Protokoll der Sitzung vom 13.10.2000

(Herr Dr. Bergner, CDU: Kommt Ihnen das Wort „Bundesrepublik Deutschland“ so schwer über die Lippen?)

Das hat zum Beispiel dazu geführt - das ist eigentlich widersinnig -, dass bei Industrieprojekten durch die unteren Naturschutzbehörden rückwirkend FFH-Verträglichkeitsprüfungen durchgeführt worden sind, um EUFördermittel nicht zurückzahlen zu müssen. Das ist eigentlich ein Widersinn, aber es ist geschehen, um die formalen Kriterien zu erfüllen und dieser Mittel nicht verlustig zu gehen. Des Weiteren sind bei abgeschlossenen Genehmigungsverfahren die Investoren rück- wirkend aufgefordert worden, FFH-Verträglichkeitsprüfungen nachzuliefern.

Deshalb ist es unseres Erachtens erforderlich, dass die Landesregierung schnellstmöglich einen Erlass zum Vollzug der FFH-Richtlinie und der bundesrechtlichen Regelungen in Sachsen-Anhalt verabschiedet, in dem auch der Umgang mit den von der CDU in ihrem Antrag aufgeworfenen Fragen geregelt werden muss. Andere Bundesländer haben bereits entsprechende Verfahrensvorschriften mit unterschiedlicher Tiefe festgelegt und erlassen.

Bei einer intensiven Beschäftigung mit der Problematik FFH - das ist bisher von den meisten Vorrednern nicht dokumentiert worden - zeigt sich allerdings, dass ein weites und noch völlig unbeackertes Feld rechtspraktischer Fragen vor uns liegt. Die von Herrn Daehre hier zum wiederholten Mal gestellte Frage nach dem Anhörungsprozedere, ob das überhaupt und, wenn ja, wie gemacht werden muss, ist so eine rechtspraktische Frage.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Nein, nein! Nicht, ob es gemacht werden muss!)

Es ergeben sich höchste Anforderungen an die Verwaltungsjuristen des Ministeriums. Dies darf allerdings nicht dazu führen, die dringend erforderliche Umsetzungsvor

schrift auf die lange Bank zu schieben. Der Landtag würde dem durch die Annahme des Änderungsantrags der PDS entgegenwirken.

Wegen der komplizierten Rechtsverhältnisse sollte entgegen der üblichen Verfahrensweise der Entwurf des Erlasses in den beiden genannten Ausschüssen vorgestellt, die Problemlage dargestellt und darüber intensiv beraten werden. Dass im Hinblick auf viele Fragen absolute Unklarheit herrscht, zeigt die Fülle der Zwischenfragen, die hier gestellt worden sind.

(Zuruf von Herrn Oleikiewitz, SPD)

Einer Federführung eines der beiden Ausschüsse bedarf es unseres Erachtens ebenso wenig wie einer Beschlussfassung über den Erlass durch den Landtag oder die Ausschüsse selbst. Wir bitten deshalb um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Ich möchte entsprechend den Ausführungen von Minister Keller darum bitten, dass in den Punkten 1 und 2 des Antrags jeweils das Wort „Verordnung“ durch das Wort „Erlass“ ersetzt wird. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der PDS)

Danke sehr. - Für die DVU-FL spricht jetzt der Abgeordnete Herr Preiß. Bitte, Herr Preiß, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die biologische Vielfalt unseres Bundeslandes ist natürlich zu erhalten; denn sie stellt ein einmaliges Naturerbe dar. Der verantwortungsbewusste Umgang mit der Natur erfordert von uns eine strikte Einhaltung aller internationalen und nationalen Richtlinien und Gesetze, damit künftige Generationen eine reale Chance zum Überleben auf der Erde haben.

Ich könnte Frau Bjerregaard, Mitglied der EU-Kommission, wörtlich zitieren, aber ich glaube, dass wir uns alle darin einig sind, dass auch einfache Worte die Wichtigkeit der Erhaltung der Natur ausdrücken.

Wenn unsere Landesregierung nun im Schnellverfah- ren ohne genügende fachkompetente Beratung die EU-Richtlinie für die Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiete durchzusetzen versucht und dabei grundlegende Rechte von Landeigentümern verletzt, gibt mir das zu denken. Es genügt einfach nicht, eine Karte mit ausgewiesenen Schutzgebieten zu erstellen, größtenteils nur durch Luftaufnahmen belegt, um - gut kaschiert - Erfolge vor- weisen zu können.

