Es steht uns gut an, uns auf die Grundwerte unseres demokratischen Gemeinwesens zu besinnen, die die verfassunggebende Versammlung unter anderem bei der Aufnahme des Asylrechts zugrunde legte. Es war Carlo Schmid, der seinerzeit von der Generosität und der Würde des Aktes sprach. Erst recht hat dies gegenüber denjenigen zu gelten, die aufgrund von Flucht und Vertreibung in unserer Mitte leben.
Mit diesen Maßnahmen möchten wir den Berufsschulen Freiräume schaffen, die ihnen mehr Autonomie und Profilbildung ermöglichen. Sie werden in die Lage versetzt, den Lernprozess in den Betrieben zu entlasten und qualitativ zu stützen. Darüber hinaus werden sie in ihrem Auftrag unterstützt, an der Mitgestaltung der Arbeitsverhältnisse in sozialer Verantwortung aktiv mitzuwirken.
Das Bündel an Maßnahmen ist nach unserem Dafürhalten geeignet, Berufsschulen für eine Modernisierung und Weiterentwicklung des dualen Systems fit zu machen. Es sind vor allem die Jugendlichen und die Unternehmen in Sachsen-Anhalt, die davon profitieren. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden in der Reihenfolge PDS, FDVP, CDU, DVU-FL und SPD. Als erstem Redner erteile ich für die Landesregierung Minister Herrn Dr. Harms das Wort.
Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Andreas Siegert, wenn die staatlichen Schulämter kleine Fürstentümer sind, frage ich mich, welche Rolle dann der Kultus- minister einnimmt.
Lassen wir das. In Bezug auf den Verwaltungsaufbau sollten wir uns schon an demokratischen Verwaltungsstrukturen orientieren.
In Bezug auf das Thema „Weiterentwicklung der beruflichen Bildung“ bündeln sich im Moment drei Diskus- sionslinien.
Erstens. Wie können berufsbildende Schulen einen hochwertigen Beitrag zur Berufsausbildung junger Menschen in einer Phase anhaltend knapper betrieblicher bzw. dualer Ausbildungsplätze leisten? Dieser Fragenkomplex wurde in diesem Hause insbesondere im Zusammenhang mit den schulischen Sonderprogrammen bereits des Öfteren und intensiv diskutiert.
Die Ausprägung von beruflichen Qualifikationsangeboten, die stärker am regionalen Arbeitsmarktbedarf orientiert sind, ist gegenwärtig eine der wichtigsten Herausforderungen der berufsbildenden Schulen. Dies wird angesichts der zu erwartenden dünneren Jahrgänge zu einer noch größeren Herausforderung.
Im Sonderprogramm „Berufsfachschule in Kooperation mit der Wirtschaft“ wird das schulische Programm mit den regionalen Akteuren intensiv abgestimmt und auch auf regionaler Ebene entschieden. Dieses ist sicherlich richtig, auch wenn wir wissen, dass die schulischen Ausbildungen nach wie vor an Akzeptanzproblemen leiden. Daneben sind es aber vor allen Dingen die schulischen Berufsausbildungen im Gesundheitsbereich, die durchaus diese Akzeptanz erfahren.
Der zweite Entwicklungsbereich betrifft die generelle Notwendigkeit der Weiterentwicklung des dualen Systems der beruflichen Erstausbildung in Deutschland. Der Antrag der SPD-Fraktion weist hierauf deutlich hin.
Bisher standen in den Konzepten des DIHT und des Handwerks vornehmlich die betrieblichen Anforderungen und Konsequenzen im Mittelpunkt. Zunehmend wird auch im Rahmen der Wirtschaft über den Lernort Berufsschule diskutiert, wie die Reformkonzepte des Deutschen Industrie- und Handelstages und des DGB aus jüngerer Zeit, das Grundsatzpapier des Deutschen Handwerks, ebenfalls aus dem letzten Jahr, und das gemeinsame Papier der Wirtschaftsministerkonferenz und der Kultusministerkonferenz zeigen.
Neue Formen der Lernortkooperation, des Prüfungswesens, des fächerübergreifenden Unterrichts und der Vermittlung von Ausbildungsinhalten insbesondere im allgemeinbildenden Bereich sind künftig unausweichlich. Die sprachliche Kompetenz - das wurde erwähnt - gehört sicherlich auch mit dazu.
