Protokoll der Sitzung vom 09.11.2000

Den künftig weiter steigenden Anforderungen an die Beschäftigten wird durch die Einführung von Telelearning ab dem Jahr 2001 entsprochen. Die technischen Voraussetzungen für computergestütztes Lernen sollen im Rahmen des Ausbaus des Intranets Sachsen-Anhalts und der Einrichtung der multimedialen Lernzentren der zentralen IT-Stelle im Innenministerium und im Landesamt für Landesvermessung und Datenverarbeitung in Halle geschaffen werden.

Sie sehen, wir haben uns Großes vorgenommen und uns konkrete Ziele mit konkreten Daten gestellt. Es ist wichtig, Ziele zu nennen, die mit konkreten Daten ver

sehen sind, damit wir wissen, dass wir keine Zeit zu verlieren haben.

Lassen Sie mich - aufgrund der fortgeschrittenen Zeit kann das nur kurz sein - noch auf ein gesellschaftspolitisches Problem, das sich aus alldem ergibt, eingehen. Die Frage, ob jemand mit den neuen Kommunikationsmedien umgehen und sich ihrer bedienen kann, wird in Zukunft wesentlich mit darüber entscheiden, welche Chancen dieser Mensch in der Wissens- und Informationsgesellschaft hat. Dabei gibt es zunächst eine erfreuliche Entwicklung.

Nach einer Umfrage von ARD und ZDF nutzten im Jahre 2000 18,3 Millionen Erwachsene in Deutschland das Internet. Das entspricht 28,6 % der Bevölkerung ab 14 Jahre. Damit hat sich immerhin die Zahl der Nutzer seit dem Jahr 1997 mehr als vervierfacht.

Die Zuwächse erklären sich fast ausschließlich durch die Anwender, die sich zu Hause einen Online-Anschluss eingerichtet haben. Inzwischen können 76 % der Nutzer zu Hause im Internet surfen. Im Jahr 1997 waren es nur 41 %. Die höchsten Steigerungsraten gab es bei denen, die bis vor wenigen Jahren kaum Kontakt mit den neuen Medien hatten, vor allem bei Frauen und Senioren. Der Anteil der weiblichen Online-Nutzer stieg im Jahr 2000 gegenüber 1997 von 27 % auf 39 %. Die Zahl der Internetanwender über 50 Jahre hat sich um den Faktor acht vervielfacht. Das ist immerhin ein Zeichen dafür, dass es auch die Älteren noch lernen können. Wir haben noch Hoffnung.

Gleiche Chancen für alle - das ist eine elementare sozialdemokratische Forderung. Seit über 100 Jahren kämpfen die Sozialdemokraten darum, angefangen bei den Arbeiterbildungsvereinen, gleiche Chancen des Zugangs zu den Hochschulen zu schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Heute muss sich dieser Ansatz im Bereich des Internets bewähren. Trotz der beeindruckenden Steigerungsraten bei der Nutzung des Internets kann man nämlich keinesfalls davon ausgehen, dass in absehbarer Zeit auf diesem Gebiet wirkliche Chancengleichheit entsteht, wenn wir uns nicht aktiv dafür einsetzen.

Die Teilnahme bzw. die Nichtteilnahme am Medium Internet ist neben dem Alter vor allem vom formalen Bildungsgrad, von der Berufstätigkeit und vom Geschlecht abhängig. Der Anteil der Internetanwender unter den akademisch graduierten Personen beträgt immerhin 85,4 %, unter den Personen mit Hauptschulabschluss aber nur 7,4 %. Bei den Nichtberufstätigen und Rentnern liegt der Anteil der Internetbenutzer bei 6,8 %.

Wenn man bedenkt, dass in Zukunft viele der ganz alltäglichen Dienstleistungen - das beginnt beim Einkaufen - über das Internet vermittelt werden, so besteht die Gefahr, dass viele Menschen von dieser Art der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben abgekoppelt werden.

(Zustimmung von Frau Krause, PDS, und von Frau Dr. Sitte, PDS)

Meine Damen und Herren! Eine digitale Spaltung der Gesellschaft dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Obwohl kommerzielle Anbieter von Internetinfrastruktur, also von Hardware, von Software und von Dienstleistungen, ihre Preise drastisch senken und Produkte und Dienste so für immer mehr Benutzergruppen zugänglich werden, wird es ohne Gegensteuerung lange Zeit eine ungleiche Verteilung bei der Nutzung von Internetzugängen innerhalb der Bevölkerung geben. Das würde erhebliche negative Folgen für die beruflichen Chancen dieser Bevölkerungsgruppen haben. Unsere Vision, die wir dagegen setzen, heißt: „Internet für alle“.

