Den Eltern werde durch die regelmäßige Öffnungszeit der Grundschulen an Schultagen eine verlässliche Anwesenheitszeit der Schülerinnen und Schüler geboten, in der ein integratives Konzept von Bildung, Erziehung und Betreuung vorgehalten werde. Durch den Einsatz von Erzieherinnen, die bislang in Schulhorten tätig gewesen seien, in der Grundschule mit festen Öffnungszeiten würden zudem betriebsbedingte Kündigungen nach dem Auslaufen des Hortgesetzes vermieden.
Die Fraktionen der CDU sowie der FDVP machten im Ausschuss deutlich, dass sie die vorgesehene Gesetzesnovelle ablehnten. Hauptansatzpunkt der Kritik war die mit dem Gesetz vorgesehene verbindliche Anwesenheit der Kinder im schultäglichen Rahmen von fünfeinhalb Zeitstunden, die als Eingriff in die Erziehungsrechte der Eltern angesehen wurde.
Die CDU-Fraktion machte darauf aufmerksam, dass die Einrichtung von Grundschulen mit festen Öffnungszeiten auf freiwilliger Basis nach dem bestehenden Gesetz bereits heute möglich sei. Da von diesem Recht durch die Schulen kaum Gebrauch gemacht worden sei, gehe die Fraktion davon aus, dass für Grundschulen mit festen Öffnungszeiten kein nennenswerter Bedarf bestehe.
Die CDU-Fraktion betrachtete die Einführung der festen Öffnungszeiten nicht als eine Verbesserung der pädagogischen Arbeit an der Grundschule, sondern als Beschäftigungsfeld für die nach dem Auslaufen des Hortgesetzes überzähligen Hortnerinnen.
In der 44. Sitzung des Ausschusses am 20. Septem- ber 2000 wurde eine vorläufige Beschlussempfehlung erarbeitet, die den mitberatenden Ausschüssen zugestellt wurde. Die abschließende Beschlussfassung zu dem Gesetz führte der Ausschuss in seiner 46. Sitzung am 4. Oktober 2000 durch.
Zu dieser Sitzung lagen Beschlussempfehlungen der drei mitberatenden Ausschüsse vor, die die Annahme der vorläufigen Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft befürworteten.
Durch den Ausschuss für Inneres wurde empfohlen, eine Übergangsvorschrift für die Personalvertretungen als Artikel 2 a in das Gesetz aufzunehmen. Der federführende Ausschuss folgte dieser Empfehlung, der ein Formulierungsvorschlag des Kultusministeriums zugrunde lag.
Die gesamte Beschlussempfehlung zu dem Gesetz ist durch den Ausschuss mit 6 : 4 : 0 Stimmen verabschiedet worden.
Die Fraktion der PDS hat in der letzten Ausschusssitzung einen Entschließungsantrag zu dem Gesetz vorgelegt, der im Ausschuss mit 6 : 3 : 1 Stimmen eine Mehrheit gefunden hat. Intention dieses Antrages ist es, die Landesregierung zu beauftragen, eine umfassende Information der Eltern über die künftige Entwicklung der Grundschulen und die Möglichkeit der Nachmittagsbetreuung, eine hinreichende Fortbildung von Lehrern, Erziehern, Schulleitern und Mitarbeitern der staatlichen Schulämter sowie Regelungen zur Möglichkeit der weiteren Nutzung von Räumen, in denen bislang die Betreuung nach dem Hortgesetz stattfand, zu realisieren, um damit eine erfolgreiche Umsetzung des Gesetzes zu gewährleisten.
Im Namen des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft empfehle ich die Annahme sowohl des Gesetzentwurfes in der Fassung der Drs. 3/3690 als auch des ihn begleitenden Entschließungsantrages. - Schönen Dank.
Danke für die Berichterstattung, Kollege Ernst. - Meine Damen und Herren! Im Ältestenrat ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion in der Reihenfolge CDU, DVU-FL, SPD, FDVP, PDS vereinbart worden. Als Erstem erteile ich jedoch für die Landesregierung unserem Kultusminister Herrn Dr. Harms das Wort.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Landtag von SachsenAnhalt liegt heute zur Verabschiedung ein Gesetzentwurf vor, der den Schulalltag an den Grundschulen von Sachsen-Anhalt erheblich positiv verändern wird. Wir haben in den letzten Monaten sowohl im Ausschuss als auch im Plenum mehrfach die inhaltlichen Dimensionen der Grundschule mit festen Öffnungszeiten erörtert. Gestatten Sie mir deshalb einige allgemeine Anmerkungen.