Ein dritter Entwicklungsschwerpunkt betrifft die künftige Stellung der Institution Schule insgesamt und ihre Entwicklungsmöglichkeiten hin zu stärkerer Selbständigkeit, Eigenverantwortung, Profilbildung und regionaler Öffnung.
falen im Jahr 1995 in der Denkschrift „Zukunft der Bildung - Schule der Zukunft“ vorgelegt. Einen neuerlichen Diskussionsanstoß gibt ein Grundsatzpapier des BDA für eine neue Bildungsoffensive.
Berufsbildende Schulen sind auch wegen ihrer Größe und wegen der immanenten Notwendigkeit der Kooperation mit Außenstehenden in besonderem Maße geeignet, diesen Aspekt der Selbständigkeit der Schule in den Vordergrund zu stellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag greift eine Reihe dieser aktuellen Fragestellungen auf, insbesondere die der verstärkten Mitwirkung der berufsbildenden Schulen bei der Sicherung von qualifizierter Personalausstattung und Personalentwicklung.
Wir alle wissen, dass das Land und die berufliche Bildung in starkem Maße darunter leiden, dass uns die gut ausgebildeten jungen Leute abgeworben werden, und wir somit in erheblichem Maße Nachwuchsprobleme haben.
Ich teile die Intention der Antragsteller, dass sich die berufsbildenden Schulen in diesem Bereich stärker engagieren müssen. Das trifft auch auf den Bereich der Vermittlung interkultureller und fremdsprachlicher Kompetenzen zu und auf Fragen der Werteerziehung und Konfliktbewältigung. Dazu brauchen die Schulen unsere Unterstützung.
Ich muss aber darauf hinweisen, dass sich die berufsbildenden Schulen in den nächsten Jahren in einer Überlastphase befinden werden und dass wir an den Grenzen unserer personellen Möglichkeiten arbeiten. Zusätzlicher Nachwuchs ist im Moment - das zeigt der Einstellungskorridor dieses Jahres - nur schwer zu gewinnen.
Hinsichtlich der Frage der Budgetierung möchte ich ebenfalls meine Unterstützung signalisieren, obwohl sich das natürlich - das sollten wir deutlich klarstellen - im eigenen Wirkungskreis der Schulträger befindet. Hierzu müssen wir also mit den Kreisen und kreisfreien Städten Gespräche führen und unsere Erfahrungen und Über- legungen zur Verfügung stellen.
Die Landesregierung empfiehlt Ihnen, dem vorliegenden Antrag zur Erstellung eines Handlungskonzeptes zuzustimmen. Wir werden dann im Ausschuss über die weitere Entwicklung berichten. - Herzlichen Dank.
Mit dem heutigen Antrag der SPD-Fraktion behandeln wir die berufliche Erstausbildung jenseits von Zahlen. Dies ist zu begrüßen; denn nur wenn wir frei von jeg- lichem Zahlenjonglieren diskutieren können, können wir
über neue Wege und vor allem Alternativen für die berufliche Erstausbildung nachdenken und neues ent- wickeln.
Nun zum Antrag. Die SPD fordert ein Handlungskonzept, das die Qualität an den berufsbildenden Schulen steigern soll.
Die berufsbildenden Schulen benötigen dringend eine Stellungnahme zu ihren Perspektiven, speziell mit Blick auf die Entwicklung der Schulen zu Qualifizierungszentren - Qualifizierungszentren für die Weiterbildung.
Ich erinnere nur an das von der Landesregierung in Auftrag gegebene Lutz-Gutachten, in dem ja zu lesen ist, dass wir zu eng ausbilden, das heißt, wir bilden zu viel über Bedarf aus und zu viel in denselben Berufen. Wenn wir dies beachten, benötigen wir dringend ein Konzept, dass die bis zum Jahr 2004 ausgebildeten und nicht benötigten Fachkräfte weitergebildet werden. Dies können die berufsbildenden Schulen leisten und ein Handlungskonzept zur Förderung der berufsbildenden Schulen sollte dies mit berücksichtigen.
Auch wir befürworten eine effektivere Abstimmung zwischen den staatlichen Schulämtern, den berufsbildenden Schulen und den Kammern. Doch ist dies aufgrund der Aufsplittung der Kompetenzen auf neun staatliche Schulämter und auf nur zwei Kammerbezirke sehr schwierig. Die Qualität dieser Abstimmung ist sowieso sehr unterschiedlich. Der Berufsschullehrerverband bewertet die Aufsplittung sogar als unzweckmäßig und würde eine Aufteilung auf nur zwei Behörden, die den Kammerbezirken angepasst sind, für wirkungsvoller halten.