(Beifall bei der SPD - Herr Gürth, CDU: Internet für alle!)

Jedem Bürger, jeder Bürgerin, jeder Organisation unseres Landes einen Online-Zugang zu ermöglichen, der einen orts- und zeitunabhängigen Zugriff auf die gesamte Bandbreite der Informationen und Dienstleistungen des World Wide Web zulässt, das ist unser Ziel. Dafür muss, wie bereits gesagt, etwas getan werden. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass die Schulen geöffnet werden, indem den Schülerinnen und Schülern die Nutzung der dort vorhandenen Technik auch in ihrer Freizeit ermöglicht wird.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Es kann nicht sein, dass die Schulen einen Internetzugang im Klassenzimmer haben und dieser nur in den Unterrichtsstunden genutzt werden kann. Der Zugang muss jederzeit gewährleistet werden. Besonders in ländlichen Gebieten kann die Schule außerhalb des Unterrichts stärker zu einem soziokulturellen Zentrum werden, wo man sich trifft und gemeinsam etwas unternimmt.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Ferchland, PDS, von Frau Krause, PDS, und von der Regierungsbank)

Außerdem wird die Landesregierung ihre Anstrengungen zur Ausstattung der öffentlichen Bibliotheken SachsenAnhalts mit einem Internetzugang fortsetzen. Schon jetzt verfügen 15 Bibliotheken über einen kostenlosen Internetzugang. Bis zum Ende des Jahres 2002 werden alle Bibliotheken über einen Internetanschluss verfügen. Das ist unsere Zielsetzung.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie so wollen, dann ist das nur die konsequente Fortsetzung dessen, was einmal mit öffentlichen Bibliotheken angefangen hat. Das kann beim Internet nicht Halt machen.

Die Initiative soll denen, die keinen Computer besitzen, den Zugang zu den neuen Medien erleichtern. Jeder muss die Möglichkeit erhalten, das Internet nutzen zu können.

Die Landesregierung unterstützt die Initiative www. frauen-ans-netz.de, insbesondere deren Anliegen, Frauen mit geringen Zugangsmöglichkeiten zum Internet, Frauen in der Familienphase und Frauen mit derzeit geringen Arbeitsmarktchancen zu helfen, den Nutzen des Internets zu erkennen und dieses für ihre Aus- und Weiterbildung zu nutzen.

Die Landesregierung unterstützt die Aktivitäten, die dazu beitragen, ältere Menschen vom Nutzen der IT-Produkte und Dienstleistungen zu überzeugen, den Erfahrungsaustausch zwischen den Senioren zu erleichtern und IT-Unternehmen für die Belange Älterer hinsichtlich der

benutzerfreundlichen Gestaltung von Technik und ITAnwendung zu sensibilisieren.

Ich möchte ausdrücklich hinzufügen: Einen Schwerpunkt setzen wir bei der Förderung der Behinderten im Umgang mit diesen neuen Medien, denn für sie eröffnen sich, wenn man es richtig angeht, neue Chancen.

(Zustimmung bei der SPD und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss kommen und noch einmal konzentriert unsere Schlussfolgerungen vortragen.

Der Übergang zur Wissens- und Informationsgesellschaft stellt auch für das Land Sachsen-Anhalt eine gewaltige Aufgabe dar. Wir wollen die Entwicklung mitgestalten.

Eine Win-Gesellschaft im doppelten Sinne dieses Wortes wird der Zukunft gewachsen sein, mit Gewinn für die ganze Gesellschaft. Sachsen-Anhalt steht vor der Herausforderung, sich als Wirtschaftsregion und Land darzustellen, in dem es sich zu leben und zu arbeiten lohnt.

Im globalen Wettbewerb müssen wir uns unter vielen Regionen behaupten. Das erfordert, regionale Kompetenzen zu nutzen und entschlossen auszubauen. Wir müssen uns klare Ziele setzen und die Programme kontinuierlich den sich verändernden Bedingungen anpassen.

Die Landesregierung stellt sich der Aufgabe, dieses Ziel tatsächlich zu erreichen und Sachsen-Anhalt fit zu machen für die Wissens- und Informationsgesellschaft und damit fit für die Zukunft.