Betroffene Landeseigentümer in diesen Gebieten erwarten etwas mehr Information und vor allen Dingen Hilfe bei der Bewältigung neuer privater Verantwortung. Denn gerade sie haben ein ureigenes Interesse am Erhalt und Fortbestand ihres Eigentums.

EU-, Bundes- und Landesrichtlinien sind ganz bestimmt zukunftsorientiert erarbeitet worden, damit unser europäisches Naturerbe bewusst erhalten und gepflegt wird. Wer sich rechtzeitig und kompetent diesen verpflichtenden Aufgaben stellt, alle betroffenen Nutzer beim Erarbeiten der landesnotwendigen Beiträge zu diesem europäischen Vorhaben einbezieht, der wird Nutznießer nach Erfüllen dieser schwierigen Aufgabe sein.

Wenn man nun so unpersönlich und auch autoritär wie unsere Landesregierung versucht, noch schnell vor Toresschluss jahrelang Vernachlässigtes nachzuholen,

wird man Schiffbruch erleiden. Die mögliche Ausreichung der Strukturfondsmittel der EU für Deutschland ist laut Schreiben der EU-Kommission vom 23. Juni 1999 gefährdet, weil die schon 1995 teilweise erarbeitete Vollzugsmeldung Sachsen-Anhalts vom Bundesministerium für Umwelt zu spät - erst 1998 - weitergeleitet wurde. Man muss unserer Regierung vorwerfen, ihrer Kontrollpflicht nicht nachgekommen zu sein.

Die oberflächliche, laienhafte Bearbeitung möglicher Schutzgebiete, das Vernachlässigen der Mitarbeit Betroffener, die mangelnde Aufklärung der Bevölkerung und die schlechte Koordinierung der Zusammenarbeit der einzelnen Verwaltungen führten zu diesem Eklat.

Wir fordern die Landesregierung auf, alle gemeldeten FFH-Gebiete flurstücksgenau auszuweisen, die Eigentümer zu informieren und gegebenenfalls detailliert aufzuklären. Die Betroffenen werden dann, wie ich eingangs schon betonte, zusammen mit den staatlichen Verantwortlichen die besten Heger und Pfleger unserer Natur bleiben bzw. werden. Die Fraktion der Deutschen Volksunion schließt sich dem Antrag der CDU-Fraktion an. - Danke.

(Beifall bei der DVU-FL)

Danke sehr. - Die Debatte wird mit dem Beitrag der Abgeordneten Frau Wernicke für die CDU-Fraktion abgeschlossen. Bitte sehr, Frau Wernicke.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Oleikiewitz,

(Herr Oleikiewitz, SPD: Ja!)

Ihrem Appell, Naturräume zu erhalten und zu schützen, folgt die CDU durchaus. Aber ohne die Eigentümer von Grund und Boden, mit der Bereitschaft, alle Lasten, die damit verbunden sind, zu tragen, sind Entwicklungsziele und Schutzziele auf Dauer nicht umsetzbar.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Herrn Oleikie- witz, SPD)

Ohne verantwortungsbewusste Waldbesitzer, Landwirte und weitere wirtschaftliche Unternehmen, die ja privates Geld, ihr Eigentum, bis zur Existenzbedrohung einbringen, sind Natur- und Umweltschutz auf Dauer nicht finanzierbar. Diese würden den Staat, wenn er sie denn in alleiniger Verantwortung durchführen wollte, viel Geld kosten.

(Zuruf von Herrn Sachse, SPD)

Herr Oleikiewitz, zu welchen Umweltschäden, zu welchem Raubbau an der Natur Missachtung von Eigentum und Missachtung von Eigenverantwortung führen, haben uns 40 Jahre sozialistische Produktionsweise bewiesen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDVP)

Aber um bei der Sache zu bleiben: Wenn die PDS bereit wäre, unseren Antrag mit ihrem Änderungsantrag zu verbinden, das heißt unseren Antrag mit ihren beiden Anträgen zu verknüpfen, wären wir bereit, diesem gemeinsamen Antrag direkt zuzustimmen. Wenn die PDS dazu nicht bereit sein sollte, bitte ich um getrennte Abstimmung über die Anträge.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr. - Herr Dr. Köck, Sie haben noch einmal das Wort.

