auch inhaltliche Fragen des Studiums zu klären. Ist es beispielsweise noch zeitgemäß, das Berufsfeld Elektrotechnik zu unterrichten, wenn es schon lange nicht mehr als eigenes Feld existiert? Schließlich haben sich in den letzten 20 Jahren längst eigene fachwissenschaftliche Felder wie Leistungselektronik, elektrische Antriebs- und Messtechnik entwickelt. Nach wie vor werden aber an den Universitäten Berufsschullehrer im Berufsfeld Elektrotechnik ausgebildet.

Die Qualifizierung im Land, zum Beispiel durch Hochschulen, ist übrigens auch zur Behebung des Lehrkräftedefizits an Berufsschulen unabdingbar. Mit dem Handlungskonzept zur Gewinnung von Berufsschullehrern hat der Kultusminister den richtigen Weg beschritten, um Qualität und Quantität des Berufsschulunterrichts zu verbessern. Ein Jahr nach der Vorstellung des Konzepts halten wir es aber für angebracht, uns im Detail anzusehen, welche Maßnahmen erfolgreich waren und wo Anpassungen erforderlich werden.

So ist zu überlegen, wie die Einstellung von Honorarkräften flexibler gehandhabt werden kann, ein Punkt, der

im Übrigen mit der noch zu behandelnden Finanzverantwortung zusammenhängt. In jedem Fall ermöglichen Honorarkräfte eine bedarfsgerechtere Ausbildung, die Überbrückung von Personalengpässen und die pass- genaue Einstellung qualifizierter Lehrkräfte.

Über die Gewinnung von Berufsschullehrern hinaus halten wir auch die kontinuierliche und praxisnahe Fortbildung bereits beschäftigter Lehrkräfte für notwendig. Es sind vor allem Fortbildungen im gewerblich-tech-nischen und EDV-technischen Bereich, die oft nicht den Erfordernissen entsprechen. Von den Universitäten werden leider noch keine berufsbegleitenden Studiengänge angeboten, die sich an den Bedürfnissen der Praxis orientieren. Gerade wegen der ständig kürzer werdenden Halbwertzeiten von Wissen sehen wir hier dringenden Handlungsbedarf, aber auch neue Profilierungsmöglichkeiten unserer Hochschulen.

Neben der Personalqualifikation und wachsender Personalverantwortung ist die Finanzverantwortung ein wichtiger Baustein für eine stärkere Leistungsorientierung der Berufsschulen. Eine Teilnahme an dem zum Beispiel an den Hochschulen des Landes sehr erfolgreich eingeführten Budgetierungsverfahren sollte deshalb auch den Berufsschulen ermöglicht werden. Begründet dürfen wir erwarten, dass die eingesetzten Mittel dann ebenfalls zielgerichteter und effizienter eingesetzt werden. Es ist darüber hinaus ein Schritt zu mehr Autonomie und Verantwortung von Berufsschulen und befreit von unnötigen bürokratischen Fesseln.

Da die berufsbildenden Schulen sich in der Trägerschaft der Landkreise befinden, halten wir es für angeraten, dass sich das Kultusministerium überlegt, wie positive Erfahrungen den Kreisen verfügbar gemacht und dort umgesetzt werden können.

Zur Qualitätssicherung und -steigerung der schulischen Berufsausbildung gehört in Zeiten weltweiter Märkte zwingend die Entwicklung von Sprach- und Kulturkompetenz. Sie verbessert die Aussichten unserer Jugendlichen, auch in anderen Ländern Arbeit zu finden und den eigenen Horizont zu erweitern. Ohne eine intensivere Berufsorientierung und Vorbereitung hin zu auslandsbezogenen Tätigkeiten drohen unsere Versuche, globale Märkte für unsere Wirtschaft zu erschließen, zu scheitern.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass auch der bereits thematisierte Rechtsextremismus es uns erschwert, für Standorte im Land zu werben. Auf diesem Gebiet zahlen wir einen hohen Preis für den inhumanen Populismus der DVU und ihrer Nachfolger. Indem sich ihre Redner regelmäßig als verbale Kraftzwerge gebärden, gefährden sie die Ansiedlung ausländischer Unternehmen.

(Lachen bei der FDVP)

Der Versuch, billig Stimmen zu bekommen, wurde trotz des Risikos, dass Arbeitsplätze nicht entstehen könnten, permanent fortgesetzt. Das ist einfach unverantwortlich.

Aus Gesprächen mit zahlreichen Lehrern wissen wir, dass gerade an Berufsschulen ein großer Bedarf an fächerübergreifenden und fachbezogenen Projekten zur Werteerziehung und Konfliktbewältigung besteht. Aufgrund unterschiedlicher Einflüsse sind Berufsschüler scheinbar besonders empfänglich für rechtsextremistische Propaganda.

(Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

Der Grundkonsens der demokratischen Parteien in diesem Landtag beruht auf dem Gedanken, dass wir eine Diskriminierung tatsächlich oder vermeintlich Schwächerer in der Gesellschaft wie Ausländer, sozial Schwache, Behinderte oder Frauen weder jetzt noch in Zukunft zulassen.

(Zuruf von der PDS)

- Vermeintlich Schwächere, ja.

Deshalb sehen wir Sozialdemokraten uns in der besonderen Verantwortung, dafür zu sorgen, dass gerade in den berufsbildenden Schulen der Werteerziehung ein besonderes Gewicht zugemessen wird. Wir sind dies den Menschen in unserem Land schuldig.

Wir erkennen, dass gerade Berufsschulen ein Brennpunkt von Problemen des Arbeitsmarktes, des sozialen Umfeldes und persönlicher Schwierigkeiten geworden sind. Dies ist möglicherweise auch deshalb der Fall, weil die hohen Anforderungen eines gestiegenen Qualifikationsprofils in einer weltweiten Wirtschaft die Menschen belasten und ängstigen.

Wir werden die Rahmenbedingungen nur sehr begrenzt beeinflussen können. Aber wir haben die Verantwortung dafür, unseren Jugendlichen Mut zu machen und ihnen das Rüstzeug in Form geeigneter Qualifikationen - dazu gehört auch die Vermittlung von Werten - mit auf den Weg in ihr Berufsleben zu geben. Dieser Verantwortung werden wir gerecht, wenn wir dafür sorgen, dass unsere Kinder und Enkel erkennen können, dass jede Form der Gewalt - ich schließe die geistigen Brandstifter ausdrücklich ein -, die ein Klima der Ausländerfeindlichkeit schürt, abzulehnen ist.

Es steht uns gut an, uns auf die Grundwerte unseres demokratischen Gemeinwesens zu besinnen, die die verfassunggebende Versammlung unter anderem bei der Aufnahme des Asylrechts zugrunde legte. Es war Carlo Schmid, der seinerzeit von der Generosität und der Würde des Aktes sprach. Erst recht hat dies gegenüber denjenigen zu gelten, die aufgrund von Flucht und Vertreibung in unserer Mitte leben.