Die Anforderungen an Schule und Ausbildung, die in unserer Gesellschaft formuliert werden, werden beständig höher. Das hat mit der gestiegenen Wertschätzung von Bildung zu tun - dieses sollten wir allgemein begrüßen -, aber auch mit den tatsächlichen Erfordernissen der wirtschaftlichen Entwicklung und der Berufsfelder.
Erst in dieser Woche beklagten sich Vertreter der Arbeitgeberseite wieder über die unzulänglichen Lernleistungen in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern, die hinsichtlich der Anforderungen im Berufsfeld im Mittelpunkt stehen. Ich sage das nicht, um gemeinsam mit den Arbeitgebern in das Klagen über die mathematischen Kenntnisse einzustimmen, sondern ich nehme dies als ein Beispiel für die Anforderungen, die auf die Schule zu Recht von außen zukommen. Es ließen sich sicherlich noch eine ganze Reihe solcher
fachlichen Anforderungen nennen. Es wird auch nachhaltig gefordert - dieses unterstütze ich -, die Erziehungsleistungen der Schulen generell zu stärken.
Die Grundschulen in Sachsen-Anhalt haben sich an vielen Orten dieser Herausforderung gestellt. Gerade in den Grundschulen findet häufig ein moderner, kindgemäßer Unterricht auf hohem Niveau statt. Ich glaube allerdings, dass wir auch darüber hinaus diese Ansätze noch weiter unterstützen können.
Eine Form, die Grundschule weiter zu qualifizieren, ist der Ansatz der Grundschule mit festen Öffnungszeiten. Selbstverständlich werden wir mit dieser Veränderung nicht alles ins Positive wenden. Aus nicht so guten Schulen bessere Schulen zu machen ist auch nicht der Ansatz. Wir schaffen vielmehr einen Rahmen für ein verändertes Konzept, für eine veränderte Möglichkeit der pädagogischen Arbeit.
Diese veränderte pädagogische Arbeit versteht die Schule nicht mehr ausschließlich als Institution der Wissensvermittlung, sondern als einen Ort, an dem Kinder und Jugendliche bei veränderten sozialen und gesellschaftlichen Situationen selbständig und mit anderen gemeinsam Wissen erwerben, aber auch ihre sinnlichen und geistigen Fähigkeiten entwickeln, also mit Kopf, Herz und Hand lernen.
Die Grundschule mit festen Öffnungszeiten greift diese veränderte Sichtweise auf. Mit dem integrierten Angebot von Bildung, Erziehung und Betreuung bei gleichzeitig guten Angeboten im nichtfachlichen Bereich schaffen wir für unsere Kinder in den Klassenstufen 1 bis 4 wichtige Voraussetzungen für ein lebenslanges Lernen.
Die Elemente der Grundschule, nämlich der stetige Tagesrhythmus, die verstärkten Möglichkeiten zum Üben und Wiederholen bereits gewusster Tatbestände, der Ausgleich zwischen Anspannung in Lernsituationen und Entspannungsmöglichkeiten, die erweiterten Bewegungsmöglichkeiten, die auf die zunehmende Bewegungsarmut von Kindern reagieren sollen, und die Erweiterung der Stundentafel weisen in die richtige Richtung.
Die Grundschule mit festen Öffnungszeiten gilt für alle Kinder, die somit an jedem Tag der Woche zu regelmäßigen Zeiten zur Schule gehen und auch ein gemeinsames Ende der Schulzeit erleben. Innerhalb der 5,5 Zeitstunden, die pro Tag in der Schule verbracht werden, werden unterschiedliche Elemente von Lernen, Betreuung und Erziehung miteinander kombiniert. Sie sind jedoch als Einheit zu verstehen. Auf diese Einheit, die einen neuen, progressiven Ansatz von schulischem Lernen verfolgt, bezieht sich die Schulpflicht unserer Kinder.
Es hat in einigen Gesprächen die Kritik gegeben, dass das Land die Kinder verpflichtet, staatliche Betreuung in Anspruch zu nehmen,
obwohl dies im Elternhaus genauso gut gewährleistet sein würde. Das sagen interessanterweise diejenigen, die gerade vehement fordern, die Erziehungsleistung der Schule zu stärken.
Diese Kritik geht meines Erachtens vollkommen an der Realität vorbei. Sie verkennt auch das pädagogische Konzept. Wir teilen gerade nicht mehr in Lernen auf der
einen Seite und Betreuung auf der anderen Seite, sondern wir wollen diese Aspekte integrativ verfolgen.