Auch ist die neu eingerichtete regionale Arbeitsgemeinschaft für berufsbildende Schulen nicht nur einzubeziehen, wie es im Antrag steht; dies ist uns zu allgemein. Wir denken, dass in dieser regionalen Arbeitsgruppe die Berufsschulen mit an den Tisch geholt werden sollen. Nur so können Informationsverluste vermieden und ausgedehnte Zeiträume durch Übermittlung verkürzt werden.
Auch ist der momentane Einfluss der Schulleiter bei Einstellungen doch gleich null. Wir alle wissen, dass die Bewerberzahlen gering sind, und da frage ich mich, ob eine momentane Einbeziehung der Schulleiter wirklich etwas ändern würde.
Prinzipiell stimmen wir Ihnen aber zu, dass der Schulleiter bei den Eignungsgesprächen dabei sein sollte; denn das Einsatzprofil einer Lehrkraft an berufsbildenden Schulen ist, außer in allgemein bildenden Fächern, wesentlich breiter gefächert als an den allgemein bildenden Schulen.
Wir glauben auch, dass die bereits im letzten Jahr diskutierten Handlungsstrategien zum Abbau des Lehrkräftedefizits weitergeführt werden sollten. Über den jetzigen Stand sollte ebenfalls noch einmal im Ausschuss berichtet werden.
Eine andere sehr wichtige Frage wird im Punkt 5 angesprochen. Es geht um die Weiterentwicklung der Berufsschullehrerausbildung. Hier sollte die Landesregierung zum Beispiel gemeinsam mit dem Lehrstuhl Berufspädagogik an der Otto-von-Guericke-Universität über neue Ausbildungsgänge beraten.
Nicht zuletzt zeigt die Diskussion über die Informations- und Medienwirtschaft und fehlende IT-Fachkräfte, dass
hier ein Nachholbedarf existiert. Wir könnten uns auch eine Berufsschullehrerausbildung für IT-Berufe vorstellen; denn in den Berufsschulen wissen Schülerinnen und Schüler oft mehr als das Lehrpersonal. Dies sollte ein Konzept, das längerfristigen, aber auch den heutigen unmittelbaren Anforderungen entsprechen soll, beinhalten. Bei dessen Erarbeitung ist nach unserer Auffassung neben den Gewerkschaften auch der Berufsschullehrerverband mit einzubeziehen.
Ich sehe keinen Widerspruch, dann kann so verfahren werden. - Für die FDVP-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Wolf das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion muss bei gut gemeinter Betrachtung des Anliegens natürlich im Zusammenhang gesehen werden. Dann zeigt sich zugleich: Handlungskonzepte können durchaus dienlich sein für eine effek- tive und qualitätsvolle Arbeit.
Gerade für die Opposition hier im Landtag ist die Berichterstattung der Landesregierung oft die einzige Möglichkeit, sachbezogene Informationen zu erhalten, die ihr auf anderem Weg vielfach verwehrt werden. Dass unser Weg dabei gelegentlich vor das Landesverfassungsgericht führt - und bekanntlich erfolgreich war -, sollte nicht das gängige Verfahren in einer parlamentarischen Demokratie sein. Doch, meine Damen und Herren, die Resonanz stellt sich langsam und sicher ein.
Der vorliegende Antrag der SPD zeigt offenkundig selbst bei gutwilliger Betrachtung: Handlungskonzepte können Rahmenbedingungen eben einfach nicht ersetzen. Damit bleiben sie kosmetische Korrekturen.
Der Berufsbildungsbericht 1999 für das Land SachsenAnhalt kommt nicht umhin, dazu festzustellen, dass auch nach einem erfolgreichen Abschluss der beruflichen Erstausbildung die Jugendlichen oftmals Probleme haben, den Einstieg in das Erwerbsleben überhaupt zu vollziehen. So konstatiert dieser Bericht, dass Ursachen dafür in der anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Lage des Landes und des Ausbildungsstellenmarktes liegen. Da oft nach erfolgtem Lehrabschluss keine Übernahme möglich ist, tritt nur eine Zeitverschiebung bei der prekären Situation ein.