Frau Wernicke, es tut mir Leid, aber dies ist sachlich nicht möglich, weil unser Antrag der weitergehende ist und Ihre Fragen selbstverständlich mit beinhaltet. Das hatte ich aber auch in meiner Rede deutlich zu machen versucht. Wir können das also nicht so machen. Wir bleiben bei unserem Antrag.

Meine Damen und Herren! Eine Überweisung ist nicht beantragt worden. Wir stimmen jetzt über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS in der Drs. 3/3712 ab. Wer sich diesem Änderungsantrag anschließt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einer großen Anzahl von Enthaltungen ist dieser Änderungsantrag angenommen.

Wir müssen dann über den so geänderten Antrag der CDU abstimmen. Wenn Sie dem zustimmen, dann bitte ich auch hierzu um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einer großen Anzahl von Enthaltungen ist dieser Antrag angenommen.

Meine Damen und Herren! Damit ist der Tagesordnungspunkt 15 abgeschlossen und wir kommen zu Tagesordnungspunkt 16:

Erste Beratung

Nutzung der Chancen regenerativer Energien und nachwachsender Rohstoffe

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/3645

Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/3707

Der Antrag wird vom Abgeordneten Herrn Barth begründet. Es folgt dann eine Fünfminutendebatte in der Reihenfolge PDS, DVU-FL, FDVP, CDU und SPD. Nach der Einbringung spricht der Minister für Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt Herr Keller. Bitte sehr, Herr Barth, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorweg möchte ich Ihnen sagen, dass ich mich bei der Begründung des Antrages im Wesentlichen auf nachwachsende Rohstoffe und deren Nutzung, die natürlich auch energetischer Art sein kann, beschränken werde. Auf die regenerativen Energien über die Biomasseproduktion hinaus wird in der Diskussion Peter Oleikiewitz vertiefend eingehen.

Meine Damen und Herren! Der Anbau und die Verarbeitung nachwachsender Rohstoffe sind in SachsenAnhalt zu einem beachtlichen Wirtschaftsfaktor geworden. Gute strukturelle Voraussetzungen, engagierte Wissenschaftler und Unternehmer haben es, nicht zuletzt auch durch die Unterstützung des Landes, geschafft, Sachsen-Anhalt in der Produktion und Verarbeitung nachwachsender Rohstoffe in Deutschland eine führende Position zu geben. Vor allem in der strukturschwachen Region Altmark sind dadurch - das möchte ich hier besonders betonen - zukunftsträchtige Arbeitsplätze entstanden und weitere sind im Entstehen.

Lassen Sie mich aus aktuellem Anlass meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass im Rahmen des Innoregio-Wettbewerbs das Naturstoffinnovationsnetzwerk Altmark - die Kurzbezeichnung lautet „Nina“; das wird mehr bekannt sein - als eines der drei Forschungsprojekte in Sachsen-Anhalt, die sich der Nutzung nachwachsender Rohstoffe widmen, vom Bund gefördert wird. Die Höhe liegt bei 20 Millionen DM. Das ist, denke ich, für unsere strukturschwache Gegend um Garde- legen eine gute Sache.

(Zustimmung von Herrn Rothe, SPD)

Nun werden Sie sich sagen: Das hört sich alles gut an. Warum dann dieser Antrag? Ich denke, wir befinden uns derzeit, was nachwachsende Rohstoffe betrifft, in einem Aufbruch. Die steigenden Preise für Energieträger, das wachsende Interesse an natürlichen Rohstoffen und nicht zuletzt die zukunftsorientierte Energiepolitik der Bundesregierung sind Ursachen bzw. Indikatoren dafür.

Ich sehe, meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben Erläuterungsbedarf, was die zukunftsorientierte Energiepolitik der Bundesregierung angeht.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Die heißt zu Unrecht zu- kunftsorientierte Energiepolitik! Das ist das Pro- blem!)

Wir sind uns sicherlich darin einig, dass die externen Rahmenbedingungen bei der energetischen Nutzung von Biomasse eine gravierende Rolle spielten. Insofern werden Sie nicht umhin kommen zuzugeben, dass mit der Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ein gewaltiger Schritt zur Förderung nachwachsender Rohstoffe getan wurde. Es ist nun an uns, den Prozess der Umsetzung auf Landesebene logistisch bestmöglich zu begleiten. Die Gewährung von Fördergeldern ist das eine, das Schaffen von optimalen Voraussetzungen für Investoren das andere.