Die zusätzliche Zeitstunde, die das in der Regel gegenüber der herkömmlichen Grundschulzeit bedeutet, ist eben keine Extra-Hortstunde am Ende der Unterrichtszeit, sondern sie erlaubt Bewegungspausen, Entspannung, Projektunterricht, Üben und Wiederholen.
Die Grundschule, meine Damen und Herren, ist seit dem Weimarer Schulkompromiss eine Schule für alle Kinder. Das ist allgemeiner Konsens. Gerade im Grundschulalter sind Kinder besonders aufnahmefähig, interessiert und offen, und gerade in dieser Zeit können wir die Grundlagen für ein lebenslanges Lernen legen. International betrachtet ist die deutsche Halbtagsschule mit Flatterende eine negative Ausnahmeerscheinung.
Die besondere Chance, in der wir uns aufgrund des Auslaufens des Hortgesetzes befinden, ist genutzt worden. Gemäß der Landtagsentscheidung vom 18. Februar 1999, in der ich aufgefordert wurde, Konzepte zu entwickeln, die bedarfsbedingte Kündigungen in diesem Bereich möglichst ausschließen, haben wir ein Konzept vorgelegt, bei dem wir die Chance, die darin besteht, dass wir eine große Gruppe für diese Aufgabe pädagogisch hoch qualifizierter Kräfte haben, für eine entschlossene Reformanstrengung in der Grundschule nutzen.
Auf diese Aufgaben werden wir die Schulen und die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den nächsten Monaten vorbereiten, indem wir für alle Beteiligten regionale Fortbildungen und schulinterne Veranstaltungen anbieten.
Ich bin absolut überzeugt, dass wir mit der Grundschule mit festen Öffnungszeiten auf einem guten Weg sind, die Grundschulen des Landes Sachsen-Anhalt weiter für ihre Aufgaben zu qualifizieren, und bitte den Landtag um die Zustimmung zu dem Gesetzentwurf und zu der beiliegenden Entschließung. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Die CDU ist für ein verlässliches Betreuungsangebot auf freiwilliger Ebene - ich betone das noch einmal: auf freiwilliger Ebene - neben der traditionellen Grundschule oder auch der Ganztagsschule. Ein solches Angebot sieht aber das geltende Schulgesetz jetzt schon vor. Im Land gibt es bereits über 20 dieser Grundschulen mit festen Öffnungszeiten.
Wir wenden uns auch nicht dagegen, dass für eine Betreuung auch qualifizierte Erziehungskräfte beschäftigt werden. Aber die Landesregierung, die SPD und die PDS wollen kein Betreuungsangebot, sondern sie wollen eine Grundschule mit verlängertem Anwesenheitszwang,
keine verlässliche, sondern eine für alle verpflichtende Betreuung, ob die Eltern sie wollen oder auch nicht. Dies lehnen wir kategorisch ab.
Wer hätte es vor zehn Jahren für möglich gehalten, dass uns einmal ein Gesetz drohen würde, gegenüber dem frühere DDR-Regelungen zumindest im Hinblick auf den staatlichen Beglückungsanspruch in Sachen Betreuung noch liberal erscheinen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDVP - Zurufe von Frau Fischer, Leuna, SPD, und von Minister Herrn Dr. Harms - Frau Bull, PDS: Mann o Mann!)
Eine Grundschule mit für alle verbindlichen Öffnungszeiten ist eindeutig ein Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern,
der aus unserer Sicht in keinster Weise gerechtfertigt ist. Glauben denn die SPD und die PDS wirklich, dass der Staat für alle Kinder der bessere Erzieher ist?
Als ich diese Frage in der ersten Lesung des Gesetzentwurfes stellte, rief Frau Mittendorf „für manche“ und Frau Kauerauf „für viele“. Schon dies halte ich für sehr bedenklich. Jedoch wollen Sie die Zwangsbetreuung nicht nur für manche oder für viele, sondern Sie wollen sie für alle Grundschüler.
Also halten Sie es für besser, dass alle Kinder weniger Zeit in den Familien verbringen bzw. weniger Zeit für eine selbstbestimmte außerschulische Freizeitbetätigung kultureller oder auch sportlicher Art haben. Diese Auffassung ist eine ungeheuerliche Anmaßung des Staates und zugleich Ausdruck des tiefsten Misstrauens gegenüber der gesamten Elternschaft.
(Zustimmung bei der CDU - Beifall bei der FDVP - Frau Mittendorf, SPD: Oho! - Frau Fischer, Leuna, SPD: So ein Quatsch! - Herr Wolf, FDVP: Rote Kaserne!)