Ich will einen konkreten Schritt in diese Richtung unternehmen. Ich werde im nächsten Monat einen IT-Beirat bei der Landesregierung berufen, in dem Vertreter der Wirtschaft, der Hochschulen und Bildungseinrichtungen, der Kommunen und anderer am Prozess beteiligter Gruppen die aktuellen Entwicklungen beraten, daraus Aufgabenstellungen ableiten und Lösungsvorschläge erarbeiten. Ich will an dieser Stelle den Landtag ausdrücklich dazu einladen, einen Vertreter zur Mitarbeit in diesen IT-Beirat zu entsenden.

(Zustimmung bei der SPD und von Ministerin Frau Dr. Kuppe - Herr Gürth, CDU: E i n e n Vertreter? - Herr Dr. Daehre, CDU: Einen Vertre- ter! Donnerwetter!)

Der IT-Beirat soll drei Arbeitsgruppen einsetzen: die Gruppe IT-Bildung, die sich speziell mit Fragen von Bildung, Ausbildung und Weiterbildung in diesem Bereich beschäftigt, die Gruppe IT-Wirtschaft, die sich der Förderung von IT-Kompetenz und der Stärkung des IT-Unternehmensnetzes annimmt, und schließlich die Gruppe ITVerwaltung, die sich mit der Umstellung der Verwaltung auf die neuen Kommunikationsmöglichkeiten befasst. Wir haben für alle diese Aufgaben bereits kompetente Partner, die uns Hilfe und Zusammenarbeit angeboten haben. Ich nenne nur die größten: Telekom, Microsoft, IBM und Cisco Systems.

Wir werden das wirtschafts- und beschäftigungspolitische Wachstumspotenzial der Wissensgesellschaft nur umfassend nutzen können, wenn wir die erfolgreiche Strategie der Public-Private-Partnership mit privaten Unternehmen konsequent fortsetzen. Ich habe hier nur die großen Unternehmen genannt. Natürlich geht es darum, vor allen Dingen auch die erfolgreichen kleinen

und mittleren Unternehmen in diesem Lande in diese Entwicklung einzubeziehen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Die großen Ziele sind vorgegeben. Erstens. SachsenAnhalt wird ein flexibler, innovativer Knoten im Netz der weltweit entstehenden Wissensgesellschaft.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Muss!)

Zweitens. Alle Bürgerinnen und Bürger, die dazu be- reit und fähig sind, sollen die Möglichkeit erhalten, mit dem Internet und seinen Möglichkeiten aktiv umzugehen. Das gilt für alle Bevölkerungsschichten, insbesondere für Frauen und ältere Menschen. Die Initiative des Bundes, alle Schulen und öffentlichen Bibliotheken bis zum Jahr 2002 ans Internet anzuschließen, ist ein Schritt dazu.

Drittens. Die Landesregierung wird lebenslanges Lernen fördern, indem sie die Entwicklung von Medienkompetenz bei Lehrerinnen und Lehrern sowie bei Schülerinnen und Schülern unterstützt, sich für die Schaffung zukunftsfähiger Ausbildungsberufe einsetzt, die Umgestaltung der Hochschulen weiter begleitet und die Qualifizierung von Beschäftigten fördert.

Viertens. Die Wirtschaft stellt sich den Herausforderungen im globalen Netzwerk moderner Kommunikation und erhält die größtmögliche Unterstützung durch die Landesregierung.

Fünftens. Die Landesregierung wird das Potenzial der Informationstechnologie für die Modernisierung und Reformierung der Landesverwaltung nutzen. Die Entwicklung eines modernen E-Governments wird die Attraktivität des Landes für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen erhöhen. Diese Maßnahmen werden wir mit der Initiative „Bund online 2005“ und den Initiativen auf kommunaler Ebene abstimmen.

Sechstens. Die Landesregierung selbst wird beispielgebend vorangehen und die Landesverwaltung zum modernen Dienstleistungszentrum für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen ausgestalten. Innerhalb der Landesverwaltung soll sich die integrierte elektronische Vorgangsbearbeitung, dieses papierarme Büro, als Regelfall bis zum Jahr 2005 durchgesetzt haben und die ressortübergreifende informationstechnische Zusammenarbeit soll Realität sein.

Meine Damen und Herren! Wir werden diese großen Herausforderungen nur bestehen, wenn wir sie als gemeinsame Aufgabe begreifen, die viel Kooperation und Veränderungsbereitschaft erfordert. Ob wir diese Herausforderung annehmen und die uns daraus erwachsenden Aufgaben mutig angehen, entscheidet mit über die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam diesen Zukunftsaufgaben gewachsen sind, und ich rechne mit Ihrer konstruktiven Unterstützung. - Schönen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Bevor wir in die Aussprache zur Regierungserklärung eintreten, begrüßen wir Gäste der Landeszentrale für politische Bildung sowie eine ers